TE Vwgh Beschluss 2020/8/6 Ra 2020/20/0266

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Veröffentlicht am 06.08.2020
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AVG §68 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs1 Z4
VwGG §34 Abs1
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, in der Rechtssache der Revision des A A in W, vertreten durch Rast & Musliu Rechtsanwälte in 1080 Wien, Alser Straße 23/14, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. Juni 2020, W169 2157995-2/2E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein äthiopischer Staatsangehöriger, stellte am 7. Juli 2015 erstmals einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 und brachte zusammengefasst vor, der Volksgruppe der Oromo anzugehören und an friedlichen Demonstrationen gegen Enteignungen durch die Regierung in der Provinz Oromo teilgenommen zu haben, weshalb er festgenommen, inhaftiert und gefoltert worden sei.

2        Mit Bescheid vom 25. April 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diesen Antrag ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen und erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung. Es stellte fest, dass seine Abschiebung nach Äthiopien zulässig sei und legte die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest. Mit Erkenntnis vom 30. August 2019 wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen erhobene Beschwerde ab. Dieses Erkenntnis erwuchs in Rechtskraft.

3        Am 4. Februar 2020 stellte der Revisionswerber den hier gegenständlichen Folgeantrag und brachte dazu vor, die Fluchtgründe, die dem ersten Antrag zugrunde gelegen wären, seien weiterhin aufrecht, aber nicht berücksichtigt worden, weswegen er eine erneute Prüfung seines Antrags auf internationalen Schutz begehre.

4        Mit Bescheid vom 12. Mai 2020 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diesen Antrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück, erteilte dem Revisionswerber keine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Äthiopien zulässig sei. Es erließ ein auf die Dauer von einem Jahr befristetes Einreiseverbot gegen den Revisionswerber und trug diesem auf, in einem näher bezeichneten Quartier Unterkunft zu nehmen.

5        Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision nicht zulässig sei.

6        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

8        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9        Die Revision wendet sich in ihrer Zulässigkeitsbegründung nur insoweit gegen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, als sie die Zurückweisung des Folgeantrags gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache betrifft.

10       Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes steht die Rechtskraft einer früher in der gleichen Angelegenheit ergangenen Erledigung einer neuen Sachentscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG entgegen, wenn in den für die Entscheidung maßgebenden Umständen keine Änderung eingetreten ist. Eine einer erneuten inhaltlichen Erledigung entgegenstehende Identität der Sache liegt somit dann vor, wenn sich gegenüber der früheren Entscheidung weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (vgl. VwGH 26.4.2019, Ra 2019/20/0174, mwN).

11       In jenem Fall, in dem das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den verfahrenseinleitenden Antrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen hat, ist „Sache des Beschwerdeverfahrens“ vor dem Bundesverwaltungsgericht die Frage, ob diese Zurückweisung zu Recht erfolgt ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat diesfalls zu prüfen, ob die Behörde auf Grund des von ihr zu berücksichtigenden Sachverhalts zu Recht zu dem Ergebnis gelangt ist, dass im Vergleich zum rechtskräftig entschiedenen früheren Asylverfahren keine wesentliche Änderung der maßgeblichen Umstände eingetreten ist. Die Prüfung der Zulässigkeit eines Folgeantrags auf Grund geänderten Sachverhalts hat - von allgemein bekannten Tatsachen abgesehen - im Beschwerdeverfahren nur anhand der Gründe, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens vorgebracht wurden, zu erfolgen (vgl. VwGH 3.7.2020, Ra 2020/14/0255, Rz 20, mwN).

12       Im vorliegenden Fall ging das Bundesverwaltungsgerichtdavon aus, dass die Beschwerde gegen die zurückweisende Entscheidung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl mangels Änderung der maßgeblichen Sachlage seit dem Erstverfahren abzuweisen sei. Der Revisionswerber habe seinen Folgeantrag erneut auf jene Fluchtgründe gestützt, denen bereits im Erstverfahren rechtskräftig die Glaubwürdigkeit versagt worden sei. Die Lage im Herkunftsstaat habe sich seit der Entscheidung im ersten Asylverfahren nicht wesentlich geändert, die vorgebrachten Erkrankungen des Revisionswerbers seien bereits im Erstverfahren berücksichtigt worden und auch die Covid-19 Pandemie habe zu keiner maßgeblich veränderten Situation für den jungen, im Wesentlichen gesunden Revisionswerber, der in Bezug auf diese Krankheit zu keiner Risikogruppe gehöre, geführt.

13       Den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts setzt die Revision nur unsubstantiierte Behauptungen entgegen, die nicht geeignet sind, dessen Entscheidung als rechtswidrig darzustellen.

14       Soweit die Revision in diesem Zusammenhang vorbringt, das Bundesverwaltungsgericht habe sich auf veraltete und unzureichende Länderberichte gestützt und die aktuelle Situation in Äthiopien - insbesondere von Angehörigen der Volksgruppe der Oromo - nicht ausreichend berücksichtigt, wird ein Verfahrensmangel gerügt, dessen Relevanz, weshalb also bei Vermeidung dieses Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, bereits in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung dargetan werden muss. Dies setzt voraus, dass - auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des behaupteten Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. VwGH 1.4.2020, Ra 2019/20/0180, mwN).

15       Eine solche Relevanzdarlegung ist der Zulässigkeitsbegründung nicht zu entnehmen. Abgesehen davon, dass das Bundesverwaltungsgericht seinem Erkenntnis das im Entscheidungszeitpunkt aktuellste Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zugrunde legte, zeigt die Revision insbesondere nicht auf, aufgrund welcher konkret zu treffenden Feststellungen das Bundesverwaltungsgericht zu einem für den Revisionswerber günstigeren Verfahrensergebnis hätte gelangen können.

16       Zudem wird angemerkt, dass der Revisionswerber in dem als Revisionspunkt genannten Recht auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten bzw. des subsidiär Schutzberechtigten durch das angefochtene Erkenntnis nicht verletzt werden konnte, weil in Bezug auf jenen Teil des angefochtenen Erkenntnisses, mit dem der Folgeantrag des Revisionswerber auf internationalen Schutz zurückgewiesen wurde, eine ausschließlich verfahrensrechtliche Erledigung vorliegt. In diesem Zusammenhang hätte der Revisionswerber allein die Verletzung im Recht auf meritorische Entscheidung über seinen Antrag, nicht aber die Verletzung in dem den Inhalt des Antrages bildenden Recht geltend machen können (vgl. VwGH 6.6.2019, Ra 2018/20/0432, mwN).

17       In der Revision werden sohin weder Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme, noch ein tauglicher Revisionspunkt dargetan. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 6. August 2020

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2 Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der Behörde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020200266.L00

Im RIS seit

28.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.09.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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