Entscheidungsdatum
08.07.2020Norm
GewO 1994 §111 Abs1 Z2Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch die Richterin MMag. Dr. Cervenka-Ehrenstrasser über die Beschwerde der A KG, vertreten durch B Rechtsanwälte GmbH, ***, ***, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha vom 20. Mai 2020, ***, betreffend Entziehung der Gewerbeberechtigung zu Recht:
1. Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrens-
gesetz (VwGVG) Folge gegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.
2. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshof-
gesetz 1985 (VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Die A KG war seit 4.3.2008 Inhaberin der Gewerbeberechtigung für das reglementierte Gewerbe „Gastgewerbe gemäß § 111 Abs. 1 Z. 2 Gewerbeordnung 1994 Betriebsart: Restaurant“.
Mit Mandatsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha vom 20. April 2020, ***, wurde der A KG die Gewerbeberechtigung gemäß § 87 Abs. 1 Z. 3 Gewerbeordnung 1994, § 57 Abs. 1 AVG 1991 entzogen.
Dagegen hat die A KG, vertreten durch B Rechtsanwälte GmbH, ***, ***, fristgerecht Vorstellung erhoben und eine Reihe von Beweisanträgen, unter anderem die Einvernahme von namentlich genannten Zeugen beantragt.
Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha vom 20. Mai 2020, ***, wurde gemäß § 57 Abs. 3 AVG 1991 die Entziehung der Gewerbeberechtigung bestätigt und gemäß § 13 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen den Bescheid ausgeschlossen.
Zur Begründung wurde vorgebracht, dass Beweis erhoben worden sei durch Einsichtnahme in die Anzeige der Polizeiinspektion *** vom 14. April 2020, die Vorstellung der A KG vom 5. Juni 2020 samt den beigelegten Fotos sowie in die Facebook-Seite des C.
Demnach stehe fest, dass am 13. April 2020 im Lokal der Gewerbeinhaberin mehrere Personen gleichzeitig direkt vor Ort Speisen bestellt hätten und dabei der Mindestabstand von 1 m nicht eingehalten worden sei. Auch am 20. März 2020 seien ebenfalls Speisen direkt im Lokal bestellt und verkauft worden. Herr D sei am 20.3.2020 auf den Verstoß aufmerksam gemacht worden, für den Fall des neuerlichen Zuwiderhandelns sei die Anzeigeerstattung angedroht worden. Am 13. April 2020 habe die Polizeiinspektion *** Anzeige gegen D erstattet, dieser habe sich dabei uneinsichtig gezeigt.
§ 3 Abs. 6 der Verordnung betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 diene der Verhütung und Bekämpfung der Verbreitung von COVID-19 und damit dem Schutz von Menschenleben. Gegen diese Maßnahme habe D am 20. März 2020 und am 13. April 2020 sowohl in Bezug auf die Vorbestellung der Speisen als auch in Bezug auf die Einhaltung des Mindestabstandes von 1 m verstoßen. Der trotz Ermahnung erfolgte neuerliche Verstoß sowie seine Uneinsichtigkeit gegenüber dem Polizeibeamten zeige die besonders fahrlässige und rücksichtslose Art und Weise, mit der die Schutzziele dieser Regelungen durch ihn verletzt worden seien. Er sei daher nicht mehr als zuverlässig im Sinn des § 87 Abs. 1 Z. 3 Gewerbeordnung 1994 anzusehen. Um weitere Kunden sowie Personal vor einer möglichen Ansteckung mit COVID-19 durch den Verstoß gegen die COVID-Maßnahmen im C zu schützen, sei von der Behörde Gefahr in Verzug im Sinne des § 57 Abs. 1 AVG anzunehmen gewesen, weshalb sie berechtigt sei, einen Mandatsbescheid gemäß § 57 Abs. 1 AVG zu erlassen.
Weiters wurde mit diesem Bescheid einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt, da die vorzeitige Vollstreckung dieses Bescheides im Interesse der Verhütung und Bekämpfung der Verbreitung von COVID-19 sowie dem Schutz von Menschenleben und damit im öffentlichen Interesse wegen Gefahr im Verzug dringend geboten gewesen sei.
