TE Vwgh Erkenntnis 1997/12/18 95/16/0184

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Veröffentlicht am 18.12.1997
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Index

L10014 Gemeindeordnung Gemeindeaufsicht Gemeindehaushalt
Oberösterreich;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §13 Abs3;
AVG §58 Abs1;
AVG §61 Abs1;
AVG §61 Abs5;
AVG §63 Abs3;
GdO OÖ 1990 §102 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde der L AG in L, vertreten durch Binder, Grösswang & Partner, Rechtsanwälte in Wien I, Tuchlauben 7a, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 23. Mai 1995, Gem - 7.567/1 ad - 1995 - Wa, betreffend Getränkesteuer (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde Lenzing), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schreiben vom 30. Dezember 1993 teilte die Beschwerdeführerin mit, daß sie unter Bezugnahme auf § 3 lit. d O.Ö. Gemeinde-GetränkesteuerG die Abgabe der Getränkesteuervoranmeldung mit Oktober 1993 einstelle. Sie sei nach der zitierten Bestimmung von der Entrichtung der Getränkesteuer befreit, da sie nur Getränke im Rahmen einer üblichen Personalverpflegung abgebe. Gleichzeitig beantragte die Beschwerdeführerin die Refundierung der von ihr bezahlten Getränkesteuer für die Jahre 1989 bis 1993 im Gesamtausmaß von öS 650.505,03.

Diesen Antrag lehnte der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde mit Bescheid vom 12. Juli 1994 ab und führte darin aus, daß die Getränkeabgabe nicht auf das Personal der Beschwerdeführerin allein beschränkt sei, sondern auch Nicht-Firmenangehörige die Kantine aufsuchen könnten und dort das Mittagessen und Getränke gegen Entgelt einnehmen würden. Die Beschwerdeführerin beliefere auch andere Unternehmen und biete Partyservice an. Weiters strebe die Küchenleitung an, selbst an die Gemeinde für deren Betriebe und deren Personal Essenlieferungen zu tätigen. Im Kantinenbetrieb sei keine "übliche Personalverpflegung" zu sehen, es sei für einen Chemiebetrieb nicht "üblich", daß im Rahmen einer Personalverpflegung gegen Entgelt Getränke abgegeben werden. Lediglich die kostenlose Beistellung von Tee sowie Getränken an Arbeitsstellen mit hoher Hitzeausstrahlung könne als übliche Personalverpflegung angesehen werden.

Mit Berufung vom 26. September 1994 begehrte die Beschwerdeführerin die Herabsetzung der für die Jahre 1989 bis 1993 festgesetzten Getränkesteuer auf öS 32.525,26. In ihrer Begründung führte die Beschwerdeführerin u.a. aus, daß der Gesetzgeber nicht definiere, was unter "üblicher Personalverpflegung" zu verstehen sei. Dieser unbestimmte Gesetzesbegriff sei dahingehend auszulegen, daß insbesondere die gerade in Chemiebetrieben gegebenen Belastungen der Arbeitnehmer durch Emissionen die Abgabe von Getränken im Kantinenbetrieb als "übliche Personalverpflegung" erscheinen lassen. Der Umstand, daß im Kantinenbetrieb gegen Entgelt auch an betriebsfremde Personen ausgeschenkt werde, führe nicht dazu, daß die Getränkesteuerbefreiung auch bei Abgabe von Getränken an Betriebsangehörige dem Grunde nach wegfalle. Die entgeltliche Lieferung bestimmter Getränke an Nichtpersonal, bei welchem es sich um Personen handle, die sich berufsbedingt auf dem Werksgelände der Beschwerdeführerin aufhielten, führe lediglich im Hinblick auf die an diese Personen abgegebenen Getränke zum Entstehen einer Getränkesteuerpflicht. Die an Betriebsfremde abgegebene Menge an Getränken betrage erfahrungsgemäß etwa 5 % der Lieferungen des Kantinenbetriebs, sodaß sich die Getränkesteuer auf den anerkannten Betrag reduziere.

