TE OGH 2020/8/12 4Ob110/20k

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Veröffentlicht am 12.08.2020
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. Dr. Brenn, Hon.-Prof. Priv.-Doz. Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj S***** H*****, geboren am ***** 2008, wohnhaft bei seinem Vater F***** H*****, dieser vertreten durch Mag. Bettina Baar-Baarenfels, Rechtsanwältin in Wien, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Vaters gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 2. Juni 2020, GZ 44 R 63/20w, 44 R 64/20t-212, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Hernals vom 7. Jänner 2020, GZ 1 Ps 183/14p-130, zum Teil abgeändert und zum Teil aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

1. Der Revisionsrekurs wird, soweit er sich gegen die Auflage wendet, die bei Mag. K***** begonnene Erziehungsberatung fortzusetzen und nachweislich zu absolvieren (Punkt 1c der Rekursentscheidung), zurückgewiesen.

2. Im Übrigen wird dem Revisionsrekurs Folge gegeben und die abändernde Entscheidung des Rekursgerichts (Punkt 1a und 1b) aufgehoben; die Pflegschaftssache wird in diesem Umfang zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

3. Die in der Revisionsrekursbeantwortung der Mutter gestellten Anträge auf Abänderung bzw Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen werden zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der minderjährige S***** H***** ist das Kind der M***** M***** und des F***** H*****. Aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs im Oktober 2015 stand die Obsorge bisher beiden Eltern zu, wobei der Minderjährige hauptsächlich im Haushalt der Mutter betreut wurde. Seit Jahren führen die Eltern im Pflegschaftsverfahren zahlreiche Auseinandersetzungen, vor allem über das Ausmaß der Betreuung bzw den Umfang und die Gestaltung der Kontakte von S***** zu den jeweiligen Elternteilen. Ausgehend von einer Aufteilung der Betreuung im Verhältnis von ca 65 % zu 35 % zugunsten der Mutter strebt der Vater ein Doppelresidenzmodell im Sinne einer gleichteiligen Betreuung an, die Mutter hingegen eine Einschränkung der Kontakte des Vaters. Es kam wiederholt zu Einigungen zwischen den Eltern, aber auch zu (unangefochten gebliebenen) gerichtlichen Entscheidungen des Erstgerichts. S***** leidet unter dem jahrelangen Streit, der ihn stresst und in Loyalitätskonflikte stürzt.

         Im Pflegschaftsverfahren wurde vor dem im Oktober 2015 abgeschlossenen Vergleich zur Klärung strittiger Obsorgefragen ein Gutachten der Sachverständigen Dr. H***** eingeholt. Im Juli 2018 erfolgte wegen weiterer die Obsorge betreffende Anträge der Eltern ein ergänzendes Gutachten dieser Sachverständigen. Das Erstgericht erachtete diese Gutachten zum Teil als ungenügend bzw widersprüchlich und beauftragte im Dezember 2019 den Sachverständigen Mag. R***** mit der Erstattung eines (weiteren) psychologischen Gutachtens. Das Gericht hob dabei hervor, dass Fragen zur (vom Vater behaupteten) Gewaltbereitschaft der Mutter, zu ihrem sonstigen Verhalten und zum Wunsch des Kindes nach gleichteiligem Aufenthalt bei den Eltern zu klären seien. Aufgrund der danach eingebrachten Anträge und Rechtsmittel der Parteien wurde dieses Gutachten noch nicht vorgelegt. Auf Antrag der Mutter ersuchte das Erstgericht den Sachverständigen am 25. Juni 2020, das Gutachten auf Grundlage einer Aktenkopie zu erstatten.

         Die Streitigkeiten zwischen den Eltern um das Kind erreichten im Jänner 2020 einen Höhepunkt. S***** war in den Weihnachtsferien mit seiner Mutter und deren Lebensgefährten in Kärnten. Auf Ersuchen des Kindes holte der Vater das Kind am 3. Jänner 2020 in der Früh (zwar nach Rücksprache mit dem Erstrichter, aber ohne vorherigen persönlichen Kontakt mit der Mutter, die er telefonisch nicht erreichen konnte) ab und brachte es zu sich. Seitdem wird das Kind allein im Haushalt des Vaters betreut.

Der Vater beantragte am 3. Jänner 2020 die Übertragung der vorübergehenden alleinigen Obsorge und Hauptbetreuung des Kindes auf ihn sowie „für eine Respiroperiode die Aussetzung des Kontaktes zur Mutter und erst nachfolgend eine begleitete Kontaktwiederaufnahme“. Die Mutter unterbinde den Kontakt zum Vater und unterwerfe das Kind unbotmäßigen Züchtigungen und psychischem Druck. Die Lebenssituation des Kindes sei sehr beängstigend und bedrängend.

