Entscheidungsdatum
10.01.2020Norm
AlVG §24Spruch
W255 2218363-1/5E
W255 2217997-1/5E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Ronald EPPEL, MA als Vorsitzenden sowie die fachkundigen Laienrichterinnen Mag. Sandra FOITL und Mag. Jutta HAIDNER als Beisitzer über die Beschwerden von Mag. Dr. XXXX , geb. XXXX , gegen die beiden Bescheide des Arbeitsmarktservice XXXX vom 13.11.2018, VN: XXXX , betreffend die Einstellung der Notstandshilfe gemäß § 49 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG) sowie betreffend den Widerruf und die Rückforderung der Notstandshilfe gemäß § 38 iVm. §§ 24 Abs. 2, 25 Abs. 1 AlVG beschlossen:
A)
Die angefochtenen Bescheide werden aufgehoben und die Angelegenheiten gemäß § 28 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) zur Erlassung neuer Bescheide an das Arbeitsmarktservice XXXX zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
1. Verfahrensgang:
1.1. Die Beschwerdeführerin (in der Folge: BF) steht seit 29.10.2009 im Bezug von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung.
1.2. Am 31.10.2018 nahm das AMS mit der BF eine Niederschrift betreffend die Nichteinhaltung einer Kontrollmeldung vom 27.09.2018 auf.
Die BF erklärte hierbei, dass sie die Kontrollmeldung am 27.09.2018 nicht eingehalten habe, weil es ihr gesundheitlich nicht gut gegangen sei; sie sei jedoch nicht ärztlich krankgeschrieben gewesen. Sie habe nicht gewusst, dass sie sich für diesen Termin krankschreiben lassen müsse.
1.3. Mit Bescheid des AMS vom 13.11.2018, VN: XXXX , wurde festgestellt, dass die BF vom 27.09.2018 bis 30.10.2018 gemäß § 49 AlVG keine Notstandshilfe erhalte, da sie den vorgeschriebenen Kontrollmeldetermin am 27.09.2018 nicht eingehalten und sich erst wieder am 31.10.2018 bei ihrer zuständigen regionalen Geschäftsstelle gemeldet habe.
Mit Bescheid des AMS, ebenfalls vom 13.11.2018, VN: XXXX , wurde der Bezug der Notstandshilfe für den Zeitraum von 27.09.2018 bis 29.09.2018 gemäß § 38 iVm § 24 Abs. 2 AlVG widerrufen und die BF gemäß § 38 iVm § 25 Abs. 1 AlVG zur Rückzahlung der unberechtigt empfangenen Notstandshilfe in Höhe von € 105,99 verpflichtet. Begründend führte das AMS aus, dass die BF die Leistung aus der Arbeitslosenversicherung für den Zeitraum von 27.09.2018 bis 29.09.2018 zu Unrecht bezogen habe, da sie ursprünglich einen Krankenstand gemeldet, aber keine ärztliche Bestätigung eingebracht habe.
1.4. Mit Schreiben vom 20.11.2018 brachte die BF fristgerecht Beschwerde gegen die beiden Bescheide des AMS vom 13.11.2018 ein und führte auf das Wesentliche zusammengefasst aus, dass ihr bei ihrem AMS-Termin am 22.08.2018 das Einladungsschreiben zur Veranstaltung XXXX am 27.09.2018 ausgehändigt worden sei. Am 26.09.2018 habe sie abends etwas Schlechtes gegessen, woraufhin sie Magenbeschwerden bekommen habe, und habe sie daher am 27.09.2018 um 08:09 Uhr beim Veranstaltungsinstitut angerufen, um sich für die Veranstaltung zu entschuldigen. Nach mehrmaligen Versuchen habe sie erst um 15:25 Uhr jemanden erreicht und sei ihr mitgeteilt worden, dass sie die Veranstaltung ohne Voranmeldung nachholen könne. Am 31.10.2018 habe sie durch Zufall erfahren, dass ihre Leistung eingestellt sei, zumal sie aufgrund des Versäumnisses der Infoveranstaltung vom 27.09.2018 offiziell krankgemeldet worden sei. Bis zu diesem Zeitpunkt habe sie nichts von einer Krankmeldung gewusst. Gleichzeitig sei ihr nicht bewusst gewesen, dass die Versäumnis einer Veranstaltung als Versäumnis eines Kontrolltermins gelte. Leider sei sie am Tag der Veranstaltung zu niemandem vorgedrungen, der ihr gesagt hätte, mit welchen Konsequenzen ein Nichterscheinen verbunden sei. Hätte sie gewusst, dass sie krankgemeldet werde, hätte sie entscheiden können, ob sie sich zum Termin quäle oder die Krankmeldung akzeptiere und sich danach wieder gesund melde.
