Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. Dr. Brenn, Priv.-Doz. Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D*****, Vereinigtes Königreich, vertreten durch Schindler Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei M***** GmbH, *****, vertreten durch DSC Doralt Seist Csoklich Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 35.125,63 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 30. Jänner 2020, GZ 5 R 160/19i-26, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 9. Oktober 2019, GZ 10 Cg 49/18p-20, abgeändert wurde, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.197,80 EUR (darin enthalten 366,30 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Beklagte betreibt den physischen Handel mit Buntmetallen und führt Rohstofftermingeschäfte durch.
Dr. D***** ist Direktor und wirtschaftlicher Eigentümer der Klägerin, einer Gesellschaft mit Sitz in London. Zunächst investierte er in Aktien. Im Hinblick auf die im Jahr 2010 bestehende Situation auf den Aktienmärkten entschied er sich zunächst für eine Veranlagung in Gold und gründete zu diesem Zweck die Klägerin. Ab 2014 entschied er sich über Anraten seiner Vermögensberater aus steuerlichen Gründen zu einer Strategieänderung und zur Investition in Rohstofftermingeschäfte. Zur Durchführung dieser Geschäfte schloss die Klägerin mit der Beklagten eine spezielle Rahmenvereinbarung ab, die folgenden wesentlichen Inhalt aufweist:
Geschäftstätigkeit: Physischer Rohstoffhandel, physische Rohstoff-(termin-)geschäfte.
M***** ist als spezialisierter gewerblicher Rohstoff- und Rohstoffterminhändler auf eigene Rechnung sowie für die Durchführung von Absicherungsgeschäften für seine Vertragspartner laut MIFID-Bestimmungen von den Vorschriften für Wertpapierdienstleistungsunternehmen und Banken in diesem Bereich ausgenommen und unterliegt damit auch keiner Wertpapieraufsicht.
M***** tritt gegenüber ihren Vertragspartnern stets als Eigenhändler bzw Prinzipal auf. Sämtliche Geschäfte zwischen M***** und dem Vertragspartner stellen somit bilaterale Rohstofftermingeschäfte oder Over-The-Counter-Geschäfte (OTC) dar. M***** wickelt über Auftrag ihrer Vertragspartner Rohstofftermingeschäfte (= Forwards, Futures und Optionen) nach diesen Geschäftsbedingungen ab.
M***** wird auf der Grundlage von Seiten des Vertragspartners erteilter Order oder bilateral vereinbarter Geschäfte tätig. Die Ausführung jeder Transaktion (Einzelgeschäft) wird von M***** per E-Mail oder Telefax so früh wie möglich bestätigt (Transaktionsbestätigung).
In Umsetzung dieser Rahmenvereinbarung und der zwischen ihnen besprochenen Veranlagungsstrategie der Klägerin bezogen sich die Einzelgeschäfte zwischen den Streitteilen ausschließlich auf Rohstofftermingeschäfte. Zum Zeitpunkt des jeweiligen Geschäftsabschlusses beabsichtigten weder die Klägerin noch die Beklagte deren physische Ausführung; eine tatsächliche Lieferung der Buntmetalle war bei keinem der Geschäfte beabsichtigt. Die Klägerin war weder aktiv im Rohstoffhandel tätig noch hatte sie sonst Bedarf an den gehandelten Rohstoffen. Ziel der Geschäfte mit der Beklagten war allein die Erzielung von Veranlagungsgewinnen unter Verfolgung einer Time-Spread-Strategie sowie auch die Lukrierung von Verlusten zur steuerlichen Abschreibung. Je nach Entwicklung der Preisdifferenzen für die gehandelten Rohstoffe realisierte die Klägerin einen Gewinn oder einen Verlust.
Während aufrechter Geschäftsbeziehung erfolgte die Abrechnung der Geschäfte auf Basis der Preisdifferenz unmittelbar nach Abschluss des jeweiligen Rohstoffgeschäfts. Die Gewinne bzw Verluste aus der Preisdifferenz wurden auf dem – bei der Beklagten geführten – Konto der Klägerin fortgeschrieben.
Das aktuelle Guthaben am Konto der Klägerin ist das Saldoguthaben aus den durchgeführten Transaktionen nach Vornahme eines zweimaligen negativen Saldenausgleichs durch die Klägerin im Jahr 2015.
Mit Schreiben vom 18. 4. 2019 beendete die Klägerin die Geschäftsbeziehung zur Beklagten. Die Beklagte verweigert die Auszahlung des Guthabenssaldos.