         In seiner Anhörung am gleichen Tag sprach sich der Minderjährige deutlich im Sinne des Antrags des Vaters aus. Er gab an, dass ihn seine Mutter und deren Lebensgefährte während der Fahrt nach Kärnten und auch nach der Ankunft beschimpft hätten. Deshalb habe er seinen Vater ersucht, ihn von Kärnten abzuholen. In der Nacht habe er körperliche Beschwerden gehabt, er habe auch lange nicht schlafen können. Als sein Vater kam, sei er aus dem Haus gelaufen und mit diesem weggefahren, ohne die Mutter zu informieren. Er möchte jetzt mindestens zwei oder drei Monate nur bei seinem Vater leben. Er wisse nicht, was ihn erwarten würde, falls er nun zu seiner Mutter komme; mit deren Lebensgefährten sei es sogar noch ärger.

         Abgesehen von der Urkundenvorlage durch den Vater (psychotheurapeutische Stellungnahme von Dr. L*****, Screenshots zum SMS-Verkehr zwischen Sohn und Vater) und einem Telefonat mit dem Direktor der Schule des Kindes nahm das Erstgericht keine weiteren Beweise auf und räumte der Mutter auch keine Stellungnahme ein. Der Mutter wurde am 3. Jänner 2020 vom Erstrichter telefonisch nur mitgeteilt, dass sich S***** in der Obhut des Vaters befinde und wohlauf sei.

         Mit seinem Beschluss vom 7. Jänner 2020 traf das Erstgericht folgende Entscheidung:

1) Die gerichtliche Obsorgeregelung hinsichtlich des Minderjährigen vom 8. 10. 2015 wird in der Weise abgeändert, dass die Obsorge bis auf weiteres zwar beiden Eltern zusteht, der mj. Sohn aber hauptsächlich im Haushalt des Vaters (...) betreut wird.

2) Hinsichtlich des GRG (...), welches der Minderjährige besucht, wird ein Ausfolgeverbot hinsichtlich der Mutter (…) erlassen, sodass diese nicht berechtigt ist, den Minderjährigen von der Schule abzuholen.

3) Diesem Beschluss wird zu 1) und 2) gemäß § 44 Abs 1 AußStrG sofortige Verbindlichkeit zuerkannt.

 4) Der darüber hinausgehende Antrag des Vaters, der Mutter die Obsorge gänzlich zu entziehen, wird abgewiesen.

         Das Erstgericht ging dabei zusammengefasst von folgenden Feststellungen aus:

         S***** zeigte schon bei früheren Wechseln vom väterlichen in den mütterlichen Haushalt bereits im Vorfeld der Übergabe jeweils deutliche Zeichen von Verängstigung und Traurigkeit, Stress und Ablehnungsgefühlen, zuletzt auch bei der Fahrt mit seiner Mutter zu einem Winterferienaufenthalt in Kärnten am 2. Jänner 2020. Dabei gelang es ihm nicht mehr, seine Traurigkeit und seine damit verbundenen körperlichen Reaktionen zu unterdrücken, woraus sich mit der Mutter eine Situation von deutlicher Dissonanz und Missstimmung ergab. Schon während der Autofahrt schrie die Mutter S***** an und beschimpfte ihn (wie auch ihr Freund telefonisch). In dieser Situation heftiger Bedrängnis sandte S***** noch während der Fahrt mit dem Auto nach Kärnten seinem Vater heimlich mehrere verzweifelte SMS-Nachrichten, in denen er diesen anflehte, ihn umgehend am nächsten Morgen vom Urlaubsort abzuholen.

         Der Vater entschloss sich daraufhin nach telefonischer Rücksprache ua mit dem Erstrichter, dem Hilferuf seines Sohnes Folge zu leisten, und holte ihn am Morgen des 3. Jänner 2020 nach Wien zurück, nachdem er – allerdings vergeblich – versucht hatte, die Mutter am Telefon zu erreichen und sie zu informieren.

         Nach seiner Rückkehr zu seinem Vater zeigte sich S***** glücklich, weil er nun das Gefühl habe, dass endlich die ganze Last und sein Leid von ihm abgefallen seien, so als wären „Tonnen von seiner Brust gefallen“. Nach seinen Schilderungen mache die Mutter alles, um den Kontakt zwischen ihm und seinem Vater unmöglich zu machen. Sie habe ihm angedroht, er werde seinen Vater nie wiedersehen, wenn er nicht die Handy-Zugangssperre deinstalliere. Die Situation im mütterlichen Haushalt sei extrem angespannt gewesen, die Mutter sei generell mit ihm unzufrieden, brülle ihn häufig an, werte ihn ab und beschimpfe ihn; er wisse meist nicht, warum. Die Mutter sei in ihrem Verhalten stark von ihren jeweiligen Stimmungen abhängig und ihm gegenüber kontrollierend. Besonders schlimm sei es in den letzten Monaten geworden, weil der Lebensgefährte der Mutter ständig auf ihm „herumhacke“, ihn traktiere und beschimpfe. Wenn er sich dann an die Mutter wende, glaube ihm diese grundsätzlich nicht, stimme immer ihrem Partner zu, und beide beschimpften ihn dann gemeinsam als Lügner und schrieen ihn an. Er fühle sich sehr hilflos. Zuletzt habe er es einfach nicht mehr bei der Mutter ausgehalten. Er wolle nun endlich Ruhe haben. Beim Vater fühle er sich wohl, gehört und geborgen.

