TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/17 W185 2200049-1

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Veröffentlicht am 17.06.2020
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Entscheidungsdatum

17.06.2020

Norm

AsylG 2005 §35
B-VG Art133 Abs4
FPG §11
FPG §11a
VwGVG §14

Spruch

W185 2200049-1/2E

W185 2200045-1/2E

W185 2200039-1/2E

W185 2200041-1/2E

W185 2200048-1/2E

im namen der republik!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard PRÜNSTER nach Beschwerdevorentscheidung der Österreichischen Botschaft Islamabad vom 05.06.2018, Islamabad-ÖB/KONS/1048/2017, aufgrund des Vorlageantrages von 1.) XXXX geb. XXXX , 2.) XXXX , geb. XXXX , 3.) XXXX , geb. XXXX , 4.) XXXX , geb. XXXX und 5.) XXXX , geb. XXXX , alle StA. Afghanistan, alle vertreten durch das Österreichische Rote Kreuz, über die Beschwerden gegen die Bescheide der Österreichischen Botschaft Islamabad vom 26.02.2018, zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerdevorentscheidung vom 05.06.2018, ZI. Islamabad-ÖB/KONS/1048/2017, wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde ersatzlos behoben.

II. Die Beschwerden werden gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 35 AsylG 2005 idgF mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der Spruch der angefochtenen Bescheide zu lauten hat:

„Die Anträge auf Erteilung von Einreisetiteln werden gemäß § 35 Abs. 2 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen.“

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

Die Beschwerdeführer, Staatsangehörige Afghanistans, stellten am 20.02.2017 bei der Österreichischen Botschaft Islamabad (in Folge ÖB Islamabad) unter Anschluss diverser Unterlagen Anträge auf Erteilung von Einreisetiteln gemäß § 35 Abs. 2 AsylG 2005. Als Bezugsperson wurde die Ehefrau des Erstbeschwerdeführers bzw. die Mutter der (Anm: zum Antragszeitpunkt sämtlich noch minderjährigen) Zweit- bis Fünftbeschwerdeführer, XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, genannt, welcher mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in Folge Bundesamt) vom 29.06.2016 der Status einer subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden sei.

Mit E-Mail der ÖB Islamabad vom 24.01.2017 wurde der Vertreterin der Beschwerdeführer (im Zuge einer Terminvereinbarung bei der Botschaft), sohin bereits vor Antragstellung, mitgeteilt, dass Familienangehörige eines subsidiär Schutzberechtigten erst frühestens drei Jahre nach rechtskräftiger Statuszuerkennung einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels stellen können. Im vorliegenden Fall wären die Anträge daher zurückzuweisen.

Mit E-Mail vom selben Tag teilte die Vertreterin der Beschwerdeführer der Botschaft mit, dass die Angehörigen der Bezugsperson nach drei Jahren fast alle volljährig sein würden. Deshalb würde man versuchen, einen Antrag zu stellen und abzuwarten, nach welchen Kriterien auf Grund der Novellierung die Entscheidung getroffen würde.

Nach Übermittlung der Antragsunterlagen durch die Botschaft an das Bundesamt teilte dieses am 01.02.2018 gemäß § 35 Abs. 4 AsylG mit, dass die Gewährung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten oder Asylberechtigten betreffend die Beschwerdeführer nicht wahrscheinlich sei. Begründend wurde ausgeführt, dass die Bezugsperson weniger als drei Jahre über den Status eines subsidiär Schutzberechtigten verfüge (§ 35 Abs. 2 AsylG). Der Bezugsperson sei mit Bescheid des Bundesamtes vom 29.06.2016, rechtskräftig seit 21.07.2016, der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden. Ein Aberkennungsverfahren sei nicht anhängig.

Mit Schreiben vom 02.02.2018, zugestellt am selben Tag, wurde den Beschwerdeführern eine Aufforderung zur Stellungnahme (Parteiengehör) übermittelt. Es wurde mitgeteilt, dass das Bundesamt nach Prüfung des Antrags mitgeteilt habe, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten nicht wahrscheinlich sei; hingewiesen wurde hiebei auf die beiliegende Mitteilung und Stellungnahme des Bundesamtes vom 01.02.2018. Daraus ergebe sich, dass die Anträge auf Erteilung von Einreisetiteln gemäß § 26 FPG in Verbindung mit § 35 Abs. 4 AsylG abzulehnen wären. Es werde Gelegenheit gegeben, innerhalb der Frist von einer Woche ab Zustellung die angeführten Ablehnungsgründe durch unter Beweis zu stellendes Vorbringen zu zerstreuen.

Mit Mail vom 06.02.2018 gewährte die ÖB Islamabad eine Fristerstreckung im Ausmaß einer Woche.

In der Stellungnahme vom 14.02.2018, eingelangt bei der ÖB Islamabad am selben Tag, verfasst durch die rechtsfreundliche Vertretung, brachten die Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, dass die vorliegenden Anträge vor Ablauf der in § 35 Abs. 2 AsylG verankerten Frist gestellt werden würden, da bei Abwarten der Frist alle Kinder der Bezugsperson volljährig und damit keine Familienangehörigen gem. § 35 Abs. 5 AsylG mehr seien. Ein Familiennachzug sei dann erst mit Erreichen der österreichischen Staatsbürgerschaft und somit in unbestimmter Zeit möglich. Auf Art. 8 EMRK sowie Art. 14 EMRK und Art. I Abs. 1 BVG-Rassendiskriminierung wurde hingewiesen. Die verfassungskonforme Interpretation des § 35 Abs. 2 AsylG könne nur darin bestehen, dass die Ausnahmebestimmung des § 35 Abs. 4 Z 3 AsylG auch auf die Wartefrist von drei Jahren anwendbar sei. Andernfalls müsse die Wortfolge „frühestens drei Jahre“ des § 35 Abs. 2 AsylG als verfassungswidrig aufgehoben werden. Die Familienzusammenführung von subsidiär Schutzberechtigten werde nach der oben genannten Bestimmung generell um 3 Jahre verzögert; falls, wie gegenständlich, einzelne Familienmitglieder in dieser Zeit volljährig würden, werde die Familienzusammenführung durch die Wartefrist gar verhindert. Die massive Ungleichbehandlung von Angehörigen von Asylberechtigten und subsidiär Schutzberechtigten werde seitens des Gesetzgebers nicht ausreichend sachlich begründet. Die Trennung der Familie stehe in direktem Zusammenhang mit den Fluchtgründen. Österreich sei der einzige Staat zur Fortführung des gemeinsamen Familienlebens. Unter Beachtung der dargestellten Situation der Familie sei es dringend geboten, das Familienleben nach Art 8 EMRK in Österreich fortzuführen. Beigeschlossen waren u.a. Krankenhausbefunde (teilweise übersetzt ins Englische) sowie Integrationsunterlagen der Bezugsperson).