Gegen den Direktor und wirtschaftlich Berechtigten der Klägerin sowie gegen den Geschäftsführer der Beklagten wird im Zusammenhang mit den gegenständlichen Rohstofftermingeschäften in Deutschland ein Strafverfahren wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung geführt.
Die Klägerin begehrte die Zahlung von 35.125,63 EUR sA. Sie forderte die Zahlung ihres Guthabens, zumal für die Beklagte keine rechtliche Grundlage bestehe, das Guthaben einzubehalten. Zweck der Geschäftsbeziehung zwischen ihr und der Beklagten sei die Abwicklung von physischen Rohstoff- und Rohstofftermingeschäften gewesen. Zwischen den Streitteilen sei eine physische Lieferung von Rohstoffen nie ausgeschlossen gewesen. Sie habe zu keinem Zeitpunkt rein spekulative Überlegungen zum Vertragszweck erhoben, sondern im Sinn einer wirtschaftlichen Rechtfertigung effektive Warenerwerbe durchgeführt. Die umgesetzten Warenmengen hätten ihrem Bedarf entsprochen. Nach der Judikatur seien nur solche Differenzgeschäfte unklagbar, die ohne wirtschaftliche Berechtigung ausschließlich zum Zweck der Kursspekulation abgeschlossen worden seien. Dies sei hier nicht der Fall gewesen. Die Beklagte habe überdies ihre Aufklärungspflichten verletzt, weil sie die Klägerin über die Wesensmerkmale der vereinbarten Rechtsgeschäfte und über die Undurchsetzbarkeit der Auszahlungsansprüche nicht aufgeklärt habe.
Die Beklagte entgegnete, dass zwischen ihr und der Klägerin tatsächlich nur bilaterale Forward-Geschäfte abgeschlossen worden seien. Die physische Lieferung von Rohstoffen sei nie geplant gewesen und habe auch zu keinem Zeitpunkt stattgefunden. Während der gesamten Geschäftsbeziehung sei kein einziges physisches Rohstoffgeschäft abgewickelt worden; damit sei sie von der Klägerin auch nicht beauftragt gewesen. Der einzige Vertragszweck habe darin bestanden, auf unterschiedliche Kauf- und Verkaufskurse zu in der Zukunft liegenden Zeitpunkten zu spekulieren. Dem Klagebegehren lägen somit Gewinne der Klägerin aus Differenzgeschäften zugrunde, weshalb eine bloße Naturalobligation der Beklagten vorliege. Sie habe auch keine Aufklärungspflichten verletzt. Die Klägerin sei nicht nur mit den vereinbarten Geschäften, sondern auch mit dem Differenzeinwand vertraut gewesen.
Das Erstgericht gab der Klage statt. Das Begehren beziehe sich auf das Guthaben auf dem Geschäftskonto der Klägerin, bei dem es sich um den Ertrag aus den zwischen den Parteien abgeschlossenen Differenzgeschäften handle. Gemäß § 1271 ABGB seien solche Erträge aus einer Wette nicht klagbar, vielmehr liege eine bloße Naturalobligation vor. Der Differenzeinwand der Beklagten sei aber als rechtsmissbräuchlich zu beurteilen, weil die Beklagte nicht schutzwürdig sei. Außerdem hätte die Beklagte die Klägerin über jene Umstände aufklären müssen, die den Kern der Abwicklung der zugrunde liegenden Geschäfte bildeten. Auch aus diesem Grund stehe der Klägerin der Klagsbetrag zu.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge und wies das Klagebegehren ab. Da die Parteien keine physische Ausführung der Rohstoffgeschäfte beabsichtigten und Ziel der Klägerin lediglich die Erzielung von Veranlagungsgewinnen unter Verfolgung einer Time-Spread-Strategie gewesen sei, habe es sich bei den Geschäften um Differenzgeschäfte gehandelt. Die Voraussetzungen für die von der Klägerin argumentierte analoge Anwendung der § 1 Abs 5 BWG und § 51 BörseG seien nicht gegeben. Der Differenzeinwand der Beklagten sei schon deshalb nicht als rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren, weil die Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren keinen entsprechenden Einwand erhoben habe. Das Klagebegehren beziehe sich auf den von der Klägerin erzielten Gewinn aus den abgewickelten Differenzgeschäften und nicht auf die Rückzahlung ihres Geldeinsatzes. Der geltend gemachte Gewinn sei auch kein ersatzfähiger Vertrauensschaden, der kausal auf eine allfällige Aufklärungspflichtverletzung der Beklagten zurückzuführen sei. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil zur analogen Anwendbarkeit der § 1 Abs 5 BWG und § 51 BörseG auf zwischen Unternehmen abgeschlossene Differenzgeschäfte höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Klägerin, die auf die Stattgebung des Klagebegehrens abzielt.
