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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AVG §13 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Julcher, über die Beschwerde des (am 1. September 1977 geborenen) VS in Rußland, vertreten durch Dr. Wolfgang Rainer, Rechtsanwalt in Wien VII,
Neubaugasse 12-14/22, gegen den Unabhängigen Verwaltungssenat im Land Niederösterreich wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in einer Angelegenheit betreffend Einhebung einer Sicherheitsleistung, zu Recht erkannt:
Spruch
Gemäß § 42 Abs. 4 VwGG i.V.m. § 67c AVG wird die am 5. Juli 1995 in Schwechat am Flughafen Wien im Zuge einer gegen den Beschwerdeführer wegen Verdachtes einer Verwaltungsübertretung nach § 82 FrG durchgeführten Amtshandlung erfolgte Festsetzung und Einhebung einer vorläufigen Sicherheit in der Höhe von S 2.500,-- durch einen Beamten der Bundespolizeidirektion Schwechat für rechtswidrig erklärt.
Der Bund (Bundesminister für Inneres) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 13.250,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein russischer Staatsangehöriger, reiste am 5. Juli 1995 aus dem Bundesgebiet aus. Bei der Paßkontrolle am Flughafen Wien Schwechat wurde von der Bundespolizeidirektion Schwechat von ihm gemäß § 37a Abs. 2 Z. 1 VStG eine vorläufige Sicherheit im Betrag von S 2.500,-- eingehoben. Eine Bescheinigung darüber wurde ausgestellt. Der Beschwerdeführer bezahlte diese Sicherheitsleistung.
Am 27. Juli 1995 (Datum des Einlangens) erhob der Beschwerdeführer Beschwerde bei der belangten Behörde mit dem Begehren, den angefochtenen Verwaltungsakt für rechtswidrig zu erklären. Zur Begründung führte er aus, die Sicherheitsleistung wäre zu Unrecht angeordnet worden. Die Bundespolizeidirektion Schwechat wäre nicht zur Strafverfolgung berufen gewesen, das für sie handelnde Organ hätte auch nicht angegeben, weshalb eine Sicherheitsleistung vorgeschrieben werde. Eine Ermächtigung im Sinne des § 37a i.V.m. § 50 Abs. 3 VStG wäre trotz Verlangens nicht vorgewiesen worden. Ebenso wäre eine Anzeige oder Anzeigenverständigung unterblieben.
Aus dem Reisepaß des Beschwerdeführers wären dessen Namen und Identität zu klären gewesen, § 35a VStG (gemeint § 35 Z. 1) wäre daher von vornherein ausgeschieden. § 35b VStG (gemeint § 35 Z. 2) wäre ebenfalls nicht vorgelegen, die Festnahme hätte vorausgesetzt, daß der Beschwerdeführer auf frischer Tat betreten worden wäre. Der Beschwerdeführer hätte über einen inländischen Wohnsitz, der auch in der ausgestellten Bescheinigung angeführt wäre, verfügt. Die Ausreise aus dem Bundesgebiet alleine hätte noch nicht die Annahme gerechtfertigt, der Beschwerdeführer hätte sich der Strafverfolgung zu entziehen versucht.
Der Beschwerdeführer hätte über einen gültigen Sichtvermerk und einen gültigen Reisepaß verfügt. Die Auferlegung und Einhebung der Sicherheitsleistung wäre rechtsgrundlos und gesetzwidrig erfolgt. Ein Verwaltungsstrafverfahren gegen den Beschwerdeführer wäre nicht eingeleitet worden.
Mit Schreiben vom 14. August 1995, dem Beschwerdevertreter zugestellt am 21. August 1995, forderte die belangte Behörde den Beschwerdeführer auf, den "zitierten Einzahlungsbeleg" im Original vorzulegen sowie die Behauptung, "der Beschwerdeführer habe über einen gültigen Sichtvermerk verfügt, näher auszuführen".
Mit dem am 30. August 1995 bei der belangten Behörde eingelangten Schriftsatz teilte der Beschwerdeführer zur Aufforderung vom 14. August 1995 mit, daß ein "Einzahlungsbeleg" nicht ausgestellt worden sei. Die Bundespolizeidirektion Schwechat habe eine Bescheinigung über die vorläufige Sicherheit ausgestellt, dessen Ausfertigung in Kopie angeschlossen sei. Weiters ist wörtlich ausgeführt:
"Der Bf ist Student der International Christian University in Wien, er verfügte über einen gültigen Reisepaß und war aufgrund der Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes zum Studienaufenthalt berechtigt."
