TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/9 W135 2223760-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.06.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

09.06.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
VOG §1 Abs1
VOG §6a
VOG §8

Spruch

W135 2223760-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ivona GRUBESIC als Vorsitzende und die Richterin Mag. Carmen LOIBNER-PERGER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Michael SVOBODA als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Dr. HARRICH, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 25.07.2019, GZ: XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages vom 04.12.2008 auf Gewährung von Hilfeleistungen nach dem Verbrechensopfergesetz, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer stellte am 04.12.2018 beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien (im Folgenden: belangte Behörde), einen Antrag auf Gewährung von Hilfeleistungen nach dem Verbrechensopfergesetz (VOG) in Form von Ersatz des Verdienstentganges, Gewährung einer Pauschalentschädigung für Schmerzengeld, Heilfürsorge (Selbstbehalte) und Gewährung einer Pflegezulage und verwies hinsichtlich des Sachverhaltes auf seine polizeiliche Zeugenvernehmung als Opfer am 30.10.2018. In dieser gab der Beschwerdeführer wörtlich Folgendes an:

„Ich bin nach meiner Arbeit als Kellner, am 07.10.2018, gegen 02.00 Uhr, in das Lokal „ XXXX “ gekommen. Ich war gemeinsam mit einem Freund unterwegs. Im Lokal gingen wir in den ersten Stock zu einem Tisch und bestellten uns etwas.

Ich ging in weiterer Folge wieder hinunter und unterhielt mich mit einem Türsteher, den ich zu einen Getränke eingeladen habe. Den Türsteher kenne ich jedoch nicht, da ich das erste Mal im diesem Lokal war.

Ich ging anschließend zur Tanzfläche, wo ich nach kurzer Zeit plötzlich von einem unbekannten Mann, ich glaube mit der Faust, einen Schlag ins Gesicht bekam. Durch den Schlag ging ich zu Boden und ich wurde anschließend, ich glaube von den Türstehern vor das Lokal gebracht. Vor dem Lokal stand ich auf als mich plötzlich ein Mann mit einem weißen T-Shirt wieder ins Gesicht Schlug. Ich glaube, dass es der gleiche Mann war, wie der der mich im Lokal geschlagen hat. Den Mann kann ich nicht näher beschreiben, auch habe ich ihn zuvor noch nie gesehen. Ich glaube er hatte schwarze Haare und einen Bart rund um seinen Mund. Ich bin mir jedoch diesbezüglich nicht ganz sicher.

Durch den Schlag ging ich wieder zu Boden. Ich wollte anschließend mit meinem Handy die Polizei anrufen, jedoch war der Akku meines Handys leer. Ich schaute mich um und konnte keine Person mehr wahrnehmen. Darum nahm ich mir ein Taxi und fuhr nach Hause. Ich dachte mir, dass die Verletzungen nicht so schlimm sind und von alleine heilen. Da dies jedoch nicht der Fall war, begab ich mich am 09.10.2018 in das AKH zur Behandlung.

Ich weiß, dass zu dem Tatzeitpunkt zwei Türsteher, ein Tschetschene und ein Jugoslawe im Dienst Waren, mehr kann ich jedoch nicht angeben.

Mein Freund hat von der Tat nichts mitbekommen, da er sich im Stock des Lokals befand.“

Der Beschwerdeführer begab sich am 09.10.2018 zur Begutachtung ins AKH. In der Verletzungsanzeige der Unfallchirurgie vom selben Tag wird ein nicht frischer Bruch der linken Augenhöhle und des linken Jochbeines sowie eine nicht frische Kopfprellung diagnostiziert. Ein Fremdverschulden wird als „fraglich“ bezeichnet. Als Unfallort wurde vom Beschwerdeführer „ XXXX “ angegeben. Zum Unfallhergang gab der Beschwerdeführer an, von einem Fremden geschlagen worden zu sein. Die Verletzungsanzeige des AKH langte am 12.10.2018 bei der XXXX , ein.

Im Befund des XXXX , Abteilung Mund- und Kieferchirurgie, vom 18.10.2018 wird festgehalten, dass der Beschwerdeführer von 09.10.2018 bis 18.10.2018 wegen des verschobenen Jochbeinbruches links mit Beteiligung der linken Augenhöhle und eines Nasenbeinbruches stationär aufgenommen und die Brüche operativ versorgt worden seien.

