TE Bvwg Erkenntnis 2020/3/31 I412 2107575-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 31.03.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

31.03.2020

Norm

AVG §58 Abs2
AVG §60
BFA-VG §21 Abs7
B-VG Art133 Abs4
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2
VwGVG §24 Abs2 Z1
VwGVG §27
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I412 2107575-2/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Gabriele ACHLEITNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Nigeria alias Tansania, vertreten durch Mag. Stefan SCHLAGER als Erwachsenenvertreter, dieser wiederum vertreten durch ARGE Rechtsberatung gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl RD Wien vom 03.01.2020, Zl. 596363004-150415394, zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird stattgegeben und Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides ersatzlos behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer reiste im Jahr 2004 ins Bundesgebiet ein. Mit Bescheid des damaligen Bundesasylamtes vom 29.05.2008 wurde ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aufgrund seiner psychischen Erkrankung zuerkannt.

2. Bereits vor der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten wurde der Beschwerdeführer viermal von österreichischen Strafgerichten zu Freiheitsstrafen zwischen drei Monaten bedingt und zwei Jahren unbedingt verurteilt. Der Beschwerdeführer beging jeweils Suchtgiftdelinquenzen und trat einmal eine Verurteilung wegen tätlichen Angriffs auf einen Beamten hinzu.

3. Der Beschwerdeführer setzte sein kriminelles Verhalten weiter fort und wurde weitere dreimal rechtskräftig strafgerichtlich verurteilt wegen Vergehen bzw. Verbrechen gegen das Suchtmittelgesetz und zwar am 15.02.2011 zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren und sechs Monaten, am 28.09.2012 zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren, am 13.07.2014 zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren und drei Monaten.

Zuletzt wurde er am 01.02.2018 wegen schwerer Körperverletzung und versuchtem Widerstand gegen die Staatsgewalt zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Jahr und der Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher verurteilt.

4. Mit dem im Spruch angeführten Bescheid vom 03.01.2020, wurde dem Beschwerdeführer der ihm mit Bescheid vom 29.05.2008 zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt (Spruchpunkt I.) und die befristete Aufenthaltsberechtigung entzogen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihm nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass eine Abschiebung nach Nigeria gemäß § 9 Abs 2 AsylG 2005 iVm § 52 Abs 9 FPG unzulässig ist (Spruchpunkt V.). Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde nicht gewährt (Spruchpunkt VI.). Der Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung wurde abgewiesen (Spruchpunkt VIII.).

5. Spruchpunkt VII. lautet: "Gemäß § 53 Absatz 1 iVm Absatz 2 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. Nr. 100/2005 (FPG) idgF, wird gegen Sie ein auf die Dauer von 6 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen."

In der Bescheidbegründung wurde unter den Feststellungen zum Einreiseverbot ausgeführt (Bescheid Seite 21): "Bei Ihrem speziellen Fall ist aufgrund Ihrer Straffälligkeit der § 53 Abs. 2 FPG erfüllt."

Die vollständige rechtliche Beurteilung zum Einreiseverbot lautet: "Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden (§ 53 Abs. 1 FPG).

Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens fünf (5) Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet.

Sie wurden mehrmals wegen Handels mit Suchtgift rechtskräftig verurteilt.

Bei der Bemessung des Einreiseverbotes, kann sich die Behörde nicht auf die bloße Beurteilung von Rechtsfragen zurückziehen, sondern ist insbesondere auch die Intensität der privaten und familiären Bindungen zu Österreich einzubeziehen (VwGH 7.11.2012, 2012/18/0057).

Die Erlassung des Einreiseverbotes ist dringend erforderlich, weil gerade Suchtgiftdelikte enorm schwer zu gewichten sind. Schon im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität, insbesondere des Suchtgifthandels, ist die Erlassung eines Einreiseverbotes auch bei ansonsten völliger sozialer Integration des Fremden dringend geboten, weil das maßgebliche öffentliche Interesse in diesen Fällen schwerer wiegt als das gegenläufige private Interesse des Fremden (vgl. VwGH, Zl. 2007/18/0620 vom 30.04.2010). Unter Berücksichtigung aller genannten Umstände kann eine Gefährdung von öffentlichen Interessen, insbesondere an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt regelnden Vorschriften sowie der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit, als gegeben angenommen werden (vgl. VwGH 19.05.2004, Zl. 2001/18/0074).

Eine Aufenthaltsberechtigung ist, insbesondere in Hinblick auf die strafgerichtliche Verurteilung in Zusammenhang mit Suchtmitteln, auch unter dem Aspekt der Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen zu sehen. In Hinblick auf die "verheerende Wirkung von Drogen auf das Leben von Menschen" gab auch der EGMR wiederholt sein Verständnis für die Bestimmtheit der Mitgliedsstaaten im Vorgehen gegenüber Personen, die an der Verbreitung von Drogen aktiv mitwirken, zum Ausdruck (vgl. EGMR, 19.02.1998, Dalia gegen Frankreich, Nr. 154/1996/773/974; EGMR vom 30.11.1999, Baghli gegen Frankreich, Nr. 34374/97)"

6. Die Beschwerde vom 06.02.2020 richtet sich ausschließlich gegen Spruchpunkt VII. Es wurde beantragt, das Einreiseverbot zu beheben, in eventu wesentlich zu verkürzen, in eventu zu beheben und zur Verfahrensergänzung an die belangte Behörde zurückzuweisen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Um Wiederholungen zu vermeiden, wird der oben wiedergegebene Verfahrensgang als Sachverhalt festgestellt.

Insbesondere wird auf den von der belangten Behörde formulierten Spruchpunkt VII. und die dazugehörige zitierte Bescheidbegründung erneut verwiesen.

Festgestellt wird, dass sich die Beschwerde ausschließlich gegen Spruchpunkt VII. richtet.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und dem vorliegenden Gerichtsakt des BVwG. Die Urteilsausfertigung zu den festgestellten strafgerichtlichen Verurteilungen sind aktenkundig und ergeben sich aus dem zusätzlich eingeholten Auszug aus dem Strafregister der Republik Österreich. Die Formulierung des Spruchpunktes VII. ergibt sich aus dem angefochtenen Bescheid und konnte die zitierte Bescheidbegründung aus den Seiten 21 bzw. 31 bis 32 entnommen werden. Diese Feststellungen werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt.

Aus dem Beschwerdeschriftsatz ergibt sich eindeutig, dass sich das Rechtsmittel ausschließlich gegen Spruchpunkt VII., das Einreiseverbot, richtet.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt A)

Da sich die Beschwerde explizit nur gegen das verhängte Einreiseverbot im Ausmaß von sechs Jahren richtete und beantragt wurde, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, sind die Spruchpunkte I. - VI. und VIII. in Rechtskraft erwachsen.

3.1. Aufhebung des Spruchpunktes VII.:

Wie sich aus den folgenden Erwägungen ergibt, erweist sich der angefochtene Spruchpunkt auf Grund von inhaltlichen Mängeln und unzureichenden Sachverhaltsfeststellungen sowie infolge Verkennung der maßgeblichen Rechtslage als rechtswidrig:

Was Gegenstand eines in Rechtskraft erwachsenen Bescheides einer Behörde ist, bestimmt sich ausschließlich nach dem Inhalt des Spruches des Bescheides. Nur er erlangt rechtliche Geltung (Verbindlichkeit) und legt dadurch die Grenzen der Rechtskraft fest. Die Bescheidbegründung spielt hierfür nur insoweit eine Rolle, als (auch) sie zu der (nach den für Gesetze maßgebenden Regeln vorzunehmenden) Auslegung (Deutung), nicht aber zur Ergänzung eines in sich unklaren Spruches heranzuziehen ist (vgl. das Erkenntnis vom 5. September 1995, 95/08/0236, mwN) (VwGH 08.03.2019, Ra 2019/11/0024). Allein der Spruch des Bescheides entfaltet normative Wirkung (vgl. E 20. Mai 2015, 2012/10/0113) (VwGH 05.11.2019, Ra 2017/06/0221).

3.2. Wie festgestellt, stützte die belangte Behörde im angefochtenen Spruchpunkt VII. das auf die Dauer von sechs Jahren befristete Einreiseverbot gegen den Beschwerdeführer auf § 53 Abs 1 iVm Abs 2 FPG.

Abs. 2 leg. cit. ermöglicht bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen die Erlassung eines Einreiseverbotes in der Dauer von höchsten fünf Jahren, sodass die im Spruch angeführten sechs Jahre mit der zitierten Gesetzesbestimmung nicht in Einklang zu bringen sind. Von einem Schreibfehler bei der ziffernmäßigen Bestimmung der Jahre kann nicht ausgegangen werden, da auch im englischen Spruchmodul eine Dauer von sechs Jahren übersetzt wurde.

Zu prüfen war, ob sich aus der Bescheidbegründung ergibt, dass möglicherweise § 53 Abs 3 FPG gemeint war und sich der Fehler auf die falsche Angabe des Absatzes im Spruch beschränkt. Das für die Dauer von sechs Jahren befristete Einreiseverbot kann nur auf Grundlage des Abs 3 leg. cit. erlassen werden. Die Feststellung auf Seite 21 zielt auf die Straffälligkeit des Beschwerdeführers ab und wird auch in der rechtlichen Beurteilung auf den Seiten 31 und 32 auf die begangenen Suchtgiftdelinquenzen eingegangen. Allerdings baut auch die rechtliche Beurteilung wiederum auf Abs 2 leg. cit. auf und wird explizit angeführt, dass ein Einreiseverbot für die Dauer von höchstens fünf Jahren erlassen werden kann. Weder im Spruch, noch in der Begründung wird eine konkrete Ziffer des Abs 2 oder des Abs 3 genannt und kann nur erahnt werden, auf welche rechtliche Grundlage sich die belangte Behörde wahrscheinlich hat stützen wollen.

Da auch die Bescheidbegründung die fehlerhafte Zitierung der rechtlichen Grundlage bzw. die ziffernmäßig bestimmte Dauer im Spruch nicht aufzulösen mag, war die Erlassung eines Einreiseverbotes schon aus diesem Grund mit Rechtswidrigkeit behaftet. Zudem führt die belangte Behörde allein das Vorliegen von strafgerichtlichen Verurteilungen wegen Suchtgiftdelinquenzen an, ohne dies jedoch näher zu begründen. Die Aufzählungen der strafgerichtlichen Verurteilungen in den Feststellungen, ohne auf die näheren Tatumstände einzugehen und eine Prognoseentscheidung zu treffen, reicht nicht aus, um einer Ermessensentscheidung Genüge zu tun.

3.3. Insgesamt war der belangten Behörde somit vorzuwerfen, dass sie die bei der Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes geforderte Genauigkeit und Sorgfalt jedenfalls vermissen ließ und die Erlassung des Einreiseverbotes nur völlig unzureichend begründet hat.

Die Gründe, die zu den im Spruch getroffenen Entscheidungen der belangten Behörde geführt haben, sind in der Bescheidbegründung (§ 60 AVG) klar und umfassend darzulegen. Die im angefochtenen Bescheid auf Grund des von der belangten Behörde geführten Ermittlungsverfahrens getroffenen Feststellungen und Erwägungen zu Spruchpunkt VII. entsprechen aber jedenfalls nicht den Erfordernissen einer umfassenden und in sich schlüssigen Begründung einer verwaltungsbehördlichen Entscheidung (§ 60 iVm § 58 Abs 2 AVG).

Da sich der angefochtene Spruchpunkt VII. auf Grund der dargelegten Erwägungen in seiner Gesamtheit als rechtswidrig erweist, war gemäß § 28 Abs 2 iVm § 27 VwGVG das Einreiseverbot in Stattgebung der Beschwerde zur Gänze wegen Rechtswidrigkeit aufzuheben.

4. Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung

Da auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Spruchpunkt aufzuheben ist, konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG die Durchführung einer mündlichen Verhandlung entfallen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder fehlt es an einer Rechtsprechung zur normativen Wirkung von Spruch und Begründung, noch weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung Bescheidbegründung Einreiseverbot Einreiseverbot aufgehoben Ermessen ersatzlose Teilbehebung Kassation Prognoseentscheidung Rechtsgrundlage Rechtswidrigkeit Schreibfehler Spruchpunktbehebung Straffälligkeit strafrechtliche Verurteilung Straftat Suchtgifthandel Suchtmitteldelikt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I412.2107575.2.00

Im RIS seit

03.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

03.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten