TE Vwgh Beschluss 2020/8/5 Ra 2020/14/0306

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Veröffentlicht am 05.08.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Mag. Schindler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Gnilsen, in der Revisionssache des A B, vertreten durch MMag. Wolfgang Ebner, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Magdalenenstraße 4/12, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Mai 2020, W163 2181947-1/33E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 14. September 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er unter anderem damit begründete, vom ehemaligen Partner seiner Lebensgefährtin, mit der er nach islamischen Ritus verheiratet sei, verfolgt zu werden.

2        Mit Bescheid vom 4. Dezember 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diesen Antrag ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen den Revisionswerber eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise legte die Behörde mit vierzehn Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

3        Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

6        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7        In der Revision wird zu ihrer Zulässigkeit im Wesentlichen vorgebracht, der drohenden Verfolgung durch den ehemaligen Partner der Lebensgefährtin liege eine Ehrverletzung zugrunde. Das BVwG habe jedoch die Ansicht vertreten, der Revisionswerber habe keine Konsequenzen aus einer „Blutrache“ zu befürchten, weil es sich bloß um eine Ehrverletzung einer bestimmten Person über das Beziehungsglück seiner ehemaligen Partnerin handle. Es fehle allerdings Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dazu, ob „Blutrache“ in Afghanistan lediglich zwischen zwei Familien ausgetragen werde und bei einer Ehrverletzung einer einzelnen Person ausgeschlossen sei. Gehe man davon aus, dass „Blutrache“ nicht davor halt mache, wenn man den ursprünglichen Wohnsitz in eine andere Stadt verlege, könne nicht mehr vom Bestehen einer innerstaatlichen Fluchtalternative gesprochen werden. Weiters rügt die Revision einen Verstoß des BVwG gegen seine Ermittlungspflichten.

8        Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan:

9        Das BVwG erachtete die vom Revisionswerber vorgebrachte Verfolgung durch den ehemaligen Partner seiner Lebensgefährtin im Fall einer Rückkehr nach Kabul als glaubhaft gemacht. Allerdings kam das BVwG nach Durchführung einer Verhandlung (mit drei Tagsatzungen) mit näherer Begründung zur Beurteilung, dass es sich dabei um eine Verfolgung durch eine Privatperson ohne Anknüpfung an einen Konventionsgrund handle. Der befürchteten Verfolgung liege eine kriminell motivierte Verfolgung, nämlich das Ärgernis über das Beziehungsglück der ehemaligen Partnerin zugrunde, und nicht religiösen Wertvorstellungen zuwiderlaufende Handlungsweisen. Es seien keine Anhaltspunkte hervorgekommen, dass ein Sachverhalt vorliege, der eine Verfolgung wegen „Blutrache“ nach sich ziehe. Das BVwG führte im Zusammenhang mit der Verfolgung durch den ehemaligen Partner der Lebensgefährtin des Revisionswerbers unter Verweis auf Länderfeststellungen weiters aus, dass dem Revisionswerber kein ausreichender staatlicher Schutz zuteil würde. Die mangelnde Schutzfähigkeit des afghanischen Staates sei allerdings darauf zurückzuführen, dass die Effektivität der afghanischen Polizei in Afghanistan großteils nicht in dem nötigen Ausmaß gegeben sei. Ein Konnex zwischen dem Fehlen staatlichen Schutzes und einem Konventionsgrund sei nicht erkennbar. Dem Revisionswerber drohe zudem im Falle einer Ansiedelung in den Städten Herat oder Mazar-e Sharif mangels maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keine Verfolgung durch den ehemaligen Partner seiner Lebensgefährtin.

10       Soweit die Revision von einer drohenden asylrelevanten Verfolgung wegen „Blutrache“ ausgeht, entfernt sie sich daher vom festgestellten Sachverhalt, wonach der Verfolgung durch den ehemaligen Partner der Lebensgefährtin ein kriminelles Motiv zugrunde liege und kein Konnex zwischen dem Fehlen staatlichen Schutzes und einem Konventionsgrund bestehe (vgl. zur Asylrelevanz von Verfolgungen, die von Privatpersonen ausgehen, etwa VwGH 12.6.2018, Ra 2018/20/0177; 20.5.2015, Ra 2015/20/0030; jeweils mwN), ohne die Beweiswürdigung des BVwG substantiiert zu bekämpfen. Das diesbezügliche Vorbringen ist schon aus diesem Grund nicht geeignet, eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufzuzeigen (vgl. VwGH 25.9.2019, Ra 2019/19/0264, mwN).

11       Wenn die Revision weitere Ermittlungen im Zusammenhang mit der „Blutrache“ in Afghanistan begehrt, verabsäumt sie es, die Relevanz des Verfahrensmangels für den Verfahrensausgang in konkreter Weise darzulegen, insbesondere welche weiteren Feststellungen vom BVwG zu treffen gewesen wären und zu welchem für den Revisionswerber günstigeren Ergebnis diese geführt hätten (vgl. etwa VwGH 19.5.2020, Ra 2020/14/0189, mwN).

12       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 5. August 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020140306.L00

Im RIS seit

28.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.09.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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