TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/29 W173 2221014-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.05.2020
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Entscheidungsdatum

29.05.2020

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W173 2221014-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Margit MÖSLINGER-GEHMAYR als Vorsitzende und die Richterin Mag. Angela SCHIDLOF sowie den fachkundigen Laienrichter Franz GROSCHAN als Beisitzer über die Beschwerde von
XXXX , geb. XXXX gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Burgenland, vom 14.6.2019, betreffend Ausstellung eines Behindertenpasses zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Herr XXXX , geb. am XXXX , (in der Folge BF) stellte am 12.2.2019 unter Vorlage von medizinischen Befunden Anträge auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten und auf Ausstellung eines Behindertenpasses. Von der belangten Behörde wurde ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt, das auf einer persönlichen Untersuchung beruhte. Das im Zuge dieser Untersuchung erstellte – in weiterer Folge zusammengefasste - Gutachten von Dr. XXXX , FA für Orthopädie, enthält auszugsweise Folgendes: „……………..…..

Anamnese:
AE, TE, Leistenbruch-OP rechts, 1980 Knie-OP links, 10/2018 ASK linkes Knie,

Derzeitige Beschwerden:

Ich kann das linke Knie nicht voll belasten, ich kann Gehen. Beim langen Stehen schmerzt die rechte Hüfte. Ich habe ein Ziehen außen am rechten Unterschenkel. Ich habe Rückenschmerzen, besonders unter Belastung.

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Medikamente: Pantoloc, Concor, Ivadal, Seractil, Sirdalud
Laufende Therapie: Physiotherapie
Hilfsmittel: keine

Sozialanamnese: Gemeindebediensteter

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

01/2019 Röntgenbefund ges. WS beschreibt mäßige Degeneration und incipiente Coxarthrose rechts

01/2019 MR rechtes Knie beschreibt mäßige Degeneration und Innenmeniskusriss 10/2018 OP-Bericht linkes Knie bes. 3.-4. Gradige Knorpelschäden.

02/2017 Chir. Befundbericht beschreibt Rectusdiastase ohne Hernie und ohne OP-Indikation
MRT der Halswirbelsäule beschreibt unauffälligen Befund

MRT der Brustwirbelsäule und Lendenwirbelsäule beschreibt Degeneration ohne Diskusherniation.

07.03.2019 Unfallchirurgischer Befund beschreibt Kniegelenkserguss links und Degeneration.

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand: altersentsprechend

Ernährungszustand: mäßig adipös

Größe: 181,00 cm; Gewicht: 93,00 kg; Blutdruck:

Klinischer Status – Fachstatus:

Knochenbau: normal, Haut und Schleimhäute: unauffällig
Hals: unauffällig, Pulse vorhanden, Venen nicht gestaut

Thorax: symmetrisch, elastisch, Lunge: sonorer Klopfschall, vesikuläres Atemgeräusch, Herz: rhythmisch, rein.
Abdomen: Bauchdecken weich, kein Druckschmerz, Rectusdiastase
Obere Extremitäten:

Rechtshänder. Symmetrische Muskelverhältnisse. Die Durchblutung ist ungestört, die Sensibilität wird als ungestört angegeben. Benützungszeichen sind seitengleich.
Zarte Narben ellenseitig am linken Daumengrundgelenk. Das Gelenk ist seitenbandfest.

Übrige Gelenke sind klinisch unauffällig und frei beweglich. Grob- und Spitzgriff sind uneingeschränkt durchführbar. Nacken- und Kreuzgriff sind uneingeschränkt durchführbar.

Untere Extremitäten:

Der Barfußgang ist gering links hinkend. Zehenballengang, Fersengang, Einbeinstand sind möglich, Anhocken wird 1/2 ausgeführt. O-Bein Stellung mit einem Knieinnenabstand von 3 cm. Mäßig Muskelverschmächtigung am linken Ober- gering am linken Unterschenkel.