         Es entspricht der Eigenart der Mutter, insbesondere mit dem Vater lautstark, aufbrausend, unkontrolliert und abwertend zu kommunizieren. Die Lebenssituation des Minderjährigen bei ihr war auch dadurch für Außenstehende intensiv einfühlbar.

         In rechtlicher Hinsicht ging das Erstgericht davon aus, dass ein weiterer Verbleib des Minderjährigen in der Betreuung der Mutter unter den geschilderten aktuellen Gegebenheiten als das (insbesondere psychische) Kindeswohl gefährdend erscheine, sodass gemäß § 181 Abs 1 ABGB spruchgemäß zu entscheiden gewesen sei.

         Die Mutter bekämpfte diesen Beschluss mit Rekurs.

         Die Parteien vereinbarten in einer Verhandlung des Rekursgerichts am 10. März 2020, dass S***** (bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die derzeit offenen Rekurse) in der Betreuung des Vaters steht und der Mutter ein begleitetes Besuchsrecht zweimal wöchentlich zusteht. Die Parteien einigten sich auch darauf, dass die DSA C***** L***** von der Arbeitsgemeinschaft „D***** B*****“ als Besuchsbegleiterin tätig wird. Weiters wurde eine gemeinsame Erziehungsberatung der Eltern sowie eine Einzeltherapie für S***** vereinbart.

         Am 29. Mai 2020 übermittelte die Besuchsbegleiterin DSA L***** der Vorsitzenden des Rekurssenats einen Bericht („Meldung bezüglich Kindeswohlgefährdung“) über die gescheiterten Versuche bei Durchführung des begleiteten Besuchsrechts. Aus dem Bericht geht hervor, dass die Kontakte mit der Mutter deshalb nicht erfolgen konnten, weil das Kind die Besuche aus Angst/Stress etc ablehnte. Zum Teil waren Besuche auch infolge der Situation wegen COVID-19 erschwert. Aus dem Bericht lässt sich nicht ableiten, dass der Vater die Kontakte verhindert hätte; vielmehr wurde der Minderjährige von ihm zu den Besuchen gebracht, das Kind wurde von ihm auch aufgefordert, zur Mutter zu gehen. Die Besuchsbegleiterin verwies darauf, dass S***** einen sehr belasteten Eindruck mache. Sie nahm in ihrem Bericht Bezug auf das Ergänzungsgutachten der Sachverständigen Dr. H***** vom Juli 2018 und zog die Schlussfolgerung, dass es sich aus ihrer fachlichen Sicht um eine akute Gefährdung des Kindeswohls handle.

         Die damalige Vertreterin der Mutter äußerte am 3. Juni 2020 gegenüber dem Erstrichter, dass die Mutter eine Fremdunterbringung von S***** gegenüber dessen Weiterverbleib beim Vater klar vorziehe (AV des Erstrichters). 

         Mit dem angefochtenen Beschluss vom 2. Juni 2020 änderte das Rekursgericht den Beschluss des Erstgerichts in seinem Punkt 1. wie folgt ab:

„1a) Den Eltern des mj S***** H***** wird die Obsorge im Bereich der Pflege und Erziehung vorläufig entzogen und in diesem Umfang dem Land Wien als Kinder- und Jugendhilfeträger übertragen; dies mit der Auflage, mit der Pflege und Erziehung des Kindes keinen der beiden Elternteile zu betrauen.

1b) Dem Land Wien wird die Auflage erteilt, die Einzeltherapie S*****s in der psychologischen Praxis Mag. I***** H***** (…) fortzuführen.

1c) Beiden Eltern wird die Auflage erteilt, die bei Mag. B***** K***** begonnene Erziehungsberatung fortzusetzen und bis zum Jahresende 2020 nachweislich insgesamt 40 Einheiten Erziehungsberatung gemeinsam (ohne Anrechnung bereits absolvierter Erstgespräche) zu absolvieren.“

Im Übrigen hob es die Punkte 1. (soweit darin eine endgültige Obsorgeregelung angeordnet wurde) und 2. auf und trug dem Erstgericht in diesem Umfang eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Hinsichtlich Punkt 4. der erstgerichtlichen Entscheidung wies es den Rekurs der Mutter mangels Beschwer zurück. Das Rekursgericht sprach auch aus, dass die in Punkt 3. des erstgerichtlichen Beschlusses angeordnete vorläufige Verbindlichkeit und Vollstreckbarkeit aberkannt werde. Hingegen erklärte es den Beschlusspunkt 1. in der durch das Rekursgericht abgeänderten Fassung vorläufig verbindlich und vollstreckbar.

         Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs gegen den zurückweisenden und abändernden Teil des Beschlusses mangels Rechtsfragen der in § 62 Abs 1 AußStrG genannten Bedeutung nicht zulässig ist.

         Das Rekursgericht hob die Rolle der früheren Erziehungsberaterin der Eltern (Dr. L*****) kritisch hervor und hielt dieser unsachliches und fachlich fehlerhaftes Verhalten vor. Es traf aufgrund des Berichts der Besuchsbegleiterin ergänzende Feststellungen zum Scheitern der Kontakte zwischen Mutter und Kind im Zeitraum April und Mai 2020. Allein die Möglichkeit, seine Mutter zu treffen, führt beim Minderjährigen zu panikartigen Reaktionen. S***** traut sich demnach nicht, die Mutter oder Verwandte und Bekannte aus ihrem Umkreis zu treffen. Festgestellt wurde weiters, dass der Vater seinen Sohn ersucht hat, zur Mutter zu gehen und ihm gegenüber geäußert hat, er fände es gut, wenn S***** seine Mutter treffe.

         In rechtlicher Hinsicht stützte das Rekursgericht den vorläufigen Entzug der Obsorge auf eine Kindeswohlgefährdung. Auf Basis der bisherigen Erhebungen und vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklung könne nicht abschließend beurteilt werden, ob eine Beibehaltung der bisherigen Obsorgeverhältnisse dem Wohl des Kindes entspricht oder ob – von Amts wegen – eine Änderung derselben auch in peius vorzunehmen ist.

         Die massive Ablehnung von Kontakten zur Mutter und ihren Verwandten durch den Minderjährigen schließe eine Rückführung in den mütterlichen Haushalt aus. Im weiteren Verfahren sei zu klären, ob durch die Mutter Gefährdungsmomente (körperliche Züchtigung, Entzug eines Handy-Ladekabels, Beschimpfungen) ausgingen.

         Es komme aber auch eine Betreuung durch den Vater oder sein Umfeld nicht in Betracht, weil die dringende Gefahr bestehe, dass sich dadurch die Entfremdung (gemeint: zur Mutter) verstärke und vertiefe. Der Vater habe die aktuelle Gefährdungssituation durch sein rechtswidriges, nicht durch Selbsthilfe gerechtfertigtes Handeln (beim Winterurlaub) ausgelöst. Er habe auch das unsachliche Verhalten der früheren Erziehungsberaterin der Eltern (Dr. L*****) unkritisch mitgetragen. Es könne derzeit dahinstehen, ob diese mit dem Vater bewusst zusammengewirkt habe, um den Willen des Kindes zu manipulieren. Es sei auch zu berücksichtigen, dass seit dem 2. Jänner 2020 kein Kontakt zur Mutter hergestellt werden konnte.

         Der jedenfalls auch auf das Verhalten des Vaters zurückzuführenden Gefährdung des Kindeswohls habe seit Jänner 2020 trotz der Anordnung von Erziehungsberatung, Besuchsbegleitung und Therapie des Kindes nicht entgegengewirkt werden können. Die Beibehaltung der derzeitigen Betreuungssituation gefährde das Wohl des Kindes akut und erheblich dahin, dass S***** endgültig und nachhaltig seiner Mutter entfremdet werde.

         Damit sei – als vorläufige Maßnahme – beiden Eltern die Obsorge im Bereich der Pflege und Erziehung zu entziehen. Nach der Aktenlage komme eine vorläufige Teilobsorgeübertragung an die (väterlichen oder mütterlichen) Großeltern nicht in Betracht. Eine der Familie der Mutter zuzurechnende Angehörige scheide angesichts der aktuellen, massiven Ablehnung S*****s aus. Das gelte auch für die Angehörigen des Vaters, weil aus der allein maßgeblichen Sicht des Kindeswohls jedenfalls derzeit ausgeschlossen werden müsse, dass weitere negative Einflussnahmen aus dem Umfeld des Vaters erfolgten. Es gelte, den langjährig in einem Loyalitätskonflikt verfangenen Minderjährigen in einem neutralen, nicht verwandtschaftlich mitgeprägten Umfeld Zeit und die Möglichkeit einzuräumen, sich mit therapeutischer Hilfe aus seiner Gefährdungssituation zu lösen.

         Gegen den abändernden Teil der Entscheidung (vorläufiger Entzug der Obsorge im Bereich der Pflege und Erziehung samt Auflagen an den Kinder- und Jugendhilfeträger [KJHT] und die Eltern) richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Vaters mit dem Antrag, die Entscheidung im Sinne einer Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

         Mit Beschluss vom 20. Juli 2020 wurde vom Senat die vorläufige Verbindlichkeit und Vollstreckbarkeit von Punkt 1. der Rekursentscheidung ausgeschlossen.