Dagegen hat die A KG, vertreten durch B Rechtsanwälte GmbH, ***, ***, fristgerecht Beschwerde erhoben und beantragt, dass Landesverwaltungsgericht Niederösterreich möge nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung den angefochtenen Bescheid ersatzlos aufheben, in eventu aufheben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an die Behörde erster Instanz zurückverweisen. Weiters wurde beantragt, der gegenständlichen Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Es wurden Rechtswidrigkeit des Inhalts sowie Rechtswidrigkeit des Verfahrens geltend gemacht.
Dazu wurde zunächst vorgebracht, dass der von der Behörde festgestellte Sachverhalt nicht mit den Beweisergebnissen in Einklang zu bringen sei. Die Beschwerdeführerin habe durch Hinweisschilder am Lokal sowie Hinweise auf Facebook darauf hingewiesen, dass die Vorbeugungsmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von Covid-19 strikt einzuhalten seien. Es sei Wert auf die Einhaltung dieser Bestimmungen gelegt worden und dies auch klar an die Mitarbeiter kommuniziert worden. Die Behörde habe sich auch mit dem Vorbringen, wonach am 20.3.2020 ein uniformierter Polizist eine Bestellung aufgegeben und abgeholt habe, nicht auseinandergesetzt und diesbezüglich keine weiteren Erhebungen durchgeführt. Es sei nicht richtig, dass der Geschäftsinhaber uneinsichtig und unfreundlich gewesen sei, er habe insbesondere gegenüber dem Polizeibeamten ausdrücklich angegeben, dass er die Leute immer wieder darauf hinweisen würde, dass sie vorbestellen müssten. Er werde ihnen auch sagen, dass sie vorab bestellen müssten. Es sei somit nicht ersichtlich, inwiefern er uneinsichtig gewesen sein solle. Gerade im Hinblick auf die angebrachten Hinweistafeln habe er jedenfalls keine Verfehlung begangen.
Weiters wurde vorgebracht, dass die in der Vorstellung beantragten Zeugen von der Behörde nicht einvernommen worden seien, die Beweiswürdigung selbst sei weder schlüssig noch nachvollziehbar, zumal die Aussagen des Zeugen in sich widersprüchlich seien.
In rechtlicher Hinsicht wurde vorgebracht, dass die Bestimmungen im Zusammenhang mit Covid-19 für sämtliche Beteiligten Neuland darstellen würden, wodurch es insbesondere für Gewerbetreibende nahezu unmöglich gewesen sei, sämtliche Bestimmungen auf Punkt und Beistrich einzuhalten. Es sei auch zu berücksichtigen, dass die maßgeblichen Bestimmungen zum Teil nicht konkret verfasst worden seien und diesbezüglich laufend Änderungen vorgenommen worden seien. Bis zur Kenntnis des Newsletters der Wirtschaftskammer Österreich vom 20. März 2020 habe sich die Beschwerdeführerin auch gar keine konkreten und offiziellen Informationen dahingehend beschaffen können, ob nun eine Abholung von Speisen und Getränken Gastgewerbebetrieben erlaubt sei oder nicht. Im Übrigen habe sie auch aufgrund des Umstandes, dass am 20. März 2020 ein uniformierter Exekutivbeamter eine Bestellung aufgegeben und abgeholt habe, darauf vertrauen dürfen, dass ihr Handeln rechtmäßig gewesen sei.
Zudem verkenne die belangte Behörde, dass die maßgeblichen Bestimmungen eben nur als Übergangsbestimmungen gedient hätten und bereits deshalb ein Verstoß gegen jene Regelungen in Zukunft ohnehin ausscheide. Im Hinblick darauf könne eine Vertrauensunwürdigkeit des Geschäftsinhabers schon denkmöglich nicht gegeben sein. Der Entzug der Gewerbeberechtigung - ohne davor eine formelle Verwarnung oder eine Strafe auszusprechen - sei jedenfalls unverhältnismäßig, dies insbesondere auch vor dem Hintergrund des verfassungsgesetzlich verankerten Rechts auf Erwerbsfreiheit nach Art. 6 StGG. Durch den angeordneten Entzug der Gewerbeberechtigung werde die Beschwerdeführerin ihrer wirtschaftlichen Existenz beraubt, ohne dass sie bzw. ihre Organe überhaupt zu den Vorwürfen befragt worden seien. Ein derartiger Eingriff widerspreche jedoch dem Grundgedanken des Art. 6 StGG, wobei auch zu beachten sei, dass § 87 Gewerbeordnung 1994 aufgrund des einschneidenden Charakters äußerst restriktiv auszulegen sei.