Beinlänge ist gleich. Durchblutung und Sensibilität sind ungestört. Die

Fußsohlenbeschwielung ist seitengleich ausgebildet, das Fußgewölbe ist erhalten.

Linkes Knie: unauffällige Narben nach Arthroskopie. Mäßig intraartikulärer Erguss. Die Kniescheibe ist verbreitert. Zohlen-Test hoch positiv. Das Gelenk ist allseits bandfest.

Endlagenschmerz beim Beugen.
Endlagenschmerz bei Rotation in der rechten Hüfte.
Übrige Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.
Beweglichkeit:

Hüften S 0-0-100 beidseits, R (S 90°) 10-0-20 beidseits. Knie S rechts 0-0-135, links 0-0-115. Sprunggelenke und Zehen sind seitengleich frei beweglich.
Wirbelsäule:

Im Lot. Mäßig Rundrücken, mäßig Hartspann zwischen den Schulterblättern, deutlicher Hartspann lumbal. Kein wesentlicher Klopfschmerz über den Dornfortsätzen.
Beweglichkeit:
Allseits endlagig eingeschränkt, FBA 20.

Gesamtmobilität – Gangbild:

Kommt in Halbschuhen zur Untersuchung, das Gangbild ist flüssig, gering links hinkend. Verwendet keine Gehhilfen. Das Aus- und Ankleiden wird teils im Sitzen, teils im Stehen durchgeführt.

Status Psychicus: wach, Sprache unauffällig

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos. Nr.

GdB%

1

Kniegelenksarthrose links

Oberer Rahmensatz dieser Position, da Ergussneigung und endlagige Beugehemmung

02.05.18

20

2

Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule

Oberer Rahmensatz dieser Position, da Beschwerdesymptomatik und geringe Beweglichkeitseinschränkung

02.01.01

20

Gesamtgrad der Behinderung

20 v.H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Das führende Leiden 1 wird durch Leiden 2 nicht erhöht, wegen fehlender wechselseitiger ungünstiger Leidensbeeinflussung und zu geringer funktioneller Relevanz.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

Rectusdiastase ohne Bruch und ohne OP-Indikation, stattgehabter Kahnbeinbruch nicht objektivierbar, beide Daumen ohne Funktionsbehinderung, Schwindel nicht befunddokumentiert, operierter Leistenbruch ohne Funktionsbehinderung

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten: -

Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung: -

X Dauerzustand

………………………“

2. Das eingeholte Gutachten unterzog die belangte Behörde unter Einräumung einer Stellungnahmefrist dem Parteiengehör. Der BF erhob unter Vorlage von medizinischen Unterlagen Einwendungen. In der dazu ergänzend eingeholten Stellungnahme des beigezogenen medizinischen Sachverständigen, Dr. XXXX , FA für Orthopädie, auf Basis der vorliegenden Akten, vom 17.4.2019 wurde Nachfolgendes ausgeführt:

„……………………….

Es wird eine Szintigraphie beider Kniegelenke vom 18.3.2019 nachgereicht, wo rechts ein unauffälliger Befund, links eine Synovitis, fleckige Demineralisation und der Verdacht auf einen M.Sudeck beschreiben ist. Der Befund steht nicht in Widerspruch zum klinischen Befund und zur Einschätzung des Leidens. Eine Änderung des GA ist nicht angezeigt.

……………………….“

Mit Bescheid vom 18.4.2019 wurde der Antrag des BF vom 12.2.2019 auf Zuerkennung der Begünstigteneigenschaft gestützt auf die eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten von Dr. XXXX abgewiesen. Der BF erhob gegen den Bescheid vom 18.4.2019 Beschwerde.

3. Die belangte Behörde holte ein weiteres medizinisches Sachverständigengutachten von Dr. XXXX auf Basis einer persönlichen Untersuchung des BF ein. Im Gutachten vom 21.5.2019 führte der genannte medizinische Sachverständige Nachfolgendes aus:

„……………………….

