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001 Verwaltungsrecht allgemeinNorm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger und die Hofräte Dr. Lehofer, Mag. Nedwed und Mag. Samm als Richter sowie die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richterin, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des R (N), vertreten durch Dr. Roland Grilc, Mag. Rudolf Vouk, Dr. Maria Škof, MMag. Maja Ranc und Mag. Sara Grilc, LL.M., Rechtsanwälte in 9020 Klagenfurt, Karfreitstraße 14/III, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. August 2019, Zl. W108 2213625-1/9E, betreffend Bestellung der Mitglieder des Volksgruppenbeirates für die slowenische Volksgruppe (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesregierung), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid vom 31. Oktober 2018 bestellte die belangte Behörde gemäß § 4 Abs. 1 bis 3 Volksgruppengesetz (iF auch: VoGrG) in Verbindung mit § 3 der Verordnung der Bundesregierung über die Volksgruppenbeiräte, BGBl. Nr. 38/1977, 16 Personen zu Mitgliedern des Volksgruppenbeirates für die slowenische Volksgruppe (getrennt nach ihrer Zugehörigkeit zu den Personenkreisen nach § 4 Abs. 2 Z 1, Z 2 und Z 3 VoGrG) für die Dauer von vier Jahren (Spruchpunkt I.). Die von der revisionswerbenden Partei im Verfahren erhobenen Einwendungen wurden abgewiesen (Spruchpunkt II.). Die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG ausgeschlossen (Spruchpunkt III.).
2 Begründend führte die belangte Behörde - auf das Wesentliche zusammengefasst - aus, für die Bestimmung der Mitglieder gemäß § 4 Abs. 2 Z 1 VoGrG („Politikerkurie“) seien die Ergebnisse der Gemeinderatswahlen 2015 im Geltungsbereich des Minderheiten-Schulgesetzes für Kärnten herangezogen und nach dem Ermittlungsverfahren nach d’Hondt ausgewertet worden. Es seien daher vier Personen auf Vorschlag der X Partei, zwei Personen auf Vorschlag der Y Partei und eine Person auf Vorschlag der Z Partei zu Beiratsmitgliedern zu bestellen gewesen. Gemäß § 4 Abs. 2 Z 2 VoGrG hätten die repräsentativen Volksgruppenorganisationen für die acht Sitze in der „Vereins- bzw. Organisationskurie“ (iF auch: „Vereinskurie“) zehn Personen namhaft gemacht, sodass eine Auswahl zu treffen gewesen sei. Für die Bestellung gemäß § 4 Abs. 2 Z 3 VoGrG („Kirchenkurie“) sei von der katholischen Kirche eine Person vorgeschlagen worden. Gegen die in Aussicht genommene Beiratszusammensetzung habe (u.a.) die revisionswerbende Partei Einwendungen erhoben und vorgebracht, dass bei der Sitzverteilung in der Politikerkurie (Z 1) die Eliste/E l (iF auch: EL) nicht übersehen werden sollte. Es habe sich aber die - höchstgerichtlich unbeanstandete - Verwaltungspraxis etabliert, bei der Bestimmung der Mitglieder der „Politikerkurie“ die allgemeinen Wahlergebnisse im autochthonen Siedlungsgebiet heranzuziehen. Im Sinne eines „kurienübergreifenden Ausgleichs“ seien die von der EL vertretenen politischen Positionen jedenfalls durch drei Beiratsmitglieder der „Vereinskurie“ (Z 2) sichergestellt, die in der EL aktiv (gewesen) seien.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht die von der revisionswerbenden Partei erhobene Beschwerde als unbegründet ab. Die Revision erklärte es gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.