Nach Übermittlung der oberndargestellten Stellungnahme der Beschwerdeführer an das Bundesamt teilte dieses am 23.02.2018 mit, dass die negative Wahrscheinlichkeitsprognose aufrecht bleibe, da die Einreiseanträge gegenständlich „zu früh eingebracht“ worden seien. An der Stellungnahme vom 01.02.2018 werde festgehalten.

Mit Bescheiden der ÖB Islamabad vom 26.02.2018, zugestellt am selben Tag, wurden die Einreisanträge der Beschwerdeführer mit der o.a. Begründung gemäß § 26 FPG iVm § 35 AsylG abgewiesen. Eine ausführliche Begründung sei der beiliegenden Stellungnahme des Bundesamtes vom 01.02.2018 zu entnehmen gewesen. Die Stellungnahme der Beschwerdeführer vom 14.02.2018 sei dem Bundesamt zur neuerlichen Beurteilung der Prognoseentscheidung zugeleitet worden. Nach deren Prüfung habe die Behörde am 23.02.2018 mitgeteilt, dass vollinhaltlich an der negativen Wahrscheinlichkeitsprognose festgehalten werde. Daraus habe sich ergeben, dass die Anträge abzulehnen gewesen wären.

Gegen die Bescheide der ÖB Islamabad wurden am 26.03.2018 fristgerecht Beschwerden erhoben und darin im Wesentlichen die Ausführungen der Stellungnahme vom 14.02.2018 wiederholt. Im vorliegenden Fall seien die Einreiseanträge unbestritten vor Ablauf der 3-Jahres-Frist gestellt worden; hätte man diese abgewartet, wären dann drei der Kinder bereits volljährig und somit keine Familienangehörigen iSd § 35 Abs 5 AsylG mehr. Im vorliegenden Fall hänge die Trennung der Familie direkt mit der Flucht der Bezugsperson zusammen; die Trennung der Familie habe nicht freiwillig stattgefunden. Eine Fortsetzung des Familienlebens in Afghanistan komme nicht in Betracht; Österreich stelle den einzigen Staat zur Fortführung des gemeinsamen Familienlebens dar. Es sei dringend geboten, das Familienleben nach Art. 8 EMRK in Österreich fortzuführen.

Am 18.04.2018 erteilte die ÖB Islamabad einen Verbesserungsauftrag, da der Beschwerde näher bezeichnete Unterlagen entgegen der Rechtsmittelbelehrung des Bescheides nicht in deutscher Übersetzung angeschlossen gewesen seien.

Dem Verbesserungsauftrag wurde fristgerecht entsprochen.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom 05.06.2018 wies die ÖB Islamabad die (zulässigen) Beschwerden gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG als unbegründet ab. Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH seien österreichische Vertretungsbehörden bezüglich der Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG 2005 an die Mitteilung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl hinsichtlich der Prognose einer Asylgewährung bzw. Gewährung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten gebunden. Eine Nachprüfung dieser Wahrscheinlichkeitsprognose nach negativer Mitteilung des Bundesamtes durch die Botschaft komme daher nicht in Betracht. Daran, dass die Vertretungsbehörden an die Wahrscheinlichkeitsprognose des Bundesamtes gebunden seien, und damit keinen eigenen Entscheidungsspielraum hätten, habe der VwGH in seiner Entscheidung vom 30.06.2016, Ra 2015/21/0068, festgehalten. Danach unterliege die Wahrscheinlichkeitsbeurteilung des Bundesamtes einer Überprüfung nur durch das Bundesverwaltungsgericht, wenn gegen einen Bescheid nach § 35 AsylG 2005 Beschwerde erhoben werde. Es habe unstrittig eine negative Wahrscheinlichkeitsprognose des Bundesamtes vorgelegen. Die Stellungnahme der Beschwerdeführer sei ordnungsgemäß dem Bundesamt vorgelegt worden, welches bei seiner negativen Prognose geblieben sei. Erst in der Folge sei bescheidmäßig abgesprochen worden. Als allein tragender Grund für die Abweisung der von den Beschwerdeführern gestellten Einreiseanträge sei somit nur in Betracht gekommen, dass nach der Mitteilung des Bundesamtes die Erfolgsaussichten der Anträge der Beschwerdeführer auf Gewährung desselben Schutzes wie der Bezugsperson als nicht wahrscheinlich einzustufen seien. Darauf sei in den angefochtenen Bescheiden auch ausschließlich Bezug genommen worden. Jenseits und unabhängig von der dargestellten Bindungswirkung teile die belangte Behörde die Ansicht des Bundesamtes, dass die Wartefrist des § 35 Abs. 2 AsylG nicht eingehalten worden sei. Die formellen Voraussetzungen würden daher nicht vorliegen. Betreffend Art. 8 EMRK sei festzuhalten, dass dieser unter Gesetzesvorbehalt stehe. Die Regeln des Einwanderungsrechtes würden eine ausreichende gesetzliche Grundlage in Hinblick auf die Frage der Rechtfertigung des Eingriffes nach Art. 8 Abs. 2 EMRK darstellen. Auch nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH und VfGH komme der Einhaltung fremdenrechtlicher Vorschriften aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung ein hoher Stellenwert zu. Überdies sei die Familienzusammenführungsrichtlinie nicht auf Familienangehörige von subsidiär Schutzberechtigten anwendbar. Auch liege keine Verletzung des Gleichheitsgebotes des BVG-Rassendiskriminierung bzw. des Art. 14 EMRK vor. Zwischen Asylberechtigten und subsidiär Schutzberechtigten würden sachliche Unterschiede bestehen, da der Aufenthaltsstatus von subsidiär Schutzberechtigten von vornherein eher von provisorischer Natur sei. Hinsichtlich der Wartefrist des § 35 Abs 2 AsylG idF BGBl I Nr 24/2016 ei die Rechtslage eindeutig; bereits der klare Wortlaut der Regelung verbiete eine von den Beschwerdeführern offenbar erwünschte verfassungs- und EMRK-konforme Interpretation.