         Die Mutter beantragte in ihrer vom Senat freigestellten Rechtsmittelbeantwortung, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

         Die von der Mutter in der Revisionsrekursbeantwortung gestellten Anträge auf Abänderung bzw Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen waren zurückzuweisen. Eine Rechtsmittelbeantwortung dient der Abwehr des Rechtsmittels (RS0119592). Hingegen wird dem Rechtsmittelgegner damit keine Möglichkeit eröffnet, davon unabhängige Rechtsmittelanträge zu stellen. Hat der Revisionsrekursgegner den Beschluss des Rekursgerichts nicht mit Revisionsrekurs angefochten, kann er die unterlassene Anfechtung nicht in der Revisionsrekursbeantwortung nachholen (Lovrek in  Fasching/Konecny3 § 507 ZPO Rz 20).

         Der Revisionsrekurs ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Rekursgerichts hinsichtlich der Punkte 1a) und 1b) zulässig und im Sinne des Aufhebungsantrags berechtigt. Hinsichtlich des Punktes 1c) ist das Rechtsmittel wegen mangelnder Beschwer zurückzuweisen.

         1. Der Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens beschränkt sich auf die vorläufige Entziehung bzw Übertragung der Obsorge und die damit im Zusammenhang stehenden Auflagen des Rekursgerichts. Insoweit das Rekursgericht die Entscheidung des Erstgerichts zur endgültigen Obsorgeregelung und zum Ausfolgeverbot hinsichtlich der Mutter aufgehoben hat, ist die mangels Zulassungsausspruchs insoweit unanfechtbare Entscheidung des Rekursgerichts (§ 64 Abs 1 AußStrG) nicht vom drittinstanzlichen Verfahren umfasst. Die vom Vater angestrebte Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses scheidet somit aus.

         2.1 In seinem Rechtsmittel erachtet es der Vater als befremdlich, dass die Besuchsbegleiterin DSA L*****, von der die Gefährdungsmeldung ausging, und die Vorsitzende des Rekurssenats zwei der nur fünf Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft „D***** B*****“ seien. Die Besuchsbegleiterin sei vom Rekurssenat gezielt vorgeschlagen worden. Es liege eine offenkundige Unvereinbarkeit vor. Aufgrund dieser Verflechtung sei noch kritischer zu hinterfragen, dass die Gefährdungsmeldung anstatt an den KJHT direkt an die Vorsitzende des Rekurssenats gesendet worden sei. Zwischen der Gefährdungsmeldung und der Rekursentscheidung liege nur ein Werktag.

         2.2 Die Ausführungen des Vaters sind nicht als Ablehnung der Vorsitzenden des (bzw des ganzen) Rekurssenats zu verstehen, die grundsätzlich auch nach einer Entscheidung im Rechtsmittel erklärt werden könnte (RS0041933 [T29]; RS0042028 [T21]) und die Unterbrechung des Rechtsmittelverfahrens bis zur Rechtskraft der Entscheidung über die Ablehnung zur Folge hätte (RS0042028 [T1]). Vielmehr sind diese Rechtsmittelausführungen nur Teil der Verfahrensrüge, auf die aber wegen der hier zu bejahenden sekundären Feststellungsmängel nicht näher eingegangen werden muss.

         Zur Entziehung der Obsorge:

         3.1 Gemäß § 181 Abs 1 ABGB hat das Gericht die zur Sicherung des Kindeswohls nötigen Verfügungen zu treffen, sofern die Eltern durch ihr Verhalten das Wohl eines minderjährigen Kindes gefährden. Das Gericht darf die Obsorge für das Kind ganz oder auch nur teilweise entziehen.

         3.2. Bei der Anordnung von Maßnahmen im Sinne des § 181 Abs 1 ABGB ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und der Familienautonomie zu berücksichtigen (4 Ob 83/18m mwN; RS0048736 [T3]). Durch eine solche Verfügung darf das Gericht die Obsorge nur insoweit beschränken, als dies zur Sicherung des Wohls des Kindes erforderlich ist (§ 182 ABGB).

         3.3 Es ist auch zulässig, im Rahmen von vorläufigen Maßnahmen die Obsorge der Eltern ganz oder teilweise zu entziehen und dem KJHT zu übertragen (7 Ob 94/18a; 5 Ob 122/19f). Nach § 107 Abs 2 AußStrG kann das Gericht die Obsorge und die Ausübung des Rechts auf persönliche Kontakte nach Maßgabe des Kindeswohls auch vorläufig einräumen oder entziehen.

         3.4. Nach dem Willen des Gesetzgebers hat das Gericht eine solche vorläufige Entscheidung nach § 107 Abs 2 AußStrG schon dann zu treffen, wenn zwar für die endgültige Regelung noch weitergehende Erhebungen (etwa die Einholung oder Ergänzung eines Sachverständigengutachtens) notwendig sind, aber eine rasche Regelung der Obsorge oder der persönlichen Kontakte für die Dauer des Verfahrens Klarheit schafft und dadurch das Kindeswohl fördert. Die Voraussetzungen für die Erlassung vorläufiger Maßnahmen sind in dem Sinne reduziert, dass diese nicht mehr erst bei akuter Gefährdung des Kindeswohls, sondern bereits zu dessen Förderung erfolgen dürfen (9 Ob 61/16k; 5 Ob 122/19f; RS0129538).

