Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. Dr. Brenn, Priv.-Doz. Dr.Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** J*****, vertreten durch Mag. Martin Winter, Rechtsanwalt in Klagenfurt am Wörthersee, gegen die beklagte Partei Univ.-Prof. Dr. M***** R*****, vertreten durch Dr. Michael Ruhdorfer, Rechtsanwalt in Klagenfurt am Wörthersee, wegen Feststellung und Zustimmung (Gesamtstreitwert: 15.100 EUR), über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 12. Februar 2020, GZ 4 R 178/19g-102, womit das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 1. Oktober 2019, GZ 77 Cg 43/18x-97, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Rekurs wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 1.096,56 EUR (darin 182,34 EUR USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens zu ersetzen.
Text
Begründung:
Die Parteien sind Eigentümer angrenzender Grundstücke, die nicht im Grenzkataster eingetragen sind. Im Verlauf eines (noch anhängigen) Unterlassungsprozesses des hier Beklagten gegen den Kläger wegen behaupteter Eingriffe (Schlägerungen) in das Liegenschaftseigentum des Beklagten brachte der Kläger einen Antrag auf Festsetzung der Grenze durch den Außerstreitrichter gemäß § 851 Abs 1 ABGB ein. Dem Grenzfestsetzungsantrag wurde in zweiter Instanz rechtskräftig entsprochen und die Grenze anhand bestimmt bezeichneter Punkte eines Sachverständigengutachtens festgesetzt.
Der Kläger begehrt nunmehr die urteilsmäßige Feststellung der gemeinsamen Grenze im Sinne des außerstreitigen Beschlusses im Grenzfestsetzungsverfahren sowie die Verurteilung des Beklagten, der Vermarkung in der Natur und der Eintragung in den Grenzkataster bezüglich der festzustellenden Grenze zuzustimmen. Der Kläger beruft sich dabei auf eine einvernehmliche Grenzfestlegung, die von den Rechtsvorgängern der Streitteile im Zuge eines „Ausgleichs“ im Jahr 1930 geschlossen worden sei. Zudem sei das Ergebnis im Grenzfestsetzungsverfahren bindend. Mit seinem Begehren verzichte er bewusst auf eine (im Folgenden so bezeichnete:) kleine Teilfläche, die vom „Ausgleich“ noch umfasst wäre, im außerstreitigen Grenzfestlegungverfahren aber nicht berücksichtigt worden sei. Im Übrigen stützt sich der Kläger auch auf Ersitzung.
Der Beklagte wandte ein, dass die richtige Grenze westlich von der vom Kläger geltend gemachten Grenze und auch westlich vom Grenzverlauf laut „Ausgleich“ liege. Sollte der „Ausgleich“ noch rechtsgültig sein, hätten er und seine Rechtsvorgänger durch Bewirtschaftung die strittige Fläche ersessen. Das Klagebegehren sei unschlüssig, weil sich der vom Kläger geltend gemachte Grenzverlauf nicht mit jenem vom „Ausgleich“ aus 1930 decke.
Das Erstgericht wies die Klage auch im zweiten Rechtsgang zur Gänze ab. Es vertrat die Ansicht, dass sich die Rechtsvorgänger der Streitteile im Jahr 1930 auf den im „Ausgleich“ beschriebenen Grenzverlauf geeinigt und diesen auch für ihre Nachkommen festgelegt hätten. Die (im Ersturteil näher beschriebene) „Ausgleichs“-Grenze bilde die Naturgrenze, die als solche mangels Aufnahme der Grundstücke in den Grenzkataster grundsätzlich maßgeblich sei. Der Kläger begehre aber nicht die Feststellung dieser Grenze, weshalb eine Stattgebung einen Verstoß gegen § 405 ZPO begründen würde. Das Erstgericht verneinte zudem eine Ersitzung der strittigen Fläche durch den Kläger.