Anamnese:
Vorgutachten vom 14.3.2019, Gesamt-GdB 20%.

An weiteren Gesundheitsschädigungen sind befundmäßig belegt: allergisches Asthma bronchiale, degenerative Abnützungen am Stütz- und Bewegungsapparat.

Derzeitige Beschwerden:

‚Ich habe Beschwerden im linken Kniegelenk, vor allem beim Stiegensteigen, ich habe auch Schmerzen im Kniegelenk. Alles, was beim linken Knie ohne Belastung geht, ist kein Problem. Ich habe bei längerer Belastung auch Hüftschmerzen rechts, das zieht sich dann in den Oberschenkel hinunter, sodass ich beim Bügeln pausieren muss. Zwischen den Schulterblättern bin ich verspannt und habe auch Schmerzen. Bei meinem Job als Pflegeassistent bin ich eingeschränkt beim Heben von Patienten. Ich kann Radfahren und Nordic walken, bin auch in Physiotherapie, um die Muskulatur des linken Oberschenkels zu kräftigen.‘

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Pantoloc, Reparil, Concor, Arthrotec, Mexalen, Ivadal, Foster, Montelukast.

Sozialanamnese: Pflegeassistent Wr. Neustadt.

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
11.1.2019 Dr. XXXX : Basischeck klein Arbeitsmedizin.

18.3.2019 Nuklearmed. Institut Kindberg: 3-Phasen Skelettszintigraphie beider Kniegelenke.: mäßige fleckige Synovitis links, fleckige Demineralisierung linke Patella. Rechtes Kniegelenk unauffällig.
5.3.2019 Dr. XXXX : mäßige Hallux-Rigidus-Arthrose rechts.

25.3.2019 Dr. XXXX : Rez. Hydrops gen., sin. mit CM III° medial über lateral, CM IV° retropatellar links.

13.3.2019 Lungenpraxis am Akademiepark: allerg. Asthma bronchiale. Keine kinischrelevante Ventilationsstörung, periphere obstruktive Flußlimitation wie bei Small Airways disease.
11.2.2019 Dr. XXXX : Z.n. Arthroskopie li. Knie 10/18, CVS, Gonarthrose links, incip.

Coxarthrose re., Lumbalgie, Meniskusruptur rechtes Knie.
21.1.2019 Dr. XXXX : deg. WS-Veränderungen, incipiente Coxarthrose rechts.
26.1.2019 Dr. XXXX : MRT rechtes Kniegelenk: Ruptur med. Meniskus, incip.

Chondropathie medial im Kniegelenk (Grad I), Chondropathia patellae.
10.10.2018 KH Neunkirchen: Arthroskopie links mit Teilmeniscektomie.

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand: Normal.

Ernährungszustand: Sehr gut.

Größe: 181,00 cm, Gewicht: 93,00 kg, Blutdruck: 140/85

Klinischer Status – Fachstatus:
KOPF, HALS:

Keine Stauungszeichen, keine Atemnot, keine Lippencyanose, Pupillen isocor und seitengleich, prompte Lichtreaktion, Lidschluß komplett, kein Nystagmus. Sprache normal und gut verständlich, kein Stridor

THORAX / LUNGE / HERZ:

Sonorer Klopfschall, Vesiculäratmen, normale Atemfrequenz. Reine, rhythmische Herztöne, normofrequent.
ABDOMEN:
Weich, kein Druckschmerz, keine Klopfdolenz, Peristaltik auskultierbar.
WIRBELSÄULE:

Etwas Rundrücken, endlagige Funktionseinschränkung im Bereich der Halswirbelsäule und Lendenwirbelsäule. Erreicht im Sitzen mit beiden Händen den Boden, um Schuhe anzuziehen und zu binden. Im Sitzen auf Patientenliege wird Socken und Schuh rechts ausgezogen, um schmerzende Großzehe zu zeigen. Paravertebrale Muskelverspannungen.