4 In der Begründung legte das Verwaltungsgericht den Verfahrensgang dar und stellte ergänzend u.a. fest, dass die revisionswerbende Partei als repräsentative Volksgruppenorganisation gemäß § 4 Abs. 2 Z 2 VoGrG zu qualifizieren sei. Zumindest drei bestellte Beiratsmitglieder seien für die EL aktiv oder aktiv gewesen und würden die politischen Positionen der EL vertreten. Bei der letzten Gemeinderatswahl 2015 habe die EL im (örtlichen) Anwendungsbereich des Minderheitenschulgesetzes einen Anteil von 3 % der Stimmen erhalten.
5 Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung gab das Verwaltungsgericht die als maßgeblich erachtete Rechtslage wieder und führte fallbezogen im Wesentlichen aus, die revisionswerbende Partei wende sich in ihrer Beschwerde gegen die Nichtberücksichtigung der EL in der „Politikerkurie“ nach § 4 Abs. 2 Z 1 VoGrG. Anders als bei der „Vereinskurie“ bestehe für die „Politikerkurie“ kein Vorschlagsrecht Dritter, was aber nicht ausschließe, dass die Bundesregierung von sich aus Dritte einlade, geeignete Personen zu benennen; eine rechtliche Verpflichtung für eine solche Vorgangsweise bestehe allerdings nicht. Dass die EL nicht zur Übermittlung eines Bestellungsvorschlags eingeladen worden sei, stelle daher kein rechtswidriges Verhalten der belangten Behörde dar. Vor dem Hintergrund der (näher dargestellten) Rechtslage begegne es keinen Bedenken, wenn die belangte Behörde auf die Ergebnisse der letzten Gemeinderatswahlen zurückgegriffen und das Wahlergebnis jener 36 Gemeinden herangezogen habe, die unter den Anwendungsbereich des Minderheitenschulgesetzes fallen. Mit der gleichen Gewichtung dieser 36 Gemeinden sei der vom Gesetzgeber zugedachte Spielraum weder überschritten noch missbräuchlich angewendet worden. Nach der Berechnung nach dem d’Hondtschen Ermittlungsverfahren sei die EL wegen ihres Stimmanteils von 3 % bei der Gemeinderatswahl 2015 nicht zu berücksichtigen gewesen. Entscheidend sei aber ohnehin, dass es in Bezug auf die Vertretung der wesentlichen politischen und weltanschaulichen Meinungen entsprechend ihrer Bedeutung innerhalb der Volksgruppe nach dem „Ausgewogenheitsprinzip“ iSd § 4 Abs. 1 zweiter Satz VoGrG auf eine Gesamtbetrachtung der bestellten Mitglieder ankomme. Ausgehend davon, dass zumindest drei in die „Vereinskurie“ bestellte Beiratsmitglieder für die EL (als Sekretär, Gemeindevorstand bzw. Bürgermeister) aktiv (gewesen) seien, werde die politische Meinung der EL im Volksgruppenbeirat zumindest zu 18,75 % im Volksgruppenbeirat vertreten. Dies könne selbst unter Zugrundelegung der Angaben der revisionswerbenden Partei zum Umfang der Unterstützung der EL in den Gemeinden mit einer stärkeren Vertretung der slowenischen Volksgruppe nicht als (exzessive) Unterrepräsentation angesehen werden.
6 Gegen dieses Erkenntnis richtete die revisionswerbende Partei zunächst eine Beschwerde gemäß Art. 144 B-VG an den Verfassungsgerichtshof. Dieser hat deren Behandlung mit Beschluss vom 24. Februar 2020, E 3411/2019-12, abgelehnt und sie in weiterer Folge mit Beschluss vom 19. März 2020, E 3411/2019-15, dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung abgetreten.
7 Daraufhin erhob die revisionswerbende Partei die vorliegende - außerordentliche - Revision.
8 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich (u.a.) wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen oder denen der Mangel der Berechtigung zu ihrer Erhebung entgegensteht, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
11 In den gemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert vorzubringenden Gründen ist konkret aufzuzeigen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch nicht beantwortet hat. Findet sich eine derartige Darstellung in der Angabe der Gründe der Zulässigkeit der Revision aber nicht, sondern etwa nur der allgemeine Hinweis, dass die Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweiche, so genügt dies jedenfalls nicht, um das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufzuzeigen. Eine die Zulässigkeit der Revision begründende Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt zudem nur dann vor, wenn die Entscheidung über die Revision von der Lösung eben dieser Rechtsfrage abhängt (vgl. etwa VwGH 11.7.2019, Ra 2019/03/0013, mwN).