Mit Bescheid des Gemeinderates vom 27. März 1995 wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. In ihrer Begründung führte die Berufungsbehörde aus, daß die teilweise bestehende Umweltbelastung am Arbeitsplatz den Ausschank von Milch, Tee oder Analytgetränken als "übliche Personalverpflegung" rechtfertigen würde, der Rahmen einer üblichen Personalverpflegung jedoch durch die entgeltliche Verabreichung von Getränken in einem Kantinenbetrieb, der nunmehr in der Öffentlichkeit als "Restaurantbetrieb" angepriesen werde, überschritten werde. Ebenso wie es Tradition der Beschwerdeführerin sei, die Arbeitnehmer im Betrieb zu verköstigen, sei es für die Beschwerdeführerin üblich gewesen, die Getränkesteuer zu entrichten. Mit dieser jahrelangen Übung habe sich die Beschwerdeführerin dahingehend präkludiert, daß es sich bei ihrer Getränkeausschank um keine übliche Personalverpflegung handeln könne.

Die Berufung enthielt nachstehende Belehrung:

"VORSTELLUNGSBELEHRUNG:

Gegen den gegenständlichen Bescheid des Gemeinderates der Marktgemeinde Lenzing ist ein ordentliches Rechtsmittel nicht mehr zulässig. Wohl aber ist gemäß § 102 der OÖ. Gemeindeordnung 1990 eine Vorstellung möglich, die innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des gegenständlichen Bescheides schriftlich oder telegrafisch beim Gemeindeamt Lenzing einzubringen ist.

Die Vorstellung hat den Bescheid zu bezeichnen, gegen den sie sich richtet, sie hat einen begründeten Antrag zu enthalten und hat keine aufschiebende Wirkung. Die Vorstellung wird der Aufsichtsbehörde zu weiteren Entscheidung vorgelegt."

Mit Schreiben vom 29. März 1995 erhob die Beschwerdeführerin nachstehende Vorstellung:

"Betrifft: Bescheid vom 27.3.1995

Vorstellung gemäß § 102 OÖ.Gemeindeordnung 1990

Sehr geehrte Damen und Herren

Innerhalb offener Frist ergreifen wir die Möglichkeit der Vorstellung gemäß § 102 OÖ.Gemeindeordnung 1990 und bitten sie unsere durch Bescheid vom 27.3.1995 abgewiesene Berufung vom 26.9.1994 gegen den Bescheid vom 12.7.1994, durch die wir Getränkesteuerbefreiung und Refundierung der Getränkesteuer begehren, der Aufsichtsbehörde zur weiteren Entscheidung vorzulegen."

Mit nunmehr bekämpftem Bescheid vom 23. Mai 1995 wies die Vorstellungsbehörde die Vorstellung der Beschwerdeführerin als unzulässig zurück. In ihrer Begründung verwies die belangte Behörde auf § 102 der O.Ö. GemeindeO 1990, LGBl. 91/1990, und führte aus, daß dem Schreiben der Beschwerdeführerin vom 29. März 1995 in "keinster" Weise eine Begründung zu entnehmen sei, worin die Unrichtigkeit des bekämpften Bescheides gelegen sein sollte. Das Gesetz verlange nicht nur einen Antrag schlechthin, sondern überdies eine Darlegung, aus welchen Gründen der angefochtene Bescheid bekämpft wird.

Mit der vorliegenden Beschwerde erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Sachentscheidung dadurch verletzt, daß die belangte Behörde ihre Vorstellung unter fehlerhafter Handhabung der Verfahrensvorschriften zurückgewiesen habe. Der angefochtene Bescheid sei daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 102 Abs. 2 der O.Ö. GemeindeO 1990, LGBl. 91/1990, ist die Vorstellung innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Bescheides schriftlich oder telegrafisch bei der Gemeinde einzubringen; sie hat den Bescheid zu bezeichnen, gegen den sie sich richtet und einen begründeten Antrag zu enthalten.

Was das zuletzt genannte Erfordernis betrifft, unterscheidet sich diese Bestimmung nicht von der des § 63 Abs. 3 AVG; auch danach hat das Rechtsmittel (dort: die Berufung) einen begründeten (Berufungs-)Antrag zu enthalten.

