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82/03 Ärzte Sonstiges SanitätspersonalNorm
ÄrzteG 1998 §4 Abs2 Z3Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick und den Hofrat Dr. Grünstäudl sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über die Revision des Dr. Y A in W, vertreten durch Dr. Farid Rifaat, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schmerlingplatz 3, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Mai 2020, Zl. W170 2222486-1/26E, betreffend Streichung aus der Ärzteliste (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Präsident der Österreichischen Ärztekammer), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ergangenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde des Revisionswerbers gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 17. Juni 2014 mit der Maßgabe ab, dass der Spruch zu lauten habe: „Es wird festgestellt, dass die Berechtigung des Dr. Y[...] zur Ausübung des ärztlichen Berufes nicht mehr besteht und ist Dr. Y[...] aus der Ärzteliste zu streichen.“ Gleichzeitig wurde gemäß § 25a VwGG ausgesprochen, dass eine ordentliche Revision unzulässig sei.
2 In seiner Begründung stellte das Verwaltungsgericht fest, der Revisionswerber habe in Wien im Zeitraum von 12. Dezember 2011 bis 17. Dezember 2013 zumindest die näher angeführten (Z 1 bis 34) Sachen (darunter mehrere Notebooks, Laptops, Mobiltelefone, Digitalkameras und Pelzmäntel), die durch strafbare Handlungen anderer gegen fremdes Vermögen, nämlich durch (Einbruchs-)Diebstähle, Kreditkartenbetrug oder betrügerischen Datenmissbrauch erlangt worden und zum Teil originalverpackt und mit Preiszetteln versehen gewesen seien, in einem zumindest € 5.000 übersteigenden Wert gekauft und an sich gebracht. Er habe die Hehlerei gewerbsmäßig betrieben, indem er verhehlte Sachen teilweise gewinnbringend weiterverkauft oder als Ersatzteile für seinen in einem Friseursalon untergebrachten Elektronikhandel verwendet habe. Für diese Handlungen sei der Revisionswerber mit rechtskräftigem Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom 12. November 2018 wegen der Begehung des Verbrechens der Hehlerei nach § 164 Abs. 1, 2 und 4 zweiter Fall StGB zu einer (bedingt nachgesehenen) Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt worden. Die Waren habe der Revisionswerber im Ausgleich für ärztliche Dienste erhalten bzw. „unter Preis“ von (drogensüchtigen) Patienten angekauft. Es bestehe somit ein unmittelbarer Zusammenhang zu seiner ärztlichen Tätigkeit. Für das Verbrechen der Hehlerei übernehme der Revisionswerber trotz rechtskräftiger Bestrafung keine Verantwortung, vielmehr bestreite er, dieses begangen zu haben.
Obwohl dem Revisionswerber mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom 26. Februar 2014, gegen den er kein Rechtsmittel erhoben habe, mit sofortiger Wirkung die Ausübung des ärztlichen Berufes gemäß § 62 Abs. 1 Z 2 Ärztegesetz 1998 (ÄrzteG 1998) wegen Gefahr im Verzug bis zum rechtskräftigen Abschluss eines bei der Staatsanwaltschaft Wien anhängigen (mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 23. April 2019 beendeten) Strafverfahrens untersagt worden sei, habe er darüber hinaus am 24. November 2014 sowie am 2. Dezember 2014 in der Wahlarztordination des Dr. A in Wien zwei Patienten ärztlich untersucht und behandelt. Deshalb sei der Revisionswerber mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 10. Mai 2017 rechtskräftig bestraft worden. Er übernehme für diese Übertretung trotz damals aufrechten Berufsverbots und rechtskräftiger Bestrafung keine Verantwortung, sondern bestreite, diese Tat begangen zu haben.