12 Die demnach für die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision allein maßgebende Zulässigkeitsbegründung der Revision macht (zusammengefasst) Folgendes geltend:
Gemäß § 4 Abs. 1 VoGrG könnten Vereinigungen iSd § 4 Abs. 2 Z 2 VoGrG gegen die Bestellung wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht und Revision beim Verwaltungsgerichtshof erheben. Das Gesetz sehe also einen zweistufigen Rechtsschutz vor, sodass das Verwaltungsgericht die Möglichkeit einer ordentlichen Revision nicht ausschließen könne. Dabei handle es sich um eine lex specialis zur generellen Regelung über die Zulassungsrevision.
Selbst wenn man aber diese Auffassung nicht teilen wollte, wäre die Nichtzulassung der ordentlichen Revision ungerechtfertigt: Zur Frage der Zusammensetzung von Volksgruppenbeiräten gebe es „bislang genau zwei Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs“, „beide betreffend den Beirat für die slowenische Volksgruppe“. Dabei habe der Verwaltungsgerichtshof die Zusammensetzung des Beirates für die slowenische Volksgruppe in einem Fall bereits aufgehoben und weiche die vorliegende Entscheidung „von dieser Rechtsprechung“ ab. Wesentlich sei zudem, dass beide Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vor der Novellierung des Volksgruppengesetzes im Jahr 2011 ergangen seien. Wie der Beschwerde zu entnehmen sei, sei ein wesentliches Argument der revisionswerbenden Partei auch die „neue Rechtslage seit dem Volksgruppengesetz 2011“ in Bezug auf die Rechtsstellung der Kärntner Slowenen. Zu dieser Rechtslage ab 2011 gebe es keine Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes.
13 Mit diesem Vorbringen wird nicht dargelegt, dass der Verwaltungsgerichtshof bei der Entscheidung über die vorliegende Revision eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu lösen hätte.
14 Die revisionswerbende Partei ist eine repräsentative Volksgruppenvereinigung iSd § 4 Abs. 2 Z 2 VoGrG. Als solche ist sie im Verfahren zur Bestellung der Mitglieder des Volksgruppenbeirats zu hören, und sie kann gegen die Bestellung wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht und Revision beim Verwaltungsgerichtshof erheben (§ 4 Abs. 1 letzter Satz VoGrG).
15 Eine auf dieser Grundlage erhobene (Beschwerde bzw. nunmehr) Revision an den Verwaltungsgerichtshof stellt nach der zur Rechtslage vor der Verwaltungsgerichtsbarkeitsnovelle 2012, BGBl. I Nr. 51/2012, ergangenen und auf die nunmehrige Rechtslage übertragbaren Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes eine solche wegen Verletzung in Rechten iSd Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG bzw. (vormals) Art. 131 Abs. 1 Z 1 B-VG idF vor der Novelle BGBl. I Nr. 51/2012 dar (vgl. VwGH 22.10.2012, 2009/03/0081; 26.5.2003, 98/12/0528; 26.5.2003, 99/12/0187; 29.8.2000, 2000/12/0091, je mwN).