Schließlich wurde vorgebracht, dass die Behörde jegliches Ermittlungsverfahren unterlassen habe und keine eigenständigen Erhebungen durchgeführt habe, weshalb der Bescheid aufzuheben sei. Insbesondere seien die von der Beschwerdeführerin beantragten Zeugen und Beweisanträge schlicht übergangen worden. Dementsprechend habe der maßgebliche Sachverhalt von der belangten Behörde nicht vollständig erhoben werden können, weshalb auch ein Begründungsmangel vorliege.
Der angefochtene Bescheid leide somit an mehreren wesentlichen Verfahrensmängeln.
Abschließend wurde vorgebracht, dass auch darauf zu verweisen sei, dass die maßgeblichen Bestimmungen, hinsichtlich derer ein Verstoß behauptet werde, mittlerweile gar nicht mehr in Kraft seien. Es könne daher keinesfalls davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführerin die erforderliche Zuverlässigkeit hinsichtlich der Einhaltung dieser Bestimmungen fehlen solle. Insbesondere könne deshalb auch gar keine Gefahr im Verzug gegeben sein, da ein weiterer Verstoß gegen diese Regelungen schon denklogisch ausscheide. In Hinblick auf die Schwere der vorgeworfenen Verletzungen sei ein Entzug der aufschiebenden Wirkung jedenfalls unverhältnismäßig.
Dadurch werde auch das Recht der Beschwerdeführerin auf ein faires Verfahren verletzt, da ohne Durchführung eines Beweisverfahrens und ohne Anhörung der Beschwerdeführerin ein Rechtsverstoß der Beschwerdeführerin angenommen werde, was jedenfalls einer Vorverurteilung gleichkomme.
Da die Führung eines langwierigen Verfahrens daher für die Beschwerdeführerin eine unbillige Härte darstellen würde und Gefahr in Verzug gänzlich auszuschließen sei, sei für den Entzug der aufschiebenden Wirkung keine Grundlage erkennbar. Es wurde daher beantragt, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Mit Schreiben vom 2. Juli 2020 hat die Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha die Beschwerde und den bezughabenden Verwaltungsakt dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich mit dem Ersuchen um Entscheidung vorgelegt. Unter einem wurde bekannt gegeben, dass auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet werde.
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat dazu wie folgt erwogen:
Von folgenden entscheidungsrelevanten Feststellungen ist auszugehen:
Die A KG war seit 4.3.2008 Inhaberin der Gewerbeberechtigung für das reglementierte Gewerbe „Gastgewerbe gemäß § 111 Abs. 1 Z. 2 Gewerbeordnung 1994 Betriebsart: Restaurant“.
Mit einem Bericht vom 13. April 2020 informierte die Landespolizeidirektion Niederösterreich die Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha über einen Vorfall am 13. April 2020, 16:05 Uhr im Lokal C der A KG, wonach um 15:45 Uhr Kunden im Lokal Speisen bestellt hätten, ohne dass der erforderliche Covid-19-Mindestabstand eingehalten worden sei. Ein ähnlicher Vorfall habe sich bereits am 20. März 2020 ereignet.
Mit Mandatsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha vom 20. April 2020, ***, wurde der A KG die Gewerbeberechtigung gemäß § 87 Abs. 1 Z. 3 Gewerbeordnung 1994, § 57 Abs. 1 AVG 1991 entzogen.
Dagegen hat die A KG, vertreten durch B Rechtsanwälte GmbH, ***, ***, fristgerecht Vorstellung erhoben und eine Reihe von Beweisanträgen, unter anderem die Einvernahme von namentlich genannten Zeugen beantragt.
Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha vom 20. Mai 2020, ***, wurde gemäß § 57 Abs. 3 AVG 1991 die Entziehung der Gewerbeberechtigung bestätigt und gemäß § 13 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen den Bescheid ausgeschlossen.
Eine Strafverfügung oder ein Straferkenntnis ist gegen D wegen der Vorfälle am 20.3.2020 und am 13.4.2020 nicht ergangen.
Die A KG ist im Firmenbuch unter der Firmenbuchnummer *** eingetragen, unbeschränkt haftender Gesellschafter ist D, geboren ***, welcher seit 26.2.2008 die Gesellschaft selbstständig vertritt.
Nach Einlangen der Vorstellung gegen den Mandatsbescheid hat die belangte Behörde Einsicht in den Facebook-Eintrag des C genommen, darüber hinausgehende Ermittlungsschritte wurden nicht gesetzt.