Am 13.06.2018 wurde bei der ÖB Islamabad ein Vorlageantrag gemäß § 15 VwGVG eingebracht. Auf die Beschwerdeausführungen wurde verwiesen.

Mit Schreiben des Bundesministeriums für Inneres vom 03.07.2018, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 05.07.2018, wurde dem Bundesverwaltungsgericht der Vorlageantrag samt Verwaltungsakt übermittelt. In dem genannten Schreiben wurde explizit drauf hingewiesen, dass die Beschwerdevorentscheidung nicht zeitgerecht erlassen worden sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Erstbeschwerdeführer ist der Vater der zum Antragszeitpunkt noch minderjährigen, zum nunmehrigen Entscheidungszeitpunkt volljährigen Zweit- bis Fünftbeschwerdeführer. Alle Beschwerdeführer sind Staatsangehörige Afghanistans. Sie stellten am 20.02.2017 bei der ÖB Islamabad Anträge auf Erteilung von Einreisetiteln nach § 35 Abs. 2 AsylG, wobei als Bezugsperson die Ehefrau des Erstbeschwerdeführers bzw. die Mutter der Zweit- bis Fünftbeschwerdeführer, XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, genannt wurde.

Der Bezugsperson wurde mit Bescheid des Bundesamtes vom 29.06.2016, rechtskräftig seit 21.07.2016, der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt. Die befristete Aufenthaltsberechtigung der Bezugsperson wurde in der Zwischenzeit durch das Bundesamt bis 26.09.2021 verlängert; ein Aberkennungsverfahren ist nicht anhängig.

Nach Übermittlung der Antragsunterlagen an das Bundesamt wurde mit Mitteilung gemäß § 35 Abs. 4 AsylG vom 01.02.2018 bekanntgegeben, dass eine Gewährung desselben Schutzes nicht wahrscheinlich sei, da die Bezugsperson weniger als drei Jahre über den Status eines subsidiär Schutzberechtigten verfüge. Die negative Wahrscheinlichkeitsprognose des Bundesamtes wurde nach neuerlicher Prüfung des Sachverhaltes auf Grundlage einer Stellungnahme der Beschwerdeführer vom 14.02.2018 aufrechterhalten.

Die Beschwerdeführer stellten die Anträge auf Erteilung von Einreisetiteln am 20.02.2017 – sohin vor Ablauf der gesetzlich vorgesehenen dreijährigen Wartefrist. Die Anträge erweisen sich daher als unzulässig.

Die Beschwerden gegen die angefochtenen Bescheide langte bei der Behörde am 26.03.2018 (elektronisch) ein. Die zweimonatige Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung gemäß § 14 VwGVG endete somit am 26.05.2018. Die Beschwerdevorentscheidung wurde erst am 05.06.2018 zugestellt und erweist sich somit als verspätet. Die Beschwerdevorentscheidung wurde somit von einer unzuständigen Behörde erlassen.

2. Beweiswürdigung:

Die festgestellten Tatsachen ergeben sich aus den Akten der ÖB Islamabad, den vorgelegten weiteren Unterlagen, dem Bescheid des Bundesamtes vom 29.06.2016, mit welchem der Bezugsperson der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, aus der Abfrage des Zentralen Fremdenregisters, des Zentralen Melderegisters und des Betreuungsinformationssystem GVS durch das Bundesverwaltungsgericht.

Dass die gegenständlichen Einreiseanträge vor Ablauf der in § 35 Abs. 2 AsylG normierten Dreijahresfrist gestellt wurden, wurde von den Beschwerdeführern nicht bestritten, sondern war diesen bereits bei Antragstellung bewusst. Die Beschwerdeführervertreterin wurde auf diesen Umstand von der Botschaft im Vorfeld auch nachweislich hingewiesen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG) idF BGBl. I Nr. 57/2018, lauten wie folgt:

„§ 2 Soweit die Bundes- oder Landesgesetze nicht die Entscheidung durch den Senat vorsehen, entscheidet das Verwaltungsgericht durch Einzelrichter (Rechtspfleger).

Beschwerdevorentscheidung

§ 14 (1) Im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG steht es der Behörde frei, den angefochtenen Bescheid innerhalb von zwei Monaten aufzuheben, abzuändern oder die Beschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen (Beschwerdevorentscheidung). § 27 ist sinngemäß anzuwenden.

(2) Will die Behörde von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung absehen, hat sie dem Verwaltungsgericht die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen.

(Anm.: Abs. 3 aufgehoben durch Art. 5 Z 11, BGBl. I Nr. 138/2017)

Vorlageantrag

§ 15 (1) Jede Partei kann binnen zwei Wochen nach Zustellung der Beschwerdevorentscheidung bei der Behörde den Antrag stellen, dass die Beschwerde dem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wird (Vorlageantrag). Wird der Vorlageantrag von einer anderen Partei als dem Beschwerdeführer gestellt, hat er die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt (§ 9 Abs. 1 Z 3), und ein Begehren (§ 9 Abs. 1 Z 4) zu enthalten.

(2) Ein rechtzeitig eingebrachter und zulässiger Vorlageantrag hat aufschiebende Wirkung, wenn die Beschwerde

1. von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung hatte und die Behörde diese nicht ausgeschlossen hat;

2. von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung hatte, die Behörde diese jedoch zuerkannt hat.

Die Behörde hat dem Verwaltungsgericht den Vorlageantrag und die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verfahrens vorzulegen und den sonstigen Parteien die Vorlage des Antrags mitzuteilen.

(3) Verspätete und unzulässige Vorlageanträge sind von der Behörde mit Bescheid zurückzuweisen. Wird gegen einen solchen Bescheid Beschwerde erhoben, hat die Behörde dem Verwaltungsgericht unverzüglich die Akten des Verfahrens vorzulegen.

