TE Vwgh Beschluss 1997/12/18 97/16/0221

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Veröffentlicht am 18.12.1997
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Index

E1E;
E3L E09301000;
E3L E09302000;
E6J;
L37014 Getränkeabgabe Speiseeissteuer Oberösterreich;
L37019 Getränkeabgabe Speiseeissteuer Wien;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
30/01 Finanzverfassung;
30/02 Finanzausgleich;
32/04 Steuern vom Umsatz;
59/04 EU - EWR;

Norm

11992E092 EGV Art92 Abs1;
11992E095 EGV Art95;
11992E177 EGV Art177;
11997E087 EG Art87 impl;
11997E234 EG Art234 impl;
31977L0388 Umsatzsteuer-RL 06te Art33 Abs1;
31992L0012 Verbrauchsteuer-RL Art3 Abs2;
31992L0012 Verbrauchsteuer-RL Art3 Abs3;
31992L0108 System-RL ;
61978CJ0120 Cassis de Dijon VORAB;
61981CJ0064 Corman VORAB;
61981CJ0283 CILFIT und Lanificio di Gavardo VORAB;
61982CJ0327 Ekro VORAB;
61984CJ0295 Rousseau Wilmot VORAB;
61985CJ0073 Kerrutt VORAB;
61985CJ0391 Kommission / Belgien ;
61986CJ0252 Gabriel Bergandi VORAB;
61986CJ0317 Lambert VORAB;
61988CJ0093 Wisselink VORAB;
61990CJ0109 Giant VORAB;
61990CJ0200 Dansk Denkavit und Poulsen Trading VORAB;
61990CJ0347 Aldo Bozzi VORAB;
61991CJ0208 Raymond Beaulande VORAB;
61994CJ0231 Faaborg-Gelting Linien A/S VORAB;
FAG 1993 §14 Abs1 Z8 idF 1995/853;
FAG 1993 §14 Abs2;
FAG 1993 §15 Abs3 Z2;
FAG 1993 §15 Abs4 idF 1993/959 ;
FAG 1993 §15 Abs4 idF 1995/853;
F-VG 1948 §3 Abs1;
F-VG 1948 §6 Abs1 Z5;
GdGetränkesteuerG OÖ §1 idF 1992/028;
GdGetränkesteuerG OÖ §2 idF 1992/028;
GdGetränkesteuerG OÖ §4 Abs1 idF 1992/028;
GdGetränkesteuerGNov OÖ 1992;
GetränkesteuerG Wr 1992 §1;
GetränkesteuerG Wr 1992 §2;
GetränkesteuerV Wr 1992 §1 idF ABl Wr 1992/044;
GetränkesteuerV Wr 1992 §2;
GetränkesteuerV Wr 1992 §3 idF ABl Wr 1992/044;
GetränkesteuerV Wr 1992 §3 idF ABl Wr 1994/050;
GetränkesteuerVNov Wr 1992;
GetränkesteuerVNov Wr 1994;
UStG 1994 §10 Abs3 Z1;
VwGG §38a;

Beachte

Vorabentscheidungsverfahren:* EU-Register: EU 97/0170 * EuGH-Zahl: C-437/97 Evangelischer Krankenhausverein Wien und Ikera * Weiterer Vorabentscheidungsantrag des VwGH: 98/16/0166 B 26. November 1998 * Ausgesetzte Beschwerde gemäß §38 AVG iVm §62 VwGG:99/16/0394 B 16. Dezember 1999 99/16/0480 B 17. Februar 2000 99/16/0055 B 31. März 1999 99/16/0093 B 30. April 1999 99/16/0163 B 5. Juli 1999 99/16/0202 B 1. September 1999 99/16/0274 B 1. September 1999 99/16/0284 B 25. November 1999 99/16/0295 B 25. November 1999 99/16/0336 B 14. Oktober 1999 99/16/0279 B 1. September 1999 99/16/0388 B 25. November 1999 98/16/0382 B 30. April 1999 97/16/0175 B 18. Dezember 1997 98/16/0147 B 30. April 1999 * EuGH-Entscheidung:EuGH 61997CJ0437 9. März 2000 * Enderledigung des gegenständlichen Ausgangsverfahrens im fortgesetzten Verfahren: 2000/16/0116 E 30. März 2000 . 2000/16/0117 (= führende Vorzahl 97/16/0221 des Ausgangsverfahrens) kein eigenes Dokument in Evidenz und RIS, sondern Miterledigung. Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):97/16/0021 Besprechung in:ÖStZ 21/1998, S 563-566 ; ÖGZ 4/1998, S 10-15; ÖGZ 9/1998, S 42-43;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. DDDr. Jahn, in den Beschwerdesachen

1. des Evangelischen Krankenhausvereines Wien, vertreten durch Dr. Paul Appiano, Dr. Paul Georg Appiano und Dr. Bernhard Kramer, Rechtsanwälte in Wien I, Bösendorferstraße 7, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission Wien vom 15. April 1997, Zl. MD-VfR-E 4/97 (hg. Verfahren Zl. 97/16/0221), und 2. der Ikera WarenhandelsgmbH in Wien, vertreten durch Dorda, Brugger und Jordis, Rechtsanwälte Partnerschaft in Wien I, Dr. Karl Lueger Ring 12, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 12. Dezember 1996, Zl. Gem-521104/2-1996-SL, je betreffend Getränkesteuer, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften werden folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1) Steht Art. 33 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: Einheitliche steuerliche Bemessungsgrundlage (77/388/EWG) der Beibehaltung einer Abgabe entgegen, die auf die entgeltliche Lieferung von Speiseeis einschließlich darin verarbeiteter Früchte oder dazu verabreichter Früchte und von Getränken, jeweils einschließlich der mitverkauften Umschließungen und des mitverkauften Zubehörs erhoben wird, und zwar im Ausmaß von 10 v.H. des Entgelts bei Speiseeis und alkoholhältigen Getränken und von 5 v.H. des Entgelts bei alkoholfreien Getränken, wobei das Entgelt im Sinne der einschlägigen Bestimmungen des Umsatzsteuerrechtes zu bemessen ist, die Umsatzsteuer, das Bedienungsgeld und die Getränkesteuer aber nicht zum Entgelt gehören?

