Entscheidungsdatum
16.07.2020Index
90/01 StraßenverkehrsordnungNorm
StVO 1960 §52 litb Z15Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Mag. Dr. Kienast über die Beschwerde des Herrn A. B. gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien, Polizeikommissariat ..., vom 20.03.2020, VStV/..., betreffend Straßenverkehrsordnung (StVO), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 23.6.2020
zu Recht e r k a n n t und v e r k ü n d e t :
I. Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde insoweit Folge gegeben, als die verhängte Geldstrafe von EUR 76 auf EUR 40 und die für den Fall der Uneinbringlichkeit festgesetzte Ersatzfreiheitsstrafe von 1 Tag und 11 Stunden auf 20 Stunden herabgesetzt werden.
Der Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor der Verwaltungsbehörde bleibt bei EUR 10, das ist der gesetzliche Mindestkostenbeitrag.
II. Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hat der Beschwerdeführer keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.
III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Verfahrensgang:
Aufgrund einer privaten Anzeige des Herrn C. D. betreffend einen Pkw mit dem Kennzeichen W-... erstattete das SBK ... am 6.11.2019 eine Anzeige an die belangte Landespolizeidirektion.
Da es sich bei dem angegebenen Kennzeichen um ein Deckkennzeichen handelt, forderte die belangte Landespolizeidirektion das BMI mit Schreiben vom 19.12.2019 zur Bekanntgabe des Lenkers und zur Abgabe einer Rechtfertigung auf.
Mit Schreiben vom 6.2.2020 gab der Beschwerdeführer eine Stellungnahme ab, worin er mitteilte, dass es sich bei dem Kraftfahrzeug mit dem Kennzeichen W-... um ein Zivilfahrzeug der LPD Wien handelt, welches zum angeführten Zeitpunkt von ihm gelenkt wurde. Er erklärte auch, warum er am Tatort über die Busspur gefahren war.
Mit Schreiben vom 14.2.2020 wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, sich zu folgenden drei Verwaltungsübertretungen zu rechtfertigen, 1. einen mit Bodenmarkierung für das Einordnen von Omnibussen versehenen Fahrstreifen nicht freigehalten zu haben, 2. als wartepflichtiger Lenker des angeführten Fahrzeuges durch Einbiegen auf der Kreuzung als entgegenkommender Linkseinbieger einem geradeausfahrenden die Fahrtrichtung beibehalten Fahrzeug nicht den Vorrang gegeben und dieses dadurch zu unvermitteltem Bremsen genötigt zu haben und 3. das deutlich sichtbar aufgestellte Gebotszeichen „vorgeschriebene Fahrtrichtung“ nicht beachtet und die Fahrt nicht im Sinne des Gebotszeichens „nach rechts“ fortgesetzt zu haben.
Der Beschwerdeführer wies in seiner Stellungnahme vom 2.3.2020 einmal mehr darauf hin, dass es sich um ein Fahrzeug des öffentlichen Sicherheitsdienstes iSd § 26a Abs. 1 StVO handelt, dass er das Fahrzeug im Zuge einer angeordneten Dienstfahrt gelenkt und dass die Fahrt ohne Gefährdung von Personen und Beschädigung von Sachen erfolgte.
Weil der private Anzeiger zu einer Zeugenvernehmung nicht erschienen war und der Beschwerdeführer eine gesetzwidrige Vorrangverletzung bestritten hatte, stellte die belangte Behörde das diesbezügliche Verfahren im Zweifel ein; ebenso das Verfahren wegen Benützung der Busspur, weil das Vorbringen des Beschwerdeführers über die Blockierung des einzigen sonst zur Verfügung stehenden Fahrstreifens nicht widerlegt werden konnte.
Mit Straferkenntnis vom 20.3.2020 wurde der Beschwerdeführer jedoch schuldig erkannt, am 4.11.2019, 8:19 Uhr in Wien, E.-straße – Kreuzung F.-straße das deutlich sichtbar aufgestellte Gebotszeichen „vorgeschriebene Fahrtrichtung“ nicht beachtet und die Fahrt nicht im Sinne des Geburtszeichens „nach rechts“ fortgesetzt zu haben; dadurch habe er § 52 lit. b Z 15 StVO verletzt, weswegen ihm gegenüber gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO eine Geldstrafe in Höhe von Euro 76 (Ersatzarreststrafe ein Tag und 11 Stunden) verhängt wurde.
Mit Schriftsatz vom 6.4.2020 erhob der Beschwerdeführer gegen das Straferkenntnis der belangten Landespolizeidirektion Beschwerde, worin er im Wesentlichen darauf hinwies, dass er gemäß § 26a Abs. 1a StVO nicht an die Gebote gemäß § 52 lit. b Z 15 StVO gebunden sei.
Mit Note vom 8.4.2020 legte die belangte Landespolizeidirektion dem erkennenden Verwaltungsgericht die Beschwerde samt den bezughabenden Akt vor, wo sie am 20.4.2020 einlangte.
Über Aufforderung des erkennenden Verwaltungsgerichts teilte das Fuhrparkmanagement der belangten Landespolizeidirektion per E-Mail vom 11.5.2020 mit, dass es sich „um ein ziviles Fahrzeug des öffentlichen Sicherheitsdienstes, G. der LPD Wien handelt, welches mit einer Magnetblitzleuchte, die bei Bedarf am Fahrzeugdach angebracht werden kann, und Folgetonhorn ausgestattet ist.“
Am 23.6.2020 fand vor dem erkennenden Verwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung statt, nach deren Ende das Erkenntnis samt den wesentlichen Entscheidungsgründen verkündet wurde.