Eine Verfahrensanordnung gemäß § 91 Abs. 2 Gewerbeordnung 1994 wurde nicht erlassen.
Der dargelegte maßgebliche Verfahrensgang und die festgestellten Tatsachen beruhen auf dem vorgelegten Verwaltungsakt, an dessen Richtigkeit und Vollständigkeit keine Zweifel bestehen, sowie ergänzend auf einer Einsichtnahme in das Firmenbuch zur Firmenbuchnummer *** betreffend die A KG. Im vorgelegten Verwaltungsakt sind nach Einlangen der Vorstellung bei der Behörde gegen den Mandatsbescheid vom 20. April 2020 Fotos von der Facebook-Seite des C der nunmehrigen Beschwerdeführerin enthalten, dass eine Verfahrensanordnung gemäß § 91 Abs. 2 Gewerbeordnung 1994 erlassen wurde, geht aus dem Verwaltungsakt nicht hervor, sodass ebenfalls eine entsprechende Feststellung zu treffen war. Ebenso liegt im Akt keine Strafverfügung oder Straferkenntnis gegen D inne, sodass eine entsprechende Feststellung zu treffen war.
In rechtlicher Hinsicht wurde vom Landesverwaltungsgericht Niederösterreich wie folgt erwogen:
Gemäß § 17 VwGVG sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles ... und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Folgende rechtliche Bestimmungen kommen zur Anwendung:
§ 56 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) lautet:
Der Erlassung eines Bescheides hat, wenn es sich nicht um eine Ladung (§ 19) oder einen Bescheid nach § 57 handelt, die Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes, soweit er nicht von vornherein klar gegeben ist, nach den §§ 37 und 39 voranzugehen.
§ 57 AVG lautet:
(1) Wenn es sich um die Vorschreibung von Geldleistungen nach einem gesetzlich, statutarisch oder tarifmäßig feststehenden Maßstab oder bei Gefahr im Verzug um unaufschiebbare Maßnahmen handelt, ist die Behörde berechtigt, einen Bescheid auch ohne vorausgegangenes Ermittlungsverfahren zu erlassen.
(2) Gegen einen nach Abs. 1 erlassenen Bescheid kann bei der Behörde, die den Bescheid erlassen hat, binnen zwei Wochen Vorstellung erhoben werden. Die Vorstellung hat nur dann aufschiebende Wirkung, wenn sie gegen die Vorschreibung einer Geldleistung gerichtet ist.
(3) Die Behörde hat binnen zwei Wochen nach Einlangen der Vorstellung das Ermittlungsverfahren einzuleiten, widrigenfalls der angefochtene Bescheid von Gesetzes wegen außer Kraft tritt. Auf Verlangen der Partei ist das Außerkrafttreten des Bescheides schriftlich zu bestätigen.
§ 87 Abs. 1 Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) lautet auszugsweise:
(1) Die Gewerbeberechtigung ist von der Behörde (§ 361) zu entziehen, wenn
...
3.
der Gewerbeinhaber infolge schwerwiegender Verstöße gegen die im Zusammenhang mit dem betreffenden Gewerbe zu beachtenden Rechtsvorschriften und Schutzinteressen, insbesondere auch zur Wahrung des Ansehens des Berufsstandes, die für die Ausübung dieses Gewerbes erforderliche Zuverlässigkeit nicht mehr besitzt…
Schutzinteressen gemäß Z 3 sind insbesondere die Hintanhaltung der illegalen Beschäftigung, der Kinderpornographie, des Suchtgiftkonsums, des Suchtgiftverkehrs, der illegalen Prostitution sowie der Diskriminierung von Personen aus dem Grund ihrer Rasse, ihrer Hautfarbe, ihrer nationalen oder ethnischen Herkunft, ihres religiösen Bekenntnisses oder einer Behinderung (Art. III Abs. 1 Z 3 des Einführungsgesetzes zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 2008 – EGVG, BGBl. I Nr. 87/2008). Die erforderliche Zuverlässigkeit im Sinne der Z 3 liegt auch dann nicht vor, wenn eine Eintragung eines Unternehmens in die Liste gemäß § 8 Abs. 10 Sozialbetrugsbekämpfungsgesetz – SBBG, BGBl. I Nr. 113/2015, aufgrund des § 8 Abs. 3 Z 4 SBBG vorliegt.