1.5. In einer mit 22.11.2018 datierten Ergänzung zur Beschwerde führte die BF aus, dass sie, obwohl sie entgegen ihres Wissens von 27.09.2018 bis 30.10.2018 krankgemeldet gewesen sei, nicht tatsächlich krank gewesen sei. Sie sei ab 28.09.2018 regelmäßig ihrer geringfügigen Beschäftigung nachgegangen. Auch habe sie am 10.10.2018 einen Vorsprachetermin bei XXXX gehabt, wo sie seit Jänner 2018 in Betreuung sei und habe am 11.10.2018 an einem Workshop bei XXXX teilgenommen. In diesem Zusammenhang stelle sich überhaupt die Frage, wie sinnhaft die von ihr am 27.09.2018 versäumte Veranstaltung von XXXX gewesen wäre, wenn sie ohnedies bereits in Betreuung von XXXX mit identen Inhalten sei.
1.6. Am 26.04.2019 bzw. am 03.05.2018 wurden die Beschwerdeakten dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt. In den Vorlageschreiben führte das AMS u.a. aus, dass das AMS von der Ausfertigung einer Beschwerdevorentscheidung Abstand genommen habe, da der Sachverhalt innerhalb der zulässigen Frist nicht in einer Art und Weise ermittelt werden habe können, die einer rechtsstaatlich korrekten Entscheidung Rechnung tragen würde.
1.7. Am 18.11.2019 langte beim Bundesverwaltungsgericht eine Stellungnahme der BF ein. Darin führte wiederholte sie im Wesentlichen ihr Beschwerdevorbringen und führte aus, dass sie nachweislich am 26.09.2018 ein Vorstellungsgespräch und am 28.09.2018 und auch an den Tagen danach Termine wahrgenommen habe und sie keinen Grund gehabt hätte, nicht zu dem Informationstag am 27.09.2018 zu erscheinen. Sie sei aufgrund ihres Versäumnisses ohne ihr Wissen krankgemeldet worden und sei die Leistung eingestellt worden, ohne dass sie nachträglich davon verständigt worden sei. Ihr sei die Möglichkeit genommen worden, früher darauf zu reagieren. Nur durch Zufall habe sie im Zuge der Verlängerung ihres Kulturpasses am 31.10.2018 von der Einstellung der Leistung erfahren.
2. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
2.1. Feststellungen:
Die BF steht seit 29.10.2009 im Bezug von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung.
Der BF wurde vom AMS ein Einladungsschreiben zur Veranstaltung XXXX am 27.09.2018 ausgefolgt. Die Vorsprache zu Beginn dieser Veranstaltung gilt gleichzeitig als Kontrollmeldetermin im Sinne des § 49 AlVG.
Die BF ist am 27.09.2018 nicht zu der Veranstaltung XXXX erschienen.