Der Beschwerdeführer erstattete mit Anwaltsschriftsatz 18.10.2018 eine Strafanzeige wegen §§ 83, 84 StGB gegen unbekannt. In der Strafanzeige führt der Beschwerdeführer aus, dass er in der Nacht vom „13. auf den 14.10.2018“ das Lokal „ XXXX “ besucht habe. Er sei nur mäßig alkoholisiert gewesen und habe sich völlig unauffällig und friedlich verhalten. Als er auf der Tanzfläche tanzen gewesen sei, habe ihm eine unbekannte Person, vermutlich tschetschenischer Herkunft, von hinten mit voller Wucht auf den Kopf geschlagen. Der Beschwerdeführer sei anschließend von den Securities hinausgetragen worden und habe dort den Angreifer erstmals sehen können. Der Angreifer habe sich mit den Securities angeregt unterhalten und diese hätten den Angreifer nicht daran gehindert, den Beschwerdeführer noch einmal zu schlagen.

Im polizeiamtsärztlichen Befund und Gutachten vom 02.11.2018 wird festgehalten, dass es sich bei der Verletzung des Beschwerdeführers um eine an sich schwere Körperverletzung mit Gesundheitsschädigung und Berufsunfähigkeit von mehr als 24-tägiger Dauer handle.

Im Abschlussbericht der XXXX an die Staatsanwaltschaft vom 07.11.2018 wird eine Anzeige gegen einen unbekannten Täter wegen des Verdachtes auf schwere Körperverletzung zur Anzeige gebracht. Es wird unter anderem festgehalten, dass die Verletzungsanzeige des AKH erst am 12.10.2018 bei der XXXX eingelangt sei und keine Videodateien mehr gesichert hätten werden können. Erst bei der Vernehmung am 30.10.2018 habe der genaue Tatort erhoben werden können, die Videodateien seien zu diesem Zeitpunkt aber bereits gelöscht gewesen, da diese nur 24 Stunden gespeichert würden. Die beiden Türsteher des Lokales, die in dieser Nacht Dienst gehabt hätten, hätten ermittelt werden können, hätten jedoch angegeben, dass sie von dem Vorfall nichts mitbekommen hätten. Zeugen des Vorfalles hätten nicht namhaft gemacht werden können. Eine Nachforschung auf der Homepage des Lokals oder anderen sozialen Medien bezüglich eines Fotos der unbekannten Täterschaft seien negativ verlaufen.

Das von der Staatsanwaltschaft Wien geführte Ermittlungsverfahren gegen unbekannten Täter wurde am 03.12.2018 gemäß § 197 StPO abgebrochen.

Mit angefochtenem Bescheid vom 25.07.2019 wies die belangte Behörde – nach Gewährung eines entsprechenden Parteiengehörs – den Antrag des Beschwerdeführers vom 04.12.2018 auf Gewährung einer Pauschalentschädigung für Schmerzengeld gemäß § 1 Abs. 1 und 7 sowie § 6a VOG (Spruchpunkt I.) ab. Weiters wurden die Anträge auf Ersatz des Verdienstentganges gemäß § 1 Abs. 1, 3 und 7 sowie § 3 VOG (Spruchpunkt II.), auf Gewährung der Heilfürsorge (Selbstbehalte) gemäß § 1 Abs. 1 und 7 sowie § 4 Abs. 1 und 2 VOG (Spruchpunkt III.) und Gewährung einer Pflegezulage gemäß § 1 Abs. 1 und 7 sowie § 6 VOG (Spruchpunkt IV.) abgewiesen. Begründend führt die belangte Behörde aus, dass um Leistungen nach dem Verbrechensopfergesetz bewilligen zu können, nach den gesetzlichen Bestimmungen mit Wahrscheinlichkeit feststehen müsse, dass der Beschwerdeführer mit einer mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe bedrohten, rechtswidrigen und vorsätzlichen Handlung eine Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung erlitten habe. Wahrscheinlichkeit sei gegeben, wenn erheblich mehr für als gegen das Vorliegen der Voraussetzungen spreche. Die bloße Möglichkeit der Verursachung einer Gesundheitsschädigung durch eine Straftat im Sinne des § 1 Abs. 1 VOG reicher für eine Leistung nach den Bestimmungen des Verbrechensopfergesetzes nicht aus. Diesen Grad der geforderten Wahrscheinlichkeit hätten die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nicht begründen können. Es gebe keine Zeugen des vom Beschwerdeführer vorgebrachten Vorfalles. Die Türsteher hätten angegeben, dass es an dem besagten Abend kein derartiges Geschehen gegeben habe. Auch der Freund des Beschwerdeführers habe den Angaben des Beschwerdeführers zu Folge nichts von dem Vorfall mitbekommen. Darüber hinaus habe sich der Beschwerdeführer erst zwei Tage nach dem schädigenden Ereignis in ärztliche Behandlung begeben. Es könne somit nicht mit der für das Verbrechensopfergesetz erforderlichen Wahrscheinlichkeit geklärt werden, wie es zu den Verletzungen des Beschwerdeführers gekommen sei.

