TE Lvwg Erkenntnis 2020/8/11 LVwG-AV-802/001-2020

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Veröffentlicht am 11.08.2020
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Entscheidungsdatum

11.08.2020

Norm

KFG 1967 §48a Abs8a
KFG 1967 §48 Abs2 litd

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch die Richterin Mag. Steger über die Beschwerde des Herrn A, ***, ***, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft *** vom 29. Juni 2020, Zl. ***, betreffend Antrag auf neuerliche Zuweisung eines Wunschkennzeichens gemäß § 48a Kraftfahrgesetz 1967 (KFG), zu Recht:

1.   Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) Folge gegeben und der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert, dass dessen Spruch zu lauten hat:

Dem Antrag des Herrn A vom 29.06.2020 auf neuerliche Zuweisung des Wunschkennzeichens „***-***88“ wird gemäß § 48a Abs. 8a Kraftfahrgesetz 1967 (KFG) stattgegeben.“

2.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Abs 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe:

1.   Zum verwaltungsbehördlichen Verfahren

Mit schriftlichem Antrag vom 29.06.2020 beantragte der Beschwerdeführer bei der Bezirkshauptmannschaft *** als zuständige Zulassungsbehörde die „Verlängerung“ seines Wunschkennzeichens „***-***88“ für seinen Personenkraftwagen der Marke Audi/*** gemäß § 48a Abs. 8a KFG.

Mit dem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft *** ebenso vom 29.06.2020, GZ. ***, wurde der Antrag „um Verlängerung des Rechtes zur Führung des Wunschkennzeichens“ „***-***88“ wegen Anstößigkeit der Ziffernkombination ‚88‘“ gemäß § 48 Abs. 2 lit. d KFG abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer bisher im Besitz der Zuweisung des Wunschkennzeichens „***-***88“ gewesen sei. Nunmehr habe er mit Ablauf der Zuweisungsfrist um neuerliche Zuweisung des Wunschkennzeichens angesucht. Da er bereits im Vorfeld von einer negativen Entscheidung über sein Ansuchen ausgegangen sei, habe er auf die Gewährung eines Parteiengehörs verzichtet und liege auch die rasche erstinstanzliche Entscheidung in seinem Interesse.

Die „Buchstabenkombination“ „88“ werde in rechtsextremen Kreisen laut Liste des Mauthausen Komitees als Code für ‚Heil Hitler‘ verwendet und werde im Erlass des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend anstößige oder lächerliche Wunschkennzeichen, GZ. BMVIT179.493/0011-IV/ST4/2015“ explizit angeführt unter den Kombinationen, die jedenfalls als anstößig anzusehen seien. Entsprechend dem § 3 Verbotsgesetz 1947 sei es jedermann untersagt, sich, sei es auch außerhalb dieser Organisationen, für die NSDAP oder Ihre Ziele irgendwie zu betätigen.

Es werde daher im Sinne des oben angeführten Erlasses die gewählte Buchstabenkombination als anstößig im Sinne einer möglichen Verbindung zu einer verbotenen Organisation gesehen und könne daher die Verlängerung des Wunschkennzeichens nicht erfolgen.

2.   Zum Beschwerdevorbringen:

In seiner fristgerecht erhobenen Beschwerde vom 08.07.2020 beantragte der Beschwerdeführer die nochmalige Überprüfung und um Genehmigung seines Antrages.

Begründend führte der Beschwerdeführer dazu aus, dass er ohne diese Abweisung nie auf die Idee gekommen wäre, dass die Ziffernkombination „88“ in rechtsextremen Kreisen als „Heil Hitler“ verwendet werde. Der Beschwerdeführer hoffe auch nicht, der Wiederbetätigung bezichtigt zu werden, wenn er sein Geburtsjahr verwende.

Das Kennzeichen ***-***88 setze sich zusammen aus seinen Initialen sowie seinem Geburtsjahr und sei ihm auch vor 15 Jahren anstandslos genehmigt worden. Sein Geburtsjahr sei eben 1988 und auch nicht änderbar. Dieses Kennzeichen begleite ihn auch, seit der Beschwerdeführer den Führerschein habe und würden viele Freunde und Bekannte die Wunschkennzeichen mit den jeweiligen Besitzern verbinden. Solle nun der Beschwerdeführer nur wegen seines Geburtsjahres der einzige aus der Gruppe sein, dem dies verwehrt werde?

Im Freundes- und Bekanntenkreis des Beschwerdeführers würden außerdem solche Kombinationen bestehend aus Initialen und Geburtsjahr Gang und Gäbe sein und gebe es in seiner Nachbarschaft auch zugewiesene Kennzeichen mit der Ziffernkombination „88“. Es stelle sich deshalb auch die Frage, ob derartige amtliche Kennzeichen normal im Umlauf bleiben dürften.