Wie der Verwaltungsgerichtshof bezugnehmend auf die zuletzt zitierte Bestimmung ausgesprochen hat, soll bei der Auslegung des Merkmales eines begründeten Berufungsantrages kein strenger (formalistischer) Standpunkt angelegt werden, weil es sich dabei um eine Vorschrift handelt, die sich auch an rechtsunkundige Parteien richtet (hg. Erkenntnis vom 9. Juli 1985, 85/07/0080 m.w.N). Dies wurde auch zu § 102 Abs. 2 OÖ GemeindeO ausgesprochen und betont, daß der Inhalt des Vorbringens einer Partei "verständig" zu werten ist (hg. Erkenntnis vom 20. Februar 1987, 85/17/0096, m.w.N.).

Der vom Gesetz geforderte Inhalt des Rechtsmittels kann nicht durch einen bloßen Hinweis auf ein anderes, in den Akten befindliches Schriftstück substituiert werden, wenn aus diesem Schriftstück nicht ohne weiteres erkennbar ist, womit der Beschwerdeführer seinen Standpunkt vertreten zu können glaubt (hg. Erkenntnis vom 14. Februar 1989, Zl. 89/07/0012). Die Beschwerdeführerin hat in ihrem Schreiben vom 29. März 1995 zwar wohl auf ihre im Akt erliegende Berufung vom 26. September 1994 verwiesen; wörtlich spricht die Beschwerdeführerin in der Vorstellung davon, daß sie in der Berufung die Getränkesteuerbefreiung und Refundierung der Getränkesteuer begehrte.

Damit wird allerdings nicht dargetan, worin die Unrichtigkeit der bekämpften Berufungsentscheidung gelegen sein soll. Das Gesetz verlangt ja eine Begründung, das bedeutet die Darlegung, aus welchen Gründen der angefochtene Bescheid bekämpft wird (Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, E 6 zu § 63 Abs. 3 AVG).

Es fehlt weiters an einem (Vorstellungs-)Antrag, weil bloß begehrt wird, daß "die Berufung" der Aufsichtsbehörde zur Entscheidung "vorgelegt" wird.

Abgesehen davon, daß die Aufsichtsbehörde zur Entscheidung über die Berufung unzuständig ist, liegt ein bestimmtes Begehren, wie die angerufene Behörde entscheiden soll, überhaupt nicht vor, sodaß auch dieses Erfordernis des § 63 Abs. 3 AVG bzw. 102 Abs. 2 der Oö Gemeindeordnung nicht erfüllt wird.

Der Beschwerdeführerin kam auch nicht das Recht zu, den Mangel ihrer Vorstellung innerhalb einer bestimmten Frist zu verbessern. Das Fehlen eines begründeten (Berufungs- wie) Vorstellungsantrages ist ein inhaltlicher und daher nicht der Verbesserung zugänglicher Mangel, wenn in der Rechtsmittelbelehrung auf dieses Erfordernis hingewiesen wurde (Hauer/Leukauf, a.a.O., E 22a zu § 63 Abs. 3 AVG). Verfehlt ist schließlich die Auffassung der Beschwerdeführerin, ihr sei mit Schreiben der belangten Behörde vom 28. April 1995 ein Verbesserungsauftrag erteilt worden. Mit diesem Schreiben hat die belangte Behörde lediglich ihre Rechtsauffassung zur erhobenen Vorstellung kundgetan und der Beschwerdeführerin freigestellt, hierzu binnen vier Wochen eine Stellungnahme abzugeben. Keinesfalls diente dieses Schreiben dazu, der Beschwerdeführerin ein Recht auf Mängelbehebung einzuräumen, wozu kommt, daß ein gesetzwidrig erteilter Mängelbehebungsauftrag kein subjektives Recht der Partei schaffen würde, ein unzulässiges Rechtsmittel unter Bedachtnahme auf eine erfolgte Mängelbehebung als zulässig zu behandeln (Hauer/Leukauf a.a.O., E 20a zu § 63 Abs. 3 AVG). Damit erwies sich die Beschwerde insgesamt als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

RechtsmittelbelehrungVerbesserungsauftrag AusschlußVerbesserungsauftrag Ausschluß Berufungsverfahren Fehlen des begründeten Rechtsmittelantrages

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995160184.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

21.02.2013
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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