2) Steht Art. 3 Abs. 2 bzw. Abs. 3, zweiter Satz der Richtlinie des Rates vom 25. Februar 1992, 92/12/EWG (Verbrauchsteuerrichtlinie) der Beibehaltung einer Abgabe entgegen, wie sie oben in Punkt 1) beschrieben ist?

3) Steht Art. 92 Absatz 1 EGV einer Ausnahmebestimmung entgegen, wonach der Ab-Hof-Verkauf von Wein von der Getränkesteuer befreit ist?

Begründung

1) Sachverhalt:

a) Erstbeschwerdeführer: Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde die Berufung des beschwerdeführenden Vereins (im folgenden kurz: Erstbeschwerdeführer) gegen den erstinstanzlichen Getränkesteuerbescheid vom 6. Dezember 1996 abgewiesen, womit ihm betreffend Umsätze in einer in einem Krankenhaus betriebenen Cafeteria (davon rund 20 % alkolholische Getränke) unter anderem für die Zeit von Jänner 1992 bis Oktober 1996 (und somit auch für Zeiträume, die nach dem Beitritt Österreichs zu den Europäischen Gemeinschaften liegen) gemäß §§ 1, 3 und 4 der Wiener Getränkesteuerverordnung Getränkesteuer in der Höhe von S 309.995,-- vorgeschrieben worden war.

In der dagegen erhobenen Verwaltungsgerichtshofbeschwerde erachtet sich der Erstbeschwerdeführer unter anderem dadurch in seinen subjektiven öffentlichen Rechten verletzt, daß dem "EU-Gemeinschaftsrecht widersprechende Rechtsvorschriften zur Anwendung gebracht wurden". Dies wird damit begründet, daß die Getränkesteuer den Charakter einer Umsatzsteuer habe und damit gegen Art. 33 Abs. 1 der RL 77/388/EWG verstoße. Dazu komme, daß die Getränkesteuer keine Steuer mit besonderer Zielsetzung darstelle und überdies auf Dienstleistungen erhoben werde, sodaß auch ein Konflikt mit Art. 3 der RL 92/12/EWG bestehe. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und verneinte in ihrer Gegenschrift den vom Erstbeschwerdeführer behaupteten Konflikt. Im Kern ihrer Argumentation steht sie auf dem Standpunkt, daß die Getränkesteuer zwar Ähnlichkeiten mit der Umsatzsteuer aufweise, daß ihr aber einige wesentliche Merkmale einer solchen fehlten. Dazu komme, daß die Getränkesteuer besondere Zielsetzungen verfolge (nämlich die Verstärkung der Einnahmenautonomie der lokalen Gebietskörperschaften, die Entlastung der Intensität der Inanspruchnahme einer Gemeinde durch den Fremdenverkehr und die Förderung des Umsatzes nichtalkoholischer Getränke im Wege einer höheren Besteuerung alkoholischer Getränke). Dienstleistungen würden mit der Getränkesteuer nicht besteuert; eine Dienstleistungskomponente sei allenfalls nur für betriebswirtschaftliche Analysen von Interesse. Für die steuerliche Anknüpfung sei sie hingegen bedeutungslos.

b) Zweitbeschwerdeführerin:

Die Zweitbeschwerdeführerin ist eine Weinhandelsgesellschaft; sie verkauft an Letztverbraucher in- und ausländische Weine. Bezüglich ihrer Betriebsstätte in A-4060 Leonding wurde ihr für den Zeitraum vom 1. Dezember 1994 bis 31. März 1995 S 417.628.- Getränkesteuer (davon S 369.- für nichtalkoholische Getränke) von den Gemeindebehörden vorgeschrieben. Die belangte Behörde (als Aufsichtsbehörde der Gemeinden des Bundeslandes Oberösterreich) gab mit dem angefochtenen Bescheid einem dagegen von der Beschwerdeführerin erhobenen Rechtsmittel keine Folge. In der dagegen erhobenen Verwaltungsgerichtshofbeschwerde erachtet sich die Zweitbeschwerdeführerin in ihrem subjektiv-öffentlichen Recht auf Rückerstattung der zu Unrecht eingehobenen Getränkeabgabe verletzt. Die Getränkesteuer sei eine umsatzsteuerähnliche Abgabe, weshalb sie gegen Art. 33 der Sechsten Mehrwertsteuer-Richtlinie verstoße. Von der Getränkesteuer werde eine besonders große Produktpalette erfaßt; sie werde vom Entgelt berechnet, sei also proportional zum Preis; sie folge zwar nicht einem Vorsteuerabzugsystem, stelle jedoch sicher, daß sämtliche Zwischenumsätze, d.h. auch alle hieraus resultierenden Handesspannen und Mehrwerte im Sinne einer Mehrwertsteuer indirekt besteuert werden; die Bemessungsgrundlage sei mit derjenigen der Umsatzsteuer grundsätzlich ident.

Weiters verstoße die Getränkesteuer gegen Art. 3 der Richtlinie 92/12/EWG, weil hinter den in Österreich geltenden Getränkesteuerregeln keine besondere Zielsetzung liege. Gegen Abs. 3 des Art. 3 jener Richtlinie werde verstoßen, weil die Getränkesteuer direkt proportional zum Entgelt erhoben werde und daher unmittelbar mit dem Umsatz verbunden sei.

Schließlich verstoße die Getränkesteuer gegen Art. 95 EGV, weil die Befreiung des Ab-Hof-Verkaufes ausschließlich österreichischen Betrieben zugute komme.

Die belangte Behörde verneinte in ihrer Gegenschrift den von der Zweitbeschwerdeführerin behaupteten Konflikt. Die Getränkesteuer entspreche nicht den Merkmalen einer Mehrwertsteuer, weil sie nur von speziellen Umsätzen erhoben werde und nur auf einer Vertriebsstufe anfalle. Die Frage der Vereinbarkeit österreichischer Landes(Gemeinde-)abgaben mit Art. 33 der Sechsten Mehrwertsteuer-Richtlinie sei auch schon an die Europäische Kommission herangetragen worden und habe die Kommission es abgelehnt, ein Vertragsverstoßverfahren nach Art. 169 EGV zu eröffnen.

