Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 29. Juli 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer, Mag. Michel, Mag. Fürnkranz und Dr. Brenner in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Part in der Strafsache gegen Wasef S***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 1 Z 1 und Abs 2 Z 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft sowie die Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten Nour T***** gegen das Urteil des Landesgerichts Steyr als Schöffengericht vom 5. Dezember 2019, GZ 15 Hv 70/19g-233, weiters die Beschwerde dieses Angeklagten gegen den zugleich ergangenen Beschluss auf Verlängerung einer Probezeit nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden Wasef S*****, Hassan K*****, Mohammad T*****, Teoman A*****, Ata Sa*****, Marcus St***** und Christine F***** jeweils des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 15, 127, 129 Abs 1 Z 1, Abs 2 Z 1 StGB sowie Nour T***** und Alexandra P***** (richtig) jeweils des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 1 Z 1 und Abs 2 Z 1 und 15 StGB schuldig erkannt.
Danach haben in Steyr und andernorts
(A)I) Mohammad T***** und Sa***** am 31. Juli 2019 im bewussten und gewollten Zusammenwirken (§ 12 erster Fall StGB) Sieglinde M***** und Reinhard M***** fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld und Wertgegenstände, durch Einbruch in eine Wohnstätte mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz wegzunehmen versucht, indem sie sich auf das Grundstück der Opfer begaben und Sa***** eine Fensterscheibe ihres Wohnhauses einschlug, um sich Zutritt zu verschaffen, wobei es lediglich auf Grund polizeilichen Einschreitens beim Versuch blieb, und
II) mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz sonst zur Ausführung der zu I genannten strafbaren Handlung beigetragen (§ 12 dritter Fall StGB), nämlich
1) K*****, Nour T***** und A*****, indem sie am 31. Juli 2019 in einem Fluchtfahrzeug in unmittelbarer Nähe des Tatortes Aufpasserdienste leisteten und in ständigem Kontakt zu den unmittelbaren Tätern standen, um diese vor dem Eintreffen anderer Personen zu warnen und zur Flucht anzuleiten,
2) St***** vor dem 31. Juli 2019, indem er P***** Informationen über die Höhe der zu erwartenden Beute, das Tatobjekt und die (günstigste) Tatzeit mitteilte,
3) P***** vor dem 31. Juli 2019, indem sie die von St***** erhaltenen Informationen samt einem Foto vom Tatobjekt an S***** weiterleitete sowie das Tatobjekt auskundschaftete,
4) F***** vor dem 31. Juli 2019, indem sie gemeinsam mit P***** das Tatobjekt auskundschaftete und ein Foto von diesem anfertigte, und
5) S***** vor dem 31. Juli 2019, indem er die von P***** erhaltenen Informationen über das Tatobjekt samt Foto von diesem an K***** weitergab, weiters
(B)I) Nour T***** am 14. Mai 2019 Johann Z***** fremde bewegliche Sachen in einem 5.000 Euro übersteigenden Wert mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz durch Einbruch in eine Wohnstätte weggenommen, indem er die Balkontür der Wohnung des Opfers aufbrach, einen Tresor mittels eines ihm zuvor bekannt gegebenen Codes öffnete und aus diesem 185.000 Euro Bargeld, Goldmünzen im Wert von 2.400 Euro, Schmuck und Uhren entnahm, und
II) P***** vor dem 14. Mai 2019 mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz sonst zur Ausführung der zu I beschriebenen strafbaren Handlung beigetragen (§ 12 dritter Fall StGB), indem sie den Kontakt zwischen St***** (welcher den Anstoß für die Straftat gegeben und Informationen über das Tatobjekt geliefert hatte) und dem unmittelbaren Täter herstellte.
Hingegen wurde Maan Ka***** von der Anklage freigesprochen, er habe mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz als Mitglied einer kriminellen Vereinigung unter Mitwirkung eines anderen Mitglieds dieser Vereinigung
(I) mit S*****, P***** und St***** vor dem 31. Juli 2019 Mohammad T***** und Sa***** zur Ausführung der zu A/I genannten strafbaren Handlung bestimmt, indem St***** exakte Informationen über die zu erwartende Höhe der Beute, das Tatobjekt und die Vorgehensweise an P*****, diese an Ka***** und dieser in Folge an S***** und Mohammad T***** übermittelte, und
(II) mit P***** vor dem 14. Mai 2019 Nour T***** zur Ausführung der zu B/I genannten strafbaren Handlung bestimmt, indem P***** Informationen über das Tatobjekt und eine geeignete Tatzeit, den Code des Tresors und die zu erwartende Beute an Ka***** und dieser in weiterer Folge an den unmittelbaren Täter weiterleitete.
Rechtliche Beurteilung
Die aus den Gründen der Z 5 und 10 des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft bekämpft den Ka***** betreffenden Freispruch und das Unterbleiben einer Subsumtion nach § 128 Abs 2 StGB hinsichtlich der übrigen Angeklagten. Sie ist nicht im Recht.
