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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
AVG §8Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger und die Hofräte Dr. Lehofer und Mag. Samm als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der Landesumweltanwaltschaft Salzburg in S, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. September 2019, Zl. W193 2222211-1/5E, betreffend eine Angelegenheit nach dem UVP-G 2000 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Salzburger Landesregierung; mitbeteiligte Partei: S AG in Z, vertreten durch Niederhuber & Partner Rechtsanwälte GmbH in 5020 Salzburg, Wilhelm-Spazier-Straße 2a), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die revisionswerbende Partei hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit - in Rechtskraft erwachsenem - Bescheid der belangten Behörde vom 23. Oktober 2013 war über Antrag der Mitbeteiligten (nach Durchführung einer Einzelfallprüfung) festgestellt worden, dass für das (die Erweiterung eines Schigebiets betreffende) Vorhaben der Mitbeteiligten „V“ keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist. Die Tatbestände des § 3a Abs. 2 Z 1 iVm der Z 12 lit. b und Z 46 lit. b des Anhanges 1 zum UVP-G 2000 seien durch das Projekt nicht verwirklicht. Begründend führte die belangte Behörde (zusammengefasst) aus, das geplante Vorhaben, mit dem das bestehende Schigebiet erweitert werden solle, führe zu einer Flächeninanspruchnahme mit Geländeveränderung von insgesamt 16,66 ha bzw. zu Rodungen im Ausmaß von insgesamt 13,26 ha. Da somit eine Änderung des Vorhabens im Ausmaß von mehr als 10 ha (50 % des relevanten UVP-Mengenschwellenwertes von 20 ha) gegeben sei, der Schwellenwert von 100 % aber nicht erreicht werde, sei für das Projekt eine Einzelfallprüfung gemäß § 3a Abs. 2 Z 1 iVm Anhang 1 Z 12 lit. b UVP-G 2000 durchzuführen gewesen. Diese habe ergeben, dass durch das beabsichtigte Vorhaben mit keinen erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen sei, weshalb keine UVP-Pflicht ausgelöst werde. Ebensowenig sei aus Anhang 1 Z 46 lit. b UVP-G 2000 eine UVP-Pflicht abzuleiten, weil auch das Ausmaß der Rodungen unter dem Mengenschwellenwert von 20 ha liege.
2 Nachdem das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit Erkenntnis vom 4. April 2018 das (ebenfalls eine Schigebietserweiterung der Mitbeteiligten betreffende) Vorhaben „H“ genehmigt hatte, beantragte die Revisionswerberin mit Schriftsatz vom 20. Mai 2019 gemäß § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 die - neuerliche - Feststellung der UVP-Pflicht für das Vorhaben „V“, weil sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt aufgrund des Vorhabens „H“ geändert habe. Während im ersten Feststellungsverfahren allein die Umweltauswirkungen des Projekts „V“ entscheidungsrelevant gewesen seien, bestünden nunmehr (näher angeführte) sich überlagernde und kumulative Auswirkungen der beiden Projekte.
3 Dieser Antrag wurde von der belangten Behörde mit Bescheid vom 18. Juni 2019 gemäß § 68 Abs. 1 AVG iVm § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 im Wesentlichen deshalb zurückgewiesen, weil einer inhaltlichen Behandlung des Antrags das Hindernis der entschiedenen Sache entgegen stehe: Entgegen der Auffassung der Revisionswerberin habe sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt ebensowenig geändert wie die maßgebende Rechtslage. Das Vorhaben „V“ sei hinsichtlich Flächeninanspruchnahme unverändert gegenüber dem seinerzeit beurteilten Vorhaben (Flächeninanspruchnahme von 16,66 ha bezogen auf Z 12 des Anhangs 1 zum UVP-G 2000; Rodungsfläche von 13,26 ha bezogen auf Z 46 des Anhangs 2 zum UVP-G 2000). Die maßgebenden Parameter lägen damit zwischen 50 % und 100 % des Schwellenwerts von 20 ha, sodass schon deshalb die Pflicht zur Durchführung einer Einzelfallprüfung bestanden habe, unabhängig von einer Kumulierung mit in einem räumlichen Zusammenhang stehenden gleichartigen Vorhaben. Hingegen erfasse die Kumulierungsbestimmung nach § 3a Abs. 6 UVP-G 2000 Konstellationen, in denen das Änderungsvorhaben zwar 25 % des Schwellenwerts erreiche, aber erst zusammen mit gleichartigen Vorhaben den jeweils maßgebenden Schwellenwert. Die Bewilligung des Vorhabens „H“ habe daher den für eine UVP-Pflicht des Vorhabens „V“ entscheidungsrelevanten Sachverhalt nicht geändert.