Hinsichtlich Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 92/12/EWG wurde vorgebracht, daß die besondere Zielsetzung der Getränkesteuer in der Verstärkung der Einnahmenautonomie der lokalen Gebietskörperschaften bestehe. Weiters bestehe eine enge Verknüpfung mit der Intensität der Inanspruchnahme einer Gemeinde durch den Fremdenverkehr. Der Fremdenverkehr erfordere von der Gemeinde den Einsatz beachtlicher Finanzmittel zur Bereitstellung, Erhaltung und zum Betrieb speziell touristischer Infrastruktur. Zum Widerspruch zu Art. 95 EGV wurde vorgebracht, daß die Steuerbefreiung für den Direktverkauf von Wein durch landwirtschaftliche Betriebe eine Gleichstellung mit anderen landwirtschaftlichen Betrieben in der EU bewirke.

2) Die maßgeblichen Bestimmungen des Gemeinschaftsrechtes lauten:

a) Art. 33 Abs. 1 der RL 77/388/EWG:

"(1) Unbeschadet anderer Gemeinschaftsbestimmungen, insbesondere der geltenden Gemeinschaftsbestimmungen über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle von verbrauchsteuerpflichtigen Waren, hindern die Bestimmungen dieser Richtlinie einen Mitgliedstaat nicht daran, Abgaben auf Versicherungsverträge, Abgaben auf Spiele und Wetten, Verbrauchsteuern, Grunderwerbsteuern sowie ganz allgemein alle Steuern, Abgaben und Gebühren, die nicht den Charakter von Umsatzsteuern haben, beizubehalten oder einzuführen, sofern diese Steuern, Abgaben und Gebühren im Verkehr zwischen den Mitgliedstaaten nicht mit Formalitäten beim Grenzübergang verbunden sind."

b) Art. 3 der RL 92/12/EWG:

"(1) Diese Richtlinie findet auf Gemeinschaftsebene Anwendung auf die folgenden in den einschlägigen Richtlinien definierten Waren:

-

Mineralöle,

-

Alkohol und alkoholische Getränke,

-

Tabakwaren.

(2) Auf die in Abs. 1 genannten Waren können andere indirekte Steuern mit besonderer Zielsetzung erhoben werden, sofern diese Steuern die Besteuerungsgrundsätze der Verbrauchsteuern oder der Mehrwertsteuer in bezug auf die Besteuerungsgrundlage sowie die Berechnung, die Steuerentstehung und die steuerliche Überwachung beachten.

(3) Die Mitgliedstaaten können Steuern auf andere als die in Abs. 1 genannten Waren einführen oder beibehalten, sofern diese Steuern im Handelsverkehr zwischen Mitgliedstaaten keine mit dem Grenzübertritt verbundene Formalitäten nach sich ziehen. Unter der gleichen Voraussetzung ist es den Mitgliedstaaten ebenfalls weiterhin freigestellt, Steuern auf Dienstleistungen, auch im Zusammenhang mit verbrauchsteuerpflichtigen Waren, zu erheben, sofern es sich nicht um umsatzbezogene Steuern handelt."

3) Die für den Beschwerdefall einschlägigen Vorschriften des österreichischen Rechtes lauten:

a) Bundesrecht

Gemäß § 6 Abs. 1 Z. 5 F-VG sind ausschließliche Gemeindeabgaben vorgesehen, deren Ertrag ganz den Gemeinden zufließt. Die Verteilung der Besteuerungsrechte und Abgabenerträge zwischen dem Bund und den Ländern (Gemeinden) regelt gemäß Art. 3 Abs. 1 F-VG die Bundesgesetzgebung. Dies geschieht im Wege der Finanzausgleichgesetzgebung (vgl. Mayer, B-VG Kurzkommentar2 439, Vorbem zu § 3 F-VG).

Gemäß § 14 Abs. 1 Z. 8 in Verbindung mit Abs. 2 FAG 1993, BGBl. Nr. 30 idF BGBl. 853/1995 sind ausschließliche Gemeindeabgaben die "Abgaben auf die entgeltliche Lieferung von Speiseeis einschließlich darin verarbeiteter oder dazu verabreichter Früchte und von Getränken, jeweils einschließlich der mitverkauften Umschließung und des mitverkauften Zubehörs, soweit die Lieferung nicht für Zwecke des Wiederverkaufs im Rahmen einer nachhaltigen Tätigkeit erfolgt. Ausgenommen von der Besteuerung sind Lieferungen im Sinne des § 10 Abs. 3 Z. 1 des Umsatzsteuergesetzes 1994, BGBl. Nr. 663, "- Wein -", wenn die Verschaffung der Verfügungsmacht am Ort der Produktion erfolgt und wenn keine Beförderung und keine Versendung vorliegt sowie Lieferungen von Milch."

§ 15 Abs. 3 Z. 2 FAG 1993, BGBl. Nr. 30 lautet:

"(3) Die Gemeinden werden ferner ermächtigt, durch Beschluß der Gemeindevertretung folgende Abgaben vorbehaltlich weitergehender Ermächtigung durch die Landesgesetzgebung auszuschreiben:

...

2. die gemäß § 14 Abs. 1 Z. 8 bezeichneten Abgaben im Ausmaß von 10 v. H. des Entgelts bei Speiseeis und alkoholhältigen Getränken und von 5 v.H. des Entgelts bei alkoholfreien Getränken; ausgenommen sind Lieferungen zur unmittelbaren Konsumation in Verkehrsmitteln an die Fahrgäste oder an das Personal, soweit nicht die vom Verkehrsmittel zurückgelegte Strecke überwiegend in derselben Gemeinde liegt. Alkoholfreie Getränke sind Getränke mit einem Alkoholgehalt in Volumenteilen von 0,5 v.H. Vol. oder weniger;" § 15 Abs. 4 FAG 1993 idF BGBl. 959/1993 und 853/1995 lautet:

"Das Entgelt im Sinne des Abs. 3 Z. 2 ist nach § 4 Abs. 1 und Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes 1994 zu bemessen. Nicht zum Entgelt gehören die Umsatzsteuer, das Bedienungsgeld und die Getränkesteuer."