Auch habe der Revisionswerber seinen Patienten S im Zeitraum vom 18. Oktober 2011 bis 18. Dezember 2013 mit den Psychopharmaka Valium, Rivotil sowie den Schlafmitteln Ivadal, Zoldem, Halcion und Somnubene sowie zusätzlich Psychopax und dem Anxiolytikum Xanor, den Antidepressiva Venlafaxin und Mirtazapin, dem Neuroleptikum Quetiapin sowie den opiathaltigen Arzneimitteln Codidol, Tramadol und Mundidol behandelt. Diese Verschreibungspraxis sei keine dem wissenschaftlichen Stand entsprechende Methode. Weiters habe er dem Patienten S im Zeitraum vom 31. Oktober 2011 bis zum 18. Dezember 2013 246 mal mindestens eine Zehnerpackung Ivadal verschrieben, was mindestens 2460 Tabletten für einen Zeitraum von 780 Tagen, also mehr als mindestens drei Tabletten am Tag entspreche, obwohl aus medizinischer Sicht die Einnahme von mehr als einer Tablette am Tag nicht geboten sei. Die Verantwortung des Revisionswerbers, es handle sich bei dem Patienten um einen Arzt im Sudan, dem er in einem Monat die gesamte Jahresdosis verschrieben habe, sei ebensowenig nachvollziehbar wie die Verantwortung, dass er diesem Patienten die Medikamente pro ordinatione verschrieben habe, weil dieser die Medikamente dann in seiner Praxis im Sudan weiterverschrieben habe. Der Revisionswerber habe nicht überprüft, was S mit der mindestens dreifachen Menge der medizinisch indizierten Dosis an Ivadal-Tabletten gemacht habe. Ivadal sei ein beliebtes Produkt bei Suchtgiftabhängigen.
Der Revisionswerber habe schließlich nach der erwähnten vorläufigen Untersagung der Ausübung des ärztlichen Berufs als Geschäftsführer eines Mietwagen- und Taxiunternehmens gearbeitet, und es seien zahlreiche (näher aufgezählte) Verwaltungsstrafen über ihn in dieser Funktion verhängt worden. Diese Strafen stünden in keinem Zusammenhang mit der ärztlichen Tätigkeit des Revisionswerbers.
Nach ausführlicher Beweiswürdigung, in der auch auf die Heranziehung jenes medizinischen Sachverständigen für Psychiatrie und Neurologie bei der mündlichen Beschwerdeverhandlung hingewiesen wurde, dessen Gutachten für die Staatsanwaltschaft Wien bereits im Strafverfahren vor dem Verwaltungsgericht Wien (Erkenntnis vom 10. Mai 2017) verwertet worden war, stellte das Verwaltungsgericht zunächst Rechtslage und hg. Judikatur zu den Voraussetzungen der ärztlichen Berufsausübung und deren Wegfall dar. Bezogen auf das gegenständliche Verfahren sei zu erkennen, dass bereits die Hehlerei in unmittelbarem Zusammenhang zur ärztlichen Tätigkeit des Revisionswerbers stehe, da er die verhehlte Ware als Ausgleich für ärztliche Dienste erhalten bzw. von drogensüchtigen Patienten angekauft habe. Der Vertrauenswürdigkeit im Sinne des § 4 Abs. 2 Z 3 ÄrzteG 1998 stehe entgegen, dass der Revisionswerber seine ärztliche Tätigkeit zur Begehung der Hehlerei ausgenützt habe. Aus der über längere Zeit begangenen strafbaren Handlung gegen fremdes Eigentum lasse sich auf einen egoistischen, übermäßig den eigenen Vorteil suchenden Charakter schließen, der die Gefahr mit sich bringe, dass der Revisionswerber auch in seiner Tätigkeit als Arzt zuvorderst seine eigenen Interessen und nicht die seiner Patienten fördern werde. Zwar habe die strafbare Handlung der Hehlerei am 17. Dezember 2013 geendet, jedoch sei dem Revisionswerber mit im März 2014 zugestelltem Bescheid die Ausübung des Arztberufes untersagt worden, sodass eine Bewährung im Wesentlichen nicht habe stattfinden können. Darüber hinaus komme der über lange Zeit mit dem Motiv der Bereicherung getätigten strafbaren Handlung eine so gewichtige Rolle zu, dass auch der Zeitablauf die Vertrauenswürdigkeit des Revisionswerbers nicht wiederherstellen könne.