Mit Schreiben vom 31. August 1995 ersuchte die belangte Behörde den Beschwerdeführer neuerlich, die Behauptung, "der Beschwerdeführer habe über einen gültigen Sichtvermerk verfügt, näher auszuführen". In der Stellungnahme vom 30. August 1995 seien die Sichtvermerks- und Reisepaßdaten nicht angeführt.
Dieses Schreiben wurde dem Vertreter des Beschwerdeführers mit Fax zugestellt.
Sowohl die Beschwerde vom 27. Juli 1995 als auch der Schriftsatz vom 30. August 1995 enthielt auf der ersten Seite den Vermerk: "Der Zustellung der Erledigung mittels Telekopie wird i.S. § 18 Abs. 3 fünfter Satz ff AVG 1991 in der Fassung BGBl. 471/1995 widersprochen."
Mit der am 31. Jänner 1996 beim Verwaltungsgerichtshof eingebrachten Säumnisbeschwerde macht der Beschwerdeführer die Verletzung der Entscheidungspflicht durch die belangte Behörde geltend.
Nach Durchführung eines Mängelbehebungsverfahrens wurde die belangte Behörde mit Verfügung vom 29. Mai 1996 gemäß § 36 Abs. 2 VwGG aufgefordert, binnen drei Monaten den versäumten Bescheid zu erlassen und eine Abschrift desselben dem Verwaltungsgerichtshof vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliege und dazu gemäß § 36 Abs. 1 VwGG die Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen.
Ohne einen Bescheid zu erlassen, legte die belangte Behörde die Akten des Verwaltungsverfahrens mit dem Antrag vor, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen. Der Beschwerdeführer sei mit Schreiben vom 14. August 1995, ihm zugestellt am 21. August 1995, aufgefordert worden, den mangelhaft vorgetragenen Sachverhalt zu ergänzen, insbesondere die Behauptung, es habe ein gültiger Sichtvermerk vorgelegen, näher auszuführen. Da diesem Verbesserungsauftrag nur unvollständig entsprochen worden sei, sei der Beschwerdeführer unter Setzung einer Frist von 14 Tagen ab Zustellung mit Fax vom 31. August 1996 ein zweites Mal aufgefordert worden, die Beschwerde hinsichtlich Sachverhalt (Sichtvermerk) zu ergänzen. Der Beschwerdeführer habe diesem Verbesserungsauftrag nicht entsprochen. Die belangte Behörde sei daher nach Versäumung der zur Verbesserung gestellten Frist berechtigt, die Zurückziehung der Maßnahmenbeschwerde anzunehmen. Die behauptete Verletzung der Entscheidungspflicht liege demnach nicht vor.
Der Beschwerdeführer wies in einer gemäß § 36 Abs. 8 VwGG erstatteten Äußerung darauf hin, daß er sowohl auf seine Beschwerde als auch seinen Schriftsatz vom 30. August 1995 explizit einen Widerspruchsvermerk gemäß § 18 Abs. 3 AVG gesetzt habe. Das Verbesserungsersuchen vom 31. August 1996 habe daher keine Frist auszulösen vermocht. Im übrigen sei der Sachverhalt in der Beschwerde vollständig wiedergegeben gewesen und andererseits habe er in seiner Stellungnahme vom 30. August 1995 auf die Frage des Vorliegens eines gültigen Sichtvermerkes bezug genommen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Auffassung der belangten Behörde, sie habe von einer Zurückziehung der Maßnahmenbeschwerde wegen Versäumung der zur Verbesserung gestellten Frist ausgehen können, ist nicht berechtigt. Der Beschwerdeführer weist zutreffend darauf hin, daß sowohl auf der an die belangte Behörde gerichteten Maßnahmenbeschwerde als auch dem Schriftsatz vom 30. August 1995 ein Widerspruchsvermerk im Sinne des § 18 Abs. 3 AVG angebracht war. Die dem Vertreter des Beschwerdeführers per Fax zugestellte Aufforderung vom 31. August 1995 konnte daher keine Frist auslösen. Darüber hinaus war der Verbesserungsauftrag nicht zu erteilen. Bereits in der Maßnahmenbeschwerde führte der Beschwerdeführer aus, über einen gültigen Sichtvermerk und einen gültigen Reisepaß zu verfügen. In dem der belangten Behörde übermittelten Akt der Bundespolizeidirektion Schwechat sind die Daten des Sichtvermerkes festgehalten (Blatt 1). Mit Rücksicht darauf, daß der Sichtvermerk im Reisedokument des Fremden ersichtlich zu machen ist (§ 7 Abs. 6 FrG), mußte die belangte Behörde davon ausgehen, daß der in der Maßnahmenbeschwerde behauptete Sichtvermerk der von der Bundespolizeidirektion Schwechat festgestellte ist. Die von der belangten Behörde gewünschten Angaben waren daher ohnehin bekannt, sodaß sich der Verbesserungsauftrag erübrigte. Wurde der Verbesserungsauftrag aber zu Unrecht erteilt, kann auch eine Nicht- oder Teilerfüllung nicht die Sanktion des § 67c Abs. 3 AVG nach sich ziehen.