Mit ihrer Revisionsbeantwortung beantragt die Beklagte, das Rechtsmittel der Gegenseite zurückzuweisen, in eventu, diesem den Erfolg zu versagen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.
1. Zwischen den Parteien ist nicht mehr strittig, dass es sich bei den in Rede stehenden spekulativen Rohstofftermingeschäften („Forwards“ bzw „Futures“) um Differenzgeschäfte gehandelt hat, bei denen es der Klägerin nicht um die Lieferung des Handelsobjekts (Rohstoff, Metalle) gegangen ist, sondern sie auf Kurs- oder Preisunterschiede zwischen dem Tag des Geschäftsabschlusses und dem aktuellen Marktwert am theoretischen Erfüllungstag gewettet hat.
Nach den Feststellungen wurde die jeweilige Preisdifferenz unmittelbar nach Durchführung der einzelnen Rohstoffgeschäfte abgerechnet und die Gewinne bzw Verluste aus der Preisdifferenz saldiert. Die Klägerin hat im Jahr 2015 – aufgrund der getroffenen Vereinbarungen – zweimal bestehende Negativsalden ausgeglichen. Der Klagsbetrag ist der bei Auflösung der Geschäftsbeziehung auf dem Konto der Klägerin befindliche Guthabenssaldo.
Daraus ergibt sich zweifelsfrei, dass die Klage auf die Auszahlung des saldierten Gewinns der Klägerin aus den von der Beklagten veranlassten Rohstoffgeschäften gerichtet ist. Das Hilfsargument der Klägerin, die Klage könne auch so verstanden werden, dass sie auf die Rückzahlung der von ihr vorgenommenen Einzahlungen gerichtet sei, ist nicht überzeugend.
2. Gemäß § 1271 ABGB sind die Erträge aus einer Wette oder aus einem Spiel nicht klagbar, sondern es liegt eine bloße Naturalobligation vor. Nach der Rechtsprechung fallen auch Differenzgeschäfte unter diese Bestimmung, weshalb auch der aus Differenzgeschäften resultierende Gewinn – als bloße Wettschuld – nicht klagbar ist (RS0106836).
Nach den einschlägigen Bestimmungen des ABGB ist der von der Beklagten erhobene Differenzeinwand somit zulässig und berechtigt.
3. Die Klägerin hält dem entgegen, dass im Anlassfall eine analoge Anwendung der § 1 Abs 5 BWG und § 51 BörseG geboten sei, wonach unter bestimmten Voraussetzungen der Differenzeinwand ausgeschlossen sei. Auch wenn die Beklagte über keine bank- oder börserechtliche Konzession verfüge, führe sie ihre Geschäftstätigkeit doch grundsätzlich in zulässiger Weise durch. Mit den zugrunde liegenden Transaktionen hätten die Parteien auch einen legitimen Zweck, nämlich jenen der Vermögensveranlagung, verfolgt. Die zu beurteilenden Geschäfte seien daher im Vergleich zu Bank- oder Börsegeschäften als gleichartig zu beurteilen.
3.1 Für einen von der Klägerin geforderten Analogieschluss wäre eine echte Gesetzeslücke erforderlich (RS0098756; RS0008866). Eine echte Gesetzeslücke ist eine planwidrige Unvollständigkeit innerhalb des positiven Rechts, gemessen am Maßstab der gesamten geltenden Rechtsordnung. Das Gesetz ist in einem solchen Fall, gemessen an seiner eigenen Absicht und immanenten Teleologie, ergänzungsbedürftig, ohne dass die Ergänzung einer vom Gesetz gewollten Beschränkung widerspricht (RS0008826; 4 Ob 241/17w; 4 Ob 242/17t). Eine solche Unvollständigkeit liegt jedoch nur dann vor, wenn eine anzuwendende Rechtsvorschrift zwar vorhanden, aber in einer bestimmten Richtung nicht präzisiert ist. Ob und inwieweit die Analogie im konkreten Einzelfall gerechtfertigt ist, hat sich am Zweck der gesetzlichen Vorschrift zu orientieren (RS0034507 [T4 und T6]).
3.2 Gemäß § 1 Abs 5 BWG ist bei der Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten aus Bankgeschäften der Differenzeinwand unzulässig, sofern zumindest eine Vertragspartei zur gewerblichen Durchführung solcher Bankgeschäfte berechtigt ist. Gemäß § 51 Abs 1 BörseG ist bei der Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten aus Börsegeschäften der Einwand, dass dem Anspruch ein als Spiel oder Wette zu beurteilendes Differenzgeschäft zugrunde liegt, unzulässig.