Darüber hinaus habe der Revisionswerber auch entgegen dem Berufsverbot Patienten untersucht und behandelt. Zwar liege dieser Verstoß lange zurück und der Revisionswerber habe sich seither wohlverhalten. Allerdings habe er in der mündlichen Verhandlung - also zeitlich sehr entscheidungsnah - auch diesen Verstoß bestritten, obwohl er rechtskräftig dafür bestraft worden sei. Dies lasse darauf schließen, dass der Revisionswerber, der in der Vergangenheit gegen ärztliche Berufspflichten verstoßen habe, nicht gewillt sei, für Fehler bzw. Fehlleistungen die Verantwortung zu übernehmen, selbst wenn diese rechtkräftig erledigt worden seien. Auch dieser Charakterzug beeinträchtige die Verlässlichkeit im Sinne des ÄrzteG 1998, weil das Erkennen von Fehlern Voraussetzung für deren Behebung bzw. deren spätere Nichtwiederholung sei. Zwar wäre dieser Verstoß für sich alleine nicht geeignet, die Streichung aus der Ärzteliste zu rechtfertigen. Es verstärke aber den iZm. der Hehlerei entstandenen Eindruck nicht unerheblich, dass dem Revisionswerber die notwendige Vertrauenswürdigkeit fehle. Auch sei vor dem Hintergrund des Sachverständigengutachtens nicht nachvollziehbar, wieso der Revisionswerber den Patienten S entgegen der dem medizinischen Stand entsprechenden Verschreibungspraxis nicht in einer Monotherapie eingestellt habe, sondern gleichzeitig mehrere Medikamente mit ähnlichem Wirkstoff ausprobiert habe, zumal dann nicht abzuschätzen sei, welches Arzneimittel helfe. Andererseits seien diesem auch über einen längeren Zeitraum eine hohe Anzahl an Ivadal-Tabletten verschrieben worden, was aus medizinischer Sicht nicht geboten sei. Diese Verschreibungen habe der Revisionswerber nicht nachvollziehbar erklären können, sondern lediglich Schutzbehauptungen aufgestellt. Die Beachtung der medizinisch vertretbaren Höchstdosierung gehöre aber jedenfalls zur Behandlung nach dem medizinischen Stand und somit zu den ärztlichen Berufspflichten. In der mündlichen Verhandlung habe der Revisionswerber auch für diese Verstöße nicht die Verantwortung übernommen. Die zahlreichen Verwaltungsübertretungen im Zusammenhang mit dem Mietwagen- und Taxiunternehmen des Revisionswerbers (15 Bestrafungen allein im Jahr 2019) könnten zwar für sich keinen Verlust der Vertrauenswürdigkeit bedingen, sie würden aber zeigen, dass der Revisionswerber über einen Charakter verfüge, der nicht mit der Rechtsordnung der Republik Österreich verbunden sei.
3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
4 In der Zulässigkeitsbegründung werden mehrere Abweichungen von der (jeweils im Einzelnen angeführten) hg. Rechtsprechung behauptet:
So hätte das Verwaltungsgericht die Unzuständigkeit der Behörde amtswegig aufzugreifen gehabt. Nach höchstgerichtlicher Rechtsprechung bilde der gegenständliche Beschwerdefall einen Anlassfall für das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 23. Juni 2014, G 99/2013. Demnach seien die als verfassungswidrig erkannten Bestimmungen des ÄrzteG 1998 in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 144/2009 und BGBl. I Nr. 80/2012 gemäß Art. 140 Abs. 7 B-VG auf den Beschwerdefall nicht mehr anzuwenden, was eine Unzuständigkeit der belangten Behörde und des Bundesverwaltungsgerichts zur Folge habe.