Anzuwendendes Recht

§ 17 Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.“

Die maßgeblichen Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) idgF lauten:

„Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten

§ 11 (1) In Verfahren vor österreichischen Vertretungsbehörden haben Antragsteller unter Anleitung der Behörde die für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes erforderlichen Urkunden und Beweismittel selbst vorzulegen; in Verfahren zur Erteilung eines Visums D ist Art. 19 Visakodex sinngemäß anzuwenden. In Verfahren zur Erteilung eines Visums gemäß § 20 Abs. 1 Z 9 sind Art 9 Abs. 1 erster Satz und Art 14 Abs. 6 Visakodex sinngemäß anzuwenden. Der Antragssteller hat über Verlangen der Vertretungsbehörde vor dieser persönlich zu erscheinen, erforderlichenfalls in Begleitung eines Dolmetschers (§ 39a AVG). § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG gilt nur für in Österreich zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Personen. Die Vertretungsbehörde hat nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Eine Entscheidung, die dem Standpunkt des Antragstellers nicht vollinhaltlich Rechnung trägt, darf erst ergehen, wenn die Partei Gelegenheit zur Behebung von Formgebrechen und zu einer abschließenden Stellungnahme hatte.

(2) Partei in Verfahren vor der Vertretungsbehörde ist ausschließlich der Antragssteller.

(3) Die Ausfertigung bedarf der Bezeichnung der Behörde, des Datums der Entscheidung und der Unterschrift des Genehmigenden; an die Stelle der Unterschrift kann das Siegel der Republik Österreich gesetzt werden, sofern die Identität des Genehmigenden im Akt nachvollziehbar ist. Die Zustellung hat durch Übergabe in der Vertretungsbehörde oder, soweit die internationale Übung dies zulässt, auf postalischem oder elektronischem Wege zu erfolgen; ist dies nicht möglich, so ist die Zustellung durch Kundmachung an der Amtstafel der Vertretungsbehörde vorzunehmen.

(4) Vollinhaltlich ablehnende Entscheidungen gemäß Abs. 1 betreffend Visa D sind schriftlich in einer Weise auszufertigen, dass der Betroffene deren Inhalt und Wirkung nachvollziehen kann. Dem Betroffenen sind die Gründe der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit, die der ihn betreffenden Entscheidung zugrunde liegen, genau und umfassend mitzuteilen, es sei denn, dass Gründe der Sicherheit der Republik Österreich dieser Mitteilung entgegenstehen. In der schriftlichen Ausfertigung der Begründung sind auch die Rechtsmittelinstanz und die Rechtsmittelfrist anzugeben.

(5) Für die Berechnung von Beginn, Lauf und Ende von Fristen (§ 33 AVG) gelten die Wochenend- und Feiertagsregelungen im Empfangsstaat.

(6) Kann dem Antrag auf Erteilung eines Visums D auf Grund zwingender außenpolitischer Rücksichten oder aus Gründen der nationalen Sicherheit nicht stattgegeben werden, so ist die Vertretungsbehörde ermächtigt, sich auf den Hinweis des Vorliegens zwingender Versagungsgründe zu beschränken. Der maßgebliche Sachverhalt muss auch in diesen Fällen im Akt nachvollziehbar sein.

(7) Der Fremde hat im Antrag auf Erteilung eines Visums D den jeweiligen Zweck und die beabsichtigte Dauer der Reise und des Aufenthaltes bekannt zu geben. Der Antrag ist zurückzuweisen, sofern der Antragsteller, ausgenommen die Fälle des § 22 Abs. 3, trotz Aufforderung und Setzung einer Nachfrist kein gültiges Reisedokument oder gegebenenfalls kein Gesundheitszeugnis vorlegt oder wenn der Antragsteller trotz entsprechenden Verlangens nicht persönlich vor der Behörde erschienen ist, obwohl in der Ladung auf diese Rechtsfolge hingewiesen wurde.

(8) Minderjährige Fremde, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, können bei Zustimmung des gesetzlichen Vertreters die Erteilung eines Visums selbst beantragen.

(9) Für die Entscheidungenüber die Erteilung eines Visums für Saisoniers (§2 Abs. 4 Z 13) oder Praktikanten (§2 Abs. 4 Z13a) ist Art 23 Abs. 1 bis 3 Visakodex sinngemäß anzuwenden.

Beschwerden gegen Bescheide österreichischer Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten

§ 11a (1) Der Beschwerdeführer hat der Beschwerde gegen einen Bescheid einer österreichischen Vertretungsbehörde sämtliche von ihm im Verfahren vor der belangten Vertretungsbehörde vorgelegten Unterlagen samt Übersetzung in die deutsche Sprache anzuschließen.

(2) Beschwerdeverfahren sind ohne mündliche Verhandlung durchzuführen. Es dürfen dabei keine neuen Tatsachen oder Beweise vorgebracht werden.

(3) Sämtliche Auslagen der belangten Vertretungsbehörde und des Bundesverwaltungsgerichtes für Dolmetscher und Übersetzer sowie für die Überprüfung von Verdolmetschungen und Übersetzungen sind Barauslagen im Sinn des § 76 AVG.

(4) Die Zustellung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes hat über die Vertretungsbehörde zu erfolgen. § 11 Abs. 3 gilt.

Visa zur Einbeziehung in das Familienverfahren nach dem AsylG 2005

§ 26 Teilt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005 mit, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist, ist dem Familienangehörigen gemäß § 35 Abs. 5 AsylG 2005 ohne Weiteres zur einmaligen Einreise ein Visum mit viermonatiger Gültigkeitsdauer zu erteilen.“

Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 (AsylG) idgF lauten:

„Familienverfahren im Inland

§ 34 (1) Stellt ein Familienangehöriger von

1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;

2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder

3. einem Asylwerber

einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist und

(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)

3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).

(3) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist;

(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)

3. gegen den Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 9) und

4. dem Familienangehörigen nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist.

(4) Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.

(5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.

(6) Die Bestimmungen dieses Abschnitts sind nicht anzuwenden:

1. auf Familienangehörige, die EWR-Bürger oder Schweizer Bürger sind;

2. auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind.

3. im Fall einer Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 NAG).

Anträge auf Einreise bei Vertretungsbehörden

§ 35 (1) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei einer mit konsularischen Aufgaben betrauten österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland (Vertretungsbehörde) stellen. Erfolgt die Antragstellung auf Erteilung eines Einreisetitels mehr als drei Monate nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, sind die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 zu erfüllen.

(2) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 frühestens drei Jahre nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der Vertretungsbehörde stellen, sofern die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind. Diesfalls ist die Einreise zu gewähren, es sei denn, es wäre auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen oder in drei Monaten nicht mehr vorliegen werden. Darüber hinaus gilt Abs. 4.

