Entscheidungsdatum
28.05.2020Norm
BBG §40Spruch
I414 2221686-1/11E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Christian EGGER als Vorsitzender und den Richter Dr. Harald NEUSCHMID sowie die fachkundige Laienrichterin Dr. Elisabeth RIEDER als Beisitzerin über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Tirol (SMS) vom 05.06.2019, Zl. OB: XXXX, betreffend den Antrag auf Neuausstellung eines Behindertenpasses, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses vorliegen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Dem Beschwerdeführer wurde am 02.02.2016 ein Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 80% ausgestellt. Seit 16.05.2018 sind folgende Zusatzeintragungen eingetragen: "Der Inhaber des Passes ist Träger von Osteosynthesematerial" und "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund eines Behinderung". Der Pass wurde befristet bis 30.04.2019 ausgestellt.
Am 15.04.2019 beantragte der Beschwerdeführer die Neuausstellung des Behindertenpasses. Nach Einholung eines Aktengutachtens einer Fachärztin für Orthopädie wurde der Antrag mit Bescheid vom 05.06.2019 abgewiesen. Das Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass der Beschwerdeführer an einer Funktionseinschränkung der Wirbelsäule mittleren Grades, Pos. Nr. 02.01.02, mit einem Grad der Behinderung von 40% leide und daher die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht gegeben seien.
Mit Beschwerde vom 16.07.2019 wurde ausgeführt, dass die neue Einschätzung unverständlich sei. Im vorherigen Gutachten seien 80% eingeschätzt worden und habe sich keine Besserung ergeben. Es bestehe nach wie vor eine Versteifung mehrerer Segmente und leider der Beschwerdeführer zunehmend an Schmerzen. Er sei in seinen Bewegungen stark eingeschränkt und verursache das Anfahren und Abbremsen öffentlicher Verkehrsmittel große Schmerzen. Hinzu kämen Gleichgewichtsstörungen, weshalb die Sturzgefahr gegeben sei.
Vom erkennenden Gericht wurde die Sachverständige neuerlich beauftragt, ihr Gutachten vom 15.05.2019 unter Einbeziehung des Beschwerdevorbringens und der neu vorgelegten medizinischen Unterlagen zu ergänzen.
In einer Stellungnahme brachte der Beschwerdeführer einen weiteren Befund und die Einnahme von Opiaten vor. Nach neuerlicher Gutachtensergänzung vom 04.11.2019 fasste die Sachverständige zusammen:
"Somit kann unter Angabe der dokumentierten Funktionseinschränkungen gemäß der EVO eine Funktionseinschränkung der Wirbelsäule schweren Grades festgestellt werden, Pos. Nr. 02.01.03 mit einem Grad der Behinderung von 50%. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist ohne Einschränkung möglich."
Das Ergebnis der Beweisaufnahme wurde den Verfahrensparteien zur Kenntnis gebracht. Von der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme wurde nicht Gebrauch gemacht.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer hat seinen Wohnsitz im Inland.
Er beantragte am 15.04.2019 die Neuausstellung eines Behindertenpasses.
Der Beschwerdeführer leidet an einer Funktionseinschränkung der Wirbelsäule schweren Grades, Pos. Nr. 02.01.03, mit einem Grad der Behinderung von 50%.
Der Beschwerdeführer ist Träger von Osteosynthesematerial.
Das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen in bzw. aus dem Verkehrsmittel und der sichere Transport sind durch die Funktionseinschränkung nicht unmöglich.
2. Beweiswürdigung:
Feststellungen zur Person und zum Antrag ergeben sich aus dem unbestrittenen Akteninhalt.
Die festgestellte Funktionseinschränkung ergibt sich aus den Gutachten der orthopädischen Fachärztin vom 15.05.2019 und den Ergänzungen vom 22.08.2019 und 04.11.2019. Insbesondere aus der zuletzt erstatteten Gesamtbeurteilung, der nicht mehr entgegengetreten wurde, ist eine Funktionseinschränkung schweren Grades nachvollziehbar dargelegt.
Die Sachverständige führte darin schlüssig aus, dass durch die angegebenen Beschwerden und in Gesamtschau mit den vorgelegten Befunden im Bereich der Wirbelsäule eine dauerhafte Funktionseinschränkung vorliegt, die auch eine maßgebliche Einschränkung im Alltagsleben bedingt. Dieses Erfordernis setzt eine Einschätzung unter die Positionsnummer 02.01.03 und einen Grad der Behinderung von 50% voraus und ist somit fachärztlich bestätigt.
