TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/28 I419 2231273-1

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Veröffentlicht am 28.05.2020
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Entscheidungsdatum

28.05.2020

Norm

AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs1 Z5
AsylG 2005 §58 Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52
FPG §53
FPG §55 Abs1a
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I419 2231273-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Tomas JOOS als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXXalias XXXX, StA. NIGERIA, vertreten durch DIAKONIE FLÜCHTLINGSDIENST gemeinnützige GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 23.04.2020, Zl. 1173771800-190250615, zu Recht:

A) Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Zuständigkeit Italiens zurückgewiesen worden war, wurde 2018 dorthin abgeschoben und am 05.03.2019 in Österreich bei Straftaten angetroffen.

2. Mit dem bekämpften Bescheid hat das BFA dem Beschwerdeführer einen Aufenthaltstitel "aus berücksichtigungswürdigen Gründen" "gemäß § 57 AsylG" nicht erteilt (Spruchpunkt I) gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt II), festgestellt, dass dessen Abschiebung nach Nigeria zulässig sei (Spruchpunkt III), über ihn ein auf acht Jahre befristetes Einreiseverbot verhängt (Spruchpunkt IV), einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V) und keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt VI).

3. Beschwerdehalber wird vorgebracht, der Beschwerdeführer habe zwischenzeitlich einen Asylfolgeantrag gestellt, über den das BFA noch nicht entschieden habe.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zunächst wird der unter Punkt I. dargestellte Verfahrensgang festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Nigeria und damit Drittstaatsangehöriger. Er stellte in Schubhaft am 13.05.2020 einen Antrag auf internationalen Schutz, über den das BFA bisher nicht entschieden hat.

Das LGS Wien hat ihn am 13.06.2019 wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels und der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften und des unbefugten Besitzes einer verbotenen Waffe zu einer Freiheitsstrafe von 21 Monaten verurteilt, weil er von Anfang Februar 2018 bis 05.03.2019 knapp 0,5 kg Heroin und 70 g Kokain verkauft und am genannten Tag kleinere Mengen davon und von Marihuana sowie einen als Taschenlampe getarnten Elektroschocker besessen hatte. Am 11.05.2020 wurde er bedingt aus der Strafhaft entlassen.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem Akteninhalt des Verwaltungsaktes des BFA einschließlich der Beschwerde. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Fremdenregister IZR, dem Zentralen Melderegister (ZMR) und dem Betreuungsinformationssystem der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend eingeholt.

Die Feststellungen betreffend den Beschwerdeführer und dessen Asylfolgeantrag ergeben sich aus dem vorliegenden IZR Auszug vom 27.05.2020 und der Beschwerde, jene zum Strafurteil aus diesem als Teil des Verfahrensaktes des BFA.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) (Stattgebung der Beschwerde und Aufhebung des Bescheids):

3.1 Im Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheids sprach das BFA aus, dass dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel "aus berücksichtigungswürdigen Gründen" "gemäß § 57 AsylG" nicht erteilt werde. Damit war offensichtlich das in § 57 AsylG 2005 beschriebene Rechtsinstitut "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" gemeint (S. 50 des Bescheids, AS 212). Dem wäre durch die Richtigstellung des Spruchs Rechnung zu tragen, hätte dieser mit Ergehen der vorliegenden Entscheidung nicht gänzlich zu entfallen.

Nach § 58 Abs. 1 Z. 5 AsylG 2005 hat das BFA die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG ("Zurückweisung, Transitsicherung, Zurückschiebung und Durchbeförderung") fällt. Über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 AsylG 2005 hat das BFA indes gemäß § 58 Abs. 3 (erst) "im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen".

Wie sogleich gezeigt wird, kann die bekämpfte Rückkehrentscheidung keinen Bestand haben, weshalb auch die darauf aufbauenden weiteren Spruchpunkte III bis VI zu entfallen haben. Ein verfahrensabschließender Bescheid betreffend die Rückkehrentscheidung, in welchem über einen Aufenthaltstitel abzusprechen wäre, entfällt demnach.

Damit ist über die ""Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" nach § 57 AsylG 2005 nicht zu befinden, weshalb der Spruchpunkt I ersatzlos aufzuheben war.