(2a) Handelt es sich beim Antragsteller um den Elternteil eines unbegleiteten Minderjährigen, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, gelten die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 als erfüllt.

(3) Wird ein Antrag nach Abs. 1 oder Abs. 2 gestellt, hat die Vertretungsbehörde dafür Sorge zu tragen, dass der Fremde ein in einer ihm verständlichen Sprache gehaltenes Befragungsformular ausfüllt; Gestaltung und Text dieses Formulars hat der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten und nach Anhörung des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (§ 63) so festzulegen, dass das Ausfüllen des Formulars der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts dient. Außerdem hat die Vertretungsbehörde auf die Vollständigkeit des Antrages im Hinblick auf den Nachweis der Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 hinzuwirken und den Inhalt der ihr vorgelegten Dokumente aktenkundig zu machen. Der Antrag auf Einreise ist unverzüglich dem Bundesamt zuzuleiten.

(4) Die Vertretungsbehörde hat dem Fremden aufgrund eines Antrags auf Erteilung eines Einreisetitels nach Abs. 1 oder 2 ohne weiteres ein Visum zur Einreise zu erteilen (§ 26 FPG), wenn das Bundesamt mitgeteilt hat, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist. Eine derartige Mitteilung darf das Bundesamt nur erteilen, wenn

1. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§§ 7 und 9),

2. das zu befassende Bundesministerium für Inneres mitgeteilt hat, dass eine Einreise den öffentlichen Interessen nach Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht widerspricht und

3. im Falle eines Antrages nach Abs. 1 letzter Satz oder Abs. 2 die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind, es sei denn, die Stattgebung des Antrages ist gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten.

Bis zum Einlangen dieser Mitteilung ist die Frist gemäß § 11 Abs. 5 FPG gehemmt. Die Vertretungsbehörde hat den Fremden über den weiteren Verfahrensablauf in Österreich gemäß § 17 Abs. 1 und 2 zu informieren.

(5) Nach dieser Bestimmung ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat.

Übergangsbestimmungen

§ 75 (24) Auf Fremde, denen der Status des Asylberechtigten bereits vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl I Nr. 24/2016 zuerkannt wurde und auf Fremde, die einen Antrag auf internationalen Schutz vor dem 15. November 2015 gestellt haben, sind die §§ 2 Abs. 1 Z 15, 3 Abs. 4 bis 4b, 7 Abs. 2a und 51a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr. 24/2016 nicht anzuwenden. Für diese Fremden gilt weiter § 2 Abs. 1 Z 15 in der Fassung vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl I Nr. 24/2016. §§ 17 Abs. 6 und 35 Abs. 1 bis 4 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr. 24/2016 sind auf Verfahren, die bereits vor dem 1. Juni 2016 anhängig waren, nicht anzuwenden. Auf Verfahren gemäß § 35, die bereits vor dem 1. Juni 2016 anhängig waren, ist § 35 Abs. 1 bis 4 in der Fassung vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl I Nr. 24/2016 weiter anzuwenden. Handelt es sich bei einem Antragsteller auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 Abs. 1 um den Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten bereits vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl I Nr. 24/2016 rechtskräftig zuerkannt wurde, sind die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 nicht zu erfüllen, wenn der Antrag auf Erteilung des Einreisetitels innerhalb von drei Monaten nach Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl I Nr. 24/2016 gestellt wurde. § 22 Abs. 1 gilt für Verfahren, die mit Ablauf des 31. Mai 2018 bereits anhängig waren, auch noch nach dem 31. Mai 2018 weiter.“

Die gegenständlichen Anträge auf Erteilung von Einreisetiteln wurden am 20.02.2017 und somit nach Inkrafttreten des § 35 AsylG idF BGBl. I Nr. 24/2016 am 01.06.2016, eingebracht.

Es war daher § 35 Abs. 1 bis 4 AsylG 2005 in der geltenden Fassung anzuwenden.

Zu A) Zu Spruchpunkt I.:

Die Beschwerde vom 26.03.2018, elektronisch eingelangt bei der ÖB Islamabad am selben Tag, wurde rechtzeitig erhoben und ist zulässig.

Die Beschwerdevorentscheidung wurde am 05.06.2018, somit verspätet und damit von einer unzuständigen Behörde, erlassen.

Gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG steht es der belangten Behörde frei, den angefochtenen Bescheid – innerhalb von zwei Monaten – aufzuheben, abzuändern oder die Beschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen (Beschwerdevorentscheidung); dies unter sinngemäßer Beachtung des § 27 VwGVG. Die zweimonatige Frist beginnt mit dem Einlangen der Beschwerde bei der Behörde zu laufen (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren, § 14 Rz 6), ebenso Eder/Martschin/Schmid, das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte [2017], § 14 VwGVG K 6.).

Diese zweimonatige Frist endete hinsichtlich der am 26.03.2018 bei der Behörde per Mail eingegangenen Beschwerde nach § 33 Abs. 2 AVG (iVm § 17 VwGVG) mit Ablauf des 26.05.2018. Das Einlangen der Beschwerde mit 26.03.2018 wurde in der Beschwerdevorentscheidung auch nicht bestritten. Die Beschwerdevorentscheidung wurde jedoch erst am 05.06.2018 zugestellt und ist somit als verspätet und damit als von einer unzuständigen Behörde erlassen zu qualifizieren.

Die Beschwerdevorentscheidung war in der Folge wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde (zu deren Erlassung) ersatzlos zu beheben (vgl. Eder/Martschin/Schmid, das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte [2017], § 14 VwGVG K 7.)

Zu A) II. Abweisung der Beschwerden:

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die österreichische Vertretungsbehörde im Ausland in Bezug auf die Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG 2005 an die Mitteilung des Bundesasylamtes (nunmehr: des Bundeamtes für Fremdenwesen und Asyl) über die Prognose einer Asylgewährung bzw. Gewährung subsidiären Schutzes gebunden, und zwar auch an eine negative Mitteilung. Diesbezüglich kommt ihr keine eigene Prüfungskompetenz zu (vgl. VwGH 16.12.2014, Ro 2014/22/0034 unter Hinweis auf VwGH 17.10.2013, 2013/21/0152; VwGH 19.06.2008, 2007/21/0423).