Die dem Beschwerdeführer von der Bundespolizeidirektion Wien ausgestellte Bescheinigung beruft sich auf § 37a Abs. 2 Z. 1 VStG. Die Ermächtigung nach dieser Bestimmung kann sich demnach darauf beziehen, daß das Organ von der in § 35 Z. 1 und 2 vorgesehenen Festnahme absieht, wenn der Betretene die vorläufige Sicherheit freiwillig erlegt. § 35 VStG regelt die Voraussetzungen für die Festnahme von Personen, die auf frischer Tat betreten werden, zum Zwecke ihrer Vorführung vor die Behörde außer den gesetzlich besonders geregelten Fällen. Im vorliegenden Fall wurde der Beschwerdeführer wegen des Verdachtes der Überschreitung der Gültigkeitsdauer des Sichtvermerkes und sohin wegen der Verwaltungsübertretung nach § 82 FrG beamtshandelt. Die Festnahme einer Person zum Zwecke einer für die Sicherung des Verfahrens unerläßlichen Vorführung vor die Behörde bei Begehung einer Verwaltungsübertretung nach § 82 ist im § 85 Abs. 2 FrG gesondert geregelt. Es kommt daher darauf an, ob die in dieser Bestimmung normierten Voraussetzungen erfüllt sind, und nicht die Voraussetzungen des § 35 Z. 1 und 2 VStG. § 85 Abs. 2 FrG schließt eine Festnahme eines Fremden, der bei der Begehung einer Verwaltungsübertretung nach § 82 FrG betreten wird, zum Zwecke einer für die Sicherung des Verfahrens unerläßlichen Vorführung vor die Behörde aus, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, der Fremde werde das Bundesgebiet unverzüglich verlassen. Letztere Voraussetzung ist im vorliegenden Fall zweifellos erfüllt. Der Beschwerdeführer wurde bei der Begehung der Verwaltungsübertretung nach dem § 82 FrG bei der Paßkontrolle bei der unmittelbar bevorstehenden Ausreise in seine Heimat betreten. Dies ergibt sich eindeutig aus der Aussage des einschreitenden Organes vor der Bundespolizeidirektion Schwechat (Blatt 12 und 13 des Verwaltungsaktes). Eine Festnahme des Beschwerdeführers kam daher in diesem Zeitpunkt nicht mehr in Betracht. Wenn aber eine Festnahme rechtswidrig war, dann war auch die Einhebung einer vorläufigen Sicherheitsleistung zum Zweck des Absehens von der Festnehmung rechtswidrig.
Die Festsetzung und Einhebung der vorläufigen Sicherheit war daher gemäß § 42 Abs. 4 VwGG für rechtswidrig zu erklären.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere auf § 55 Abs. 1 erster Satz VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens beruht darauf, daß mit dem Schriftsatzaufwand der gesamte Aufwand mit der Einbringung der Beschwerde und auch durch andere weitere Schriftsätze erfaßt wird.
Schlagworte
Pflichten bei Erteilung des Verbesserungsauftrages Frist Verbesserungsauftrag Ausschluß Verbesserungsauftrag Nichtentsprechung ZurückweisungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1997210413.X00Im RIS seit
20.11.2000