         3.5 Auch eine solche Entscheidung erfordert eine ausreichende Tatsachengrundlage. Auch bei einer vorläufigen Entziehung der Obsorge ist äußerste Zurückhaltung geboten (Einberger in Schneider/Verweijen, § 107 AußStrG Rz 13), zumal auch eine vorläufige Entziehung der Obsorge einen Grundrechtseingriff bedeutet und eine Verhältnismäßigkeitsprüfung erfordert (3 Ob 9/18x; RS0130780 [T3]).

         4. Weder die Feststellungen des Erstgerichts noch die ergänzenden Feststellungen des Rekursgerichts bieten eine ausreichende Tatsachengrundlage, um einen (auch nur vorläufigen) Entzug der Obsorge der Eltern und eine Übertragung der Obsorge an den KJHT aus der Sicht der Förderung des Kindeswohls zu begründen.

         4.1 Hinzu kommt, dass der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung des Kindeswohls der Zeitpunkt der letztinstanzlichen Entscheidung ist, sodass alle während des Verfahrens eintretenden aktenkundigen Änderungen der Tatsachengrundlage zu berücksichtigen sind (RS0106313). Auch unter Berücksichtigung der neuen Entwicklungen lässt sich der Entzug bzw die Übertragung nicht rechtfertigen. Diese Änderungen der Sachlage lassen sich wie folgt zusammenfassen:

         4.1.1 Bereits Tage nach der Rekursentscheidung berichtete die Besuchsbegleiterin DSA L***** von „durchaus positiven Entwicklungen“ und Kontakten zwischen dem Minderjährigen und seiner Mutter. Sie dokumentierte im Juni und Juli 2020 insgesamt zwölf begleitete persönliche Treffen zwischen S***** und seiner Mutter sowie mehrere Telefonate. Bis auf die beiden ersten Treffen dauerte der Kontakt jeweils drei Stunden. Am 15. Juli 2020 hielt DSA L***** in einem Bericht fest, dass es „S***** ohne die Unterstützung des Vaters nicht geschafft hätte, den Kontakt zur Mutter herzustellen, sich auf die Mutter einzulassen. Der Vater hat in diesem Sinn aktiv dazu beigetragen, dass S***** sich getraut hat, die Mutter wieder zu treffen“.

         Von Seiten des KJHT wurde in einem Schreiben vom 12. Juni 2020 an das Erstgericht ebenfalls auf positive Veränderungen infolge der Kontakte des Kindes zur Mutter hingewiesen. Eine Unterbringung von S***** in einem Krisenzentrum könnte demnach zu einer negativen Reaktion des Minderjährigen führen und den positiven Verlauf unter Umständen beenden. Es werde daher empfohlen, den momentanen Aufenthalt beim Vater bis auf weiteres beizubehalten. Nach einem Aktenvermerk vom 25. Juni 2020 habe sich nach Ansicht der Vertreterin des KJHT die Unterbringung von S***** bei seinem Vater bewährt. Von einer Abschirmung durch den Vater könne keine Rede sein.

         Im Bericht der Erziehungsberaterin Mag. K***** vom 17. Juni 2020 über die von den Eltern in Anspruch genommene (mittlerweile abgebrochene, siehe unten Punkt 4.1.2) Erziehungsberatung wird eine Reihe von positiven Aspekten hervorgehoben. Dies betrifft die Kommunikation zwischen den Eltern, persönliche und telefonische Kontakte des Sohnes zur Mutter sowie Telefonate und Videotelefonate zwischen dem Minderjährigen und den mütterlichen Großeltern.

         4.1.2 Neben diesen positiven Entwicklungen gab es zuletzt auch Rückschläge.

         Die Erziehungsberaterin Mag. K***** hat nach acht Terminen mit beiden Elternteilen am 26. Juni 2020 bekanntgegeben, dass sie die Beratung abbricht. Gegenüber den Eltern erklärte sie diesen Schritt damit, dass der Vater zumindest beim letzten Termin das geführte Gespräch heimlich aufgenommen habe, obwohl keine Tonbandaufnahmen erlaubt seien.

         Von Mag. H***** wurde die psychologische Behandlung von S***** mit Schreiben vom 16. Juli 2020 zurückgelegt, weil sie einer Mail des Vaters entnommen habe, dass dieser kein Vertrauen in ihre Arbeit mit dem Kind habe. In einer Mail an Erst-, Zweitgericht und den KJHT vom 24. Juli 2020 hob sie hervor, dass eine weitere klinisch-psychologische Behandlung des Kindes dringend indiziert sei. Aus fachlicher Sicht liege eine Gefährdung des Kindeswohls darin, dass S***** seine Mutter ablehne und gleichzeitig seinen Vater idealisiere. Mag. H***** hob aber auch hervor, dass die Wahrnehmung der Besuchskontakte im Zusammenhang mit dem Mitwirken des Vaters stehe.