(Die für den Abgabenzeitraum bis 31. Dezember 1995

relevante Fassung BGBl. Nr. 959/1993 enthielt einen entsprechenden Verweis auf § 4 Abs. 1 und 2 des Umsatzsteuergesetzes 1972).

b) Wiener Landesrecht

Mit 1. Jänner 1992 ist für Wien das Gesetz über die Besteuerung von Speiseeis und Getränken im Gebiete der Stadt Wien (Wiener Getränkesteuergesetz 1992) LGBl. 3/1992 in Kraft getreten, dessen §§ 1 und 2 wie folgt lauten:

"§ 1. Wenn die Gemeinde eine Abgabe auf die entgeltliche Lieferung von Speiseeis einschließlich darin verarbeiteter und dazu verabreichter Früchte und von Getränken einschließlich der mitverkauften Umschließung und des mitverkauften Zubehörs ausschreibt, so gelten für diese Abgabe (kurz Getränkesteuer bezeichnet) die Bestimmungen dieses Gesetzes.

§ 2. Der Steuerpflichtige hat über die Lieferungen von Speiseeis und Getränken täglich Aufzeichnungen zu führen, aus denen die Lieferungen einzeln nach Art, Menge und Verkaufspreis ersichtlich sind."

Die auf § 15 Abs. 3 Z. 2 FAG 1993 beruhende Wiener Getränkesteuerverordnung 1992, Amtsblatt 6/1992 idF der Novellen Amtsblatt 44/1992 und 50/1994 lautet auszugsweise wie folgt:

"§ 1. (1) Die entgeltliche Lieferung von Speiseeis einschließlich darin verarbeiteter oder dazu verabreichter Früchte und von Getränken, jeweils einschließlich der mitverkauften Umschließung und des mitverkauften Zubehörs, unterliegt in Wien einer Steuer nach Maßgabe dieser Verordnung (Getränkesteuer), soweit die Lieferung nicht für Zwecke des Wiederverkaufs im Rahmen einer nachhaltigen Tätigkeit erfolgt. Ausgenommen von der Besteuerung sind Lieferungen im Sinne des § 10 Abs. 2 Z. 4 des Umsatzsteuergesetzes 1972, BGBl. Nr. 223, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 660/1989, wenn die Verschaffung der Verfügungsmacht am Ort der Produktion erfolgt und wenn keine Beförderung und keine Versendung vorliegt, sowie Lieferungen von Milch und Lieferungen zur unmittelbaren Konsumation in Verkehrsmitteln an die Fahrgäste oder das Personal, soweit nicht die vom Verkehrsmittel zurückgelegte Strecke überwiegend in Wien liegt.

(2) Lieferungen sind Leistungen, durch die ein Unternehmer den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen. Die Verfügungsmacht über den Gegenstand kann von dem Unternehmen selbst oder in dessen Auftrag durch einen Dritten verschafft werden.

(3) Eine Lieferung wird dort ausgeführt, wo sich der Gegenstand zur Zeit der Verschaffung der Verfügungsmacht befindet.

(4) Wird der Gegenstand einer Lieferung an den Abnehmer oder in dessen Auftrag an einen Dritten befördert oder versendet, so gilt die Lieferung mit dem Beginn der Beförderung oder mit der Übergabe des Gegenstandes an den Spediteur, Frachtführer oder Verfrachter als ausgeführt. Versenden liegt vor, wenn der Unternehmer einen Gegenstand durch einen Frachtführer oder Verfrachter zu einem Dritten befördern oder eine solche Beförderung durch einen Spediteur besorgen läßt.

(5) Getränke sind zum Trinken bestimmte Flüssigkeiten einschießlich flüssiger Grundstoffe zur Herstellung solcher Flüssigkeiten.

§ 2. (1) Soweit die Lieferung in Krankenhäusern und Kliniken im Rahmen der allgemeinen Verpflegung oder auf Grund ärztlicher Verordnung an die Patienten erfolgt, ist sie von der Steuer befreit.

(2) Befreit ist auch die Lieferung von alkoholfreien Getränken in Schulen, soweit die Getränke mit Genehmigung der Schulverwaltung an Schulkinder abgegeben werden.

(3) Auf Antrag sind Körperschaften und Personenvereinigungen, die nach ihrer Verfassung oder tatsächlichen Geschäftsführung mildtätigen Zwecken dienen, für Lieferungen von Getränken, die sie in Ausübung ihrer mildtätigen Zwecke an Bedürftige zu billigen Preisen ausführen, von der Steuer zu befreien. Mildtätig sind solche Zwecke, die ausschließlich und unmittelbar darauf gerichtet sind, bedürftige Personen zu unterstützen.

§ 3. (1) Die Steuer beträgt 10vH des Entgeltes bei Speiseeis und alkoholhältigen Getränken und 5 vH des Entgeltes bei alkoholfreien Getränken. Alkoholfreie Getränke sind Getränke mit einem Alkoholgehalt in Volumenteilen von 0,5 vH Vol. oder weniger.

(2) Was zum Entgelt gehört, ist nach § 4 Abs. 1 und 2 Umsatzsteuergesetz 1972 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 620/1981 zu beurteilen. Es umfaßt daher insbesondere auch den Wert üblicher Beigaben, mitverkaufter Gefäße sowie bei Eisspezialitäten und bei Getränken, in denen Früchte enthalten sind, den Wert der Früchte unabhängig von deren mengen- und wertmäßigem Verhältnis zum Speiseeis oder Getränk.

(3) Nicht zum Entgelt gehören die Umsatzsteuer, das Bedienungsgeld und die Getränkesteuer."

c) OÖ Landesrecht

Die hier interessierenden Bestimmungen des Oberösterreichischen Gemeinde-Getränkesteuergesetzes, LGBl. Nr. 15/1950, in der Fassung LGBl. Nr. 28/1992 lauten:

"§ 1

Abgabenverpflichtung

(1) Die Gemeinden sind verpflichtet, auf die entgeltliche Lieferung von Speiseeis einschließlich darin verarbeiteter oder dazu verabreichter Früchte und von Getränken mit Ausnahme von Milch einschließlich der mitverkauften Umschließung und des mitverkauften Zubehörs eine Steuer (Gemeinde-Getränkesteuer) nach den Bestimmungen dieses Landesgesetzes einzuheben, soweit die Lieferung nicht für Zwecke des Wiederverkaufs im Rahmen einer nachhaltigen Tätigkeit erfolgt.