Weiters sei das Verwaltungsgericht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abgewichen, da es das Ermittlungsverfahren gemäß § 39 Abs. 3 AVG für geschlossen erklärt habe und dem vom Revisionswerber iSd. § 37 Abs. 4 AVG iVm. § 17 VwGVG am 14. Mai 2020, noch vor Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses, an das Bundesverwaltungsgericht unter gleichzeitiger Erstattung von Tatsachen und Beweismittel gestellten Antrag, die am 2. März 2020 geschlossene mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen und die ohne Verschulden nicht schon vorher geltend gemachten ausstehenden Beweise aufzunehmen, nicht entsprochen habe, obwohl das AVG keinen Schluss der Verhandlung iSd. Ermittlungsverfahrens kenne.
Schließlich habe das Verwaltungsgericht seinem Erkenntnis ein Gutachten zugrunde gelegt, das nicht schlüssig und nachvollziehbar sei. Das Gutachten sei nicht geeignet, die Verschreibungspraxis des Revisionswerbers zu erschüttern oder nachhaltig zu kritisieren. Es enthalte weder einen vollständigen Befund noch ein Gutachten im engeren Sinn, und der Sachverständige habe - keinesfalls unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Feststellungsmethoden - reine Tatsachenfeststellungen vorgenommen.
Einzig zu den gegen ihn wegen Hehlerei erhobenen Anschuldigungen sei der Revisionswerber teilweise schuldig gesprochen worden. Eine einmalige Verurteilung sei jedoch nicht geeignet, die Vertrauenswürdigkeit des Revisionswerbers als Arzt zu erschüttern. Einzig mit einem in Rechtskraft erwachsenen Erkenntnis sei der Revisionswerbers wegen des Verstoßes gegen die am 26. April 2014 ausgesprochene Untersagung der Berufsausübung zu einer Verwaltungsstrafe verurteilt worden. Dies wegen einer Berufsausübung ohne Berechtigung aus dem Jahr 2015, die er so nicht begangen habe.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).
Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. Diesem Erfordernis wird insbesondere nicht schon durch nähere Ausführungen zur behaupteten Rechtswidrigkeit der bekämpften Entscheidung (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG) oder zu den Rechten, in denen sich der Revisionswerber verletzt erachtet (§ 28 Abs. 1 Z 4 VwGG), Genüge getan (vgl. etwa die Beschlüsse VwGH 23.3.2017, Ra 2017/11/0014, und VwGH 1.9.2017, Ra 2017/11/0225, jeweils mwN).
6 In der somit für die Zulässigkeit der Revision allein maßgebenden Zulässigkeitsbegründung werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme:
7 Entgegen dem Revisionsvorbringen war „der gegenständliche Beschwerdefall“ schon im Hinblick auf das Datum des Bescheides der belangten Behörde und des angefochtenen Erkenntnisses kein Anlassfall iSd. Art. 140 Abs. 7 B-VG für das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 23. Juni 2014, G 99/2013 ua., weshalb nicht von der Unzuständigkeit der belangten Behörde auszugehen ist. Zur - nicht näher konkretisierten - Bestreitung der Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts wird gemäß § 43 Abs. 2 und 9 VwGG auf die Begründung des den Revisionswerber betreffenden hg. Beschlusses vom 12. Februar 2020, Ra 2020/11/0012, verwiesen.
8 Nach ständiger hg. Judikatur sind Rechtsfragen des Verfahrensrechts nur dann solche von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG, wenn tragende Grundsätze des Verfahrensrechts auf dem Spiel stehen bzw. wenn die in der angefochtenen Entscheidung getroffene Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre, wozu kommt, dass auch die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels in der Zulassungsbegründung dargelegt werden muss (vgl. etwa VwGH 4.7. 2016, Ra 2016/04/0047, und VwGH 23.1.2017, Ra 2017/11/0001, jeweils mwN). Die Revision legt in ihrer Zulässigkeitsbegründung nicht gesondert dar, zu welchem - für den Revisionwerber günstigeren - Ergebnis das Verwaltungsgericht bei Berücksichtigung des Antrags vom 14. Mai 2020, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen und die ausstehenden Beweise aufzunehmen, gelangt wäre.