Nach den einschlägigen Gesetzesmaterialien (RV 1187 BlgNR 20. GP 32) gehören Termin- und Differenzgeschäfte heute zum normalen Bankgeschäftsbetrieb. Die Anwendung des Termin- und Differenzeinwands gemäß § 1271 ABGB auf normale Bankgeschäfte belaste den wirtschaftlichen Verkehr durch Rechtsunsicherheit. Daher sollen Bankgeschäfte und Börsegeschäfte von Wertpapierfirmen für beide Seiten voll verbindlich sein. Ein Wille des historischen Gesetzgebers zur uneingeschränkten Anwendung des § 1271 ABGB auf alle künftigen Standard-Bankgeschäfte müsse dementsprechend nicht angenommen werden. Auch nach dem Wesen dieser Bankgeschäfte bestehe kein Grund zu einer solchen Annahme, weil es sich nicht um „anrüchige“ Spekulationsgeschäfte, sondern um Geschäfte handle, die im BWG ausdrücklich zugelassen seien und überdies einer strengen Aufsicht unterliegen und zudem strenge Vertragspartner-Schutzvorschriften, vor allem Risikoaufklärungspflichten, bestehen. Der Termin- und Differenzeinwand soll jedoch aus Gründen des Anleger- und Funktionsschutzes nur dann ausgeschlossen sein, wenn die gewerbliche Geschäftsausübung berechtigterweise erfolge.
3.3 Nach diesen Erwägungen liegt der Zweck der in Rede stehenden Bestimmungen in der Begründung von Rechtssicherheit zum Schutz der Anleger bei üblichen Bank- und Börsegeschäften (vgl dazu Karas/Ressnik in Dellinger, BWG § 1 Rz 272; Knauder in Temmel, BörseG § 28 Rz 21). Als Rechtfertigungsgründe für die in Rede stehenden bank- und börserechtlichen Sonderregelungen dienen ein strenges Aufsichtsregime als Schutz vor Missbräuchen sowie spezifische Anlegerschutzvorschriften.
Die in Rede stehenden Sonderregelungen sind typisch auf den Geschäftsbetrieb von Banken und Wertpapierfirmen zugeschnitten, deren Tätigkeit auf die Veranlagung von Kundengeldern ausgerichtet ist. Der Gesetzgeber wollte das fragliche Geschäftsmodell, das sich zwischenzeitlich zu einem Standard-Veranlagungsprodukt entwickelt hat, auch den inländischen Banken und Wertpapierfirmen ermöglichen. Da dieses Modell von vornherein auf die Veranlagung von Kundengeldern abzielt, musste als Ausgleich für dessen Zulässigkeit ein angemessener Anlegerschutz vorgesehen und die Durchsetzbarkeit der sich aus der Veranlagung ergebenden Auszahlungsansprüche sichergestellt werden.
3.4 Auf die hier zu beurteilende Rahmenvereinbarung zwischen den Streitteilen treffen die für einen zulässigen Analogieschluss maßgebenden Überlegungen nicht zu. Die Rahmenvereinbarung zielt nach ihren Bedingungen auf den bilateralen Abschluss sowie die Ausführung und Erfüllung (Zahlung und Lieferung) physischer (also realer) Rohstoffgeschäfte zu einem bestimmten Termin ab. In Kenntnis dieses Umstands hat die Klägerin auch behauptet, dass eine physische Lieferung von Rohstoffen zwischen den Parteien nicht ausgeschlossen gewesen sei.
Der tatsächliche Geschäftszweck war nach den Feststellungen freilich ein anderer. Aufgrund einer – aus steuerlichen Gründen – geänderten Veranlagungsstrategie des Direktors der Klägerin war die physische Ausführung der Rohstoffgeschäfte zwischen den Streitteilen nie beabsichtigt. In Wirklichkeit bestand das Ziel der Klägerin in der Erzielung von Veranlagungsgewinnen. Dementsprechend sollte der Klägerin bzw ihrem wirtschaftlichen Eigentümer mit dem zugrunde liegenden Geschäftsmodell aus steuerlichen Gründen die spekulative Veranlagung von Geldern ermöglicht werden. Dieser Geschäftszweck geht aus der Rahmenvereinbarung nicht hervor; die Parteien wählten vielmehr eine Umgehungskonstruktion für die angestrebten verdeckten Rohstofftermingeschäfte.
Aus diesen Überlegungen ist zweifelsfrei abzuleiten, dass die Geschäftstätigkeit der Beklagten nicht typischerweise auf die Veranlagung von Kundengeldern ausgerichtet ist. Sie betreibt gerade keine Bank- oder Wertpapiergeschäfte, für die aufgrund besonderer gesetzlicher Bestimmungen ein spezifisches Aufsichtsregime sowie spezifische Anlegerschutzvorschriften vorgesehen sind.