Mit E-Mail vom 1.7.2220 beantragte der Beschwerdeführer die (Voll-)Ausfertigung des Erkenntnisses.
II. Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:
1. Der Beschwerdeführer, ein Sicherheitswachebeamter, befuhr am 4.11.2019 auf der E.-straße (vor der Kreuzung mit der F.-straße) den Fahrstreifen für Omnibusse und bog dann links in die F.-straße ein. An dieser Kreuzung war ein Gebotszeichen aufgestellt, auf dem die vorgeschriebene Fahrtrichtung nach rechts angegeben ist, wobei eine Ausnahme für Linienomnibusse und Fahrräder besteht.
Der Beschwerdeführer war mit einem zivilen Fahrzeug des öffentlichen Sicherheitsdienstes, G., mit dem „Deckkennzeichen“ W–... unterwegs; dieses Fahrzeug war mit einem Folgetonhorn ausgestattet; im Inneren des Fahrzeugs befand sich auch eine Magnetblitzleuchte, die bei Bedarf am Fahrzeugdach angebracht werden kann. Von außen war dieses Fahrzeug nicht als Einsatzfahrzeug oder auch nur als Fahrzeug des öffentlichen Sicherheitsdienstes erkennbar.
Den Beschwerdeführer treffen Sorgepflichten für zwei minderjährige Kinder.
2. Diese Feststellungen gründen im Verwaltungsakt und sind als solches unstrittig.
3. Der Beschwerdeführer wurde von der belangten Landespolizeidirektion bestraft, weil er dem Gebotszeichen gemäß § 52 lit. b Z 15 StVO „vorgeschriebene Fahrtrichtung“ nicht entsprochen habe. An dieses Gebot sind nach § 26a StVO nur Fahrzeuge im öffentlichen Dienst nicht gebunden, die nach den kraftfahrrechtlichen Vorschriften mit Warnzeichen mit blauem Licht und Schallzeichen mit Aufeinanderfolge verschieden hoher Töne ausgestattet sind. Aus der Zusammenschau mit § 26 Abs. 1 StVO sind damit die Einsatzfahrzeuge bei jenen Fahrten angesprochen, bei denen die Einsatzsignale nicht verwendet werden dürfen.
Aus dem systematischen Zusammenhang zwischen § 26a Abs. 1 StVO und § 26a Abs. 1a StVO ist erkennbar, dass § 26a Abs. 1a StVO nur solche Fahrzeuge über den Abs. 1 des § 26a StVO hinaus privilegieren wollte, die als solche von außen und damit für die anderen Verkehrsteilnehmer erkennbar sind. Dies ergibt sich auch aus den Gesetzesmaterialien; vgl. den Bericht des Verkehrsausschusses aus dem Jahre 1976 (14. GP, AB 294). Damals wurde formuliert, dass Fahrzeuge des öffentlichen Sicherheitsdienstes, die als solche nicht gekennzeichnet sind, von vorgeschriebenen Fahrtrichtungen nicht ausgenommen werden sollen, weil solche Ausnahmen die Sicherheit wohl zu stark beeinträchtigen könnte, zumal ein anderer Verkehrsteilnehmer solche Fahrzeuge nicht zu erkennen vermag.
Da – wie festgestellt – das Fahrzeug, mit dem der Beschwerdeführer entgegen dem Gebotszeichen „vorgeschriebene Fahrtrichtung“ gemäß § 52 lit. b Z 15 StVO nach links in die F.-straße abgebogen war, nicht als solches Einsatzfahrzeug erkennbar war, viel sein Fahrzeug auch nicht unter die Bestimmung des § 26a Abs. 1a StVO, weshalb ihm der Dispens des Gebotes gemäß § 52 lit. b Z 15 StVO auch nicht zugute kam
Diese vom Ausschussbericht angesprochene Gefahr der Verkehrssicherheit hat sich im konkreten Fall auch gerade verwirklicht, weil der Meldungsleger gerade nicht erkennen konnte, dass jenes Fahrzeug, das von Beschwerdeführer am Tatort gelenkt wurde, zum Dispens dieses Gebotes führen könnte.
Dem Beschwerdeführer ist somit eine Übertretung des § 52 lit. b Z 15 StVO anzulasten, weshalb der Schuldspruch zu bestätigen war.
Die Strafhöhe war jedoch zu reduzieren, weil der Beschwerdeführer Sorgepflichten für zwei Kinder hat, was von der belangten Landespolizeidirektion nicht berücksichtigt wurde. Entscheidend ist aber auch, dass der Beschwerdeführer insofern einem Rechtsirrtum unterlag, als er der Auffassung war, das im konkreten Fall bestehende Rechtsabbiegegebot mit seinem KFZ missachten zu dürfen. Dieser Rechtsirrtum mildert das Verschulden, vermag dieses aber nicht zu beseitigen, weil gerade Polizisten über die Rechtslage Bescheid wissen müssten.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Die ordentliche Revision ist unzulässig, weil keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Gebotszeichen; vorgeschriebene Fahrtrichtung; Einsatzfahrzeuge; Fahrzeuge im öffentlichen Dienst; ErkennbarkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2020:VGW.031.092.4764.2020Zuletzt aktualisiert am
28.08.2020