Gegen diesen Bescheid erhob der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde. Darin bringt der Beschwerdeführer vor, dass seine Verletzungen objektiviert seien. Der Beschwerdeführer habe am 07.10.2018 einen Bruch des linken Jochbeines sowie eine Kopfprellung erlitten. Dass die Verletzungen daher am 09.10.2018 als „nicht frisch“ im AKH bezeichnet worden seien, sei nachvollziehbar und nicht geeignet einen Zweifel an dieser Darstellung auszulösen. Aus den objektivierten Verletzungen ergebe sich jedenfalls, dass den Beschwerdeführer jemand schwer am Körper verletzt habe. Die Verletzungen seien ihrer Natur nach nur sehr unwahrscheinlich durch einen Sturz oder ähnliches entstanden. Der Umstand, dass im Lokal „ XXXX “ die Türsteher nichts bemerkt hätten, sei ebenfalls nicht geeignet an einer dort stattgefundenen Verletzung Zweifel zu hegen. Einerseits sei es möglich, dass die Türsteher in dem doch relativ großen Lokal nichts bemerkt hätten, andererseits sei auch ein Schutz des allfälligen Täters nicht unwahrscheinlich. Die Einschätzung, dass es dem Beschwerdeführer nicht gelungen sei mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darzulegen, dass eine Straftat gegen ihn begangen worden sei, sei unrichtig. Die Verletzungen ließen im Wesentlichen gar keinen anderen Schluss zu, als dass der Beschwerdeführer von jemandem am Körper verletzt worden sei. Die anderen Varianten wären eher unwahrscheinlich und es sei dem Beschwerdeführer durch die Vorlage der ärztlichen Befunde und seinen Schilderungen durchaus gelungen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darzulegen, dass er Opfer einer gerichtlich strafbaren Handlung geworden sei.

Die belangte Behörde legte die Beschwerde und den bezughabenden Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht am 26.09.2019 zur Entscheidung vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist serbischer Staatsbürger und rechtmäßig in Österreich aufhältig.

Festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer vom 09.10.2018 bis 18.10.2018 im XXXX stationär behandelt wurde, weil er zuvor eine an sich schwere Körperverletzung in Form eines Bruches der linken Augenhöhle und des linken Jochbeines sowie eines Nasenbeinbruches erlitten hat.

Die Ursache und der Zeitpunkt dieser Verletzungen können nicht festgestellt werden.

Es kann nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, dass die an sich schwere Körperverletzung des Beschwerdeführers auf eine zum Entscheidungszeitpunkt mit einer mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe bedrohte, rechtswidrige und vorsätzliche Handlung zurückzuführen ist.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Staatsbürgerschaft des Beschwerdeführers und seinem rechtmäßigen Aufenthalt im Inland ergeben sich aus dem Akteninhalt.

Die Feststellungen zu den Verletzungen des Beschwerdeführers und seinem stationären Aufenthalt im XXXX ergeben sich aus dem im Rahmen der gegenständlichen Antragstellung vorgelegten stationären Patientenbrief vom 18.10.2018, in welchem als Aufnahmegrund eine dislozierte Jochbeinfraktur links mit Orbitabodenbeteiligung und eine Nasenbeinfraktur angeführt werden. Dass es sich dabei um eine an sich schwere Körperverletzung handelt, ergibt sich aus dem polizeiamtsärztlichen Befund und Gutachten der XXXX , vom 02.11.2018.