EXTREMITÄTEN:  

Kreuz / Nacken / Pinzetten / Spitzgriff beidseits regelrecht und vollständig durchführbar, vollständiger Faustschluss beidseits, keine Muskelatrophien. Greiffunktion beidseits erhalten.

Hüftgelenk rechts geringgradig bei Rotation eingeschränkt, links frei beweglich, Kniegelenk rechts 0-0-130°, Zohlen positiv, Schmerzangabe bei Beugung bei ca. 130° links Schonhaltung, Schmerzhaftigkeit über Patella angegeben, bewegt aktiv 0-10-90°. Z.n.

operativem Eingriff linkes Kniegelenk, Sprunggelenke frei beweglich. Endlagige

Einschränkung rechtes Großzehengrundgelenk, etwas geschwollen. Stehen und Gehen im

Untersuchungszimmer ohne Hilfsmittel möglich. Zehen / Fersengang wegen

Schmerzangabe in rechter Großzehe nicht durchgeführt. Keine Ödeme, Fußpulse tastbar.

Muskulatur linker Oberschenkel etwas verschmächtigt, minimal auch linker Unterschenkel.
GROB NEUROLOGISCH:

Keine relevanten motorischen Defizite, keine Sensibilitätsstörungen angegeben, grobe Kraft seitengleich, kein Rigor, kein Tremor, Feinmotorik regelrecht.

Gesamtmobilität – Gangbild:

Erscheint ohne Hilfsmittel, ausreichend sicher, etwas Schonhinken links, Setzen/Erheben ohne Hilfsmittel und selbstständig möglich.

Status Psychicus:

Voll orientiert, Ductus durchgehend kohärent, stabil, Antrieb etwas gesteigert, Grundstimmung euthym.

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos. Nr.

GdB%

1

Funktionseinschränkung im linken Kniegelenk

Wahl dieser (Fix)Position, da radiologisch verifizierte Abnützungen, Meniskusschaden und Ergussneigung, sowie aktive Beweglichkeit von 0-10-90°

02.05.20

30

2

Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule

Oberer Rahmensatz, da endlagige funktionelle Einschränkung, jedoch ohne relevante Wurzelreizsymptomatik

02.01.01

20

3

Allergisches Asthma bronchiale

Oberer Rahmensatz, da saisonale Betonung und Hustenreiz, jedoch ohne klinisch relevante Ventilationsstörung.

06.05.01

20

4

Funktionseinschränkung im rechten Hüftgelenk

Unterer Rahmensatz, da lediglich geringgradige Einschränkung bei Rotation.

02.05.07

10

5

Degenerative Abnützungen im rechten Kniegelenk, Meniskusschaden

Unterer Rahmensatz, da aktive Beweglichkeit 0-0-130°

02.05.18

10

6

Funktionseinschränkungen der rechten Großzehe

Wahl dieser (Fix)Position (g.Z.), da moderate funktionelle Einschränkung im Großzehengrundgelenk

02.05.38

10

Gesamtgrad der Behinderung

30 v.H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Das führende Leiden 1 wird durch 2-6 mangels relevanter ungünstiger Leidensbeeinflussung nicht weiter erhöht.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung: -

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

Neuaufnahme der Leiden 3-6. Anhebung bei Leiden 1 des Vorgutachtens um 1 Stufe, da verifizierte Abnützungen, Meniskusschaden und Ergussneigung, bei aktiver Beweglichkeit von 0-10-90°.

Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:

Anhebung bei Leiden 1 des Vorgutachtens um 1 Stufe (siehe oben), dadurch insgesamt Anhebung im Gesamt-GdB um 1 Stufe.