Auf das von den Parteien konstruierte (Umgehungs-)Modell sind die in Rede stehenden sondergesetzlichen Vorschriften für Bank- und Börsegeschäfte nicht analog anzuwenden, weil von einer planwidrigen Unvollständigkeit der gesetzlichen Vorschriften keine Rede sein kann. Das Gleiche gilt für die von der Klägerin argumentierte Gleichartigkeit der hier zu beurteilenden Rohstofftermingeschäfte einerseits und Banken- und Börsegeschäften andererseits.
Der von der Klägerin ins Treffen geführte analoge Ausschluss des Differenzeinwands scheidet somit aus. Dieses Ergebnis steht auch mit der herrschenden Lehre im Einklang (siehe dazu Oppitz in Kalss/Oppitz/U. Torggler/Winner, BörseG/MAR § 1 BörseG Rz 4 mwN).
4.1 Der Beurteilung des Erstgerichts, dass der Differenzeinwand von der Beklagten rechtsmissbräuchlich erhoben worden sei, ist das Berufungsgericht mit der Begründung entgegengetreten, dass die Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren keinen solchen Einwand erhoben habe. In der Revision führt die Klägerin dazu aus, dass die Einrede des Rechtsmissbrauchs nicht ausdrücklich erhoben werden müsse, sondern es genüge, wenn ein entsprechendes Vorbringen erstattet werde, was hier der Fall sei.
4.2 Die Klägerin stellt nicht in Abrede, dass eine missbräuchliche Rechtsausübung nur über einen entsprechenden Einwand aufgegriffen werden kann (RS0016519 [T4]). In ihrem erstinstanzlichen Vorbringen, auf das sie im gegebenen Zusammenhang verweist, hat sie sich jeweils nur auf die von ihr behauptete Verletzung der Aufklärungspflicht durch die Beklagte über die Undurchsetzbarkeit der Auszahlungsansprüche bei Differenzgeschäften bezogen. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass im erstinstanzlichen Vorbringen der Klägerin kein ausreichendes Tatsachensubstrat für den Einwand der missbräuchlichen Rechtsausübung durch die Beklagte enthalten sei, ist nicht zu beanstanden.
5.1 Zur Frage der Aufklärungspflichtverletzung vertrat das Berufungsgericht die Auffassung, dass es sich bei dem von der Klägerin geltend gemachten Gewinn um keinen ersatzfähigen Vertrauensschaden handle, der kausal auf eine allfällige Aufklärungspflichtverletzung zurückzuführen sei.
5.2 Bei einer Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten kann – bei Vorliegen der Voraussetzungen – der Vertrauensschaden geltend gemacht werden. Daraus kann der Geschädigte verlangen, so gestellt zu werden, wie er stünde, wenn er ordnungsgemäß aufgeklärt worden wäre (vgl RS0016374; RS0108267).
Nach den Feststellungen hätte die Klägerin bei Aufklärung über die Unklagbarkeit von Gewinnen aus Differenzgeschäften den Rahmenvertrag und die jeweiligen Einzelgeschäfte nicht abgeschlossen. Davon ausgehend könnte sie nur die Rückzahlung der von ihr geleisteten Einzahlungen als Vertrauensschaden geltend machen. Darauf ist das Klagebegehren aber nicht gerichtet, weil sie den Erfüllungsschaden verlangt (vgl dazu 4 Ob 117/15g).
Die Beurteilung des Berufungsgerichts steht mit diesen Überlegungen im Einklang und ist daher ebenfalls nicht zu beanstanden.
5.3 Zum Argument der Klägerin, sie hätte darüber aufgeklärt werden müssen, dass die Geschäfte mit der Beklagten Differenzgeschäfte und die Erträge daraus nicht klagbar seien, genügt überdies der Hinweis, dass das zu beurteilende Veranlagungsmodell im Wissen beider Vertragsteile gerade im Hinblick auf die geänderte Veranlagungsstrategie des Direktors der Klägerin konstruiert wurde und die Klägerin in dieser Hinsicht auch fachkundig beraten war.
6. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das Berufungsgericht das Klagebegehren zu Recht abgewiesen hat. Die Ausführungen der Klägerin in der Revision sind nicht berechtigt, weshalb dieser der Erfolg zu versagen war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
Textnummer
E128990European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2020:0040OB00080.20Y.0702.000Im RIS seit
03.09.2020Zuletzt aktualisiert am
03.09.2020