§ 91 Abs. 2 GewO 1994 lautet:
(2) Ist der Gewerbetreibende eine juristische Person oder eine eingetragene Personengesellschaft und beziehen sich die im § 87 angeführten Entziehungsgründe oder der in § 85 Z 2 angeführte Endigungsgrund sinngemäß auf eine natürliche Person, der ein maßgebender Einfluß auf den Betrieb der Geschäfte zusteht, so hat die Behörde (§ 361) dem Gewerbetreibenden eine Frist bekanntzugeben, innerhalb der der Gewerbetreibende diese Person zu entfernen hat. Hat der Gewerbetreibende die genannte natürliche Person innerhalb der gesetzten Frist nicht entfernt, so hat die Behörde die Gewerbeberechtigung zu entziehen.
Die belangte Behörde hat aufgrund eines Berichts der Landespolizeidirektion Niederösterreich über Vorfälle im Lokal der nunmehrigen Beschwerdeführerin einen Mandatsbescheid gemäß § 57 AVG erlassen und die Gewerbeberechtigung entzogen.
Gemäß § 57 Abs. 1 AVG ist die Behörde, wenn es sich bei Gefahr im Verzug um unaufschiebbare Maßnahmen handelt, berechtigt, einen Bescheid auch ohne vorausgegangenes Ermittlungsverfahren zu erlassen („Mandatsbescheid“).
Ein nach dieser Bestimmung erlassener Mandatsbescheid bleibt (nur) so lange aufrecht („Gegenstand der Rechtsordnung“, vgl. Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, S. 683), bis der Vorstellungsbescheid (ein Bescheid gemäß § 56 AVG) an seine Stelle tritt (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG, Rz 37 zu § 57) bzw. ihn ersetzt, wobei das Mandat in jede Richtung aufgrund der im Zeitpunkt der Erlassung des (Vorstellungs-)Bescheides bestehenden Sach- und Rechtslage zu überprüfen ist (vgl. Hengstschläger/Leeb, aaO, Rz 48 zu § 57). Ob die Voraussetzung des § 57 Abs. 1 AVG („unaufschiebbare Maßnahmen bei Gefahr im Verzug“) aktuell, also im Zeitpunkt seiner Entscheidung, vorliegt, hat das Landesverwaltungsgericht daher nicht zu prüfen; es erübrigt sich daher auch die Frage, ob es sich bei der Entziehung der Gewerbeberechtigung mittels Mandatsbescheid um eine geeignete bzw. verhältnismäßige unaufschiebbare Maßnahme handelt, ist sie doch als ultima ratio ein massiver Eingriff in das verfassungsgesetzlich verankerte Recht auf Erwerbsfreiheit nach Art. 6 Staatsgrundgesetz.
Gegenstand des Verfahrens ist der infolge der Vorstellung gegen den gegenständlichen Mandatsbescheid erlassene Vorstellungsbescheid aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens.
Abgesehen davon, dass in diesem Bescheid vom 20. Mai 2020 die Rechtsgrundlage mit § 57 Abs. 3 AVG 1991 falsch angegeben wird, da es sich dabei jedenfalls um einen Bescheid gemäß § 56 AVG 1991 handelt, ist dieser Bescheid auch aus folgenden Gründen mit Rechtswidrigkeit behaftet:
Gemäß § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 ist die Gewerbeberechtigung von der Behörde zu entziehen, wenn der Gewerbeinhaber infolge schwerwiegender Verstöße gegen die im Zusammenhang mit dem betreffenden Gewerbe zu beachtenden Rechtsvorschriften und Schutzinteressen, insbesondere auch zur Wahrung des Ansehens des Berufsstandes, die für die Ausübung dieses Gewerbes erforderliche Zuverlässigkeit nicht mehr besitzt.