Soweit es innerhalb des mit dem Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetz – FNG, BGBl. I Nr. 87/2012 geschaffenen geschlossenen Rechtsschutzsystems allerdings dem Bundesverwaltungsgericht nunmehr offensteht, auch die Einschätzung des Bundeamtes für Fremdenwesen und Asyl über die Wahrscheinlichkeit der Gewährung internationalen Schutzes an den Antragsteller auf ihre Richtigkeit zu überprüfen (VwGH 01.03.2016, Ro 2015/18/0002), so führt diese Überprüfung im Beschwerdefall zu keinem anderen Ergebnis.

Die negative Prognose des Bundesamtes ist nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes zutreffend:

§ 35 Abs. 2 AsylG idgF bestimmt, dass der Familienangehörige (gemäß Abs. 5 leg. cit.) eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der Vertretungsbehörde frühestens drei Jahre nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten stellen kann.

Wie oben festgestellt, haben die Beschwerdeführer die Anträge auf Erteilung von Einreisetiteln bereits am 20.02.2017 – sohin weit vor Ablauf der dreijährigen Wartefrist – gestellt, sodass sich diese Anträge als unzulässig erweisen. Auf diese Tatsache wurde die Vertreterin der Beschwerdeführer vor Antragseinbringung seitens der Botschaft auch explizit hingewiesen.

Wenn die Beschwerdeführer im Verfahren dahingehend argumentieren, dass eine „verfassungskonforme Interpretation“ der durch BGBl. I Nr. 24/2016 eingeführten dreijährigen Frist, welche zwischen der rechtskräftigen Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten an die Bezugsperson und der Stellung eines Einreiseantrages mindestens verstrichen sein muss, nur darin bestehen könne, dass die Ausnahmebestimmung des § 35 Abs. 4 Z 3 AsylG auch auf die Wartefrist von drei Jahren anwendbar sei, steht diese Argumentation im Gegensatz zum klaren Wortlaut der anzuwendenden Bestimmung. In Bezug auf die dreijährige Frist wurde eine Ausnahmebestimmung durch den Gesetzgeber gerade nicht normiert, weshalb diesbezüglich von einer zwingenden Zulässigkeitsvoraussetzung für die Stellung eines Antrags auf Erteilung eines Einreisetitels auszugehen ist, welche der Gesetzgeber bewusst eingeführt hat. Für das Vorliegen einer planwidrigen Lücke bestehen keine Anhaltspunkte.

In diesem Zusammenhang sowie in Bezug auf den von den Beschwerdeführern im Verfahren ebenfalls relevierten Art 8 EMRK, ist auf ein jüngst ergangenes Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes in einem ähnlich gelagerten Fall zu verweisen (vgl. VfGH vom 10.10.2018, E 4248-4251/2017-20), in welchem der Verfassungsgerichtshof ausspricht, dass aus Art. 8 EMRK keine generelle Verpflichtung abzuleiten sei, dem Wunsch des Fremden, sich in einem bestimmten Konventionsstaat aufzuhalten, nachzukommen (vgl. auch VfSlg. 19.713/2012). Die EMRK verbürge Ausländern demnach weder ein Recht auf Einreise, Einbürgerung und Aufenthalt (vgl. EGMR vom 28.06.2011, Nunez, Nr. 55.597/09), noch umfasse Art. 8 EMRK die generelle Verpflichtung eines Konventionsstaates, die Wahl des Familienwohnsitzes durch die verschiedenen Familienmitglieder anzuerkennen und die Zusammenführung einer Familie auf seinem Gebiet zu erlauben (vgl. EGMR vom 19.02.1996, Gül, Nr. 23.218/94). Bei der Festlegung der Bedingungen für die Einwanderung, den Aufenthalt und die Ausweisung von Fremden sei den Konventionsstaaten ein Gestaltungsspielraum eingeräumt (vgl. EGMR vom 08.11.2016, El Ghatet, Nr. 56.971/10). Allerdings – so der Verfassungsgerichtshof weiter – könne sich unter besonderen Umständen aus Art. 8 EMRK eine Verpflichtung der Konventionsstaaten ergeben, den Aufenthalt eines Fremden zu ermöglichen, wodurch sich für diese Einschränkungen in ihrer Gestaltungsfreiheit bei der Regelung des Einwanderungs- und Aufenthaltsrechts bis hin zu Pflicht, Einreise oder Aufenthalt zu gewähren, ergeben könnten (vgl. etwa VfGH vom 14.03.2018, E 4329/2017, G 408/2017). In Fällen, die sowohl das Familienleben als auch Immigration betreffen würden, variiere das Ausmaß der staatlichen Verpflichtung, Verwandte von in dem Staat aufhältigen Personen zuzulassen, nach den besonderen Umständen der betroffenen Personen und dem Allgemeininteresse (vgl. EGMR vom 03.10.2014, Jeunesse, Nr. 12.738/10). Wenn Kinder betroffen seien, müsse das Kindeswohl berücksichtigt werden. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte verweise im Besonderen darauf, dass es einen breiten Konsens auch im Völkerrecht gebe, dass in allen Entscheidungen, die Kinder betreffen würden, deren Wohl von überragender Bedeutung sei (vgl. EGMR vom 03.10.2014, Jeunesse, Nr. 12.738/10). Weiters führt der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 10.10.2018 aus, dass der Gesetzgeber die so gezogenen Grenzen seines Gestaltungsspielraumes im Hinblick auf die Anforderungen von Art. 8 EMRK in § 35 Abs. 2 AsylG nicht überschritten habe.

In weiterer Folge führte der Verfassungsgerichtshof in dem oben wiedergegebenen Erkenntnis vom 10.10.2018, E 4248-4251/2017-20, zusammenfassend aus, dass sich vor diesem Hintergrund der Umstand, dass die dreijährige Wartefrist generell und unter Ausschluss einer Abwägung der Umstände im Einzelfall angeordnet sei, als verfassungsrechtlich unbedenklich erweise. Dem Gesetzgeber sei – auch unter dem Gesichtspunkt, dass diese Frist einen Eingriff in das Recht auf Familienleben (und zwar regelmäßig von Kindern) nach Art. 8 EMRK bedeute – nicht entgegenzutreten, wenn er angesichts des provisorischen Charakters des Aufenthalts subsidiär Schutzberechtigter für den Fall des Familiennachzugs in diesen drei Jahren von einer Durchschnittsbetrachtung ausgehe und eine Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls erst für die Zeit nach Ablauf dieses begrenzten Zeitraums vorsehe.