3.2 Wie festgestellt, hat das BFA über den Folgeantrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 13.05.2020 nicht abgesprochen. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung (allenfalls auch samt darauf aufbauendem Einreiseverbot) ist aber vor der Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz nicht zulässig. Das gilt auch für ein anhängiges Verfahren über einen Asylfolgeantrag. (VwGH 15.03.2018, Ra 2017/21/0138 mwN)

Dazu hat der VwGH zu einem mit dem vorliegenden im Wesentlichen übereinstimmenden Sachverhalt begründend ausgeführt, dass im betreffenden Verfahren, "das primär auf die Erlassung einer fremdenpolizeilichen Maßnahme, nämlich eines (gemäß § 53 Abs. 1 erster Satz FPG mit einer Rückkehrentscheidung zu verbindenden) Einreiseverbotes zielt, die - bisher noch nicht getroffene - Entscheidung über den vom Revisionswerber gestellten Asylfolgeantrag in unzulässiger Weise vorweggenommen" würde. Demzufolge hat das Verwaltungsgericht die "Rückkehrentscheidung samt dem darauf aufbauenden Einreiseverbot und die weiteren damit verbundenen Nebenaussprüche ersatzlos [zu] beheben", über welche im anhängigen Verfahren über den Antrag auf internationalen Schutz "dann zeitaktuell" zu entscheiden sein werde. (VwGH 31.08.2017, Ra 2017/21/0078)

In einem solchen Fall ist ein anhängiges Rückkehrentscheidungsverfahren einzustellen, und eine bereits erlassene erstinstanzliche, mit Beschwerde bekämpfte Rückkehrentscheidung ist vom Verwaltungsgericht ersatzlos zu beheben. Eine Aussetzung des Rückkehrentscheidungsverfahrens bis zur Beendigung des Verfahrens über den Antrag auf internationalen Schutz kommt nicht in Betracht, weil es nach der Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz jedenfalls einzustellen wäre: Sei es, weil Asyl oder subsidiärer Schutz gewährt wurde, sei es, weil eine negative Entscheidung und damit einhergehend eine Rückkehrentscheidung oder ein Ausspruch über die dauerhafte Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung (oder der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung) ergangen ist. (VwGH 20.09.2018, Ra 2018/20/0349 mwN)

Demnach ist in der vorliegenden Konstellation, in welcher der Beschwerdeführer vor Abschluss des Verfahrens über seine Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung einen Asylantrag stellt, der bekämpfte Bescheid, mit dem die Rückkehrentscheidung ausgesprochen wurde, einschließlich der damit verbundenen Nebenaussprüche ersatzlos zu beheben.

3.3 Als die mit der Rückkehrentscheidung in Spruchpunkt II verbundenen, ebenfalls aufzuhebenden Nebenaussprüche sind fallbezogen außer dem Einreiseverbot (Spruchpunkt IV) die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers (Spruchpunkt III) und jene des Nichtbestehens einer Frist für dessen freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI) aus dem Rechtsbestand zu entfernen, die auf der Rückkehrentscheidung beruhen, und schließlich die mit dem Entfall der Rückkehrentscheidung gegenstandslos gewordene Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen diese (Spruchpunkt V).

3.4 Daher hatte das Gericht wie geschehen sämtliche Teile des angefochtenen Bescheids ersatzlos aufzuheben.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung zur Behandlung von Rückkehrentscheidungen während eines laufenden Asylverfahrens.

Die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auch nicht uneinheitlich. Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage liegen nicht vor.

4. Zum Unterbleiben einer Verhandlung:

Da auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist, konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z. 1 VwGVG die Durchführung einer mündlichen Verhandlung entfallen.

Schlagworte

Asylantragstellung Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz Aufenthaltstitel Behebung der Entscheidung berücksichtigungswürdige Gründe Einreiseverbot Einstellung ersatzlose Behebung Folgeantrag Haft Haftstrafe Kassation Rückkehrentscheidung Straffälligkeit Strafhaft strafrechtliche Verurteilung Straftat Suchtgifthandel Suchtmitteldelikt Verbrechen Verfahrenseinstellung Zeitpunkt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I419.2231273.1.00

Im RIS seit

03.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

03.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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