Mit zwei Bescheiden des AMS vom 13.11.2018, VN: XXXX , wurde festgestellt, dass die BF vom 27.09.2018 bis 30.10.2018 gemäß § 49 AlVG keine Notstandshilfe erhält und wurde der Bezug der Notstandshilfe für den Zeitraum von 27.09.2018 bis 29.09.2018 gemäß § 38 iVm § 24 Abs. 2 AlVG widerrufen und die BF gemäß § 38 iVm § 25 Abs. 1 AlVG zur Rückzahlung der unberechtigt empfangenen Notstandshilfe in Höhe von € 105,99 verpflichtet.
Gegen diese Bescheide des AMS vom 13.11.2018, VN: XXXX , erhob die BF fristgerecht Beschwerde.
In dem vom AMS geführten Verfahren wurden seitens des AMS notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen. Insbesondere führte das AMS keine ausreichenden Ermittlungen dahingehend durch, ob ein triftiger Grund iSd § 49 Abs. 2 AlVG für die Unterlassung der Kontrollmeldung vorlag. Die durchgeführten Ermittlungen des AMS reichen nicht ansatzweise für eine Entscheidung über den vorliegenden Sachverhalt aus.
2.2. Beweiswürdigung:
Der oben angeführte Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsakts sowie des nunmehr dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Gerichtsakts.
Es ist unstrittig, dass der BF vom AMS ein Einladungsschreiben zur Veranstaltung XXXX am 27.09.2018 ausgefolgt wurde und die BF am 27.09.2018 nicht zu dieser Veranstaltung erschienen ist.
Das Unterlassen notwendiger Ermittlungen des Sachverhaltes durch das AMS kommt insbesondere in den Vorlageschreiben des AMS vom 24.04.2019 bzw. 03.05.2019 zum Ausdruck. Das AMS schreibt selbst, dass von der Ausfertigung einer Beschwerdevorentscheidung Abstand genommen worden sei, da der Sachverhalt innerhalb der zulässigen Frist nicht in einer Art und Weise ermittelt werden habe können, die einer rechtsstaatlich korrekten Entscheidung Rechnung tragen würde.
2.3. Rechtliche Beurteilung:
2.3.1. Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch einen Senat unter Mitwirkung fachkundiger Laienrichter ergeben sich aus §§ 6, 7 BVwGG iVm § 56 Abs. 2 AlVG. Die Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig.
Zu A) Aufhebung der angefochtenen Bescheide und Zurückverweisung:
2.3.2. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2017/24, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
3.2. Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden,
1) wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2) die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
Das Modell der Behebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, allerdings mit dem Unterschied, dass die Notwendigkeit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach § 28 Abs. 3 VwGVG nicht erforderlich ist (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013), § 28 VwGVG, Anm. 11).
§ 28 Abs. 3. zweiter Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen hat.
Aus der Judikatur des VwGH zur vergleichbaren Bestimmung des § 66 Abs. 2 AVG ergibt sich, dass nur Mängel der Sachverhaltsfeststellung, d.h. im Tatsachenbereich, zur Behebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit berechtigen und dass die verfahrensrechtliche Möglichkeit einer Rückverweisung nur ausnahmsweise möglich sein soll und hinsichtlich der Voraussetzungen der Anwendung des § 66 Abs. 2 AVG streng zu prüfen ist (vgl. VwGH vom 19.11.2009, 2008/07/0168; VwGH vom 26.01.2011, 2009/07/0094).
Gemäß des Erkenntnisses des VwGH vom 28.03.2008, 2005/12/01878, zu § 66 Abs. 2 AVG ist eine Zurückverweisung nach dieser Norm nur dann zulässig, wenn die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint. Die Notwendigkeit einer mündlichen Verhandlung im Sinne dieser zitierten Norm kann sich dabei immer nur im Tatsachenbereich stellen, wobei es allerdings nicht maßgebend ist, ob eine Verhandlung im kontradiktorischen Sinn oder nur eine Vernehmung der Partei erforderlich ist. Die Voraussetzung für eine Kassation nach § 66 Abs. 2 AVG ist daher auch dann erfüllt, wenn zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes nur die Vernehmung einer Partei erforderlich ist.
