Index
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Beachte
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Thoma als Richter unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision des A H gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 18. Mai 2020, RV/2100396/2020 (protokolliert zu Ra 2020/16/0110) und der E H gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 18. Mai 2020, RV/2100397/2020 (protokolliert zu Ra 2020/16/0111), jeweils betreffend Grunderwerbsteuer, beide in G, beide vertreten durch Dr. Manfred Rath, Rechtsanwalt in 8055 Graz, Brauquartier 3/I/Top 7, (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel in Wien), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem vom Revisionsvertreter errichteten Kauf- und Bauträgervertrag vom 25. Oktober 2019 erwarben die Revisionswerber im Bauvorhaben „W“ in K gemeinsam eine zu errichtende Wohnung zu einem Gesamtkaufpreis von 224.400,-- €. Die Kosten der Vertragserrichtung von insgesamt 4.039,-- € wurden von den Revisionswerbern getragen.
2 Mit Bescheiden vom 31. Jänner 2020 schrieb das Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel den Revisionswerbern Grunderwerbsteuer jeweils auf einer Bemessungsgrundlage in der Höhe des halben Kaufpreises und der halben Vertragserrichtungskosten vor, wogegen diese Beschwerden erhoben.
3 Mit den angefochtenen Erkenntnissen wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerden gemäß § 279 BAO als unbegründet ab und sprach aus, dass gegen diese Erkenntnisse eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.
4 Unter näherer Feststellung des - unstrittigen - Inhaltes des zwischen der Bauträgerin und den Revisionswerbern als Käufer geschlossenen Kauf- und Bauträgervertrages führte das Gericht unter Zitierung von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage von Vertragserrichtungskosten als Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer sodann in den angefochtenen Erkenntnissen gleichlautend aus:
„Im Rahmen einer ausschließlich formal-rechtlichen Betrachtung des Vertragsinhaltes käme dem Beschwerdevorbringen im Ergebnis Berechtigung zu. Nach dem Obgesagten ist allerdings der Begriff der Gegenleistung im Grunderwerbssteuerrecht im wirtschaftlichen Sinne zu verstehen und kommt es sohin für die Beurteilung nicht auf die äußere Form des Vertrages, sondern auf die wahren wirtschaftlichen Merkmale des betreffenden Erwerbsvorganges an.
Bereits im Vorfeld dieser Verkäufe (nämlich bereits bei Kauf der Grundstücke durch die BT) war als Vertragserrichter [der Revisionsvertreter] für die BT tätig.
Der tatsächliche Geschehensablauf bei der Durchführung von Wohnungsverkäufen im Rahmen der Errichtung von Wohnhausanlagen mit mehreren Wohnungen stellt sich aber nach der Lebenserfahrung bzw. den Erfahrungen im Wirtschaftsleben vielmehr (nahezu) ausschließlich so dar, dass im Zuge der Projektentwicklung die Veräußererseite an einen Rechtsanwalt oder Notar mit dem Auftrag zur Erstellung eines Mustervertrages herantritt, welcher dann - lediglich adaptiert hinsichtlich des jeweiligen Wohnungsverkaufes bzw. Miteigentumsanteiles, Käufer und Kaufpreis - den einzelnen Kaufinteressenten zur Begutachtung und zur Unterfertigung vorgelegt wird, worin sich sohin bezüglich der Vertragserstellung die von den Käufern zu entfaltende Aktivität erschöpft.
Insbesondere in Zusammenhang mit der Errichtung von solchen Projekten mit mehreren Wohnungen kann ausgeschlossen werden, dass jeder einzelne Käufer für sich individuell einen Vertragsverfasser auswählt und mit der Vertragserrichtung für sich beauftragt, was zum Einen wohl einen unverhältnismäßigen Zeit- und Kostenmehraufwand für annähernd gleiche Verträge darstellen würde, der auch seitens der Verkäufer wenig erwünscht ist. ...
Im vorliegenden Vertragswerk wurde ausdrücklich darauf verwiesen, dass dieses dem BVTG unterliegt und ist - wie oben zitiert - in diesem geregelt, dass Bauträgerverträge der Schriftform bedürfen. Damit ist aber auch klargestellt, dass die Verkäuferin, ihres Zeichens Bauträgerin, für Veräußerungen von Objekten jedenfalls schriftliche Verträge benötigt.
