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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
AsylG 2005 §11Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Mag. Eder und Mag. Cede als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, in der Rechtssache der Revision des N W, vertreten durch Dr. Gregor Klammer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Jordangasse 7/4, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Jänner 2020, W258 2171894-1/13E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies den Antrag des Revisionswerbers, eines afghanischen Staatsangehörigen, auf internationalen Schutz vom 11. November 2015 mit Bescheid vom 9. September 2017 ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei und setzte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.
2 Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) wies die dagegen erhobene Beschwerde mit dem angefochtenen Erkenntnis nach Durchführung einer Verhandlung als unbegründet ab und erklärte die Revision für nicht zulässig.
3 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der ihre Behandlung mit Beschluss vom 5. März 2020, E 592/2020-5, ablehnte und sie mit Beschluss vom 14. Mai 2020, E 592/2020-7, über nachträglichen Antrag dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. In der Folge wurde die vorliegende Revision eingebracht.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7 In der Revision wird zur Begründung ihrer Zulässigkeit geltend gemacht, der Revisionswerber werde im Fall der Rückkehr nach Afghanistan verfolgt, weil er (entgegen den Annahmen des BVwG) als „christlich geprägter Apostat“ lebte. Das angefochtene Erkenntnis sei mangelhaft begründet, weil das BVwG nicht berücksichtigt habe, dass der Revisionswerber dies auch durch das Tragen eines Kreuzes in der Hosentasche und dem sonntäglichen Kirchenbesuch verdeutlicht habe.
8 Zu diesem - die Beweiswürdigung betreffenden - Vorbringen ist festzuhalten, dass der Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen ist. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat. Der - zur Rechtskontrolle berufene - Verwaltungsgerichtshof ist nicht berechtigt, eine Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. VwGH 10.1.2020, Ra 2019/20/0579, mwN). Dass die Beweiswürdigung des BVwG, das sich nicht nur mit den im Zulässigkeitsvorbringen hervorgehobenen Umständen, sondern auch mit dem Inhalt der Aussagen des Revisionswerbers auseinandersetzte, unvertretbar wäre, zeigt das Vorbringen nicht auf.
9 Soweit der Revisionswerber weiters Begründungsmängel rügt, ist der Revision entgegen zu halten, dass es nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht ausreicht, die Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften zu behaupten, ohne die Relevanz der genannten Verfahrensmängel darzulegen. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist in konkreter Weise darzulegen (vgl. VwGH 27.5.2020, Ra 2020/01/0140, mwN). Diesen Anforderungen wird die vorliegende Revision nicht gerecht.
10 Wenn der Revisionswerber vorbringt, es wäre ihm zumindest subsidiärer Schutz zuzuerkennen gewesen, weil er aufgrund seines iranischen Akzents im Falle einer Rückkehr Diskriminierungen und gravierenden Problemen bei der Wohnraum- und Arbeitssuche ausgesetzt wäre, ist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach eine schwierige Lebenssituation, insbesondere bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht, die ein Fremder im Fall der Rückkehr in sein Heimatland vorfinden würde, für sich betrachtet nicht ausreicht, um eine innerstaatliche Fluchtalternative zu verneinen (vgl. VwGH 26.2.2020, Ra 2019/18/0017, mwN).
11 Weiters erkennt der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung, dass einem gesunden Asylwerber im erwerbsfähigen Alter, der eine der Landessprachen Afghanistans beherrscht, mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates vertraut ist und die Möglichkeit hat, sich durch Gelegenheitstätigkeiten eine Existenzgrundlage zu sichern, die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in bestimmten Gebieten Afghanistans zugemutet werden kann, und zwar selbst dann, wenn er nicht in Afghanistan geboren wurde, dort nie gelebt und keine Angehörigen in Afghanistan hat, sondern im Iran aufgewachsen und dort in die Schule gegangen ist (vgl. VwGH 13.2.2020, Ra 2019/01/0488, mwN).
12 Das Vorbringen, dem Revisionswerber fehle Selbstständigkeit, eine Ausbildung und Berufserfahrung, ist vor dem Hintergrund der Feststellungen des BVwG, nach denen der Revisionswerber volljährig, gesund und arbeitsfähig sei und über mehrjährige Berufserfahrung verfüge, nicht geeignet, die Unvertretbarkeit der Annahme des BVwG, dem Revisionswerber sei in Mazar-e Sharif die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative zumutbar, aufzuzeigen.
13 Mit der bloßen Rüge, die psychische Gesundheit des Revisionswerbers sei trotz eines entsprechend hinterlassenen Eindrucks in der Verhandlung nicht begutachtet worden, wird, ohne näher auf die Umstände des vorliegenden Falls einzugehen, ebenfalls keine Relevanz des damit geltend gemachten Verfahrensmangels aufgezeigt.
14 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 6. August 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020200251.L00Im RIS seit
28.09.2020Zuletzt aktualisiert am
28.09.2020