16 Die revisionswerbende Partei begründet die Zulässigkeit ihrer Revision primär mit der ihr in § 4 Abs. 1 letzter Satz VoGrG eingeräumten Rechtsmittelbefugnis. Damit verkennt sie, dass die Berechtigung zur Erhebung einer Revision (hier nach Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG) nichts über deren Zulässigkeit aussagt, die ausschließlich nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen ist. Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes zur Kontrolle der Entscheidungen der Verwaltungsgerichte (und zwar sowohl bei ordentlichen als auch bei außerordentlichen Revisionen) jedoch stets auf die Wahrnehmung von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne dieser Bestimmung begrenzt (vgl. etwa VwGH 2.5.2016, Ra 2016/11/0043, mwN). Entgegen der Ansicht der revisionswerbenden Partei kann die in § 4 Abs. 1 letzter Satz VoGrG vorgesehene Rechtsmittelbefugnis daher keinesfalls eine „lex specialis“ zur - von der Revisionslegitimation strikt zu trennenden - Zulässigkeit einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG darstellen.
17 Die Revision macht in ihrer Zulässigkeitsbegründung hilfsweise geltend, dass es zur Frage der Zusammensetzung von Volksgruppenbeiräten zwei Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes gebe, wobei der Verwaltungsgerichtshof die Zusammensetzung eines Beirates für die slowenische Volksgruppe in einem Fall bereits aufgehoben habe und die gegenständliche Entscheidung von „dieser Rechtsprechung“ abweiche.
18 Mit diesem Vorbringen wird den an die gesetzmäßige Ausführung der Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gestellten Anforderungen schon deshalb nicht entsprochen, weil damit nicht konkret - unter Angabe zumindest einer nach Datum und Geschäftszahl bezeichneten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes - angegeben wird, von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das Verwaltungsgericht nach Ansicht der revisionswerbenden Partei in welchen Punkten abgewichen sein soll (vgl. VwGH 16.10.2019, Ra 2019/03/0116; 11.7.2019, Ra 2019/03/0013, je mwN).
19 Auch mit dem weiteren Zulässigkeitsvorbringen, es seien „beide Erkenntnisse“ vor der „Novellierung des Volksgruppengesetzes im Jahr 2011“ ergangen und gebe es „zu dieser Rechtslage ab 2011“ keine Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, zeigt die revisionswerbende Partei nicht auf, welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof noch nicht beantwortet hat und inwiefern die Entscheidung über die Revision von der Lösung dieser Rechtsfrage abhängt.
20 Zudem liegt eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch dann nicht vor, wenn die maßgebliche Rechtsfrage durch zu früheren Rechtslagen ergangene und auf die aktuelle Rechtslage übertragbare Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bereits geklärt wurde (vgl. VwGH 27.7.2017, Ra 2016/12/0006; 29.4.2015, Ra 2015/06/0027, je mwN). Dass bzw. inwiefern sich die maßgebliche Rechtslage seit der zu früheren Rechtslagen ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Bestellung von Mitgliedern nach § 4 VoGrG geändert hat, wird in der Revision nicht aufgezeigt; der bloße Verweis auf ein erstattetes Beschwerdevorbringen stellt keine gesetzmäßige Ausführung der Zulässigkeitsgründe iSd § 28 Abs. 3 VwGG dar (vgl. VwGH 26.6.2018, Ra 2018/05/0189, mwN; 27.11.2014, Ra 2014/03/0041; vgl. zur - generellen - Unzulässigkeit eines Verweises auf andere Schriftsätze auch VwGH 3.4.2019, Ra 2018/18/0505, mwN).
21 Im Übrigen:
22 Das vorliegende Verfahren betrifft die Bestellung der Mitglieder des Volksgruppenbeirats für die slowenische Volksgruppe gemäß § 4 Abs. 1 bis 3 VoGrG. Die Revision wendet sich im Wesentlichen gegen die - bei der Bestellung der Mitglieder der „Politikerkurie“ erfolgte - Heranziehung des Wahlverhaltens der Gesamtbevölkerung im zweisprachigen Gebiet Kärntens, „ohne jede Abstufung nach der zahlenmäßigen Stärke der Volksgruppe in einzelnen Gemeinden und ohne jede Überlegung, ob die Volksgruppe in ihrem Wahlverhalten sich gleich verhält wie die Mehrheitsbevölkerung“.