Was den Verletzungszeitpunkt und die Ursache der vom Beschwerdeführer erlittenen Verletzungen betrifft, ist Folgendes festzuhalten:

Der Beschwerdeführer gab im Rahmen seiner polizeilichen Zeugenvernehmung als Opfer am 30.10.2018 an, im Lokal „ XXXX “ auf der Tanzfläche von einem unbekannten Mann einen Schlag ins Gesicht bekommen zu haben, wodurch er zu Boden gegangen und anschließend glaublich von den Türstehern vor das Lokal gebracht worden sei. Als er vor dem Lokal aufgestanden sei, habe er plötzlich von einem Mann im weißen T-Shirt, glaublich demselben welcher ihn im Lokal geschlagen habe, noch einen Schlag ins Gesicht bekommen, wodurch er wieder zu Boden gegangen sei. Der Beschwerdeführer habe anschließend die Polizei rufen wollen, jedoch sei der Akku seines Handys leer gewesen und habe er auch sonst keine Person mehr wahrnehmen können. Der Beschwerdeführer habe sich ein Taxi genommen und sei Heim gefahren. Er habe gedacht, dass seine Verletzungen „nicht so schlimm seien und von alleine heilen“ würden. Da dies nicht der Fall gewesen sei, habe er sich am 09.10.2018 ins XXXX zur Behandlung begeben.

In der zuvor erfolgten Verletzungsanzeige des XXXX vom 09.10.2018, welche im Rahmen der medizinischen Begutachtung des Beschwerdeführers am selben Tag erstattet wurde, wird hingegen im Widerspruch zu den Angaben des Beschwerdeführers vor der Polizei festgehalten, dass der Beschwerdeführer im Rahmen der Anamnese angegeben hat, „heute von einem Fremden geschlagen worden zu sein“ und als Unfallort wird angeführt „ XXXX “. Die Verletzungen des Beschwerdeführers werden als nicht frisch diagnostiziert. Ein Fremdverschulden wird als „fraglich“ angegeben.

Im Rahmen der Strafanzeige des Beschwerdeführers, welche im Übrigen erst mit Anwaltsschriftsatz vom 18.10.2018 erfolgte, gab der Beschwerdeführer wiederum an, im Lokal „ XXXX “ auf der Tanzfläche von einer unbekannten Person „von hinten mit voller Wucht auf den Kopf“ geschlagen worden zu sein.

Im Rahmen der polizeiamtsärztlichen Untersuchung auf der XXXX , am 02.11.2018 gab der Beschwerdeführer an, mehrere Faustschläge im Gesicht erlitten zu haben.

Bereits diese, klar aus dem Akteninhalt hervorgehenden widersprüchlichen Angaben des Beschwerdeführers zum behaupteten Tathergang lassen erhebliche Zweifel an der Glaubhaftigkeit seiner Aussagen zu, zumal in der Verletzungsanzeige des XXXX ein Fremdverschulden als „fraglich“ angesehen wurde.

Gegen den vom Beschwerdeführer behaupteten Tathergang spricht weiters der Umstand, dass der Beschwerdeführer nicht unmittelbar nach dem behaupteten Vorfall am 07.10.2018 die Polizei verständigt und eine Anzeige erstattet hat. Die Verantwortung des Beschwerdeführers, der Akku seines Handys sei leer gewesen und habe er vor dem Lokal keine Person mehr gesehen, scheint vor dem Hintergrund, dass sich der Beschwerdeführer offenbar noch vor dem Lokal ein Taxi genommen haben will und nach Hause gefahren sein soll, nicht plausibel; viel naheliegender wäre es doch in einem solchen Fall, den Taxifahrer zu ersuchen die Polizei zu rufen bzw. mit dem Taxi zur nächsten Polizeistation zu fahren um eine Anzeige zu erstatten. Jedenfalls aber wäre im Falle eines Fremdverschuldens eine Polizeianzeige spätestens am nächsten Tag, als dem Beschwerdeführer das Ausmaß seiner Verletzungen jedenfalls bewusst geworden sein musste, zu erwarten.