4 Mit dem nun in Revision gezogenen Erkenntnis wies das BVwG die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde als unbegründet ab; die ordentliche Revision wurde für zulässig erklärt.
5 Dieser Entscheidung legte das BVwG den eingangs wiedergegebenen (unstrittigen) Sachverhalt zu Grunde und erachtete rechtlich, beschwerdegegenständlich (Sache des Beschwerdeverfahrens) sei die Frage, ob die belangte Behörde den Feststellungsantrag der Revisionswerberin zu Recht als unzulässig zurückgewiesen habe.
6 Das Entscheidungshindernis der entschiedenen Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG liege dann vor, wenn seit der Erlassung des rechtskräftigen Vorbescheids die maßgebende Sach- und Rechtslage unverändert geblieben sei.
7 Die maßgebenden Bestimmungen der §§ 3 und 3a sowie der Z 12 lit. b und Z 46 lit. b des Anhangs 1 des UVP-G 2000 seien in den entscheidenden Punkten unverändert geblieben. Es habe sich aber auch der entscheidende Sachverhalt nicht geändert:
8 Die Änderungsbestimmungen des § 3a Abs. 2 Z 1 und Abs. 3 Z 1 UVP-G 2000 normierten als relevante Schwellenwertgrenze eine Kapazitätsausweitung von mindestens 50 % des im Anhang 1 für den jeweiligen Tatbestand ausschlaggebenden Schwellenwerts. Das Änderungsvorhaben „V“ habe (schon für sich genommen) mit der festgestellten Flächeninanspruchnahme den Mindestschwellenwert von 50 % überschritten und damit die Änderungsbestimmungen nach § 3a Abs. 2 Z 1 und Abs. 3 Z 1 UVP-G 2000 erfüllt, weshalb eine Einzelfallprüfung zwecks Feststellung, ob durch die Änderung mit erheblichen schädlichen, belästigenden oder belastenden Auswirkungen auf die Umwelt iSd § 1 Abs. 1 Z 1 UVP-G 2000 zu rechnen ist, notwendig gewesen und durchgeführt worden sei. Das Vorhaben „V“ sei von der Mitbeteiligten nicht geändert worden, das Hinzutreten des Vorhabens „H“ begründe nach dem Gesagten keine relevante Änderung. Der Feststellungsbescheid vom 23. Oktober 2013 entfalte also nach wie vor Bindung, weshalb die belangte Behörde den Antrag der Revisionswerberin zutreffend zurückgewiesen habe.
9 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision der Landesumweltanwaltschaft Salzburg.
10 Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag, die vorliegende Revision zurück-, in eventu abzuweisen.
11 Gemäß § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 hat die Behörde auf Antrag des Projektwerbers bzw. der Projektwerberin, einer mitwirkenden Behörde oder des Umweltanwaltes festzustellen, ob für ein Vorhaben eine Umweltverträglichkeitsprüfung nach diesem Bundesgesetz durchzuführen ist und welcher Tatbestand des Anhanges 1 oder des § 3a Abs. 1 bis 3 durch das Vorhaben verwirklicht wird. Parteistellung und das Recht, Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht zu erheben, haben der Projektwerber bzw. die Projektwerberin, der Umweltanwalt und die Standortgemeinde. Die Standortgemeinde kann gegen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts Revision an den Verwaltungsgerichtshof erheben.
12 § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 trifft eine umfassende und abschließende Regelung über den Kreis der Verfahrensparteien für das dort geregelte Feststellungsverfahrens (vgl. VwGH 27.1. 2016, Ra 2015/05/0083, mwH). Nach § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 hat der Umweltanwalt Parteistellung im Feststellungsverfahren (vgl. dazu etwa VwGH 22.6.2011, 2009/04/0029, und VwGH 28.5.2015, Ro 2014/07/0079). Diese gesetzliche Regelung räumt aber ausdrücklich lediglich der Standortgemeinde, nicht aber einem Umweltanwalt die Kompetenz zur Erhebung einer Revision an den Verwaltungsgerichtshof ein.