X Dauerzustand

…………………………………“

4.Nachdem das eingeholte Gutachtung dem Parteiengehör unterzogen worden war, wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom 29.5.2019 die Beschwerde des BF gegen den Bescheid vom 18.4.2019 zur Zuerkennung der Begünstigeneigenschaft nach dem BEinstG abgewiesen. Am 3.6.2019 erschien der BF bei der belangten Behörde und brachte unter Vorlage von medizinischen Befunden Einwendungen gegen das dem Parteiengehör unterzogene Gutachten vor. Insbesondere bezog sich der BF auf die Ausführungen des BH Mattersburg vom 24.3.1999 mit einer Bestätigung eines GdB von 60%, die vom Sachverständigen nicht berücksichtigt worden sei. Das Leiden 1 sei zu niedrig bewertet worden, zumal die Abnützung massiver sei. Zu diesem Vorbringen führte Dr. XXXX , Arzt für Allgemeinmedizin, in seinem ergänzenden Gutachten vom 6.6.2019 Nachfolgendes aus:

„…………..

Im Rahmen des aktuellen Gutachtens wurden vorliegende Gesundheitsschädigungen in Einklang mit der geltenden EVO eingestuft, wobei auch auf das bestehende und relevante Vorgutachten vom 14.3.2019 (SV-Gutachten Dr. XXXX nach der Einschätzungsverordnung BGBL. II Nr. 261/2010) entsprechend eingegangen wurde. Eine vor Jahren erfolgte Einschätzung/BH Mattersburg wurde im Zuge der gründlichen Befundsichtung selbstverständlich gewürdigt. Betreffend GdB/Leiden 1 werden die im Rahmen des Einspruches angeführten, subjektiven Empfindungen zur Kenntnis genommen, diese konnten jedoch, soweit behinderungsrelevante Defizite bzw. funktionelle Einschränkung des linken Kniegelenkes betreffend, anhand der aktuellen Untersuchung, unter Berücksichtigung aufliegender Befunde, eben nicht bestätigt werden. Die vorgebrachten Argumente sind daher nicht geeignet, das bereits vorhandene Begutachtungsergebnis zu entkräften.

…………….“

5.Mit Bescheid vom 14.6.2019 wies die belangte Behörde den Antrag des BF vom 12.2.2109 zur Ausstellung eines Behindertenpasses ab. Die belangte Behörde stützte sich auf die angeschlossenen, eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten von Dr. XXXX , die einen Bestandteil des Bescheides bilden würden. Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 30% würde der BF nicht die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses erfüllen.

6.Mit 25.6.2019 datiertem Schreiben brachte der BF Nachfolgendes vor:

„…………….

Betreff: Vorlageantrag zu OB 41786626800020

Sehr geehrte Damen und Herren,

bezugnehmend auf den Bescheid vom 14.6.2019 mit dem Verfahren OB 41786626800020, Abweisung des Antrags auf Ausstellung eines Behindertenpasses, gebe ich bekannt, dass ich mit dem Ergebnis nicht einverstanden bin und um Vorlage beim Bundesverwaltungsgericht ersuche.

Mit freundlichen Grüßen

………………………“

7.Nach Vorlage des Verwaltungsaktes erging vom Bundesverwaltungsgericht ein Verbesserungsauftrag auf Grund dessen der BF mit Schreiben vom 18.9.2019 klarstellte, irrtümlich die Bezeichnung „Vorlageantrag“ verwendet und Beschwerde gegen den Bescheid vom 14.6.2019 zur Abweisung seines Antrags auf Ausstellung eines Behindertenpasses eingebracht zu haben. Der genannte Bescheid sei rechtswidrig, da seine Leiden nicht ausreichen berücksichtigt worden seien. Dazu bezog sich der BF auf eine Bestätigung der BH Mattersburg vom 2.4.1999, wonach eine GdB von 60% vorliege, welche keine Berücksichtigung gefunden habe. Das Leiden 1 sei trotz wesentlich stärkerer Abnützung nicht hinreichend eingestuft worden. Sein Lagerungsschwindel (Ambulanzkarte vom 9.3.2016) sei außer Acht gelassen worden. Eine erneute Einschätzung sei erforderlich.