         Die Besuchsbegleiterin DSA L***** entschloss sich am 24. Juli 2020 dazu, die Besuchsbegleitung nicht mehr fortzuführen. Sie verwies auf das fehlende Vertrauen des Vaters und darauf, eine fehlende Weiterentwicklung der Kontakte zu sehen.

         Der KJHT bezog sich in einer Stellungnahme an den Obersten Gerichtshof vom 3. August 2020 auf diese negativen Entwicklungen, wies auf seine Sorge um das Wohl des Kindes hin und kündigte an, dass ein Antrag auf Übertragung der Obsorge des Kindes gestellt werde.

         4.2 Das Rekursgericht hat den Entzug der mütterlichen Obsorge im Wesentlichen damit begründet, dass das Kind den weiteren Kontakt zu seiner Mutter und ihren Verwandten massiv ablehne. Eine weitere Betreuung durch den Vater schloss es mit dem Argument aus, es bestehe die Gefahr, dass sich dadurch die Entfremdung zur Mutter noch mehr vertiefe. Die aktuelle Betreuungssituation gefährde wegen der drohenden Entfremdung zur Mutter das Wohl des Kindes massiv. Das Rekursgericht stützte sich dabei zentral auf eine Gefährdungsmeldung der Besuchsbegleiterin, die darin den Ablauf von erfolglosen Besuchsterminen schilderte.

         4.3 Die vom Rekursgericht hervorgehobene Gefahr einer Entfremdung durch die durchgeführten Kontakte des Kindes zur Mutter hat sich zwischenzeitlich stark relativiert (siehe 4.1.1). Ungeachtet der referierten Probleme besteht derzeit ein regelmäßiger Kontakt zwischen der Mutter und dem Kind, der vom Vater gefördert wird. Bereits dadurch ist dokumentiert, dass es nicht zwingend des Entzugs der Obsorge des Vaters und deren Übertragung an den KJHT bedarf, um der befürchteten Entfremdung zur Mutter entgegenzuwirken. Auch für eine Entziehung der Obsorge der Mutter reichen die Feststellungen nicht aus. Eine solche Entziehung kann auch nicht auf den Umstand gestützt werden, dass sich das Kind in den ersten Wochen nach der Kontaktregelung gegen Kontakte mit der Mutter gesträubt hat. Auch mit Blick auf den nunmehrigen regelmäßigen Kontakt kann hier ein (auch nur vorläufiger) Obsorgeentzug nicht gerechtfertigt werden. Zudem hätte eine gemeinsame Obsorge nicht zwingend die vom Rekursgericht abgelehnte „Rückführung in den mütterlichen Haushalt“ zur Folge.

         4.4 Zu berücksichtigen sind auch die mit einer Fremdunterbringung verbundenen Nachteile.

         4.4.1 Das Ziel einer entspannten Beziehung des Kindes zu beiden Elternteilen ist zweifelsfrei geeignet, das Kindeswohl zu fördern. Die angeordnete Maßnahme muss dabei aber zur Sicherung des Kindeswohls erforderlich und geeignet sein (Deixler-Hübner/Mayrhofer, Überblick über die Neuerungen im Verfahrensrecht, in Barth/Deixler-Hübner/Jelinek, Handbuch des neuen Kindschafts- und Namensrechts [2013] 234). Beim hier gegebenen Sachverhalt ist nicht zu erkennen, dass nur mit einer Trennung des Kindes von beiden Elternteilen der vom Rekursgericht befürchteten Entfremdung zur Mutter entgegengetreten werden kann.

         4.4.2 Es fehlt auch an einer Prognose, wie sich die Unterbringung von S***** in Fremdunterbringung auf ihn auswirken könnte. Für die hier notwendige Interessensabwägung ließ das Rekursgericht unberücksichtigt, dass eine Obsorgeübertragung an den KJHT und die damit verbundene Fremdunterbringung des Kindes in einem Krisenzentrum/Heim massiv in dessen Leben eingreift und
per se nicht auszuschließen ist, dass die mit einer Fremdunterbringung verbundenen gravierenden Auswirkungen auf die Lebenssituation von S***** diesem (auch im Lichte der jüngsten Entwicklungen) mehr schaden als nützen könnten. Bei der hier gegebenen unklaren bzw ungenügenden Sachverhaltsgrundlage ist eine Fremdunterbringung des Kindes nicht gerechtfertigt. Nach dem (allerdings schon zwei Jahre alten) Ergänzungsgutachten der Sachverständigen Dr. H***** wird von einer Einschränkung der Kontakte zum Vater abgeraten.