9 Im Zulässigkeitsvorbringen betreffend das Sachverständigengutachten wird nicht dargetan, von welchen konkreten hg. Erkenntnissen das Verwaltungsgericht abgewichen sein soll. Soweit auf die hg. Erkenntnisse vom 15. September 2011, 2006/04/0177, und vom 30. April 2008, 2007/04/0097, hingewiesen wird, ist nicht zu erkennen, inwiefern diese Erkenntnisse, in denen es um Gutachten über Immissionen gewerblicher Betriebsanlagen ging, mit der vom Revisionswerber geforderten sachverständigen Beurteilung seiner Vertrauenswürdigkeit in irgendeinem Zusammenhang stünden.
10 Zur Behauptung der fehlerhaften Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit des Revisionswerbers ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung festhält, Vertrauenswürdigkeit bedeute, dass sich die Patienten darauf verlassen können, dass ein Arzt bei Ausübung des ärztlichen Berufes den Berufspflichten nach jeder Richtung entspricht. Es sind demnach insbesondere strafbare Handlungen bei der Ausübung des ärztlichen Berufes, aber auch sonstige Straftaten geeignet, die Vertrauenswürdigkeit eines Arztes zu erschüttern, sofern sich darin ein Charakter manifestiert, der die Begehung strafbarer Handlungen bei der Ausübung des ärztlichen Berufes auch in Zukunft befürchten lässt (VwGH 15.12.2016, Ra 2016/11/0111, mwN). Vertrauensunwürdigkeit kann aber nicht nur durch strafbare Handlungen, sondern auch durch sonstige Berufspflichtverletzungen begründet werden (VwGH 16.11.2017, Ro 2016/11/0020, mwN).
Im Verfahren nach § 59 Abs. 3 ÄrzteG 1998 ist entscheidend, ob die Vertrauenswürdigkeit iSd. § 4 Abs. 2 Z. 3 ÄrzteG 1998 bezogen auf den Zeitpunkt der behördlichen bzw. verwaltungsgerichtlichen Entscheidung gegeben ist. Maßgeblich für die Vertrauenswürdigkeit des Betroffenen ist das Gewicht eines Fehlverhaltens unter Bedachtnahme auf die seither verstrichene Zeit, wobei ein bereits länger zurückliegendes Verhalten im Hinblick auf zwischenzeitiges Wohlverhalten weniger schwer wiegt als „aktuelle“ Verstöße (vgl. erneut VwGH 15.12.2016, Ra 2016/11/0111, mwN).
11 Die Revision weist zwar zutreffend auf die oben angeführten Grundsätze der hg. Judikatur hin. Die Anwendung dieser Grundsätze auf den Einzelfall haben jedoch regelmäßig - von einer im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifenden krassen Fehlbeurteilung abgesehen - keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung (vgl. nochmals VwGH 16.11.2017, Ro 2016/11/0020, mwN). Im Revisionsfall erscheint es (noch) nicht unvertretbar, wenn das Verwaltungsgericht angesichts des in der Vergangenheit liegenden Verhaltens des Revisionswerbers eine Vertrauensunwürdigkeit auch noch im Entscheidungszeitpunkt annahm (besondere Verwerflichkeit der gerichtlich strafbaren Handlungen, unvertretbare Verschreibungspraxis in Bezug auf Suchtgifte, Ausübung des ärztlichen Berufs trotz Untersagung derselben iZm. einem gerichtlichen Strafverfahren, fehlendes Unrechtsbewusstsein). Auch hat das Verwaltungsgericht die Streichung aus der Ärzteliste nicht tragend auf die verwaltungsstrafrechtlichen Übertretungen im Zusammenhang mit dem Taxi- und Mietwagenunternehmen des Revisionswerbers gestützt, sondern diese lediglich in die Gesamtbeurteilung des Charakters des Revisionswerbers und in die Zukunftsprognose einfließen lassen. Es gelingt der Revision somit nicht, eine krasse Fehlbeurteilung aufzuzeigen.
12 Die Revision war daher zurückzuweisen, ohne dass auf den nachträglich eingebrachten Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einzugehen war.
Wien, am 17. August 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020110104.L00Im RIS seit
24.09.2020Zuletzt aktualisiert am
24.09.2020