TE Vwgh Beschluss 2020/7/16 Ra 2020/21/0184

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Veröffentlicht am 16.07.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §55
BFA-VG 2014 §9
B-VG Art133 Abs4
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pelant sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des K K S in G, vertreten durch Mag. Thomas Klein, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Sackstraße 21, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 2. Dezember 2019, W220 2180405-1/15E, betreffend Abweisung eines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 und Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Nebenaussprüchen (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der 1985 geborene Revisionswerber, ein indischer Staatsangehöriger, kam im April 2010 als Student nach Österreich. Er verfügte in der Folge über entsprechende Aufenthaltsbewilligungen, zuletzt gültig bis zum 14. März 2017. Am 17. März 2017 stellte er einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005.

2        Mit Bescheid vom 27. November 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) diesen Antrag gemäß § 55 AsylG 2005 ab. Unter einem erließ es gegen den Revisionswerber gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 3 FPG und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG die Zulässigkeit der Abschiebung des Revisionswerbers nach Indien fest. Gemäß § 55 FPG wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise von zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gewährt.

3        Mit dem angefochtenen, nach mündlicher Verhandlung vom 17. Oktober 2019 ergangenen Erkenntnis vom 2. Dezember 2019 wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) eine vom Revisionswerber gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde als unbegründet ab. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das BVwG aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4        Begründend führte das BVwG - soweit im Revisionsverfahren noch von Bedeutung - aus, der gerichtlich unbescholtene, gesunde und arbeitsfähige Revisionswerber habe während seines Aufenthalts in Österreich vier verschiedene Studien begonnen, jedoch keines davon abschließen können. Ab den Studienjahren 2016 und 2017 habe er faktisch nicht mehr studiert. Er habe im Jahr 2011 als Zeitungszusteller, dann in einem österreichischen Restaurant als Küchenhilfe gearbeitet. Zwischen September und Dezember 2016 sei er in einer Softwarefirma als Praktikant, im Jahr 2017 in einem Kaffeehaus und danach „in der Webentwicklung“ tätig gewesen. Daneben habe er unter anderem Gartenarbeiten ausgeübt, um Geld zu verdienen. Über die dafür (jedenfalls zum Teil) erforderlichen Beschäftigungsbewilligungen habe er nicht verfügt und somit durch seine Tätigkeiten gegen verwaltungsrechtliche Vorschriften verstoßen. Zuletzt habe er rund 300,-- bis 400,-- € monatlich verdient, sei also nicht selbsterhaltungsfähig. Allerdings verfüge er über einen Dienstvorvertrag betreffend die Arbeit in einer Pizzeria. Neben diesen Berufstätigkeiten habe er Deutschkenntnisse auf dem Niveau B1 erworben.

Der Revisionswerber weise verschiedene Sozialkontakte auf, habe jedoch kein besonderes Nahe- oder Abhängigkeitsverhältnis zu seinen Bekannten erworben. Er habe in Österreich keine Angehörigen.

Mit der Möglichkeit einer Reintegration im Herkunftsstaat, wo seine Eltern und ein Bruder lebten, er eine Landessprache auf Muttersprachenniveau beherrsche, seine Sozialisierung erfahren habe und er - nach einer Ausbildung in Mathematik, Physik und Chemie das Studium der „Elektronik“ erfolgreich absolviert habe, sei - zumal unter Berücksichtigung des dargestellten hohen Bildungsstandes und seiner Berufserfahrung - zu rechnen.

Die lange Dauer des Aufenthalts in Österreich werde in ihrer Relevanz maßgeblich durch die Erteilung nur befristeter Aufenthaltstitel als Student sowie durch die Verletzung von Verwaltungsvorschriften (durch wiederholte Ausübung verschiedener Erwerbstätigkeiten ohne Vorliegen der dafür erforderlichen Beschäftigungsbewilligung) gemindert. Die privaten Interessen des Revisionswerbers am Verbleib im Bundesgebiet müssten daher hinter das große öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung zurücktreten.

5        Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 24. Februar 2020, E 72/2020, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

6        Die in der Folge ausgeführte Revision erweist sich als unzulässig.

Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7        An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

8        Insoweit macht der Revisionswerber vor allem geltend, dass sich die Rückkehrentscheidung auf Grund seines mehr als neunjährigen Aufenthaltes in Österreich und des Maßes der dabei erlangten Integration als unrechtmäßig erweise. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes müsse auch bei einem knapp zehnjährigen Inlandsaufenthalt eines Fremden von einem regelmäßigen Überwiegen seiner persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich ausgegangen werden.

9        Dabei berücksichtigt der Revisionswerber aber nicht ausreichend, dass selbst bei einem mehr als zehnjährigen Aufenthalt und dem Vorliegen gewisser integrationsbegründender Merkmale gegen ein Überwiegen der persönlichen Interessen bzw. für ein größeres öffentliches Interesse an der Verweigerung eines Aufenthaltstitels (oder an der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme) sprechende Umstände in Anschlag gebracht werden können. Dazu zählen nach der Judikatur auch (ins Gewicht fallende) Verstöße gegen Verwaltungsvorschriften - wie im vorliegenden Fall der Sache nach unbestritten die Ausübung einer nach dem AuslBG nicht erlaubten Beschäftigung (vgl. dazu grundlegend VwGH 17.10.2016, Ro 2016/22/0005, Rn. 13, unter Hinweis auf VwGH 25.4.2014, Ro 2014/21/0054).

Eine Begründung dafür, dass die vom Revisionswerber jahrelang (ab dem Jahr 2016 ohne daneben zu studieren) ausgeübte Berufstätigkeit keine Beschäftigungsbewilligung erfordert hätte (vgl. dazu etwa Johannes Peyrl, Zuwanderung und Zugang zum Arbeitsmarkt von Drittstaatsangehörigen in Österreich, 285 [286]), ist der Revision nicht zu entnehmen.

10       Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist - wie auch der Revisionswerber darlegt - eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalles in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie (wie hier) auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel (vgl. etwa VwGH 16.5.2019, Ra 2019/21/0113, Rn. 6, mwN).

11       Diese Voraussetzungen liegen hier aber vor, weil das vom BVwG nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung fallbezogen erzielte Ergebnis vor allem angesichts der Erteilung nur befristeter Aufenthaltsbewilligungen als Student, des Fehlens familiärer Bindungen sowie unter Berücksichtigung der erwähnten Verstöße gegen das AuslBG auch angesichts der Aufenthaltsdauer jedenfalls nicht als unvertretbar angesehen werden kann.

12       Für dieses Ergebnis fällt auch der von der Revision gerügte Umstand nicht maßgeblich ins Gewicht, dass das BVwG den nach seinen Feststellungen vorliegenden Dienstvorvertrag in der Abwägung nach § 9 BFA-VG als Einstellungszusage bezeichnet.

13       In der Revision werden somit insgesamt keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 16. Juli 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020210184.L00

Im RIS seit

28.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.09.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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