3.   Zum durchgeführten Ermittlungsverfahren:

Mit Schreiben vom 24.07.2020 legte die Bezirkshauptmannschaft *** dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich den Verwaltungsakt zur Zl. *** zur Entscheidung über die Beschwerde vor, dies mit der Mitteilung, dass von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung kein Gebrauch gemacht werde.

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in diesen vorgelegten Verwaltungsakt.

4.   Feststellungen:

Dem Beschwerdeführer A wurde für seinen Personenkraftwagen im Jahre 2004 das Wunschkennzeichen „***-***88“ gemäß § 48a Abs. 1 KFG zugewiesen. Diese Buchstaben- und Ziffernkombination setzt sich aus seinem hauptwohnsitzgemeldeten Bezirk (***), seinen Initialen (A) und seinem Geburtsjahr (1988) zusammen.

Mit im Sinne des § 48a Abs. 8a KFG rechtzeitig gestelltem Antrag vom 29.06.2020 beantragte der Beschwerdeführer die neuerliche Zuweisung eben dieses Wunschkennzeichens.

5.   Beweiswürdigung:

Diese Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen Inhalt des Aktes Zl. *** der Bezirkshauptmannschaft *** und ist der Sachverhalt in diesem Rahmen auch unstrittig. Insbesondere ergibt sich aus der im Verwaltungsakt erliegenden Auskunft aus der Zulassungsevidenz, dass der Beschwerdeführer am *** geboren ist und somit die Buchstaben- und Ziffernkombination seines schon seit 15 Jahren verwendeten Wunschkennzeichens keinen anderen Hintergrund als die Initialen seines Namens und sein Geburtsjahr hat.

6.   Rechtslage:

§ 48a Abs. 1, 2 und 8a KFG lauten:

„(1) Die nicht behördenbezogenen Teile eines Kennzeichens (Vormerkzeichen) können nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen frei gewählt werden (Wunschkennzeichen).

(2) Auf schriftlichen Antrag ist ein Wunschkennzeichen zuzuweisen oder zu reservieren, wenn

a) es der durch Verordnung bestimmten Form entspricht,

b) es noch nicht einem anderen Fahrzeug zugewiesen oder für eine andere Person reserviert ist,

c) es nicht ein Vormerkzeichen ist, das für Fahrzeuge einer besonderen Verwendungsbestimmung vorbehalten ist und das Fahrzeug nicht dieser Bestimmung entspricht und

d) es nicht eine lächerliche oder anstößige Buchstabenkombination oder Buchstaben-Ziffernkombination enthält oder in Kombination mit der Behördenbezeichnung eine lächerliche oder anstößige Buchstaben- oder Buchstaben-Ziffernkombination ergibt.

(…)

(8a) Ein Antrag auf neuerliche Zuweisung des Wunschkennzeichens (Verlängerung) für weitere 15 Jahre bezogen auf den Jahrestag der ersten Zuweisung oder Reservierung ist vor Erlöschen des Rechtes, frühestens jedoch sechs Monate vor dem Tag des Erlöschens, bei einer Zulassungsstelle einzubringen. In diesem Fall ist die Abgabe in der Höhe von 200 Euro (Verkehrssicherheitsbeitrag) bei der Zulassungsstelle zu entrichten. Die Zulassungsstelle hat die Verlängerung vorzunehmen. Der ermächtigte Versicherer hat die eingenommenen Beträge gesammelt zweimal monatlich an den Österreichischen Verkehrssicherheitsfonds zu überweisen. Für die Verlängerung des Wunschkennzeichens ist der Kostenbeitrag im Sinne des Abs. 4 in der Höhe von 14 Euro bei der Zulassungsstelle zu entrichten und fließt dieser zu.“

7.   Erwägungen:

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat unter Zugrundelegung des festgestellten Sachverhaltes und der zitierten rechtlichen Bestimmungen wie folgt erwogen:

§ 48a Abs. 2 lit. d KFG wurde im Zuge einer Novelle des Kraftfahrgesetzes, BGBl. I Nr. 72/2015, kundgemacht am 09.07.2015, dahingehend geändert, dass lächerliche oder anstößige Buchstabenkombinationen um lächerliche oder anstößige Buchstaben-Ziffernkombination und um in Kombination mit der Behördenbezeichnung stehende lächerliche oder anstößige Buchstaben- oder Buchstaben-Ziffernkombination erweitert wurden.