23 § 4 Volksgruppengesetz (VoGrG), BGBl. Nr. 396/1976 idF BGBl. I Nr. 84/2013, lautet auszugsweise wie folgt:
„§ 4. (1) Die Mitglieder der Volksgruppenbeiräte werden von der Bundesregierung nach vorheriger Anhörung der in Betracht kommenden Landesregierungen für die Dauer von vier Jahren bestellt. Die Bundesregierung hat hiebei darauf Bedacht zu nehmen, daß die in der betreffenden Volksgruppe wesentlichen politischen und weltanschaulichen Meinungen entsprechend vertreten sind. Die in Betracht kommenden Vereinigungen nach Abs. 2 Z 2 sind im Verfahren zur Bestellung der Mitglieder der Volksgruppenbeiräte zu hören und können gegen die Bestellung wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht und Revision beim Verwaltungsgerichtshof erheben.
(2) Zu Mitgliedern des Volksgruppenbeirates können nur Personen bestellt werden, die erwarten lassen, daß sie sich für die Interessen der Volksgruppe und die Ziele dieses Bundesgesetzes einsetzen, zum Nationalrat wählbar sind und die
1. Mitglieder eines allgemeinen Vertretungskörpers sind und die im Hinblick auf ihre Zugehörigkeit zur betreffenden Volksgruppe gewählt wurden oder dieser Volksgruppe angehören oder
2. von einer Vereinigung vorgeschlagen wurden, die ihrem satzungsgemäßen Zweck nach Volksgruppeninteressen vertritt und für die betreffende Volksgruppe repräsentativ ist oder
3. als Angehörige der Volksgruppe von einer Kirche oder Religionsgemeinschaft vorgeschlagen wurden.
(3) Der Volksgruppenbeirat ist so zusammenzusetzen, daß die Hälfte der Mitglieder dem Personenkreis nach Abs. 2 Z 2 angehört.
...“
24 Zu den gesetzlichen Vorgaben betreffend die Bestellung der Beiratsmitglieder der „Politikerkurie“ nach § 4 Abs. 2 Z 1 VoGrG und des bei der Überprüfung dieser Entscheidung anzulegenden Maßstabs hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 26. Mai 2003, 98/12/0528, insbesondere Folgendes ausgeführt (Rn. 3.4.2):
„Dem (für alle Kurien geltenden) ‚Ausgewogenheitsprinzip‘ nach § 4 Abs. 1 zweiter Satz VoGrG lässt sich entnehmen, dass es (auch) auf die Bedeutung der politischen Richtungen innerhalb der Volksgruppe ankommt. Andererseits ergibt sich aus ihm - wie auch oben bei der ‚Organisationskurie‘ unter spezifischer Bezugnahme auf § 4 Abs. 2 Z. 2 VoGrG ausgeführt - aber nicht der gesetzliche Auftrag, dass die Auswahl unter den für die ‚Politikerkurie‘ in Betracht kommenden Personen das Stärkeverhältnis einzelner politischer Strömungen innerhalb der Volksgruppe, wie sie vornehmlich durch politische Parteien repräsentiert werden, präzise widerzuspiegeln hat. Eine dafür erforderliche hinreichend genaue und nachprüfbare Feststellung des Wahlverhaltens stieße im Übrigen wegen des Wahlgeheimnisses in Verbindung mit der Freiwilligkeit des Bekenntnisses zur Volksgruppe auf außerordentliche Schwierigkeiten. Auch hier kommt nur eine Exzesskontrolle in Betracht. Dazu kommt, dass die Zulässigkeit eines ‚kurienübergreifenden‘ Ausgleiches nach dem Wortlaut des § 4 Abs. 1 zweiter Satz VoGrG nicht von vornherein ausgeschlossen ist. Die dort genannten Kriterien haben jedenfalls insgesamt (bei einer Gesamtbetrachtung der Besetzung des Beirates) zu einer ausgewogenen Bestellung der Mitglieder zu führen (in diesem Sinn bereits der hg. Beschluss vom 29. August 2000, Zl. 