Daran ändert auch die Argumentation in den gegenständlichen Verfahren, dass die Antragstellung im vorliegenden Fall vor Ablauf der dreijährigen Wartefrist erfolgen habe „müssen“, da andernfalls (bei Abwarten der Frist) die Zweit- bis Fünftbeschwerdeführer bereits volljährig und sohin keine Familienangehörige im Sinne des § 35 Abs. 5 AsylG wären, nichts. Wie den obigen Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes zu entnehmen ist, ist die dreijährige Wartefrist unter Ausschluss der Umstände im Einzelfall angeordnet und kann sohin der diesbezüglichen Argumentation der Beschwerdeführer – bei Abwarten der dreijährigen Frist wären die Zweit- bis Fünftbeschwerdeführer (aufgrund Volljährigkeit) keine Familienangehörige mehr – letztlich keine Berücksichtigung zukommen. In diesem Zusammenhang ist noch zu erwähnen, dass der Gesetzgeber offenkundig nicht die Absicht hatte, in Konstellationen wie der vorliegenden (Wegfall der Eigenschaft als Familienangehöriger bei Abwarten der dreijährigen Frist) eine Ausnahme zu normieren.

Wenn sich die Beschwerdeführer auf eine aus ihrer Sicht „massive Ungleichbehandlung“ zwischen Asylberechtigten und subsidiär Schutzberechtigten (bzw. deren Familienangehörigen) beziehen, sind sie ebenfalls auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 10.10.2018, E 4248-4251/2017-20, zu verweisen, in welchem der VfGH zu dieser Frage ausführt, dass in der Differenzierung zwischen Asylberechtigten und subsidiär Schutzberechtigten keine unsachliche Ungleichbehandlung erblickt werden könne, zumal zwischen diesen Gruppen im ausreichenden Maße Unterschiede bestünden, die eine Differenzierung rechtfertigen würden. Beiden genannten Gruppen sei zwar gemeinsam, dass derzeit eine Rückkehr in den Herkunftsstaat (den sie aus unterschiedlichen Gründen verlassen hätten) nicht möglich sei und sie sich diesbezüglich in im Wesentlichen vergleichbaren Lebenssituationen befänden. Allerdings erhielten subsidiär Schutzberechtigte von vornherein nur ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht von einem Jahr, welches (bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen) verlängert werden könne, weil davon ausgegangen werde, dass jene Umstände, die typischerweise subsidiären Schutz rechtfertigen würden, eher vorübergehenden Charakter hätten und rascher beendet sein könnten, als dies im allgemeinen bei systematischen Verfolgungen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen angenommen werden könne. Dieser vorübergehende Charakter des Status des subsidiär Schutzberechtigten und die damit verbundene Möglichkeit des zeitnahen Verlustes des Aufenthaltsrechts im Fall der Besserung der Sicherheitslage, würden es rechtfertigen, den Familiennachzug von Angehörigen subsidiär Schutzberechtigter erst nach einer bestimmten Wartefrist zuzulassen. Bei der vom Gesetzgeber gewählten Frist von drei Jahren ab rechtskräftiger Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten könne davon ausgegangen werden, dass der provisorische Charakter des Aufenthalts nach Ablauf dieser Zeitspanne nicht mehr vorliege und eine gewisse Verfestigung des Aufenthalts bereits eingetreten sei. Daran ändere auch nichts der Umstand, dass Asylberechtigte seit der Asylrechtsnovelle 2016, BGBl. I 24/2016, zunächst nur eine auf drei Jahre befristete Aufenthaltsberechtigung erhalten würden, zumal diese nach Ablauf der Gültigkeitsdauer ex lege zu einer unbefristeten Berechtigung werde, wenn kein Aberkennungsverfahren eingeleitet werde. Ferner sei darauf hinzuweisen, dass subsidiär Schutzberechtigte gemäß Art. 3 Abs. 2 der RL 2003/86/EG vom Anwendungsbereich dieser Familienzusammenführungsrichtlinie ausgenommen seien.

Bereits vor der mit 01.06.2016 in Kraft getretenen Novellierung waren Familienangehörige von subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 35 Abs. 2 AsylG (idF BGBl. I Nr. 68/2013) erst nach der ersten Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung des in Österreich den Status des subsidiär Schutzberechtigten innehabenden Fremden antragslegitimiert und hat der Verfassungsgerichtshof in Bezug auf die dem Grunde nach vergleichbare Rechtslage in der Vergangenheit (auch) keinen Anlass zur Einleitung eines Gesetzprüfungsverfahrens erkannt. Auch hat der Gesetzgeber die Anwendung des Familienverfahrens nicht erweitert, sondern vielmehr zunehmend bewusst eingeschränkt, weshalb auch vor diesem Hintergrund kein Raum für eine ergänzende Interpretation erblickt werden kann.

Ergänzend wird noch darauf verwiesen, dass nicht ersichtlich ist, dass die Behörde das Kindeswohl unberücksichtigt gelassen hätte, indem sie den gesetzlichen Vorschriften – der Einhaltung der dreijährigen Wartefrist – den Vorrang gegeben habe. Es kann nicht erkannt werden, aus welchen Gründen in einer Konstellation wie der vorliegenden, von der Einhaltung der gesetzlich vorgesehenen dreijährigen Wartefrist des § 35 Abs. 2 AsylG Abstand genommen werden hätte sollen. Eine solche Vorgehensweise ist – wie den obigen Ausführungen zu entnehmen ist – nicht verfassungswidrig, weist doch der Verfassungsgerichtshof selbst darauf hin, dass auch unter dem Gesichtspunkt, dass diese Frist einen Eingriff in das Recht auf Familienleben – und zwar regelmäßig auch von Kindern – nach Art. 8 EMRK bedeute, der Ansicht des Gesetzgebers betreffend die dreijährige Wartefrist für den Familiennachzug subsidiär Schutzberechtigter nicht entgegenzutreten sei.

Weiters ist im Hinblick auf das Grundrecht auf Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art. 8 EMRK gegenständlich im Übrigen auszuführen, dass Gegenstand der Beschwerdeverfahren nur Anträge auf Erteilung von Einreisetitel gemäß § 35 AsylG sind, worüber die Botschaft in einem relativ formalisierten Ermittlungsverfahren zu entscheiden hat, und dass die Voraussetzungen nach dieser Gesetzesbestimmung in den gegenständlichen Fällen nicht vorliegen.

