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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art119aBetreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Thoma als Richter unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision der Gemeinde Tannheim, vertreten durch Dr. Christian Pichler, Rechtsanwalt in 6600 Reutte, Untermarkt 16, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 27. April 2020, LVwG-2018/36/1501-1, betreffend Befreiung nach dem (Tiroler) Grundsteuerbefreiungsgesetz 1987 (mitbeteiligte Partei: E L in T, vertreten durch Dr. Harald Burmann, Dr. Peter Wallnöfer, Mag. Eva Suitner und MMMag. Nadja Auer, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Meraner Straße 1), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Tirol der Beschwerde des Mitbeteiligten gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Tannheim vom 27. März 2018, mit dem dieser einen Bescheid vom 26. Feber d.J., mit dem eine zeitlich befristete Grundsteuerbefreiung gewährt worden war, aufgehoben und eine zeitlich befristete Grundsteuerbefreiung versagte, Folge und hob den Bescheid 27. März 2018 auf; weiters sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei.
2 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Revision der „Gemeinde Tannheim“, die sich durch das angefochtene Erkenntnis in einem subjektiv-öffentlichen Recht auf Nichterteilung der Grundsteuerbefreiung nach Ablauf der Antragsfrist gemäß § 4 Grundsteuerbefreiungsgesetz 1987 verletzt erachtet. Der Revisionsschriftsatz ist abschließend mit „Gemeinde Tannheim, vertreten durch den Bürgermeister“ gezeichnet.
3 Der Mitbeteiligte hat eine Revisionsbeantwortung erstattet.
4 Gemäß § 6 des Tiroler Grundsteuerbefreiungsgesetzes 1987, LGBl. Nr. 64, haben die Gemeinden ihre in diesem Gesetz geregelten Aufgaben im eigenen Wirkungsbereich zu besorgen.
Ob und in welchem Ausmaß die Befreiung von der Grundsteuer gewährt wird, ist gemäß § 5 Abs. 1 leg. cit mit Bescheid auszusprechen.
5 Gemäß § 53 Abs. 1 der Tiroler Gemeindeordnung 2001, LGBl. Nr. 36, ist, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, der Bürgermeister zur Erlassung von Bescheiden in den Angelegenheiten des eigenen und des übertragenen Wirkungsbereiches der Gemeinde zuständig.
Gemäß § 55 Abs. 1 leg. cit vertritt der Bürgermeister die Gemeinde nach außen.
§ 128 leg.cit. über den „Rechtsschutz der Gemeinden“ im 6. Abschnitt des I. Teiles über „Gemeindeaufsicht“ bestimmt, dass es der Gemeinde unbenommen bleibt, gegen Bescheide der Aufsichtsbehörde Beschwerde beim zuständigen Verwaltungsgericht (Art. 130 bis 132 B-VG) und gegen dessen Erkenntnisse Revision beim Verwaltungsgerichtshof (Art. 133 B-VG) oder Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof (Art. 144 B-VG) zu erheben oder einen Antrag auf Aufhebung einer Verordnung nach § 122 Abs. 2 an den Verfassungsgerichtshof (Art. 139 B-VG) zu stellen.
6 Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits im Erkenntnis vom 22. April 2015, Ro 2015/16/0001 = Slg. 19.102/A, auf das im Übrigen gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, dargelegt hat, stellt die Entscheidung von Verwaltungsgerichten über Beschwerden gegen verwaltungsbehördliche Bescheide einer Gemeinde kein Mittel staatlicher Aufsicht gegenüber Selbstverwaltungseinrichtungen dar. Die Revisionslegitimation der Gemeinde in Bezug auf eine Entscheidung eines Verwaltungsgerichts über eine Beschwerde gegen einen gemeindebehördlichen Bescheid im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde kann sich nicht auf Art. 119a Abs. 9 zweiter Satz B-VG stützen, weil diese Bestimmung nach ihrem systematischen Zusammenhalt nur die Revisionslegitimation der Gemeinde betreffend eine aufsichtsbehördliche Entscheidung beinhaltet (in diesem Sinne etwa auch VwGH 22.10.2015, Ra 2015/16/0091, 19.12.2017, Ra 2017/16/0151, 26.3.2019, Ra 2018/16/0108, sowie 10.9.2019, Ra 2018/16/0169 und Ra 2018/16/0170).
7 Der Gemeinde kommt daher keine Berechtigung zu, Revision gemäß Art. 133 Abs. 1 Z 1 B-VG zu erheben, wenn eines ihrer Organe belangte Behörde vor einem Verwaltungsgericht war.
8 Zur Einbringung einer Amtsrevision wäre im vorliegenden Fall der Bürgermeister der Gemeinde als vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde im Sinn des Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG legitimiert, nicht jedoch die im Revisionsschriftsatz ausdrücklich als Revisionswerberin bezeichnete Gemeinde Tannheim.
9 Da die Revision nicht dem zur Erhebung einer Amtsrevision legitimierten Bürgermeister der Gemeinde Tannheim zuzurechnen ist, sondern von einer nicht berechtigten Revisionswerberin erhoben wurde, ist die Revision mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
Wien, am 4. August 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RO2020160029.J00Im RIS seit
03.09.2020Zuletzt aktualisiert am
03.09.2020