8. Auf Grund des Beschwerdevorbringens wurde vom Bundesverwaltungsgericht ein weiteres medizinisches Sachverständigengutachten vom Dr. XXXX , Arzt für Allgemeinmedizin, eingeholt. Der genannte Sachverständige führte im Gutachten vom 11.12.2019 unter Berücksichtigung weiterer Befunde des BF vom LK Neunkirchen Nachfolgendes aus:

„…………….

Diagnosen:

1.Gonarthrose beidseits

2.Wirbelsäulendegeneration

3.Allergisches Asthma bronchiale

4.Coxarthrose rechts

5.Arthrose rechtes Großzehengrundgelenk

6.Benigner, paroxysmaler, peripherer Lagerungsschwindel

Stellungnahme zu Beschwerdeverfahren W173 2221014-1/8Z:

Der Lagerungsschwindel ist funktionell gering ausgeprägt, die letzte fachärztliche Begutachtung erfolgte im März 2016. Eine Änderung des GdB nach EVO unter Berücksichtigung des Vorgutachtens ist durch dieses Leiden nicht gegeben.

Die nachgereichten Befunde vom LK Neunkirchen vom 19.11.2019, das MRT der Lendenwirbelsäule vom 25.7.2019 und das Röntgen des linken Kniegelenkes vom 6.12.2019 beschreiben morphologisch geringgradige Abnützungen. Bei der körperlichen Untersuchung am 11.12.2019 konnte keine wesentliche Verschlechterung im Vergleich zum Vorgutachten vom 21.5.2019 festgestellt werden. Eine Änderung des GdB nach EVO ist nicht gegeben.

Eine Nachuntersuchung ist nicht vorgesehen.

Der GdB bleibt wie im Vorgutachten bei 30%.

………………………….“

9. Die Ausführungen des medizinischen Sachverständigen Dr. XXXX , Arzt für Allgemeinmedizin, vom 11.12.2019 wurden unter Einräumung einer Stellungnahmefrist dem Parteiengehör unterzogen. Die Parteien sahen von einer Stellungnahme ab.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF hat gesundheitliche Beeinträchtigungen in den Kniegelenken, im rechten Hüftgelenk und in der rechten Großzehe. Er leidet auch unter degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule und einem allergischen Asthma bronchiale. Für diese gesundheitlichen Beschwerden legte der BF medizinische Befunde vor.

1.2. Die Leiden des BF waren auf Grund der Einschätzungsverordnung wie folgt einzustufen: 1. Die Funktionseinschränkungen im linken Kniegelenk waren auf Grund der radiologisch verifizierten Abnützungen mit einem Meniskusschaden und einer Ergussneigung bei aktiver Beweglichkeit unter die Pos.Nr. 02.05.20. mit einem Grad der Behinderung von 30% zu subsumieren. 2. Die degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule mit einer endlagigen funktionellen Einschränkung ohne relevante Wurzelreizsymptomatik erreichten unter Heranziehen des oberen Rahmensatz der Pos.Nr. 02.01.01. einen Grad der Behinderung von 20%. 3. Das allergische Asthma bronchiale mit dem oberen Rahmensatz wegen der saisonalen Betonung und dem Hustenreiz ohne relevante Ventilationsstörung kamen mit der Pos.Nr. 06.05.01 auf einen Grad der Behinderung von 20%. 4. Wegen der geringgradigen Einschränkungen des rechten Hüftgelenks bei einer Rotationsbewegung war für dieses Leiden der untere Rahmensatz der Pos.Nr. 02.05.07 mit einem Grad der Behinderung 10% maßgebend. 5. Ebenso erreichte der Grad der Behinderung für die degenerativen Abnützungen im rechten Kniegelenk mit einem Meniskusschadenbei aktiver Beweglichkeit 0-0-130° mit dem unteren Rahmensatz der Pos.Nr. 02.05.18. von 10%. Für die Funktionseinschränkungen der rechten Großzehe mit der Fixposition 02.05.38. wegen der moderaten funktionellen Einschränkungen im Großzehengrundgelenk ergaben einen Grad der Behinderung von 10%. Der Grad der Behinderung des führenden Leidens 1 wurde durch die übrigen Leiden wegen fehlender ungünstiger Leidensbeeinflussung nicht weiter erhöht.