Auch das Vorbringen des Beschwerdeführers, er sei nach dem behaupteten Angriff durch den unbekannten Täter glaublich von den Türstehern – es seien in dieser Nacht zwei im Dienst gewesen – vor das Lokal gebracht worden, wo er glaublich nochmals vom selben Täter angegriffen worden sei, scheint nicht nachvollziehbar; es wäre doch viel wahrscheinlicher, dass die Türsteher die in die Auseinandersetzung verwickelten Personen – insbesondere räumlich – getrennt hätten, um ein nochmaliges Zusammentreffen und weitere Angriffe zu vermeiden. Dass der vermeintliche Täter dem Beschwerdeführer gefolgt sein soll und ihn nochmals angegriffen habe und die Türsteher dabei zugesehen hätten, scheint wenig glaubhaft.

Hinzu kommt, dass – wie bereits von der belangten Behörde ausgeführt wurde – die in der fraglichen Nacht vor Ort gewesenen Türsteher polizeilich befragt wurden und beide angegeben haben, dass es in dieser Nacht den vom Beschwerdeführer geschilderten Vorfall im und vor dem Lokal nicht gegeben habe und auch sonst keinerlei Zeugen ausfindig gemacht werden konnten. Der Freund des Beschwerdeführers, welcher in dieser Nacht auch im Lokal gewesen sein soll, habe den Angaben des Beschwerdeführers zu Folge ebenfalls nichts mitbekommen, weil er sich zum Zeitpunkt des Angriffes nicht auf der Tanzfläche, sondern im ersten Stock des Lokales befunden habe. Aufgrund des Umstandes, dass die Verletzungsanzeige des XXXX erst am 12.10.2018 bei der Polizei einlangte, konnte auch kein Videomaterial gesichert werden, da dieses bereits nach 24 Stunden gelöscht wird.

Was den behaupteten Tatzeitpunkt im Rahmen der Antragstellung, nämlich den 07.10.2018 betrifft, so konnte auch dieser vor dem Hintergrund der Angaben des Beschwerdeführers im Rahmen der erstmaligen Begutachtung im AKH am 09.10.2018, wonach der Beschwerdeführer am selben Tag geschlagen worden sein soll, die Verletzungen des Beschwerdeführers jedoch nicht als frisch diagnostiziert werden, nicht zweifelsfrei festgestellt werden. Hingewiesen wird in diesem Zusammenhang auch darauf, dass in der Strafanzeige des Beschwerdeführers vom 18.10.2018 hinsichtlich des Tatzeitpunktes überhaupt von der Nacht vom 13. auf den 14.10.2018 die Rede ist, was jedenfalls nicht sein kann, da sich der Beschwerdeführer zu diesem Zeitpunkt in stationärer Behandlung im XXXX befand.

Insgesamt kann daher der vom Beschwerdeführer geschilderte Tathergang, welcher sich am 07.10.2018 ereignet haben soll, nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden; vor dem Hintergrund der vorliegenden Beweislage ist ein Sturz des Beschwerdeführers ohne Fremdverschulden oder die Beteiligung an einem Raufhandel, welche einen Ausschlussgrund gemäß § 8 Abs. 1 Z 3 VOG darstellt, als ebenso wahrscheinlich anzusehen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

1. Zur Entscheidung in der Sache:

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Verbrechensopfergesetzes (VOG), lauten:

„Kreis der Anspruchsberechtigten

§ 1. (1) Anspruch auf Hilfe haben österreichische Staatsbürger, wenn mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass sie

1. durch eine zum Entscheidungszeitpunkt mit einer mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe bedrohte rechtswidrige und vorsätzliche Handlung eine Körperverletzung oder eine Gesundheitsschädigung erlitten haben oder

und ihnen dadurch Heilungskosten erwachsen sind oder ihre Erwerbsfähigkeit gemindert ist. Wird die österreichische Staatsbürgerschaft erst nach der Handlung im Sinne der Z 1 erworben, gebührt die Hilfe nur, sofern diese Handlung im Inland oder auf einem österreichischen Schiff oder Luftfahrzeug (Abs. 6 Z 1) begangen wurde.

