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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Beachte
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Thoma als Richter unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision der M S KG in L, vertreten durch die Prodinger, Fetz & Partner Steuerberatungs GmbH & Co KG in 6764 Lech, Strass 582, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 18. Mai 2020, RV/1100363/2018, betreffend Grunderwerbsteuer (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel in Wien), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid vom 1. Feber 2016 hatte das Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel der Revisionswerberin für einen von dieser mit zwei weiteren Parteien geschlossenen (Ring-)Tauschvertrag vom 28. September 2015 Grunderwerbsteuer vorgeschrieben, wogegen die Revisionswerberin Beschwerde erhob, in der sie sich u.a. auf eine Befreiung von der Grunderwerbsteuer nach § 3 Abs. 1 Z 5 GrEStG berief.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde als unbegründet ab und sprach aus, dass gegen dieses Erkenntnis eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
3 Nach Darstellung des Verfahrensganges und Feststellung des unstrittigen Sachverhaltes, insbesondere, dass im Zuge der Durchführung des verfahrensgegenständlichen Tauschvertrages die Gemeinde Lech eine Änderung des Flächenwidmungsplanes in Aussicht gestellt habe, ein Baulandumlegungsverfahren oder ein Flurbereinigungsverfahren jedoch nicht erfolgt sei und die Gemeinde Lech schließlich für aufgrund des Tauschvertrages neu gebildete Grundstücke einen Teilbebauungsplan erlassen habe, folgerte das Gericht unter Zitierung des § 1 Flurverfassungsgesetzes sowie vom § 3 Abs. 1 Z 4 und 5 GrEStG:
„Es ist nur jener Erwerb steuerfrei, der dem begünstigten Zweck ohne weitere Voraussetzung dient (vgl VwGH vom 6. Juni 1968, 1464/67). Der Erwerb eines Grundstückes muss die unmittelbare Folge der behördlichen Maßnahme der Baubehörde sein (vgl VwGH vom 22. Februar 1973, 448/72, und vom 27. November 2008, 2007/16/0139).
Eine Maßnahme zur besseren Gestaltung von Bauland ist ein Vorgang, durch den eine größere im Bauland gelegene Fläche - für die Errichtung etwa von Wohnblöcken - dadurch baureif gemacht wird, dass die Grenz- und Besitzverhältnisse so umgestaltet werden, dass aus der vorher gegebenen Mehrzahl selbstständig nicht bebaubarer Liegenschaften baureife Bauplätze gestaltet werden und damit das von dieser Maßnahme umfasste Gebiet baulich nutzbar gemacht wird (vgl VwGH vom 6. Mai 1971, 1034/70, und vom 27. November 2008, 2007/16/0139).
Es handelt sich jedenfalls nicht um einen Vorgang, durch den ein Einzelbauplatz baulich nutzbar gemacht wird, sondern es muss ein größeres Baulandgebiet betroffen sein (vgl VwGH vom 18. September 1980, 319, 320/78, vom 26. Juni 1986, 85/16/0080, und vom 27. November 2008, 2007/16/0139).
Eine bessere Gestaltung von Bauland liegt immer dann vor, wenn damit relevanten öffentlichen oder objektivierbaren privaten Interessen unter dem Gesichtspunkt der besseren Bebaubarkeit gedient wird (vgl VwGH vom 13. März 1980, 1786/77, und vom 27. November 2008, 2007/16/0139).
Als Vorschriften zur besseren Gestaltung von Bauland iS des § 3 Abs 1 Z 5 GrEStG kommen Raumordnungsgesetze und Bauordnungen in Betracht (vgl VwGH vom 13. März 1980, 1786/77, und vom 27. November 2008, 2007/16/0139).
Es war denkmöglich, dass es sich bei Maßnahmen im Sinne des § 4 Abs 1 Z 5 GrEStG 1955 (in der Fassung der GrEStG-Novelle 1969) um behördliche Maßnahmen handeln muss, durch die oder in deren Zug eine Übertragung von Grundstücken stattfindet, dass also von dieser Befreiungsbestimmung nur ein Erwerb erfasst wird, der unmittelbar die Folge einer behördlichen Verfügung im Zuge eines Verfahrens vor der Baubehörde zur besseren Gestaltung von Bauland ist (VfGH vom 29. Juni 1971, B 197/70).
‚Behördliche Maßnahmen‘ iS des § 3 Abs 1 Z 5 GrEStG sind solche, die in Ausübung behördlicher Befehlsgewalt gesetzt wurden (VwGH vom 29. Juni 2006, 2006/16/0006, und vom 27. November 2008, 2007/16/0139).
Für die Anwendung der Befreiungsbestimmung hat es nur darauf anzukommen, ob das Eigentumsrecht an einem Grundstück auf Grund von behördlichen Maßnahmen unmittelbar als Rechtswirkung derselben erworben wird, also durch das behördliche Verfahren bewirkt wird. Das Wesen einer Einwirkung durch Maßnahmen besteht darin, dass derjenige, den die Maßnahme trifft, keine Möglichkeit hat, ihr auszuweichen, etwa in der Weise, dass er ein bestimmtes Vorhaben aufgibt (VwGH vom 27. März 1964, Slg 3053/F, verstärkter Senat, vom 25. April 1996, 95/16/0259, und vom 27. November 2008, 2007/16/0139).
Eine behördliche Maßnahme ist so geartet, dass man sich ihr nicht entziehen kann. Eine freiwillig geschlossene Vereinbarung ist keine Maßnahme iS des § 3 Abs 1 Z 5 GrEStG 1987 (vgl VwGH vom 6. Mai 1971, 1034/70, und vom 1. September 1999, 98/16/0232, 0233, 0234).