13 Ausgehend davon ist die Stellung des Umweltanwaltes im Feststellungsverfahren nach § 3 Abs. 7 leg. cit. die einer Formalpartei, der auf dem Boden der Rechtsprechung die Erhebung einer Revision beim Verwaltungsgerichtshof lediglich dann offensteht, wenn sie dort die Verletzung ihrer prozessualen Rechte (die für sie subjektive Rechte darstellen) geltend macht. Nur zur Durchsetzung ihrer aus der durch Gesetz eingeräumten Stellung folgenden prozessualen Befugnisse kommt einer Formalpartei auch Revisionslegitimation iSd Art 133 Abs 6 Z 1 B-VG zu (vgl. idZ etwa VwGH 24.3.2015, Ro 2014/09/0066, 28.5.2015, Ro 2014/07/0079, 25.6. 2015, Ro 2015/07/0009, 9.9.2016, Ro 2015/02/0016, und 26.4.2017, Ro 2017/03/0010, je mwH).
14 Die Revision macht zwar einleitend die „Verletzung prozessualer Rechte“ geltend und führt dazu aus, der Sachverhalt sei vom BVwG aktenwidrig angenommen worden, er bedürfe in einem wesentlichen Punkt einer Ergänzung und bei Einhaltung der verletzten Verfahrensvorschriften hätte das BVwG zu einem anderen Ergebnis kommen können. Zudem sei die angefochtene Entscheidung inhaltlich rechtswidrig, weil eine nach Auffassung der Revision unionsrechtlich erforderliche Kumulierungsprüfung der beiden Vorhaben nicht stattgefunden habe. Damit werde die Revisionswerberin in ihren prozessualen Rechten auf Einhaltung des unionsrechtlichen Verfahrensgrundsatzes des Anwendungsvorrangs von Unionsrecht und auf Feststellung des vollständigen entscheidungswesentlichen Sachverhalts verletzt. Zudem sei die Revisionswerberin dadurch in ihren prozessualen Rechten auf rechtliches Gehör und Durchführung einer mündlichen Verhandlung verletzt worden; bei Beachtung dieser prozessualen Rechte wäre eine andere Entscheidung, nämlich eine Prüfung kumulierender Auswirkungen beider Vorhaben samt Aufhebung des behördlichen Bescheids möglich gewesen.
15 Mit diesem Vorbringen macht die Revision der Sache nach Verfahrensmängel und inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses geltend. Der Revisionswerberin wurde aber nicht etwa die Parteistellung verwehrt, auch ihre Beschwerdelegitimation wurde nicht in Zweifel gezogen, sie hat (durch inhaltliche Entscheidung über ihre Beschwerde gegen den behördlichen Bescheid) eine Sachentscheidung erlangt. Die Revisionswerberin macht zwar u.a. geltend, ihr rechtliches Gehör sei verletzt worden, sie bringt aber nicht konkret vor, ihr sei die Gelegenheit genommen worden, zu den für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltsannahmen Stellung zu nehmen; eine Verletzung des Parteiengehörs liegt insoweit nicht vor. Auch mit der Behauptung, es seien unrichtige bzw. nicht ausreichende Feststellungen getroffen worden, wird nicht die Verletzung von Parteirechten geltend gemacht (vgl. VwGH 24.3.2004, 2004/04/0036,27.2.2013, 2012/17/0430).
16 Es ist daher nicht ersichtlich, dass die Revision eine Verletzung von prozessualen Rechten der Revisionswerberin geltend macht. Der Revision steht daher der Mangel der Berechtigung zu ihrer Erhebung entgegen, weshalb sie gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen war.
17 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere § 51 VwGG, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
18 Nur der Vollständigkeit halber: Im zugrundeliegenden Verfahren war nicht über die UVP-Pflicht des Vorhabens „V“ zu entscheiden, sondern über die Bindungswirkung des seinerzeitigen Bescheids vom 23. Oktober 2013, insbesondere darüber, ob die Genehmigung des Vorhabens „H“ eine die Bindung berührende maßgebliche Änderung bewirkt hat. Das Erkenntnis des BVwG vom 4. April 2018, mit dem die erwähnte Genehmigung erteilt wurde, ist vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 16. Dezember 2019, Ra 2018/03/0066-0068, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben worden. Zur Frage, inwieweit bei der Genehmigung des Vorhabens „H“ auf das Projekt „V“ einzugehen ist bzw. inwieweit eine Kumulierungsprüfung der beiden Vorhaben erforderlich ist, wird gemäß § 43 Abs. 2 und 9 VwGG auf dieses Erkenntnis verwiesen.
Wien, am 30. Juni 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RO2020030003.J00Im RIS seit
03.09.2020Zuletzt aktualisiert am
03.09.2020