Hilfeleistungen

§ 2. Als Hilfeleistungen sind vorgesehen:

1. Ersatz des Verdienst- oder Unterhaltsentganges;

10. Pauschalentschädigung für Schmerzengeld.

§ 8. (1) Von den Hilfeleistungen sind Opfer ausgeschlossen, wenn sie

1.       an der Tat beteiligt gewesen sind,

2.       ohne einen von der Rechtsordnung anerkannten Grund den Täter zu dem verbrecherischen Angriff vorsätzlich veranlasst oder sich ohne anerkennenswerten Grund grob fahrlässig der Gefahr ausgesetzt haben, Opfer eines Verbrechens zu werden,

3.       an einem Raufhandel teilgenommen und dabei die Körperverletzung oder die Gesundheitsschädigung (§ 1 Abs. 1) erlitten haben oder

4.       es schuldhaft unterlassen haben, zur Aufklärung der Tat, zur Ausforschung des Täters oder zur Feststellung des Schadens beizutragen.

…“

Voraussetzung für Hilfeleistungen nach dem VOG ist, dass zum Entscheidungszeitpunkt eine mit einer mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe bedrohte rechtswidrige und vorsätzliche Handlung iSd § 1 Abs. 1 Z 1 VOG mit Wahrscheinlichkeit vorliegt.

Die Materialien zur Stammfassung des § 1 VOG, BGBl. Nr. 288/1972, GP XIII RV 40. S.8, lauten (auszugsweise):

"…

Ob die Voraussetzungen für die Gewährung von Hilfeleistungen im Einzelfall gegeben sind, soll möglichst ohne ein aufwendiges Beweisverfahren festgestellt werden. Der Entwurf bestimmt daher, dass sich das zur Gewährung von Hilfeleistungen berufene Organ mit der Feststellung der Wahrscheinlichkeit der tatsächlichen Voraussetzungen begnügen darf. Eine ähnliche Regelung befindet sich im § 4 das Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957, das ebenfalls die Versorgung von der Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges zwischen der Gesundheitsschädigung und dem schädigenden Ereignis abhängig macht.

…"

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist eine ausreichende Wahrscheinlichkeit iSd § 1 Abs. 1 VOG 1972 erst gegeben, wenn erheblich mehr für als gegen das Vorliegen einer Vorsatztat spricht (vgl. VwGH 06.03.2014, 2013/11/0219, mwN).

Diesen Grad der geforderten Wahrscheinlichkeit konnten die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nicht begründen.

Wie in den beweiswürdigenden Ausführungen festgehalten, ist nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die vom Beschwerdeführer erlittene an sich schwere Körperverletzung durch eine mit mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe bedrohte, rechtswidrige und vorsätzliche Handlung herbeigeführt wurde.

Dass das Vorliegen einer Handlung gem. § 1 Abs. 1 Z 1 VOG nicht mit absoluter Sicherheit ausgeschlossen werden kann, also grundsätzlich die Möglichkeit besteht, reicht für die Anerkennung nicht aus (vgl. VwGH zu § 4 KOVG vom 19.11.1986, 86/09/0085).

Die Gesetzeslage bietet keine Handhabe dafür, dass bei nicht geklärter Ursache einer Gesundheitsschädigung, d.h. "im Zweifel", grundsätzlich für den Beschädigten zu entscheiden sei (VwGH 23.09.1993, 93/09/0221).

Somit ist vor dem Hintergrund des Ergebnisses des Beweisverfahrens die Wahrscheinlichkeit der Kausalität der vom Beschwerdeführer geltend gemachten Körperverletzung in Zusammenhang mit der behaupteten Tathandlung zu verneinen.

Unabhängig davon, selbst wenn man im Fall des Beschwerdeführers davon ausgehen würde, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 1 Abs. 1 VOG erfüllt sind und der Ausschlussgrund des § 8 Abs. 1 Z 3 VOG nicht vorliegt, also dem Beschwerdeführer von einem Dritten eine schwere Körperverletzung zugefügt wurde, ohne dass der Beschwerdeführer an einem Raufhandel teilgenommen hat, ist im Fall des Beschwerdeführers vom Ausschlussgrund des § 8 Abs. 1 Z 4 VOG auszugehen, da es der Beschwerdeführer schuldhaft unterlassen hat durch eine unverzügliche Anzeigeerstattung bei der Polizei zur Aufklärung der Tat und Ausforschung des Täters beizutragen.