         4.4.3 Zu beachten ist auch, dass ein Entzug der Obsorge der Eltern nur zum Wohle des Kindes getroffen werden darf. Der Hinweis des Rekursgerichts, dass der Vater die Gefährdungssituation durch die Rückholaktion des Kindes ausgelöst habe, überzeugt nicht, weil selbst Verletzungen der Wohlverhaltenspflicht eines Elternteils unter Umständen sanktionslos bleiben, wenn dies das Wohl des Kindes erfordert (vgl 4 Ob 8/11x [Punkt 2.3.c]).

         4.5 Der Minderjährige befindet sich bereits im 12. Lebensjahr, seinem klar artikulierten Wunsch, in der nächsten Zeit im Haushalt des Vaters betreut zu werden, ist nach Möglichkeit zu entsprechen (RS0048820). Nach den bisher getroffenen Feststellungen liegen keine schwerwiegenden Gründe gegen die Berücksichtigung seines Wunsches vor. Es ist derzeit auch nicht erkennbar, dass der Wunsch gegen die offenbar erkennbaren Interessen des Kindes gerichtet ist.

         4.6 Geprüft werden muss auch noch, ob statt des Obsorgeentzugs gelindere Mittel (wie etwa die Unterstützung der Erziehung oder Aufträge nach § 107 Abs 3 AußStrG) in Betracht kommen, die es ermöglichen, das Kind in seiner vertrauten Umgebung zu belassen (vgl RS0132193). Allein der Umstand, dass sich die Kontakte des Kindes zur Mutter einige Wochen lang schwierig gestaltet haben, beweist noch nicht, dass die bisherigen Maßnahmen gescheitert sind, und bietet auch keine Grundlage für einen Entzug der Obsorge des Vaters. Ihm ist in diesem Zusammenhang auch keine mangelnde Kooperation vorzuwerfen. Eine Entziehung kann daher hier nicht damit gerechtfertigt werden, dass das Verhalten des betreuenden Elternteils im Zusammenhang mit der Ausübung des Kontaktrechts dem Kindeswohl abträglich ist (vgl 1 Ob 40/08a mwN).

         5.1 Insgesamt mangelt es für die einstweilige Übertragung der Obsorge an den KJHT (samt den an diesen dazu ergangenen Auflagen) an einer ausreichenden Tatsachengrundlage. Aufgrund sekundärer Feststellungsmängel muss die angefochtene Entscheidung daher in Stattgebung des Revisionsrekurses des Vaters aufgehoben werden.

         5.2 Wegen des rechtskräftigen Aufhebungsbeschlusses des Rekursgerichts hat das Erstgericht die noch offenen Fragen zur endgültigen Regelung der Obsorge ohnedies umfassend zu klären. Dabei wird es auch zu prüfen haben, ob (insbesondere im Hinblick auf die negativen Entwicklungen, vgl Punkt 4.1.2) vorläufige Maßnahmen zur Förderung des Kindeswohls erforderlich sind.

         5.3 Zu beachten ist, dass die Eltern vor dem Rekursgericht „bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die derzeit offenen Rekurse“ vereinbart haben, dass S***** beim Vater verbleibt und der Mutter ein näher geregeltes Kontaktrecht zusteht. Die Wirkung dieser Vereinbarung erstreckt sich auch auf den folgenden Rechtsgang, weil von den Eltern die Vereinbarung erkennbar bis zu einer inhaltlichen Entscheidung über die strittigen Obsorgefragen geschlossen wurde.

         6. Zur Auflage an die Eltern, die bei Mag. K***** begonnene Erziehungsberatung fortzusetzen (Punkt 1c der Rekursentscheidung):

         6.1 Auch im Außerstreitverfahren ist nur derjenige rechtsmittellegitimiert, der durch die bekämpfte Entscheidung (formell oder materiell) beschwert ist. Formelle Beschwer liegt vor, wenn die Entscheidung von dem ihr zugrundeliegenden Antrag des Rechtsmittelwerbers zu seinem Nachteil abweicht. Der Rechtsmittelwerber muss auch materiell beschwert sein. Materielle Beschwer liegt vor, wenn die rechtlich geschützten Interessen des Rechtsmittelwerbers in der Entscheidung beeinträchtigt werden (RS0041868).

         6.2 Mag. K***** hat sich dazu entschieden, die Erziehungsberatung mit den Eltern nicht mehr fortzuführen. Damit können die Eltern der erteilten Auflage, die sich explizit (nur) auf die genannte Erziehungsberaterin bezieht, nicht mehr entsprechen, zumal Mag. K***** auch nicht zur Fortsetzung der Beratung verpflichtet werden kann. Die damit gegenstandslos gewordene Auflage greift nicht nachteilig in die Rechtsposition des Vaters ein. Der insoweit absolut unzulässige Revisionsrekurs ist in diesem Umfang daher mangels Beschwer zurückzuweisen.

Textnummer

E128989

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0040OB00110.20K.0812.000

Im RIS seit

03.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

09.12.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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