(2) Ausgenommen von der Besteuerung (Abs. 1) sind Lieferungen im Sinne des § 10 Abs. 2 Z. 4 des Umsatzsteuergesetzes 1972, BGBl. Nr. 223/1972, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 660/1989, wenn die Verschaffung der Verfügungsmacht am Ort der Produktion erfolgt und wenn keine Beförderung oder Versendung vorliegt, sowie Lieferungen zur unmittelbaren Konsumation in Verkehrsmitteln an die Fahrgäste oder das Personal, soweit nicht die vom Verkehrsmittel zurückgelegte Strecke überwiegend in derselben Gemeinde liegt.

(3) Für die entgeltliche Lieferung im Sinne dieses Landesgesetzes gilt § 3 Abs. 1, 7 und 8 des Umsatzsteuergesetzes 1972, BGBl. Nr. 223, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 660/1989.

Gegenstand der Steuer

§ 2

(1) Unter Getränke im Sinne dieses Gesetzes sind zum Genuß bzw. Trinken bestimmte Flüssigkeiten - mit Ausnahme von Milch - einschließlich flüssiger Grundstoffe zur Herstellung solcher Flüssigkeiten zu verstehen.

(2) Insbesondere unterliegt der Gemeinde-Getränkesteuer die entgeltliche Lieferung von Bier, Wein, weinähnlichen und weinhaltigen Getränken, Schaumwein, schaumweinähnlichen Getränken, Most, Trinkbranntwein, Mineralwasser (in beschränktem Umfange, Ausnahme § 2, Abs. 3), künstlich bereiteten Getränken, sowie von Kakao, Kaffee und Tee in trinkfertigem Zustande, weiters von anderen Auszügen aus pflanzlichen Stoffen (Extrakten, Fruchtsäften) und von Eiskaffee und Eisschokolade

a) in Gast- und Schankwirtschaften, Kaffeehäusern, Konditoreien, Weinlokalen, Delikatessen- und Gemischtwarenhandlungen und sonstigen Stätten, wo derartige Getränke zum Verzehr an Ort und Stelle oder über die Gasse abgegeben werden und

b) in sonstigen Handelsgeschäften, in denen die Lieferung erfolgt.

(3) Minderalwässer (Heilwässer), welche ausschließlich Heilzwecken dienen und auf Grund ärztlicher Anordnung abgegeben werden, gelten nicht als Getränke im Sinne der Bestimmungen des § 2, Abs. (1) und (2).

(4) Die Freilassung einzelner Getränke von der Steuer ist unzulässig.

...

Ausmaß und Berechnung der Steuer

§ 4

(1) Die Gemeinde-Getränkesteuer beträgt 10 % des Entgelts bei Speiseeis und alkoholhältigen Getränken sowie 5 % des Entgelts bei alkoholfreien Getränken. Alkoholfreie Getränke sind Getränke mit einem Alkoholgehalt in Volumenteilen von 0,5 Vol.% oder weniger. Das Entgelt ist nach § 4 Abs. 1 und 2 des Umsatzsteuergesetzes 1972, BGBl. Nr. 223, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 660/1989, zu bemessen. Zum Entgelt gehört nicht die Umstazsteuer, die Abgabe von alkoholischen Getränken, das Bedienungsgeld und die Gemeinde-Getränkesteuer.

..."

4) Voraussetzungen der Vorlage:

Dem Verwaltungsgerichtshof ist im Rahmen der Sicherung der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art. 129 B-VG) auch die Sicherung der Konformität der österreichischen Verwaltung mit dem Gemeinschaftsrecht übertragen (vgl. Jabloner, Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts und Verwaltungsgerichtsbarkeit, ÖJZ 1995, 922). Gemeinschaftsrecht, welchem unmittelbare Anwendbarkeit und Geltung zukommt, ist insofern "Gesetz" im Sinne der "Gesetzmäßigkeit" nach Art. 129 B-VG (vgl. Öhlinger, Unmittelbare Geltung und Vorrang des Gemeinschaftsrechts und die Auswirkungen auf das verfassungsrechtliche Rechtsschutzsystem in FS Rill, Wien 1995, 377).

Der Verwaltungsgerichtshof ist ein Gericht im Sinne des Art. 177 Abs. 3 EGV, also ein einzelstaatliches Gericht, dessen Entscheidungen selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können.

Wie der EuGH im Urteil vom 6. Oktober 1982 in der Rechtssache 283/81, C.I.L.F.I.T., Slg. 1982, 3415 ff, ausgesprochen hat, hat ein Gericht im Sinne des Art. 177 Abs. 3 EGV, wenn sich in einem bei ihm anhängigen Verfahren eine Frage der Auslegung von Gemeinschaftsrecht stellt, diese dem EuGH vorzulegen, es sei denn, das Gericht hat festgestellt, "daß die gestellte Frage nicht entscheidungserheblich ist, daß die betreffende gemeinschaftsrechtliche Bestimmung bereits Gegenstand einer Auslegung durch den Gerichtshof war oder daß die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechtes derart offenkundig ist, daß für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt". Der EuGH führt zum Fehlen vernünftiger Zweifel aus, das innerstaatliche Gericht dürfe nur dann davon ausgehen, daß ein solcher Fall für das Gericht vorliege, "wenn es überzeugt ist, daß auch für die Gerichte der übrigen Mitgliedstaaten und den Gerichtshof die gleiche Gewißheit bestünde". Eine derartige Gewißheit besteht für den Verwaltungsgerichtshof nicht (s. dazu unten).