Eine behördliche Maßnahme ist ein in der äußeren Welt in Erscheinung tretender Vorgang.
Hat die Beschwerdeführerin die Enteignung der in Rede stehenden Grundstücke selbst beantragt, so hat die Behörde nicht von Amts wegen in die Eigentumsverhältnisse zur Erreichung einer besseren Gestaltung von Bauland eingegriffen, sondern die Beschwerdeführerin selbst hat ein Eingreifen der Behörde herbeigeführt. Hatte die Beschwerdeführerin also die Enteignung ausschließlich im eigenen Interesse verlangt, um das Grundstück baureif zu machen und nicht um eine behördliche Maßnahme zur besseren Gestaltung von Bauland herbeizuführen, so war die Befreiung schon deshalb zu versagen (VwGH vom 6. Mai 1971, 1034/70).
Im Fall eines freiwillig abgeschlossenen Kaufvertrages fehlte es an einer Maßnahme iS des § 4Abs 1 Z 5 GrEStG 1955 (VwGH vom 22. Februar 1973, Slg 4505/F).
Wenn ein Grundstückseigentümer selbst den Übergang des Grundstückes durch Abschluss einer Vereinbarung veranlagst, ist die Steuerbefreiung zu verneinen (vgl VwGH vom 28. Jänner 1993, 92/16/0120, 0121, 0122).
Kann dem von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalt keinerlei Hinweis entnommen werden, dass der Grundeigentümer seitens einer Behörde durch eine Maßnahme, der sie sich nicht entziehen hätte können, so unter Druck gesetzt wurde, dass es ihm nicht mit Erfolg möglich gewesen wäre, die Errichtung des in Rede stehenden Kaufvertrages zu verweigern, so fehlt es zur Zeit der Verwirklichung des Erwerbsvorganges an der für den angestrebten Befreiungstatbestand erforderlichen Zwangsmaßnahme.
Im gegenständlichen Fall wurde eine Umwidmung für den Fall versprochen, dass die Grundeigentümer den gegenständlichen Grundstückstausch durchführen, um die Skipistensituation in diesem Bereich durch eine Verbreiterung verbessern zu können. Die durchgeführte Umwidmung ist keine behördliche Maßnahme durch die das Eigentumsrecht an einem Grundstück unmittelbar als Rechtswirkung derselben erworben wird. Durch die Umwidmung wird keine Eigentumsübertragung bewirkt. Die Umwidmung erfolgte erst, nachdem der Tauschvertrag, der die Grunderwerbsteuerpflicht ausgelöst hat, umgesetzt worden war. Der nach Abschluss des Tauschvertrages erfolgten Flächenwidmungsplanänderung kommt keine steuervernichtende Wirkung zu.
Zudem bestand der Hauptzweck des gegenständlichen Tauschvertrages nicht in der besseren Gestaltung von Bauland sondern in der besseren Gestaltung der Skipistensituation.
Daher ist im gegenständlichen Fall die Befreiungsbestimmung des § 3 Abs 1 Z 5 GrEStG nicht anwendbar.“
4 Seinen Ausspruch über die (Un-)Zulässigkeit einer Revision begründete das Gericht im Kern damit, alle im gegenständlichen Fall zu lösenden Rechtsfragen seien bereits vom Verwaltungsgerichtshof ausjudiziert.
5 Die gegen dieses Erkenntnis erhobene außerordentliche Revision legt die „grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache“ weitwendig, jedoch im Kern darin dar, Flächenwidmungs- und Bebauungspläne nach dem Vorarlberger Raumplanungsgesetz in Form von Verordnungen seien ebenso als „behördliche Maßnahmen zur besseren Gestaltung von Bauland“ nach § 3 Abs.1 Z 5 GrEStG zu qualifizieren wie Bescheide. Die Zielvorgabe der Grunderwerbsteuerbefreiung nach § 3 Abs. 1 Z 5 GrEStG werde dadurch erfüllt, dass der von der Gemeinde erlassene Flächenwidmungs- und Bebauungsplan eine behördliche Maßnahme zur besseren Gestaltung von Bauland sei, der Erwerb der Tauschflächen mit der Raumplanung der Gemeinde abgestimmt und zur besseren Gestaltung von Bauland notwendig sei. Peyerl (Zum Anwendungsbereich der Steuerbefreiung bei Baulandgestaltung, SWK 17/2019, 759 ff) und Beiser (Flächenwidmungspläne und die Befreiung von der ImmoESt und GrESt, taxlex 2018, 58 ff) träten für eine solche Auslegung der Befreiung nach § 3 Abs. 1 Z 5 GrEStG ein.
6 Gemäß Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Die Revision nimmt nicht in Anspruch, dass das Verwaltungsgericht im angefochtenen Erkenntnis in der Frage des Vorliegens der Voraussetzungen für eine Befreiung nach § 3 Abs. 1 Z 5 GrEStG von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wäre, solche Rechtsprechung fehle oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet worden wäre.
8 Auch gibt der Hinweis auf Fundstellen anderweitiger, von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweichender Meinungen noch keinen Anlass, schon deshalb eine grundsätzliche Bedeutung der Frage des Befreiungstatbestandes des § 3 Abs. 1 Z 5 GrEStG zu begründen. Der Umstand allein, dass in der Literatur zur Rechtsprechung des VwGH gegenteilige Rechtsauffassungen vertreten werden, begründet noch nicht die Zulässigkeit einer Revision (vgl. VwGH 21.1.2016, Ra 2015/12/0051, ZVG 2017, 45; VwGH 13.12.2019, Ro 2019/02/0012).
9 Die vorliegende Revision ist daher wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
Wien, am 4. August 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020160108.L00Im RIS seit
20.10.2020Zuletzt aktualisiert am
22.10.2020