Nach der Rechtsprechung des EGMR (vgl. EGMR vom 31.07.2008, 265/07, Darren Omoregie u.a.) stellen die Regeln des Einwanderungsrechtes eine ausreichende gesetzliche Grundlage im Hinblick auf die Frage der Rechtfertigung des Eingriffs nach Art. 8 Abs. 2 EMRK dar. Die Verweigerung eines Visums, welche dem öffentlichen Interesse an der effektiven Durchführung der Einwanderungskontrolle dient, kann nur in Ausnahmefällen eine Verletzung von Art. 8 EMRK bedeuten. Auch nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes kommt der Einhaltung fremdenrechtlicher Vorschriften aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (vgl. VfGH vom 29.09.2007, B 328/07 sowie VwGH vom 15.12.2015, Ra 2015/19/0247 und vom 22.01.2013, Zl. 2011/18/0012).

Die Regelung des Art. 8 EMRK schreibt auch keineswegs vor, dass in allen Fällen der Familienzusammenführung jedenfalls der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten zu gewähren wäre. Vielmehr wird im Regelfall ein Aufenthaltstitel nach den fremdenrechtlichen Bestimmungen in Betracht kommen. Die Verfahren nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) stellen in Österreich den gesetzlich vorgesehenen Weg für einwanderungswillige Drittstaatsangehörige dar, um einen Aufenthaltstitel zu erlangen (so kann etwa einem Asylberechtigten und auch einem subsidiär Schutzberechtigten nach fünf Jahren unter bestimmten Voraussetzungen gemäß § 45 Abs. 12 NAG ein Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt - EU" gewährt werden, danach kann eine Familienzusammenführung nach § 46 NAG erfolgen).

Ergänzend wird auf die Ausführungen des VwGH vom 03.05.2018 zu Ra 2017/19/0609 verwiesen, wonach der VwGH in seiner Rechtsprechung zu § 46 NAG bereits festgehalten habe, dass es - um ein verfassungswidriges Ergebnis zu vermeiden - geboten sein kann, im Einzelfall den in § 46 NAG verwendeten Begriff "Familienangehörigen" von der Legaldefinition des § 2 Abs. 1 Z 9 NAG abzukoppeln. Besteht etwa ein aus Art. 8 MRK ableitbarer Anspruch auf Familiennachzug, so ist als "Familienangehöriger" in § 46 NAG demnach aus verfassungsrechtlichen Gründen auch jener - nicht im Bundesgebiet aufhältige - Angehörige erfasst, dem ein derartiger Anspruch zukommt (mit Verweis auf VwGH 17.11.2011, 2010/21/0494; sowie dem folgend etwa VwGH 13.11.2012, 2011/22/0074; 26.6.2013, 2011/22/0278; 27.1.2015, Ra 2014/22/0203; 11.2.2016, Ra 2015/22/0145).

Gegen die Entscheidung der zuständigen Einwanderungsbehörde stehen letztlich auch noch Rechtsbehelfe an ein Verwaltungsgericht sowie an den Verfassungsgerichtshof und an den Verwaltungsgerichtshof offen. In einem Verfahren nach den Bestimmungen des NAG sind aber auch die öffentlichen Interessen, insbesondere am wirtschaftlichen Wohl des Landes, entsprechend in die Prüfung einzubeziehen (z.B. Einkünfte, Integrationsvereinbarung, Quotenplatz), wird doch das Grundrecht auf Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art. 8 EMRK nicht absolut, sondern nur unter Gesetzesvorbehalt, verbürgt. In diesem Zusammenhang ist auch zu erwähnen, dass der Europäische Gerichtshof in einem jüngeren Urteil vom 21.04.2016, in der Rechtssache C-558/14, betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV ausgesprochen hat, dass Art. 7 Abs. 1 lit. c der Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22.09.2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung dahin auszulegen ist, „dass er es den zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats erlaubt, die Ablehnung eines Antrags auf Familienzusammenführung auf eine Prognose darüber zu stützen, ob es wahrscheinlich ist, dass die festen, regelmäßigen und ausreichenden Einkünfte, über die der Zusammenführende verfügen muss, um ohne Inanspruchnahme der Sozialhilfeleistungen des betreffenden Mitgliedstaats seinen eigenen Lebensunterhalt und den seiner Familienangehörigen zu decken, während des Jahres nach dem Zeitpunkt der Einreichung des Antrags weiterhin vorhanden sein werden, und dabei dieser Prognose die Entwicklung der Einkünfte des Zusammenführenden während der sechs Monate vor der Antragstellung zugrunde zu legen.“ Diese Auslegung lässt jedenfalls erkennen, dass Aspekten des wirtschaftlichen Wohls eines Landes im Zusammenhang mit dem Familiennachzug im Rahmen der öffentlichen Interessen offenkundig ein hoher Stellenwert zukommen darf.

Die Behörde hat im Verfahren auch nicht Bestimmungen der Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22.09.2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung verletzt, da dieser Rechtsakt auf Verfahren betreffend den Nachzug von Familienangehörigen subsidiär Schutzberechtigter nach seinem Art. 3 Abs. 2 keine Anwendung findet. Die in § 35 AsylG normierte Differenzierung von Asylberechtigten und subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen des Familiennachzugs findet vor diesem Hintergrund eine sachliche Rechtfertigung (vgl. neben den obigen Ausführungen auch die Erläuterungen zur RV 996 BlgNR 25. GP 5).

Da es den gegenständlichen Anträgen aufgrund obiger Ausführungen gemäß § 35 Abs. 2 AsylG idgF an einer zwingenden Zulässigkeitsvoraussetzung fehlt, hätte die belangte Behörde die Anträge auf Erteilung der Einreisetitel mit den angefochtenen Bescheiden nicht ab-, sondern zurückweisen müssen.

Der Spruch der angefochtenen Bescheide war daher mit der spruchgemäßen Maßgabe abzuändern und die dagegen erhobenen Beschwerden gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 35 AsylG 2005 idgF abzuweisen.

Gemäß § 11a Abs. 2 FPG war dieses Erkenntnis ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu erlassen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ei

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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