5) Erläuterungen zu den Vorlagefragen:

a) Zu Art. 33 Abs. 1 der RL 77/388/EWG:

In der bisherigen Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften wurde unter anderem die Auffassung vertreten, daß eine Steuer nicht im Konflikt mit Art. 33 Abs. 1 der RL 77/388/EWG steht, wenn es sich nicht um eine allgemeine Steuer handelt und sie nicht auf allen Stufen des Produktions- und Verteilungsprozesses erhoben wird, wenn ferner der Mehrwert unberücksichtigt bleibt und wenn kein Vorsteuerabzug besteht (vgl. dazu insbesondere die Urteile vom 27. November 1985 in der Rechtssache 295/84 (Rousseau Wilmot, Slg. 1985, 3759); vom 8. Juli 1986 in der Rechtssache 73/85 (Kerrutt, Slg. 1986, 2219); vom 4. Februar 1988 in der Rechtssache 391/85 (Kommission/Belgien, Slg. 1988, 579); vom 3. März 1988 in der Rechtssache 252/86 (Bergandi, Slg. 1988, 1343); vom 15. März 1989 in den verbundenen Rechtssachen 317/86, 48/87, 49/87, 285/87, 363/87 bis 367/87, 65/88 und 78/88 bis 80/88 (Lambert, Slg. 1989, 787); vom 13. Juli 1989 in den verbundenen Rechtssachen 93/88 und 94/88 (Wisselink, Slg. 1989, 2671); vom 19. März 1991 in der Rechtssache C-109/90 (Giant, Slg. 1991, I-1385); vom 31. März 1992 in der Rechtssache C-200/90 (Dansk Denkavit, Slg. 1992, I-2217); vom 7. Mai 1992 in der Rechtssache C-347/90 (Bozzi, Slg. 1992, I-2947), und vom 16. Dezember 1992 in der Rechtssache C-208/91 (Raymond Beaulande, Slg. 1992 I-6709 ff)).

Im österreichischen Schrifttum wird zwar ausgeführt, daß die Getränkesteuer der Umsatzsteuer "ähnlich ist" bzw. daß der Getränkebesteuerung ein "der Umsatzsteuer nachgebildetes verkehrsteuerartiges Konzept" zugrundeliege (vgl. z.B. Doralt/Ruppe, Grundriß des österreichischen Steuerrechts II3 49 bzw. 152) bzw. daß die Getränkesteuer eine der Umsatzsteuer vergleichbare Belastungskonzeption aufweise (vgl. Ruppe, UStG 1994-Kommentar, Einf Rz 92). Jedoch wird die Meinung vertreten, daß die Gemeinde-Getränkesteuer - weil örtlich radizierbar und nur auf bestimmte Getränke angewandt - keine allgemeine Steuer sei, nicht die Wertschöpfung belaste und ohne einen Vorsteuerabzug zu gewähren nur auf einer Stufe erhoben werde (vgl. z.B. Matzinger, Getränkesteuer - nicht EU-widrig, RdW 1997/6, 363 ff; Moritz, Die Vereinbarkeit österreichischer indirekter Steuern mit Art. 33 der

6. MWSt-RL, FJ 1996/12, 271 ff; Novacek, Ist die österreichische Getränkesteuer EG-widrig? ÖStZ 1996/8, 230 ff).

Mit Rücksicht auf die vom Grundkonzept her jedenfalls gegebene Ähnlichkeit der - wenn auch örtlichen - Getränkesteuer mit der Mehrwertsteuer (beide sind Verkehrsteuern, vom Ziel her allerdings Verbrauchsteuern, beide knüpfen an den erzielten Umsatz an, bei beiden ist Bemessungsgrundlage das Entgelt, beide Steuern werden proportional zum Preis bemessen und auf den Endverbraucher überwälzt; vgl. dazu insbesondere Moritz a.a.O. 273), insbesondere aber unter Bedachtnahme auf die sowohl in § 15 Abs. 4 FAG als auch in § 3 Abs. 2 der Wiener Getränkesteuerverordnung beziehungsweise § 4 Abs. 1 des Oö Gemeinde-Getränkesteuergesetzes ausdrücklich vorgenommene Bezugnahme auf den Entgeltsbegriff des Umsatzsteuergesetzes 1972 erscheint dem Verwaltungsgerichtshof die Rechtsfrage keineswegs so eindeutig, daß im Sinne der oben schon zitierten Judikatur des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (Urteil vom 6. Oktober 1982 in der Rechtssache 283/81, C.I.L.F.I.T. Slg. 1982, 3415 ff) ohne vernünftigen Zweifel der vom Beschwerdeführer behauptete Konflikt verneint werden könnte, zumal der Gerichtshof im Urteil vom 31. März 1992 in der Rechtssache C-200/90, Dansk-Denkavit, Slg. 1992, I-2217, ausgesprochen hat, daß Steuern, Abgaben und Gebühren, die die wesentlichen Merkmale der Mehrwertsteuer aufweisen, auch dann als solche der genannten Art anzusehen sind, wenn sie zwar nicht in allen Punkten der Mehrwertsteuer gleichen, jedoch deren wesentliche Merkmale aufweisen.

b) Zu Art. 3 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 2 der RL 92/12/EWG:

Die Harmonisierung der Verbrauchsteuervorschriften der einzelnen Mitgliedstaaten ist eine wesentliche Voraussetzung für die Verwirklichung des Europäischen Binnenmarktes, insbesondere des Grundsatzes des freien Warenverkehrs, auf steuerlichem Gebiet. Grundsätzliche und für alle Verbrauchsteuern gültige Bestimmungen enthält die Richtlinie 92/12/EWG des Rates vom 25. Februar 1992 über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren (ABl. EG Nr. L 76 S 1), geändert durch die Richtlinie 92/108/EWG des Rates vom 14. Dezember 1992 (ABl. EG Nr. L 390 S 124) - die sogenannte Systemrichtlinie. Nach Art. 3 Abs. 3 zweiter Satz dieser Richtlinie ist es unter der gleichen Voraussetzung (keine mit dem Grenzübertritt verbundenen Formalitäten) den Mitgliedstaaten weiterhin freigestellt, Steuern auf Dienstleistungen, auch im Zusammenhang mit verbrauchsteuerpflichtigen Waren, zu erheben, sofern es sich nicht um umsatzbezogene Steuern handelt (richtig übersetzt wohl: "Sofern es sich um Steuern handelt, die nicht den Charakter von Umsatzsteuern haben").

Zu der hier entscheidungserheblichen Frage des Gemeinschaftsrechts, was in diesem Zusammenhang "unter Steuern auf Dienstleistungen, auch im Zusammenhang mit verbrauchsteuerpflichtigen Waren", zu verstehen ist, liegt eine Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften noch nicht vor.

