TE Vwgh Erkenntnis 1997/12/18 97/11/0033

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Veröffentlicht am 18.12.1997
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Index

90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

KFG 1967 §66 Abs2 liti;
KFG 1967 §66 Abs3 lita;
KFG 1967 §73 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 12. Dezember 1996, Zl. MA 65-8/645/96, betreffend vorübergehende Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 74 Abs. 1 iVm § 73 Abs. 3 KFG 1967 die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppen A und B mit Wirkung ab Zustellung des Entziehungsbescheides der Bundespolizeidirektion Wien vom 3. Oktober 1996 für zwei Wochen entzogen.

In seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend; er beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie den Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde stellt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 66 Abs. 2 lit. i KFG 1967 hat als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 u.a. zu gelten, wenn jemand im Ortsgebiet die jeweils zulässige Höchstgeschwindigkeit um mehr als 40 km/h überschritten hat und die Überschreitung mit einem technischen Hilfmittel festgestellt worden ist. Nach § 73 Abs. 3 dritter Satz KFG 1967 ist bei der erstmaligen Begehung einer Übertretung im Sinne des § 66 Abs. 2 lit. i, sofern die Übertretung nicht unter besonders gefährlichen Verhältnissen oder mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern begangen worden ist, die im Abs. 2 angeführte Zeit mit zwei Wochen festzusetzen.

Die belangte Behörde ging davon aus, daß der Beschwerdeführer am 20. Juni 1995 mit dem von ihm gelenkten Pkw die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit um mehr als 40 km/h überschritten habe. Die Geschwindigkeitsmessung sei mittels eines Lasermeßgerätes erfolgt. Der Beschwerdeführer sei deshalb mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 17. September 1996 nach § 99 Abs. 3 lit. a iVm § 20 Abs. 2 StVO 1960 rechtskräftig bestraft worden. Damit stehe die Begehung dieser eine bestimmte Tatsache gemäß § 66 Abs. 2 lit. i KFG 1967 bildenden strafbaren Handlung durch den Beschwerdeführer bindend fest, womit sich gesonderte Ermittlungen und Beweisaufnahmen wie auch eine selbständige Beurteilung der Schuldfrage erübrigten.

Vorweg ist festzuhalten, daß der angefochtene Bescheid nicht schon deshalb mit Rechtswidrigkeit behaftet ist, weil von der Tat bis zum Ausspruch der Entziehung der Lenkerberechtigung mit erstinstanzlichem Bescheid vom 3. Oktober 1996 rund 15 1/2 Monate verstrichen sind. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 28. November 1996, Zl. 96/11/0254, unter dem Blickwinkel des Wertungskriteriums der seit der Tat verstrichenen Zeit (§ 66 Abs. 3 KFG 1967) ausgesprochen hat, ist mangels einer ausdrücklichen Regelung über die Länge der Zeit, nach deren Ablauf noch eine Entziehung nach § 66 Abs. 2 lit. i KFG 1967 verfügt werden darf, von der nächstverwandten Regelung, nämlich der des § 66 Abs. 3 lit. a KFG 1967 auszugehen, wonach strafbare Handlungen nicht mehr zum Anlaß einer Entziehungsmaßnahme genommen werden dürfen, wenn seit der Vollstreckung der verhängten Strafe oder Maßnahme bzw. der Entrichtung der Geldstrafe mehr als ein Jahr vergangen ist. Davon kann hier angesichts der Bestrafung des Beschwerdeführers mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 17. September 1996 keine Rede sein.

Soweit sich die belangte Behörde auf die aus der rechtskräftigen Bestrafung des Beschwerdeführers erfließende Bindungswirkung beruft, ist ihr entgegenzuhalten, daß sich diese Wirkung lediglich auf den Umstand bezieht, daß der Beschwerdeführer eine Geschwindigkeitsüberschreitung begangen hat, also schneller als 50 km/h gefahren ist. In Ansehung des Ausmaßes dieser Geschwindigkeitsüberschreitung besteht hingegen eine solche Bindungswirkung nicht, weil dieses nicht Tatbestandselement der in Rede stehenden Verwaltungsübertretung ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Mai 1996, Zl. 96/11/0111). Die belangte Behörde hat somit bei Erlassung des angefochtenen Bescheides insoweit die Rechtslage verkannt. Sie hielt deshalb eigene Ermittlungen und eine nähere Begründung in der strittigen Frage des Ausmaßes der Geschwindigkeitsüberschreitung für entbehrlich. Das Fehlen von Ermittlungen und einer entsprechenden Begründung kann nicht durch den in der Gegenschrift enthaltenen pauschalen Hinweis auf die Aktenlage und die dem Beschwerdeführer bekannte Anzeige ausgeglichen werden. Der Sachverhalt bedarf in der Frage, ob eine bestimmte Tatsache nach § 66 Abs. 2 lit. i KFG 1967 vorliegt, somit in einem wesentlichen Punkt, der Ergänzung.

Der angefochtene Bescheid war, weil der aufgezeigte Mangel auf ein Verkennen der Rechtslage durch die belangte Behörde zurückzuführen ist, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft Stempelgebühren für zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht erforderliche Kopien des angefochtenen Bescheides.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1997110033.X00

Im RIS seit

19.03.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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