Dr. N. führt auch aus, dass eine aktuelle Verordnung für eine regelmäßige Einnahme von Opiaten nicht vorliegt. Es ist schlüssig dargelegt, dass ohne Vorlage einer ärztlichen Bestätigung nicht von der regelmäßigen Einnahme eines rezeptpflichtigen Medikaments ausgegangen werden kann. Die Versteigung betrifft zwei Segmente, nicht aber mehrere. Es ist somit nachvollziehbar dargelegt, weshalb nicht ein höherer Rahmensatz zur Anwendung kommt.
Insgesamt ist festzuhalten, dass Dr. N. auf die Art des Leidens und das Ausmaß ausreichend eingegangen ist und die Beeinträchtigungen im Sinne der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft wurden.
Aus dem schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten von Dr. N. ergeben sich auch die Feststellungen zur Möglichkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel. Eine vorgebrachte Gleichgewichtsstörung fand in den medizinischen Unterlagen keine Erwähnung und wäre ein solches Leiden laut Angaben der Fachärztin für Orthopädie jedenfalls in einem orthopädischen Arztbrief erwähnt. Die Sachverständige ging auch auf die beigebrachten radiologischen Befunde der Hüftgelenke ein und legte schlüssig dar, dass keine Arthrose vorliege und in Gesamtschau mit dem Leiden an der Wirbelsäule die Gehleistung nicht eingeschränkt ist. Auch Stiegensteigen und somit das Überwinden von Niveauunterschieden beim Ein- und Aussteigen ist möglich. Einschränkungen der oberen Extremitäten oder sonstige Beeinträchtigungen wurden nicht vorgebracht, sodass auch ein sicherer Transport im Verkehrsmittel (Festhalten) festgestellt werden konnte.
Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer Träger von Osteosynthesematerial ist, ergibt sich bereits aus dem von der belangten Behörde eingeholten Gutachten und blieb dieses Faktum auch unbestritten.
Die Gutachten von Dr. N. wurde dem Beschwerdeführer sowie der belangten Behörde zur Stellungnahme übermittelt. Diese sind der zuletzt eingeholten Gesamtbeurteilung vom 04.11.2019 nicht (mehr) entgegengetreten.
Das Gutachten steht mit den allgemeinen Gesetzen der Logik in Einklang, ist schlüssig und vollständig und ihm wurde nicht entgegengetreten. Aus diesen Gründen legt der erkennende Senat die Gutachten von Dr. N. unter freier Beweiswürdigung seiner Entscheidung zu Grunde.
Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:
Nach § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen (§ 24 Abs. 1 VwGVG). Wurde - wie im vorliegenden Fall - kein entsprechender Antrag gestellt, ist die Frage, ob von Amts wegen eine Verhandlung durchgeführt wird, in das pflichtgemäße - und zu begründende - Ermessen des Verwaltungsgerichts gestellt, wobei die in § 24 Abs. 2, 3, 4 und 5 normierten Ausnahmebestimmungen als Anhaltspunkte der Ermessensübung anzusehen sind (vgl. zur insofern gleichartigen Regelungsstruktur des § 67d Abs. 1 und 2 bis 4 AVG [alte Fassung] die Darstellung bei Hengstschläger/Leeb, AVG [2007] § 67d Rz 17 und 29, mwH). Gemäß Abs. 3 leg.cit. hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Gemäß Abs. 4 leg. cit. kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.
Der im Beschwerdefall maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der belangten Behörde und dem eingeholten Ergänzungsgutachten.
Dies lässt - gerade auch vor dem Hintergrund des Umstandes, dass Verfahrensparteien dem letztlich eingeholten Ergänzungsgutachten nicht (mehr) entgegengetreten sind und keinerlei Stellungnahme abgegeben wurde - die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
§ 7 Abs. 1 BVwGG lautet wie folgt:
"Senate
§ 7. (1) Die Senate bestehen aus einem Mitglied als Vorsitzendem und zwei weiteren Mitgliedern als Beisitzern. Für jeden Senat sind mindestens ein Stellvertreter des Vorsitzenden und mindestens zwei Ersatzmitglieder (Ersatzbeisitzer) zu bestimmen."
§ 45 Abs. 3 und 4 Bundesbehindertengesetz (BBG), BGBl 1990/283 in der geltenden Fassung, lauten wie folgt:
"(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen."
Über die vorliegende Beschwerde war daher durch einen Senat, bestehend aus zwei Berufsrichtern und einem fachkundigen Laienrichter, zu entscheiden.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Zu A) Stattgabe der Beschwerde:
Die maßgeblichen Bestimmungen des BBG lauten wie folgt:
"§ 43 (1) Treten Änderungen ein, durch die behördliche Eintragungen im Behindertenpass berührt werden, hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen diese zu berichtigen oder erforderlichenfalls einen neuen Behindertenpass auszustellen. Bei Wegfall der Voraussetzungen ist der Behindertenpass einzuziehen.
(2) Der Besitzer des Behindertenpasses ist verpflichtet, dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen binnen vier Wochen jede Änderung anzuzeigen, durch die behördliche Eintragungen im Behindertenpass berührt werden, und über Aufforderung dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen den Behindertenpass vorzulegen.
§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu."
§ 4 der Einschätzungsverordnung (EVO) in der geltenden Fassung, lautet wie folgt:
"Grundlage der Einschätzung
§ 4. (1) Die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung bildet die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen.
(2) Das Gutachten hat neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten."
Der vom Bundesverwaltungsgericht als schlüssig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei gewerteten Gesamtbeurteilung von Dr. N. vom 04.11.2019, der zwei fachärztlichen Gutachten vorausgingen, beträgt der Gesamtgrad der Behinderung des Beschwerdeführers nunmehr 50%.
Die funktionelle Einschränkung der Wirbelsäule wurde von der Gutachterin unter die Positionsnummer 02.01.03 eingestuft. Die Anlage zur Einschätzungsverordnung sieht bei dieser Positionsnummer einen Grad der Behinderung zwischen 50% und 80% vor. Dr. N. führt begründend für den herangezogenen unteren Rahmensatz von 50% aus, dass eine Einschränkung im Alltagsleben bestehe, sonst aber keine angegebenen Voraussetzungen erfüllt sind. Diese Einordnung entspricht den Voraussetzungen der Anlage zur Einschätzungsverordnung, da keine Hinweise für eine Subsumtion unter einen höheren Rahmensatz hervorgekommen sind.
Zu den Zusatzeintragungen:
Dass der Beschwerdeführer Träger von Osteosynthesematerial ist, wurde bereits im Gutachten vom 15.05.2019 festgestellt und blieb dies unbestritten.
§ 1 Abs 4 Z 3 und Abs. 5 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 2016/263, lautet wie folgt:
"Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:
3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
-erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
-erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
-erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder
-eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
-eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d vorliegen.
(5) Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines/einer ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen."
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Zusatzeintragung ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden kann oder wenn die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwert. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt.
Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit, öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt. (VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242; 14.05.2009, 2007/11/0080).
Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. ua. VwGH vom 27.01.2015, Zl. 2012/11/0186, oder vom 23.05.2012, Zl. 2008/11/0128).
Nach den Ausführungen der Gutachterin Dr. N. wirkt sich die dauernde Gesundheitsschädigung nicht maßgebend auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens sowie auf das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke aus. Der sichere und gefährdungsfreie Transport im öffentlichen Verkehrsmittel ist nicht dauernd eingeschränkt. Insbesondere wird Augenmerk darauf gelegt, dass die Gehleistung und das Überwinden von Niveauunterschieden auch durch die vorgelegten Befunde über die Hüftgelenke nicht eingeschränkt sind.
Das Ermittlungsverfahren hat des Weiteren ergeben, dass beim Beschwerdeführer weder blind noch hochgradig sehbehindert oder taubblind ist. Auch ist er nicht in seinen psychischen, neurologischen oder intellektuellen Funktionen erheblich eingeschränkt. Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder Hinweise auf Einschränkungen der Extremitäten haben sich nicht ergeben. Deshalb kann von einer dauernden Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht ausgegangen werden.
Insgesamt ist daher festzuhalten, dass die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses samt der Zusatzeintragung "Der Inhaber ist Träger von Osteosynthesematerial" weiter vorliegen, die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung" im Behindertenpass nicht mehr vorliegen.
Dem Beschwerdeführer ist von der belangten Behörde ein Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 50% und der Zusatzeintragung "Der Inhaber ist Träger von Osteosynthesematerial" auszustellen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung zur Beurteilung des Grades der Behinderung durch Sachverständigengutachten und zur Gewährung von Zusatzeintragungen; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Behindertenpass Grad der Behinderung SachverständigengutachtenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:I414.2221686.1.00Im RIS seit
03.09.2020Zuletzt aktualisiert am
03.09.2020