Der EuGH hat allerdings mit seinem Urteil vom 2. Mai 1996 in der Rechtssache C-231/94, Faaborg-Gelting Linien A/S, Slg. 1996/I-2395 ff, ausgesprochen, daß Restaurationsumsätze, die in der Abgabe von Speisen und Getränken zum sofortigen Verzehr bestehen, Dienstleistungen darstellen, weil solche Umsätze durch eine Reihe von Vorgängen gekennzeichnet sind, bei denen die Dienstleistungen bei weitem überwiegen. Dabei wurde unter anderem auf die Gesamtheit der Organisation, die Zurverfügungstellung von Räumen und Nebenräumen (Garderoben u.a.), sowie von Mobiliar und Geschirr hingewiesen und jene Komponente betont, die z.B. darin gelegen ist, daß ein Kellner den Gast berät, die angebotenen Speisen und Getränke erläutert, diese aufträgt und schließlich nach dem Verzehr die Tische wieder abräumt (vgl. a.a.O. I-2411).

Der Verwaltungsgerichtshof hegt in diesem Zusammenhang Zweifel an der Richtigkeit der von der erstbelangten Behörde in ihrer Gegenschrift (ganz offensichtlich im Einklang mit Matzinger a.a.O. 364) vertretenen Auffassung, die Getränkesteuer belaste keine Dienstleistungen. Jedenfalls dann, wenn ein getränkesteuerpflichtiger Tatbestand in einem Restaurationsbetrieb verwirklicht wird, kann die vom zitierten Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften in den Vordergrund gestellte Dienstleistungskomponente nicht geleugnet werden und werden allein dadurch, daß das Bedienungsgeld aus der Steuerbemessungsgrundlage ausgenommen ist, die übrigen Dienstleistungen (insbesondere die Zurverfügungstellung von Räumen, Nebenräumen, Mobiliar und Geschirr) nicht der Besteuerung entzogen. Demnach dürfte das österreichische Getränkesteuersystem unter Zugrundelegung ihres umsatzbezogenen Charakters in Konflikt mit Art. 3 Abs. 3 Satz 2 der Richtlinie 92/12/EWG stehen, jedenfalls was die Verabreichung von Getränken in Restaurationsbetrieben anlangt.

Hinsichtlich der Zweitbeschwerdeführerin könnte dieser Konflikt auch beim Umsatz mit Getränken außerhalb von Restaurationsbetrieben (also insbesondere im Handel) bestehen, wenn man z.B. die Beratung eines Kunden beim Getränkekauf, wie sie ganz allgemein im Detailhandel stattfindet, ebenfalls als Dienstleistung qualifiziert und darüber hinaus die gesamten Personalkosten, die in die Kalkulation des Preises einfließen, der als Entgelt Steuerbemessungsgrundlage ist, als Dienstleistungen ansieht. Auch in der österreichischen Literatur wird die Meinung vertreten, daß die österreichische Getränkesteuer ganz unabhängig von der Ausnahme des Bedienungsgeldes Dienstleistungselemente belastet, die in die Lieferung von Getränken einfließen (vgl. Moritz, Die gemeinschaftsrechtliche Harmonisierung der speziellen Verbrauchsteuern und das österreichische Steuersystem, Überlegungen zu Art. 3 Verbrauchsteuerrichtlinie, ÖStZ 1997/18, 398 und Novacek a. a.O. 232).

Dazu kommt, daß betreffend die österreichische Getränkesteuer auf alkoholische Getränke auch zu klären ist, ob sie im Anwendungsbereich des Art. 3 Abs. 2 der RL 92/12/EWG eine indirekte Steuer "mit besonderer Zielsetzung" ist.

In Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 92/12/EWG werden die verbrauchsteuerpflichtigen Waren definiert. Es sind dies Mineralöle, Alkohol und alkoholische Getränke sowie Tabakwaren. Gemäß dem Art. 3 Abs. 2 dieser Richtlinie können auf die in Abs. 1 genannten Waren andere indirekte Steuern mit besonderer Zielsetzung erhoben werden. Eine grundsätzliche

Definition des Begriffes "indirekte Steuern mit besonderer Zielsetzung" trifft das Gemeinschaftsrecht nicht. Auch eine Rechtsprechung des EuGH zu dieser entscheidungserheblichen Rechtsfrage liegt noch nicht vor.

Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH will die Gemeinschaftsrechtsordnung ihre Begriffe grundsätzlich nicht in Anlehnung an eine oder mehrere nationale Rechtsordnungen definieren, sofern dies nicht ausdrücklich vorgesehen ist (siehe u. a. das Urteil des Gerichtshofes vom 14. Januar 1982 in der Rechtssache 64/81, Corman/Hauptzollamt Gronau, Slg. 1982, 13). Den Begriffen einer Vorschrift des Gemeinschaftsrechts, die für die Erläuterung ihres Sinnes und ihrer Tragweite nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist, ist in der Regel in der gesamten Gemeinschaft eine autonome und einheitliche Auslegung zu geben, die unter Berücksichtigung des Regelungszusammenhangs und der mit der betreffenden Regelung verfolgten Zielsetzung zu ermitteln ist (siehe u.a. das Urteil des Gerichtshofes vom 18. Januar 1984 in der Rechtssache 327/82, Ekro/Produktschap voor Vee en Vlees, Slg. 1984, 107).

In Österreich wird dazu einerseits die Auffassung vertreten, daß man eine solche besondere Zielsetzung im Zweck der Verstärkung der Einnahmenautonomie der Gemeinden sowie im Zweck des Ausgleiches der Intensität der Inanspruchnahme einer Gemeinde durch den Fremdenverkehr (vgl. zu den beiden genannten Zielsetzungen auch Matzinger a.a.O. 364 und Moritz a.a.O. S. 395) sowie (durch den unterschiedlichen Steuersatz auf alkoholische und nichtalkoholische Getränke) in der - gesundheitspolitisch nicht unmaßgeblichen - Förderung des Konsumes nichtalkoholischer Getränke erblicken könnte. Demgegenüber steht die Auffassung, bei der Getränkesteuer unterliege auch der Konsum durch Personen, die in der zur Erhebung der Getränkesteuer berechtigten Gemeinde wohnen (Einheimische), was das Argument zumindest für Gemeinden ohne Fremdenverkehr, wie etwa Industriestädte, entwerte. Selbst in Fremdenverkehrsgemeinden sei es mangels einer entsprechenden Zweckbindung der Getränkesteuer für Fremdenverkehrserfordernisse und den auch in diesen Gemeinden gegebenen anderweitigen Finanzerfordernissen fraglich, ob aufgrund einer teilweisen Verwendung des Getränkesteueraufkommens für die Aufwendungen der Gemeinde im Zusammenhang mit dem Fremdenverkehr die Getränkesteuer als Steuer mit besonderer Zielsetzung gewertet werden könne (Novacek, Getränkesteuer-nicht EU-widrig? RdW 1997, 482).