Der Mängelrüge zuwider ist die Negativfeststellung zu einem auf eine Beute im Wert von über 300.000 Euro gerichteten Vorsatz der Angeklagten S*****, K*****, Nour T*****, Mohammad T*****, P*****, Sa*****, St***** und F***** nicht unvollständig begründet (Z 5 zweiter Fall). Denn das Erstgericht hat sich ausführlich mit den Ergebnissen der Überwachung von Telefongesprächen (§ 134 Z 3 StPO) mehrerer Angeklagter sowie den Angaben der Angeklagten P***** auseinandergesetzt (US 45 ff und 51 ff). Mit Blick auf das Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) war es nicht verhalten, sich im Urteil mit – von der Beschwerdeführerin unter eigenständiger Würdigung isoliert herausgegriffenen – Details dieser Beweisergebnisse auseinanderzusetzen (RIS-Justiz RS0106642). Im Übrigen haben die Tatrichter ohnehin festgestellt, dass in einem Telefonat zweier Angeklagter von der Hoffnung auf einen Beutewert von über 400.000 Euro die Rede war (US 26), jedoch mängelfrei dargelegt, weshalb dies der getroffenen Negativfeststellung nicht entgegensteht.
Der Inhalt eines vom Angeklagten S***** mit einem Unbekannten „zum Thema Drogenhandel“ geführten Telefonats ist nicht erheblich und daher nicht erörterungsbedürftig.
Welche weiteren Beweisergebnisse das Erstgericht „nicht einmal im Ansatz einer Erörterung zuführte“, unterlässt die Beschwerdeführerin deutlich und bestimmt zu bezeichnen (RIS-Justiz RS0118316 [T5]).
Die begründenden Ausführungen, die Angeklagten hätten zwar in der Hoffnung „auf eine möglichst hohe Beute“ gehandelt, im Zweifel sei jedoch nicht von einem Vorsatz auf einen 300.000 Euro übersteigenden Wert des Diebsguts auszugehen (US 75 f), sind nach Maßgabe von Denkgesetzen und grundlegenden Erfahrungssätzen miteinander vereinbar und daher – dem Beschwerdevorbingen (Z 5 dritter Fall, nominell auch Z 10) zuwider – nicht widersprüchlich.
Im Übrigen erschöpft sich die mit dem Ziel einer Subsumtion nach § 128 Abs 2 StGB ergriffene Rüge darin, die beweiswürdigenden Erwägungen – ohne auf ihre Gesamtheit Bezug zu nehmen (vgl aber RIS-Justiz RS0119370) – und die darauf gestützte Negativfeststellung zur subjektiven Tatseite nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung zu bekämpfen.
Entgegen der gegen den Freispruch gerichteten, Unvollständigkeit reklamierenden Mängelrüge haben die Tatrichter die von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführten Beweisergebnisse (Protokolle über Besuche beim Angeklagten Ka***** in der Justizanstalt, die Aussage der Angeklagten P***** und protokollierte Inhalte zwischen den Angeklagten geführter Telefonate) ausführlich erörtert (US 18, 43 f, 53 ff und 59 f). Dass die dazu im Urteil angestellten Erwägungen gegen Denkgesetze oder grundlegende Erfahrungswerte verstießen, vermag die weitere Rüge (Z 5 vierter Fall) nicht aufzuzeigen (RIS-Justiz RS0118317).
Soweit sie auf – im Urteil ebenfalls berücksichtigte – Verfahrensergebnisse verweist, welche „die Täterschaft des Maan Ka***** belegen“, und eine „nachvollziehbare Auseinandersetzung“ des Erstgerichts „zu diesen Beweisen“ vermisst, übt sie ein weiteres Mal bloß unzulässige Beweiswürdigungskritik.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen (mit Ausnahme jener der Staatsanwaltschaft hinsichtlich Ata Sa*****) und die – gemäß § 498 Abs 3 dritter Satz StPO als erhoben zu betrachtende – Beschwerde des Angeklagten Nour T***** (§§ 285i, 498 Abs 3 vierter Satz StPO).
Im Übrigen wirkte sich die verfehlte Annahme zweier Verbrechen des (mehrfach qualifizierten) Diebstahls bei Nour T***** und P***** (US 5 und 79) nicht konkret zum Nachteil dieser beiden Angeklagten aus und bedurfte daher keiner amtswegigen (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) Korrektur (RIS-Justiz RS0114927). Angesichts dieser Klarstellung ist das Oberlandesgericht bei seiner Entscheidung insoweit nicht an den fehlerhaften Schuldspruch gebunden (RIS-Justiz RS0118870).
Über eine Maßnahme gemäß § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO in Ansehung des den Angeklagten Sa***** betreffenden Strafausspruchs (Z 11 erster Fall) entscheidet der Oberste Gerichtshof gesondert in einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung (§ 285d Abs 2 StPO).
Textnummer
E128946European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2020:0130OS00047.20S.0729.000Im RIS seit
31.08.2020Zuletzt aktualisiert am
01.09.2020