Dem Einwand des [Revisionswerbers], dass die Vertragserrichtung ausschließlich in seinem Interesse gelegen sei um eine Einverleibung des Eigentumsrechtes zu erlangen, kann somit nichts abgewonnen werden. Aufgrund der gesetzlichen Verpflichtung der schriftlichen Vertragserrichtung durch die Verkäuferin ist eindeutig, dass dies eine unabdingbare Voraussetzung für eine Veräußerung darstellt. Die Verpflichtung zur Erstellung dieses Vertrages trifft somit eindeutig die Verkäuferin, da sie ansonsten einerseits Gefahr läuft eine Verwaltungsübertretung zu begehen, andererseits der Erwerber gem. § 3 (2) BVTG diesen Formmangel bis zum Ende der Sicherungspflicht einwenden könnte.
Zudem steht anhand der zu weiteren Abverkäufen in dem Projekt beim BFG behängenden Beschwerdeverfahren fest, dass bei sämtlichen Verkäufen [der Revisionsvertreter] als Vertragserrichter fungierte und mit allen Käufern - jeweils nur adaptiert hinsichtlich der Wohnungseigentumseinheiten und des Kaufpreises samt individueller Kosten - ein mit der gegenständlichen Vertragsurkunde inhaltlich vollständig ident abgefasster Kauf- und Bauträgervertrag abgeschlossen wurde.
Auch ist aus dem Vertragsdeckblatt (Seite 1) ersichtlich, dass es sich um einen Vertrag für ein Gesamtbauprojekt handelt (Bauvorhaben S 1, 2, 3, 4, 4a, 5, 6 und Si 80). Hätte der [Revisionswerber] tatsächlich selbst einen Rechtsvertreter mit der Vertragserstellung beauftragt, hätte der Vertrag lediglich das konkrete Vertragsobjekt, Wohnung Top XX, Haus Nr. Y (Grundstück ZZ/ZZ) umfassen können.
Des Weiteren ergibt auch die Einbindung einer Regelung über die Höhe und Bezahlung der Vertragserrichtungsgebühr in den Vertrag (Punkte 26.1 sowie Beilage F ‚Zahlungsplan der Kaufpreisraten‘) nur dann rechtlich Sinn, wenn es sich dabei um eine vom [Revisionswerber] gegenüber der Verkäuferin übernommene Verpflichtung zur Tragung von Kosten handelt. Wären die nämlich solche Kosten gewesen, die den [Revisionswerber] jedenfalls infolge seiner Auftragserteilung an den Vertragsverfasser zivilrechtlich getroffen hätten, dann hätte es einer solchen vertraglichen Vereinbarung im Rahmen des Kaufvertrages zwischen den Vertragsparteien des Wohnungskaufes gar nicht bedurft. Vielmehr hätte wohl der Vertragsverfasser des [Revisionswerbers] als seinem Auftraggeber von sich aus eine entsprechende Honorarnote gelegt und diese nicht im Vorfeld der Vertragserrichtung übermittelt bzw. sodann diese Urkunde (Beilage F) bereits in den Vertrag als vereinbarte Vertragsgrundlage aufgenommen.
Trotz der vorliegenden vertraglichen Vereinbarung, ‚der Käufer beauftragt‘ den Treuhänder mit der Vertragserrichtung, lässt daher nach Ansicht des BFG die Gesamtzusammenschau der tatsächlichen Gegebenheiten keine andere Schlussfolgerung zu, als dass der von der Verkäuferin gem. § 12 BTVG bestellte Treuhänder offenkundig allein von der Verkäuferin auch mit der Erstellung des gegenständlichen Kauf- und Bauträgervertrages als ‚Mustervertrag‘ für sämtliche Abverkäufe beauftragt worden war.
Wenn daher im Gegenstandsfalle offensichtlich davon auszugehen ist, dass die Verkäuferin den von ihr bestellten Treuhänder ebenso mit der Vertragserrichtung bzw. Errichtung eines Mustervertrages betraut hatte, dann war die Verkäuferin auch zivilrechtlich verpflichtet, die diesbezüglich anfallenden Kosten selbst zu tragen.