Die dazu ergangenen Erläuterungen (Initiativantrag 1185/A 25. GP, 1) führen zu dieser Regelung aus:

„Die derzeitige Regelung betreffend die Anstößigkeit oder Lächerlichkeit eines Wunschkennzeichens bezieht sich lediglich auf die Buchstabenkombination und nicht auch auf die Behördenbezeichnung bzw. die Ziffern. Aktuelle Fälle zeigen, dass es in Verbindung mit der Behördenbezeichnung mit der gewählten Buchstabenkombination anstößige oder lächerliche Kennzeichen geben kann. Weiters gibt es Ziffern-kombinationen, die in rechtsextremen Kreisen als Codes verwendet werden. Daher wird die Regelung erweitert und soll auch Kombinationen aus gewählter Buchstabenkombination und Behördenbezeichnung sowie Kombinationen aus Buchstaben- und Ziffern umfassen.“

In dem im angefochtenen Bescheid auch zitierten sowie auch im Verwaltungsakt erliegenden Erlass des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie vom 23.06.2015, GZ. BMVIT-179.493/0011-IV/ST4/2015, betreffend „anstößige oder lächerliche Wunschkennzeichen“ wurde auszugsweise wie folgt ausgeführt:

„3. Jedenfalls anstößige bzw. lächerliche Kombinationen:

Die in diesem Punkt genannten Kombinationen sind jedenfalls anstößig iSd § 48a Abs. 2 lit. d KFG. Es handelt sich um keine abschließende Aufzählung. Für alle genannten Kombinationen gilt, dass sie auch dann anstößig sind, wenn sie sich erst unter Einbeziehung der Behördenbezeichnung ergeben.

[…]

3.3. Weiters auch die folgenden Buchstaben – bzw. Ziffernkombinationen, die in rechtsextremen Kreisen als Codes verwendet werden (Liste lt. Mauthausen Komitee):

[In der folgenden Liste findet sich u.a. der Ausdruck „‚88‘ (Heil Hitler)‘“

Dazu ist zunächst festzuhalten, dass einem Erlass – als eine generelle Weisung an untergeordnete Behörden – Rechtsnormqualität nicht zukommt; ein derartiger Erlass gehört somit nicht zu den vom Verwaltungsgericht bei der Beurteilung des ihm vorliegenden Falles anzuwendenden Rechtsnormen (zB VwGH vom 27.09.2018, Ro 2018/10/0031, VwGH 04.04.2019, Ra 2017/11/0302). Der von der belangten Behörde bei der Beurteilung des vorliegenden Falles offenkundig berücksichtigte Erlass des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie vom 23.07.2015, GZ: BMVIT-179.493/0011-IV/ST4/2015, ist daher für das erkennende Gericht nicht als Rechtsnorm anzuwenden.

Die isolierte Betrachtung der Ziffernkombination „88“ – diese wird offensichtlich irrtümlich von der Bezirkshauptmannschaft *** als „Buchstabenkombination“ bezeichnet – rechtfertigt schon nach dem eindeutigen Wortlaut des § 48a Abs. 2 lit. d KFG nicht eine Abweisung des Antrags. Es sind nämlich ex lege Buchstabenkombinationen bzw. Buchstaben-Ziffernkombinationen, somit Kombinationen aus Buchstaben und Ziffern (jeweils in Verbindung mit der Behördenbezeichnung), auf ihre Anstößigkeit bzw. Lächerlichkeit hin zu überprüfen, nicht Ziffernkombinationen alleine.

Es ist zudem auch in keinster Weise erkennbar, dass das beantragte Wunschkennzeichen, von einem Durchschnittsbetrachter – auf den nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichtes abzustellen ist – als „lächerlich“ oder „anstößig“ wahrgenommen werden könnte (vgl. eine ähnlich gelagerte Fallkonstellation betreffend LVwG Vorarlberg vom 04.11.2016, LVwG-418-1/2016-R8).

Im Gegenteil wurde vom Beschwerdeführer glaubhaft dargelegt und ergibt sich dies auch aus dem festgestellten Sachverhalt, dass der einzige Hintergrund der Ziffernkombination seines Wunschkennzeichens, welches er auch aufgrund der Erstzulassung im Jahre 2004 schon seit 15 Jahren verwendete, sein Geburtsjahr darstellt – dies in Verbindung mit der voranstehenden Buchstabenkombination in Form der Initialen seines Namens. Es liegen keinerlei Anhaltspunkte vor, dass der Beschwerdeführer mit dem neuerlichen Antrag einen anstößigen oder lächerlichen Zweck verfolgen wollte. Es bedarf hier nach Ansicht des erkennenden Gerichtes auch tatsächlich einer sehr weitgehenden Interpretation, dieses Wunschkennzeichen mit Lächerlichkeit oder – wie von der belangten Behörde begründet – Anstößigkeit in Verbindung zu bringen.

Es ist daher spruchgemäß zu entscheiden.

Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt unstrittig ist und bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben war. Im Übrigen wurde auch von keiner der Parteien eine öffentliche mündliche Verhandlung beantragt (vgl. VwGH vom 27.03.2019, Ra 2019/10/0020).

8.   Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Es liegt vor allem eine eindeutige Gesetzeslage vor und weist die Entscheidung, ob ein beantragtes Wunschkennzeichen „anstößig“ oder „lächerlich“ ist, keine über den zu entscheidenden Einzelfall hinausgehende Bedeutung auf.

Schlagworte

Verkehrsrecht; Kraftfahrrecht; Wunschkennzeichen; Anstößigkeit; Ziffernkombination;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2020:LVwG.AV.802.001.2020

Zuletzt aktualisiert am

01.09.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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