Anders als beim Entziehungsgrund des § 87 Abs. 1 Z. 1 setzt der Entziehungsgrund des § 87 Abs. 1 Z. 3 nicht eine gerichtliche oder verwaltungsstrafrechtliche Verurteilung wegen der in dieser Gesetzesstelle genannten schweren Verstöße voraus. Der Tatbestand kann auch ohne Vorliegen von rechtskräftigen Bestrafungen verwirklicht sein. Dazu ist allerdings erforderlich, dass die Behörde nach Durchführung eines entsprechenden Ermittlungsverfahrens unter Wahrung des Parteiengehöres Feststellungen über die konkreten Tathandlungen trifft (vgl. Grabler/Stolzlechner/Wendl, Kommentar zur GewO, 3. Aufl., 2001, § 87, Rz. 14 mit Verweis auf VwGH 18.5.2009, 2005/04/0029; vgl. auch VwGH 29.6.2005, 2005/04/0012). Dass ein derartiges Ermittlungsverfahren unter Wahrung des Parteiengehöres durchgeführt worden wäre, ist dem vorgelegten Verwaltungsakt nicht zu entnehmen, insbesondere geht aus der Beweiswürdigung auf Seite 4 des angefochtenen Bescheides hervor, dass Beweis lediglich erhoben wurde durch Einsichtnahme in die Anzeige der Polizeiinspektion *** vom 14.4.2020, die Vorstellung der A KG samt den beigelegten Fotos sowie in die Facebook-Seite des C. Die belangte Behörde hat weder die in der Vorstellung beantragten Beweise aufgenommen, noch der nunmehrigen Beschwerdeführerin Parteiengehör eingeräumt.
Schließlich ist festzuhalten, dass es sich bei der Gewerbeinhaberin um eine Kommanditgesellschaft handelt. Ist der Gewerbetreibende eine juristische Person oder eine eingetragene Personengesellschaft und beziehen sich die im § 87 angeführten Entziehungsgründe sinngemäß auf eine natürliche Person, der ein maßgebender Einfluss auf den Betrieb der Geschäfte zusteht, so hat die Behörde gemäß § 91 Abs. 2 Gewerbeordnung 1994 dem Gewerbetreibenden eine Frist bekanntzugeben, innerhalb der der Gewerbetreibende diese Person zu entfernen hat. Hat der Gewerbetreibende die genannte natürliche Person innerhalb der gesetzten Frist nicht entfernt, so hat die Behörde die Gewerbeberechtigung zu entziehen.
Voraussetzung für eine Entziehung der Gewerbeberechtigung gemäß § 91 Abs. 2 GewO 1994 ist somit, dass der Tatbestand des § 85 Z. 2 oder einer der in § 87 genannten Tatbestände gegeben ist und dass sich dieser Endigungs- bzw. Entziehungsgrund auf eine natürliche Person mit maßgebenden Einfluss auf den Betrieb der Geschäfte der juristischen Person oder eingetragenen Personengesellschaft bezieht. Die Aufforderung iSd § 91 Abs. 2 GewO 1994 stellt eine Voraussetzung für die Entziehung der Gewerbeberechtigung dar.
Diese Aufforderung ist mangels eines rechtserzeugenden oder rechtsfeststellenden Inhaltes kein Bescheid. Aus dem akzessorischen Charakter einer Entziehung nach § 91 Abs. 2 GewO 1994 folgt aber, dass diese nicht auf einen Entziehungstatbestand gegründet werden darf, der nicht Gegenstand der vorausgegangenen Aufforderung war (vgl. VwGH 11.11.2015, Ra 2015/04/0063 mit Hinweis auf E vom 18.2.2009, 2008/04/0213 mit Verweis auf E vom 24.1.1995, 94/04/0221). Durch die Aufforderung nach § 91 Abs. 2 GewO 1994 wird die Sache des gegenständlichen Entziehungsverfahrens festgelegt, welche auch die in dieser Aufforderung angeführten für die Entfernung der genannten natürlichen Person bestimmenden Gründe umfasst (vgl. VwGH 11.11.2015, Ra 2015/04/0063 mit Hinweis auf E vom 2.2.2012, 2011/04/0197 mwN).
Dazu wurde nun festgestellt, dass eine entsprechende Verfahrensanordnung gemäß § 91 Abs. 2 GewO 1994 an die nunmehrige Beschwerdeführerin nicht ergangen ist. Da die Aufforderung im Sinn von § 91 Abs. 2 GewO 1994 eine Voraussetzung für die Gewerbeentziehung darstellt und dieser voranzugehen hat, war der gegenständlich angefochtene Bescheid aufzuheben.
Mit der Entscheidung in der Sache werden Anträge auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gegenstandslos und kann ein gesonderter Abspruch hierüber entfallen (VwGH 30.1.2015, Ra 2014/02/0174).
Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z. 1 VwGVG entfallen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht das gegenständliche Erkenntnis von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen. Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Schlagworte
Gewerbliches Berufsrecht; Gastgewerbe; Entziehung; Gewerbeberechtigung;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2020:LVwG.AV.698.001.2020Zuletzt aktualisiert am
31.08.2020