Der Begriff "indirekte Steuern mit besonderer Zielsetzung" setzt nach Ansicht des vorlegenden Verwaltungsgerichtshofes mehr als die bloße Einnahmenbeschaffung für lokale Gebietskörperschaften voraus. Der von der belangten Behörde ins Treffen geführte Normzweck des Schutzes des Verbrauchers vor möglichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen (Hintanhaltung der spezifischen Gefahren des Alkoholismus) greift bei Getränken mit geringem oder mittlerem Alkoholgehalt, welche in Österreich mit drei Steuern belastet sind, die sich in ihren artbestimmenden Merkmalen (Ausschöpfung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit) sehr nahe kommen, nicht (vgl. das Urteil vom 20. Februar 1979, in der Rechtssache 120/78, Rewe, Slg. 1979, 649). Daher erscheint auch diese Frage nicht so zweifelsfrei, daß dadurch eine Antragstellung auf Vorabentscheidung entbehrlich wäre.

c) Zu Art. 92 Absatz 1 EGV:

Die Befreiung des Weinverkaufes an der Produktionsstätte (Ab-Hof-Verkauf) wird innerstaatlich unter dem Aspekt des Gleichheitssatzes damit gerechtfertigt, daß sich Weinproduzenten im Wettbewerb in einer grundsätzlich anderen Lage befänden als Weinhändler, weil die Produzenten einer Witterungsabhängigkeit sowie Restriktionen infolge knapper Resourcen wie etwa der Beschränkung auf die jeweilige Anbaufläche ausgesetzt sind (siehe das Erkenntnis des österreichischen Verfassungsgerichtshofes vom 27. November 1995, VfSlg. Nr. 14325). Dieser Ab-Hof-Verkauf macht nach den (ungeprüften) Angaben der Beschwerdeführerin einen Marktanteil von 50 % aus.

Zur Frage der Befreiung von der Gemeinde-Getränkesteuer vertritt die Kommission in einer mit Gründen versehenen Stellungnahme (C 57/96), welche im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 14. März 1997, C 82/9, veröffentlicht wurde, die Meinung, daß die Getränkesteuerbefreiung von Verkäufen von Wein ab Hof eine gegen Art. 92 ff EGV verstoßende staatliche Beihilfe sei. Die Befreiung von der Getränkesteuer bedeute nach Ansicht der Kommission den Verzicht auf ansonsten bei dem Handelsgeschäft anfallende Steuereinnahmen. Dieser Verzicht stelle nach Auffassung der Kommission eine Begünstigung der betreffenden Betriebe aus staatlichen Mitteln dar. Er belaste die öffentliche Hand (Gemeinden) durch einen Einkommensverlust und sei deshalb eine "aus staatlichen Mitteln gewährte" Begünstigung. Es handle sich hier um eine selektive Befreiung, die die Begünstigung bestimmter sowohl Unternehmen als auch Produktionszweige bewirke, nämlich sowohl derjenigen Weinerzeuger in Österreich, die zumindest einen Teil ihres Ertrags direkt ab Weingut verkaufen als auch bestimmter Produktionszweige, in diesem Fall von Weinen aus frischen Weintrauben und bestimmten anderen gegorenen Getränken. Die Kommission ist daher aufgrund der ihr vorliegenden Informationen zu dem Ergebnis gekommen, daß die betreffende Beihilfe unter die Definition der staatlichen Beihilfen gemäß Art. 92 Abs. 1 des Vertrages fällt und keine der Bedingungen für eine Ausnahmeregelung gemäß Art. 92 Absätze 2 oder 3 erfüllt. Sie ist ferner der Ansicht, daß die Beihilfe gegen die Bestimmungen der gemeinsamen Marktorganisation für bestimmte im Anhang II des Vertrages aufgeführte Erzeugnisse verstoße. Aus diesen Gründen ist die Kommission der Auffassung, daß diese Maßnahme nicht mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar sei. Die Kommission hat daher gemäß Art. 93 Abs. 2 EGV das Verfahren gegen die Befreiung von der Gemeinde-Getränkesteuer eröffnet.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag sich der Rechtsansicht der Kommission nicht zu verschließen, weshalb auch diesbezüglich eine Vorabentscheidung begehrt wird.

Gemäß Art. 177 EGV waren daher die im Spruch formulierten Fragen dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zur Vorabentscheidung vorzulegen.

6. Weitere Beschwerden:

Zur Information wird mitgeteilt, daß in dem für die Gemeinde-Getränkesteuer zuständigen Senat 16 des Verwaltungsgerichtshofes derzeit zwanzig weitere gleichartige Beschwerden mit Anregungen zur Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens anhängig sind. Diese Beschwerden werden mit den Verwaltungsakten dem EuGH über Aufforderung zur allfälligen Verbindung dieser Rechtssachen übermittelt.

Gerichtsentscheidung

EuGH 61978CJ0120 Cassis de Dijon VORAB;
EuGH 61981CJ0064 Corman VORAB;
EuGH 61981CJ0283 CILFIT und Lanificio di Gavardo VORAB;
EuGH 61982CJ0327 Ekro VORAB;
EuGH 61984CJ0295 Rousseau Wilmot VORAB;
EuGH 61985CJ0073 Kerrutt VORAB;
EuGH 61985CJ0391 Kommission / Belgien;
EuGH 61986CJ0252 Gabriel Bergandi VORAB;
EuGH 61986CJ0317 Lambert VORAB;
EuGH 61988CJ0093 Wisselink VORAB;
EuGH 61990CJ0109 Giant VORAB;
EuGH 61990CJ0200 Dansk Denkavit und Poulsen Trading VORAB;
EuGH 61990CJ0347 Aldo Bozzi VORAB;
EuGH 61991CJ0208 Raymond Beaulande VORAB;
EuGH 61994CJ0231 Faaborg-Gelting Linien A/S VORAB;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1997160221.X00

Im RIS seit

05.03.2002

Zuletzt aktualisiert am

20.04.2012
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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