2000/12/0091). Bei der nachprüfenden Kontrolle ist daher auch zu berücksichtigen, ob eine allfällige Nichtberücksichtigung von politischen Meinungen (hier: der von Mandataren der EL vertretenen politischen Meinung) bei der Bestellung der der ‚Politikerkurie‘ zuzurechnenden Beiratsmitglieder durch die Bestellung einer anderen Kurie zuzurechnender Beiratsmitglieder, die diese politische Meinung (öffentlich) vertreten, ausgeglichen wird. Auf dem Boden dieser Rechtslage begegnet es im Beschwerdefall keinen Bedenken, wenn die belangte Behörde auf die Ergebnisse der letzten vor der Bestellung der Beiratsmitglieder abgehaltenen Landtags- und Gemeinderatswahlen zurückgegriffen und das Wahlergebnis jener (36) Gemeinden herangezogen hat, die unter den Anwendungsbereich des Minderheitenschulgesetzes für Kärnten fallen. Damit wird sichergestellt, dass ein möglichst großer Anteil der Aktivbürgerschaft der slowenischen Volksgruppe erfasst wird. Dies widerspricht nicht dem VoGrG.“
25 Die in § 4 VoGrG normierten gesetzlichen Vorgaben betreffend die Bestellung der Mitglieder der Volksgruppenbeiräte blieben seither unverändert. Auch die von der Revision offenbar angesprochene Novelle BGBl. I Nr. 46/2011, mit der im Wesentlichen eine (Neu-)Regelung der Gebietsteile, in denen die volksgruppenrechtlichen Topographie- und Amtssprachenregelungen zur Anwendung kommen, vorgenommen wurde (vgl. ErlRV 1220 BlgNR 24. GP), hat daran nichts geändert. Die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 26.5.2003, 98/12/0528; vgl. auch VwGH 15.12.2004, 2004/18/0011, und VwGH 29.8.2000, 2000/12/0091, bzw. VwGH 22.10.2012, 2009/03/0081 [betreffend die tschechische Volksgruppe] und VwGH 26.5.2003, 99/12/0187 [betreffend die ungarische Volksgruppe]) ist daher weiterhin anwendbar.
26 Dass das Verwaltungsgericht im vorliegenden Fall von der genannten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wäre, wird von der revisionswerbenden Partei allerdings nicht aufgezeigt und ist für den Verwaltungsgerichtshof auch nicht erkennbar:
27 Die belangte Behörde hat im vorliegenden Fall bei der Bestellung der Mitglieder gemäß § 4 Abs. 2 Z 1 VoGrG („Politikerkurie“) die Wahlergebnisse der Gemeinderatswahlen 2015 in jenen 36 Gemeinden herangezogen, die unter den Anwendungsbereich des Minderheiten-Schulgesetzes für Kärnten fallen. Die Eliste (EL) wurde aufgrund ihres Stimmenanteils von nur 3 % nicht dazu eingeladen, einen Vorschlag für die nach § 4 Abs. 2 Z 1 VoGrG zu bestellenden Mitglieder zu unterbreiten. Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtes sind zumindest drei Mitglieder der „Vereinskurie“ nach § 4 Abs. 2 Z 2 VoGrG in unterschiedlichen Funktionen für die EL politisch aktiv oder aktiv gewesen. Ausgehend davon ist dem Verwaltungsgericht nicht entgegenzutreten, wenn es im Zuge der vorgenommenen „kurienübergreifenden“ Gesamtbetrachtung eine (exzessive) Unterrepräsentation der politischen Meinung der EL als nicht gegeben ansah.
28 Nach dem Gesagten werden in der Revision keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher von einem nach § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 30. Juni 2020
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020030046.L00Im RIS seit
07.10.2020Zuletzt aktualisiert am
07.10.2020