Die Kosten der Vertragserrichtung waren daher - entsprechend der Ansicht der Abgabenbehörde - als sonstige Leistung iSd § 5 Abs. 1 Z 1 GrEStG 1987 in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen.“
5 Seine Aussprüche über die Unzulässigkeit von Revisionen gegen diese Erkenntnisse begründete das Verwaltungsgericht gleichlautend damit, zur Frage, unter welchen Voraussetzungen die Vertragserrichtungskosten einen Teil der grunderwerbsteuerpflichtigen Gegenleistung bildeten, liege eine langjährige und einhellige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor, die obiger Entscheidung zugrunde gelegt worden sei. Aus diesem Grund handle es sich nicht um die Lösung einer Rechtsfrage von „grundsätzlicher Bedeutung“.
6 Die gegen diese Erkenntnisse gemeinschaftlich erhobene Revision begründet ihre Zulässigkeit damit, es bestehe lediglich eine relativ begrenzte und auch veraltete Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, was unter dem Begriff Gegenleistung bzw. sonstige Leistung im Sinn des § 5 Abs. 1 Z 1 GrEStG zu verstehen sei. Diese Rechtsprechung sei somit einerseits nicht mehr aktuell und nehme auf die Bestimmungen des Bauträgervertragsgesetzes in keinster Weise Bezug und andererseits sei die vom Bundesfinanzgericht zitierte Judikatur in der jahrelangen gängigen Praxis nicht angewendet bzw. berücksichtigt worden. Wesentliche Bedeutung komme daher der Klärung der Rechtsfrage zu, ob die Vertragserrichtungskosten im Fall eines „BTVG-Bauprojektes“ grundsätzlich als Gegenleistung anzusehen seien. Allein der Umstand, dass sich das Bundesfinanzgericht in seiner Entscheidung praktisch ausschließlich auf eine einzige Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes stütze und diese noch dazu aus dem Jahr 2003 stamme, zeige ja bereits allein, dass es hier keine einheitliche und klare aktuelle Judikatur des VwGH gebe. „Besonders spannend“ sei in diesem Zusammenhang, dass das zuständige Finanzamt für [richtig:] Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel offensichtlich während der letzten 15 Jahre selbst von der von den Revisionswerbern vertretenen Rechtsmeinung ausgegangen sei.
7 Gemäß Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 Soweit nicht Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtes oder infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vorliegt (§ 42 Abs. 2 Z 2 und 3), hat der Verwaltungsgerichtshof das angefochtene Erkenntnis oder den angefochtenen Beschluss gemäß § 41 erster Satz VwGG auf Grund des vom Verwaltungsgericht angenommenen Sachverhalt des im Rahmen der geltend gemachten Revisionspunkte (§ 28 Abs. 1 Z 4) bzw. Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 28 Abs. 2) zu überprüfen.
9 Die vorliegende Revision nimmt für ihre Zulässigkeit nicht in Anspruch, dass das Verwaltungsgericht von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, eine Rechtsprechung zur Frage der Maßgeblichkeit von Vertragserrichtungskosten für die Bemessungsgrundlage nach dem GrEStG fehle oder diese Rechtsfrage in seiner bisherigen Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet worden wäre.
10 Eine grundsätzliche Bedeutung der in Rede stehenden Rechtsfrage ergibt sich auch nicht allein aus der Datierung der maßgeblichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes oder aus dem Umstand, dass eine Behörde zwischenzeitig allenfalls davon abgewichen wäre.
11 Entscheidend tritt in den vorliegenden Revisionsfällen hinzu, dass das Verwaltungsgericht letztlich in seiner Gesamtschau der tatsächlichen Gegebenheiten annahm, dass der von der Verkäuferin gemäß § 12 BTVG bestellte Treuhänder offenkundig alleine von der Verkäuferin auch mit der Erstellung des gegenständlichen Kauf- und Bauträgervertrages als Mustervertrag für sämtliche Abverkäufe beauftragt worden sei. Diesen fallbezogenen Annahmen tritt die Revision auch nicht damit entgegen, dass diese eine (verfahrensrechtliche) Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufwerfen würden.
12 Ausgehend davon stehen die angefochtenen Erkenntnisse im Einklang mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu Fällen der Übernahme der gesamten Vertragserrichtungskosten durch den Käufer (vgl. etwa VwGH 22.4.1953, 1054/51 und 0310/51, 8.6.1959, 1528/57 oder - jünger - 23.1.2003, 2001/16/0353; vgl. jüngst VwGH 4.12.2019, Ra 2019/16/0190).
13 Die vorliegende Revision ist daher wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung und unter Abstandnahme von der beantragten Verhandlung gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 4. August 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020160110.L00Im RIS seit
22.10.2020Zuletzt aktualisiert am
22.10.2020