Gemäß dem Kommentar Ernst/Prakesch, Verbrechensopferhilfegesetz Kommentar (1974), 59, liegt dem §8 Abs. 1 Z 4 „die Erwägung zugrunde, dass die staatliche Hilfe nur solchen Personen zuteil werden soll, die auch bereit sind, zu der im Interesse der Rechtsgemeinschaft gelegenen Verbrechensaufklärung beizutragen. […] Der Begriff „schuldhaft“ umfasst nicht nur die vorsätzliche Unterlassung, sondern auch jedes fahrlässige Verhalten. […] Zur Aufklärung der Tat gehört aber auch, dass der Beschädigte bzw die Hinterbliebenen – falls die Beh nicht bereits Kenntnis von der strafbaren Handlung erlangt haben – unverzüglich Anzeige erstatten, die zur Aufklärung der Tat und zur Ausforschung des Täters erforderlichen Aussagen machen und gegebenenfalls auch Beweismittel der Beh zur Verfügung stellen. […]“

Im gegenständlichen Fall ist davon auszugehen, dass eine unverzügliche Polizeianzeige des Beschwerdeführers wesentlich zur Aufklärung der Tat und Ausforschung des Täters führen hätte können. Der Beschwerdeführer gab im Rahmen seiner polizeilichen Zeugeneinvernahme an, auf der Tanzfläche eines Lokales angegriffen und vor dem Lokal im Beisein von zwei Türstehern nochmals geschlagen worden zu sein. Es ist daher nicht nur nicht ausgeschlossen, sondern vielmehr wahrscheinlich, dass eine unverzügliche Anzeige bei der Polizei zur Aufklärung der Straftat und Ausforschung des Täters beigetragen hätte, da es mehrere potenzielle Zeugen der Tat gegeben hätte. Zudem ist festzuhalten, dass auch bei einer unverzüglichen Polizeianzeige innerhalb von 24 Stunden auch Videomaterial gesichert hätte werden können, welches zur Identifizierung des Täters wesentlich hätte beitragen können.

Da es der Beschwerdeführer im gegenständlichen Fall zumindest fahrlässig unterlassen hat, unverzüglich eine Polizeianzeige zu erstatten, um so zur Aufklärung der Tat und Ausforschung des Täters beizutragen, wäre die Beschwerde daher auch gemäß § 8 Abs. 1 Z 4 VOG als unbegründet abzuweisen gewesen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

2. Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1.       der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2.       die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Im gegenständlichen Fall war zu klären, ob mit der für das Verbrechensopfergesetz erforderlichen Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass der Beschwerdeführer Opfer einer zum Entscheidungszeitpunkt mit einer mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe bedrohten, rechtswidrigen und vorsätzlichen Handlung geworden ist. Bereits aus dem Akteninhalt ergibt sich klar, dass die Angaben des Beschwerdeführers zum Tathergang widersprüchlich waren. Vor dem Hintergrund, dass der Sachverhalt den Unterlagen des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde zu entnehmen war, sohin der entscheidungsrelevante Sachverhalt durch reines Aktenstudium geklärt werden konnte und in der Beschwerde keine Rechts- oder Tatfragen von einer solchen Art aufgeworfen wurden, deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte, war eine mündliche Verhandlung im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. zuletzt VwGH vom 17.02.2015, Zl. Ra 2014/09/0007, mwN) nicht geboten. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen. Im vorliegenden Fall wurde darüber hinaus seitens beider Parteien eine mündliche Verhandlung nicht beantragt (vgl. VwGH 16.12.2013, 2011/11/0180 mit weiterem Verweis auf die Entscheidung des EGMR vom 21.03.2002, Nr. 32.636/96). Eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall ist nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG), weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung. Des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Anzeige Ausschlusstatbestände Hilfeleistung Körperverletzung vorsätzliche Begehung Wahrscheinlichkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W135.2223760.1.00

Im RIS seit

04.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

04.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten