Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Julcher, über die Beschwerde des MK (geboren am 20. Juli 1970), vertreten durch Mag. Gerhard Mader, Rechtsanwalt in Reutte, Lindenstraße 10, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 15. September 1995, Zl. III 105/95, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die vorliegende Beschwerde ist gegen einen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 15. September 1995 gerichtet, mit welchem gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsbürger, gemäß § 18 Abs. 1 Z. 1 und Z. 2 in Verbindung mit § 18 Abs. 2 Z. 5 und § 21 des Fremdengesetzes (FrG) ein mit fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen wurde. Der angefochtene Bescheid wurde im wesentlichen damit begründet, daß sich die Sicherheitsdirektion den Ausführungen der Behörde erster Instanz (der Bezirkshauptmannschaft Reutte), welche ebenfalls gegen den Beschwerdeführer ein mit fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen hatte, vollinhaltlich anschließe. Die in Rede stehende Schlepperei am 27. Dezember 1994 durch den Beschwerdeführer um seines Vorteils willen erfülle den Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 5 FrG und rechtfertige die Annahme des § 18 Abs. 1 Z. 1 FrG und der dringenden Notwendigkeit der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 19 FrG. Auch eine Interessenabwägung gemäß §§ 19 und 20 Abs. 1 FrG vermöge nicht zu einem anderen Ergebnis zu führen, § 20 Abs. 2 FrG komme nicht zum Tragen. Bis zum Wegfall des Grundes für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes, nämlich der Gefährlichkeit des Beschwerdeführers für die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit, sei das Verstreichen von fünf Jahren vonnöten. Eine rechtskräftige Bestrafung sei nicht Voraussetzung für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 18 Abs. 2 Z. 5 FrG. Vorsätzliche Schlepperei um seines Vorteils willen sei derart schwerwiegend, daß bereits das einmalige "Erwischt-Werden" die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes rechtfertige und zwar auch bei einem relativ schweren Eingriff in das Privat- oder Familienleben, wie dies beim Beschwerdeführer der Fall sei. Auf die "Durchführung der beantragten Beweismittel" werde "wegen Unnötigkeit verzichtet".
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt wird.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde, eine Gegenschrift wurde nicht erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Unstreitig steht zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens fest, daß der Beschwerdeführer, welcher zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides gemeinsam mit seiner Ehegattin und zwei in den Jahren 1991 und 1994 geborenen Kindern seit acht Jahren im Bundesgebiet gelebt hatte, am 27. Dezember 1994 in einem Lokal in Reutte einen ihm bis dahin völlig unbekannten türkischen Staatsbürger kennenlernte und ihn von dort um etwa 17.00 Uhr in die ca. 10 km entfernte Stadt Vils mit seinem Pkw brachte, wofür er von diesem den Betrag von DM 200,-- und S 60,-- erhielt, sowie ferner, daß der genannte türkische Staatsbürger von der Grenzpolizei der Bundesrepublik Deutschland gegen 20.00 Uhr auf deutschem Staatsgebiet festgenommen wurde, als er sich auf dem Zirmenweg befand. Unbestritten ist ferner, daß der Zirmenweg von dem in etwa 1 km östlich vom Ortszentrum von Vils liegenden Sportplatz über die österreichisch-deutsche Grenze nach Pfronten führt.
Der Beschwerdeführer hält den angefochtenen Bescheid aber im wesentlichen deswegen für rechtswidrig, weil sich die belangte Behörde mit seinem Berufungsvorbringen, daß er den genannten türkischen Staatsbürger (der im übrigen in der Schweiz zu einer Haftstrafe von fünf Jahren wegen Drogenhandels verurteilt worden und nach 29 Monaten Haft während eines Hafturlaubes geflüchtet sei) bloß von Reutte nach Vils gebracht habe und ihn dort bei einer Autowerkstätte, nicht aber beim Sportplatz habe aussteigen lassen, von diesem auch kein Geld verlangt und ihm auch nicht den Zirmenweg gezeigt habe, weshalb somit für den Vorwurf der Schlepperei das subjektive Tatbestandsmerkmal der Vorsätzlichkeit fehle. Mit diesem Vorbringen habe sich die belangte Behörde, welche ihre Feststellungen aufgrund von Einvernahmen, die trotz seiner mangelnden Deutschkenntnisse ohne Beiziehung eines Dolmetschers durchgeführt worden seien, nicht auseinandergesetzt. Auch habe die belangte Behörde entgegen seinem Antrag von der Durchführung eines Lokalaugenscheins im Bereiche des Zirmenweges Abstand genommen. Aus diesem hätte sich jedoch ergeben, daß die dortigen örtlichen Verhältnisse keinesfalls dergestalt seien, daß es dringend notwendig sein müsse, daß der genannte türkische Staatsbürger ausgerechnet vom Beschwerdeführer selbst geführt wurde.
Der Beschwerdeführer hält den angefochtenen Bescheid auch deswegen für rechtswidrig, weil er seit über acht Jahren in Österreich lebe, sich hier eine eigene Existenz aufgebaut, eine Familie gegründet und den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen inklusive Familie und Freunde habe. Die von der belangten Behörde vorgenommene Interessenabwägung im Grunde der §§ 19 und 20 Abs. 1 FrG hätte nicht zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes führen dürfen.
Der Vorwurf des Beschwerdeführers, die belangte Behörde habe sich nicht ausreichend mit seinem Berufungsvorbringen auseinandergesetzt, daß er den genannten türkischen Staatsbürger nicht zum Sportplatz, sondern bloß zu einer in Vils befindlichen Autowerkstätte gebracht und ihm nicht den Zirmenweg gezeigt habe, wird zu Recht erhoben. Hinsichtlich der Feststellung des dem Aufenthaltsverbot zugrundeliegenden Fehlverhaltens verweist die belangte Behörde nämlich bloß auf die Feststellungen der Behörde erster Instanz, die sich ihrerseits ausschließlich auf die Feststellungen des genannten türkischen Staatsbürgers gestützt hat. Bei dieser Sachlage wären genauere Feststellungen über die örtlichen Verhältnisse sowie dahingehend vonnöten gewesen, ob der Beschwerdeführer den genannten türkischen Staatsbürger nicht doch bei der genannten Autowerkstätte aussteigen ließ.
Der belangten Behörde ist somit hinsichtlich des festgestellten Fehlverhaltens ein Begründungsmangel unterlaufen, der zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG führt.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war im Hinblick auf den für Schriftsatzaufwand in der genannten Verordnung festgelegten Pauschbetrag sowie deswegen abzuweisen, weil zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung die Einbringung von bloß drei Ausfertigungen der Beschwerde sowie einer Kopie des angefochtenen Bescheides erforderlich war.
Schlagworte
Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher VerfahrensmangelEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1995211017.X00Im RIS seit
20.11.2000