1.3. Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt beim BF 30 v.H. Der BF erfüllt daher die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht.

2. Beweiswürdigung

Es wird auf das oben wiedergegebenen, von der belangten Behörde eingeholten schlüssigen Sachverständigengutachten von Dr. XXXX , Arzt für Allgemeinmedizin, vom 21.5.2019, das auf einer persönlichen Untersuchung des BF beruhte, bzw. ergänzend vom 6.6.2019 verwiesen. In den genannten Gutachten wurde auf die Art der Leiden des BF und deren Ausmaß ausführlich, schlüssig und widerspruchsfrei eingegangen. Der Gutachter setzte sich auch umfassend und nachvollziehbar mit den vorgelegten Befunden des BF auseinander. Diese Einschätzungen finden auch Deckung in dem vom Gutachter erhobenen Status des BF im Rahmen der persönlichen Untersuchung.

Entgegen dem Vorbringen des BF stufte der Sachverständige in seinem nachvollziehbaren Gutachten vom 21.5.2019 die Leiden entsprechend der für die Einstufung der Leiden maßgeblichen Einschätzungsvorordnung korrekt ein. Diese Einschätzungen wurden auch von Dr. XXXX s, der als medizinischer Sachverständiger vom Bundesverwaltungsgericht beigezogen wurde, nachvollziehbar im Gutachten vom 11.12.2019 bestätigt. Soweit sich der BF auf einen Grad der Behinderung von 60%, der in einer Bestätigung der BH Mattersburg vom 24.3.1999 aufschien, stützt, ist ihm entgegenzuhalten, dass zwischen der nunmehrigen Einschätzung im Jahr 2019 und der damaligen Einstufung im Jahr 1999 ein Zeitraum von mittlerweile 20 Jahren liegt, sodass es der Einschätzung aus dem Jahr 1999 an Aktualität fehlt. Als Maßstab für die damalige Einstufung konnte jedenfalls nicht die derzeit geltende maßgebliche Einschätzungsverordnung herangezogen worden sein, zumal diese erst nach dem Jahr 2010 in Kraft trat. Auf Basis welcher Rechtsgrundlage der damals erhobene Grad der Behinderung von 60% ermittelt wurde, ist der vorgelegten Bestätigung vom 23.3.1999 nicht zu entnehmen, sodass keine nachvollziehbare Objektivierbarkeit möglich ist. Es sind lediglich eine chronische Gastritis und eine Gallenoperation verbunden mit einer Gallendiät erwähnt. Für eine derzeitiges Gastritis- oder Gallenleiden wurden keine aktuellen Befunde vom BF vorgelegt.

Auch dem Vorbringen des BF in der Beschwerde, zu einer zu niedrig erfolgen Einschätzung seines Leidens im linken Kniegelenk (Leiden 1) bzw. fehlenden Berücksichtigung seines Lagerungsschwindels kann nicht gefolgt werden. Der aktuelle Röntgenbefund vom 6.12.2019 bestätigt lediglich eine morphologisch geringgradige Abnützung des linken Kniegelenks. Darauf hat auch der vom Bundesverwaltungsgericht beigezogene medizinische Sachverständige Dr. XXXX , Arzt für Allgemeinmedizin, nachvollziehbar hingewiesen. Auch der vom BF angeführte Lagerungsschwindel zeigte nur eine funktionell geringe Ausprägung, wie der Sachverständige Dr. XXXX hervorhob. Den schlüssigen Ausführungen des vom Bundesverwaltungsgericht beigezogenen Sachverständigen Dr. XXXX vom 11.12.2019, der die Einschätzungen des Sachverständigen Dr. XXXX bestätigte, trat der BF auch im Rahmen des Parteiengehör nicht mehr entgegen. Vielmehr sah der BF von einer Stellungnahme ab.

Damit ist der BF auch den schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten vom Dr. XXXX und Dr. XXXX nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten (vgl. VwGH 17.2.2017, Ra 2017/11/0008, 27.06.2000, 2000/11/0093).

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. In der gegenständlichen Sachverhaltskonstellation liegen die Voraussetzungen für eine meritorische Entscheidung vor (Vgl. VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063; VwGH 10.09.2014, Ra 2014/08/0005).

3.1.Zu Spruchpunkt A)

3.1.1.Rechtsgrundlagen:

Gemäß § 1 Abs. 2 Bundesbehindertengesetz, BGBl Nr. 283/1990, idgF (BBG) ist unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Gemäß § 40 Abs. 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

Gemäß § 41 Abs. 1 BBG gilt als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1.       nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2.       zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3.       ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen (§ 45 Abs. 1 BBG). Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben oder der Pass eingezogen wird (§ 45 Abs. 2 BBG).

Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in § 1 Abs. 2 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Bundessozialamtes. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

3.1.2. Schlussfolgerungen

Die beigezogenen genannten medizinischen Sachverständigen haben die Einschätzung des Grades der Behinderung auf Basis der Einschätzungsverordnung, BGBl II Nr. 261/2010, vorgenommen. Dieser Maßstab ist für die Einschätzung des Grades der Behinderung heranzuziehen und in den gesetzlichen Bestimmungen (§ 41 Abs. 1BBG) verankert.

Das Vorbringen des BF in seiner Beschwerde konnte nicht überzeugen, da die Sachverständige sehr wohl die aktuellen medizinischen Befunde berücksichtigt haben. In dem Gutachten setzte sich die ärztlichen Sachverständigen Dr. XXXX und Dr. XXXX aus medizinischer Sicht mit den Leiden des BF ausführlich auseinander. Die eingeholten Sachverständigengutachten, auf die sich das Bundesverwaltungsgericht stützt, stehen mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Auch war die Tauglichkeit der befassten Sachverständigen oder deren Beurteilung bzw. Feststellungen nicht in Zweifel zu ziehen.

Es steht dem BF, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch frei, das im Auftrag der Behörde bzw. des Bundesverwaltungsgerichtes erstellte Gutachten, durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. VwGH 27.06.2000, 2000/11/0093).

Da festgestellt worden ist, dass die dauernden Gesundheitsschädigungen des BF ein Ausmaß von 30% erreichen und somit die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht vorliegen (vgl VwGH 27.5.2014, Ro 2014/11/0041; 21.9.2010, 2007/11/0228), war spruchgemäß zu entscheiden.

3.1.3.Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen

Weiters kann das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).

In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).

Im gegenständlichen Fall ist für die Entscheidung maßgebend, ob die dauernden Gesundheitsschädigungen des BF ein Ausmaß erreichen, welches für die Ausstellung eines Behindertenpasses erforderlich ist. Zur Klärung des Sachverhaltes wurde daher ein ärztliches Sachverständigengutachten eingeholt. Wie bereits oben ausgeführt wurde, wurde dieses als nachvollziehbar und schlüssig erachtet. Der Sachverhalt ist darüber hinaus geklärt und daher konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.

3.2.Zu Spruchpunkt B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Behindertenpass Grad der Behinderung Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W173.2221014.1.00

Im RIS seit

03.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

03.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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