Das Berufungsgericht gab der dagegen erhobenen Berufung des Klägers Folge, hob das Ersturteil auf und wies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung (zur Feststellung des für die Frage der allfälligen Ersitzung des Beklagten relevanten Sachverhalts) an das Erstgericht zurück. Wie das Erstgericht verneinte es die Voraussetzungen für eine Ersitzung des Klägers. Es qualifizierte den „Ausgleich“ als vergleichsweise vorgenommene Festlegung der Grenze. Ein solcher Vergleich führe bei nicht in den Grenzkataster aufgenommenen Grundstücken zu einer Berichtigung der Grenze, ohne dass es weiterer Schritte bedürfe. Der Umstand, dass der Kläger (zu seinen Ungunsten) die im Außerstreitverfahren festgesetzte Grenze und daher nicht die „Ausgleichsgrenze“/Naturgrenze (in ihrem gesamten Verlauf, also inkl der kleinen Teilfläche) festgestellt haben will, schade nicht. Der „Verzicht“ auf die kleine Teilfläche könne dem Kläger nicht zum Nachteil gereichen, die Stattgebung seines Begehrens verstoße nicht gegen § 405 ZPO.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR übersteigt, und ließ den Rekurs an den Obersten Gerichtshof zu, weil sich die bisherige Judikatur zur vergleichsweisen Festlegung der Grenze (mit der damit verbundenen sachenrechtlichen Grenzberichtigung) auf den Stand der Katastermappe beziehe. Zudem könne aus der bisherigen Rechtsprechung auch abgeleitet werden, dass der hier vom Kläger angestrebte Grenzverlauf wegen der kleinen Teilfläche von der Naturgrenze abweiche und daher nicht im Sinne der Rechtsprechung „erwiesen“ worden sei.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (RS0043685 [T6]) mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig. Seine Zurückweisung ist wie folgt kurz zu begründen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO):
1.1 Besteht Streit über den eigentumsrechtlichen Grenzverlauf, so ist die richtige Grenze laut aktuellem Grundbuchsstand festzustellen. Dabei ist nach der Rechtsprechung nicht auf die Mappengrenzen abzustellen (RS0049554). Sind die Grundstücksgrenzen nicht im Grenzkataster eingetragen und besteht zwischen den Grundnachbarn keine Einigkeit, so bestimmt sich der eigentumsrechtliche Grenzverlauf nach unbedenklichen objektiven Grenzzeichen (zB Grenzsteine, Metallmarken, Grenzpflöcke) oder nach der Naturgrenze (zB Mauern, Zäune, Bäume, Böschungskanten, natürliche Grenzlinien; RS0130738).
1.2 Vom Senat wurde jüngst in der Entscheidung 4 Ob 21/19w klargestellt, dass Naturgrenzen nicht nur zum Zeitpunkt der Anlegung des Grundbuchs von den damaligen Nachbarn akzeptierte Grenzen sein können. Vielmehr ist der zur Zeit der Grundbuchsanlegung in der Natur bestehende oder seither rechtswirksam in der Natur veränderte Grenzverlauf maßgebend (RS0011236 [T14]). Für die Feststellung der Naturgrenze kommt es damit auf die Akzeptanz der Parteien nicht an. Es ist zwar durchaus möglich, dass es im Fall der ursprünglichen Bestimmung des Grenzverlaufs durch die Naturgrenze nachträglich durch eine Einigung der Nachbarn zu einer Veränderung des ursprünglichen eigentumsrechtlichen Grenzverlaufs kommt. Dies bedeutet aber nicht, dass die Akzeptanz der Naturgrenze konstitutives Merkmal für deren Maßgeblichkeit wäre (4 Ob 21/19w).
1.3 Im Anlassfall entspricht der (durch das in der Natur bestehende „L*****bachgerinne“ geprägte) Grenzverlauf laut dem „Ausgleich“ auch der Naturgrenze. Das wird vom Beklagten in seinem Rechtsmittel auch nicht weiter bestritten, vielmehr setzt auch er (ebenso wie die Vorinstanzen) die „Ausgleichsgrenze“ mit der Naturgrenze gleich.
1.4 Damit stellt sich die im Rechtsmittel aufgeworfene Frage nicht, ob die Rechtsvorgänger der Streitteile sich durch den „Ausgleich“ im Jahr 1930 vergleichsweise über die Grenzziehung (entlang der Naturgrenze) geeinigt haben oder nicht. Selbst wenn man dies im Sinne der Ausführungen im Rekurs verneint, wäre nach der oben referierten Rechtsprechung dennoch auf die Naturgrenze abzustellen.
2. Auch der – im Übrigen zwischen den Streitteilen zu 6 Ob 22/20h im Sinne des Berufungsgerichts bereits beantworteten – Frage, ob eine vergleichsweise Regelung der Grenze sich unbedingt auf den Verlauf im Sinne der Katastermappe beziehen müsse, kommt daher keine Relevanz zu.
3.1 Der Rekurswerber hält der Rechtsansicht des Berufungsgerichts, wonach das Eigentum des Klägers entlang der im Außerstreitverfahren festgesetzten Grenze (also ohne der kleinen Teilfläche) nachgewiesen worden sei, seinen Standpunkt entgegen, dass mit dem „Ausgleich“ keine vergleichsweise Grenzregelung vorgenommen worden sei. Mangels der oben aufgezeigten fehlenden Relevanz des Ausgleichs für die zu beurteilende Grenzfrage vermag dieses Argument die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht zu stützen.
3.2 Entsprechendes gilt für den Hinweis, dass aufgrund des derzeitigen Verfahrensstands der vom Kläger begehrte Grenzverlauf deshalb nicht als erwiesen angesehen werden könne, weil über eine allfällige Ersitzung des Beklagten noch keine Feststellungen getroffen worden seien. Dieses Argument übersieht, dass das Berufungsgericht dem Erstgericht gerade deshalb die neuerliche Entscheidung aufgetragen hat, damit die Frage der Ersitzung geprüft werden kann.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger hat auf die Unzulässigkeit des Rekurses hingewiesen.
Textnummer
E128991European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2020:0040OB00082.20T.0702.000Im RIS seit
03.09.2020Zuletzt aktualisiert am
02.10.2020