In seinem Erkenntnis vom 20.02.2014, 2013/09/0166-10, zu einem Sachverhalt nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz stellte der VwGH zum Umfang der Ermittlungspflicht der belangten Behörde Folgendes fest:
„Gemäß § 60 AVG (...) sind in der Begründung eines Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens (§§ 37 ff AVG), die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Dies erfordert in einem ersten Schritt die eindeutige, eine Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichende und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugängliche konkrete Feststellung des der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhaltes, in einem zweiten Schritt die Angabe jener Gründe, welche die Behörde im Fall des Vorliegens widerstreitender Beweisergebnisse in Ausübung der freien Beweiswürdigung dazu bewogen haben, gerade jenen Sachverhalt festzustellen, und in einem dritten Schritt die Darstellung der rechtlichen Erwägungen, deren Ergebnisse zum Spruch des Bescheides geführt haben (...). Die genannte Zusammenfassung wird in Bezug auf die Beweiswürdigung kurz ausfallen können, wenn keine einander widersprechenden Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens vorliegen. Bei Widersprüchen zwischen den Behauptungen und Angaben der Verfahrensparteien und sonstigen Ermittlungsergebnissen bedarf es aber einer klaren und übersichtlichen Zusammenfassung der maßgeblichen, bei der Beweiswürdigung angestellten Erwägungen, damit der Verwaltungsgerichtshof die Entscheidung der Behörde auf ihre inhaltliche Rechtmäßigkeit überprüfen kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. 05.2005, 2002/08/0106). Nicht oder unzureichend begründete Bescheide hindern den Verwaltungsgerichtshof seiner Rechtskontrollaufgabe, wie sie in § 41 Abs. 1 VwGG zum Ausdruck kommt, insoweit zu entsprechen, als derartige Bescheide inhaltlich auch keine Überprüfung „auf Grund des von der belangten Behörde angenommenen Sachverhaltes" zulassen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 26.02.2009, 2007/09/0088, mwN).
Damit stellt der Verwaltungsgerichtshof den Umfang der Ermittlungspflicht der belangten Behörde ausführlich dar.
2.3.3. Eingangs ist zunächst festzuhalten, dass als Adressatin des im Akt befindlichen Einladungsschreibens zur Veranstaltung XXXX Frau XXXX anstelle der BF angeführt ist. Es liegt sohin ein falsches Einladungsschreiben im Akt ein. Darüber hinaus ist auf Seite 4 des Einladungsscheibens unter der Überschrift „Veranstaltungszeit“ nicht der verfahrensgegenständliche Termin vom 27.09.2018, sondern ein Termin am 10.01.2018 genannt.
Im vorliegenden Fall behauptet die BF, dass sie den Kontrolltermin am 27.09.2018 deshalb versäumt habe, weil sie am Abend zuvor etwa Schlechtes gegessen habe und sie am 27.09.2018 infolge dessen Magenbeschwerden gehabt habe. Im gegenständlichen Fall stellt sich die Frage, ob die BF den Kontrolltermin aus triftigem Grund versäumt hat. Von der belangten Behörde wurden keinerlei Ermittlungen betreffend das Beschwerdevorbringen angestellt. Trotz diverser Einwendungen gegen die angefochtenen Bescheide vom 13.11.2018 erging keine Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde gemäß § 14 VwGVG. Im gegenständlichen Fall erscheint jedoch für den erkennenden Senat des Bundesverwaltungsgerichts der Grad des Verschuldens der BF an der Versäumnis des Kontrolltermins fraglich und erscheint eine abschließende Beurteilung mangels Ermittlungstätigkeiten der belangten Behörde nicht möglich.
Gemäß § 49 Abs. 2 AlVG verliert ein Arbeitsloser, der trotz Belehrung über die Rechtsfolgen eine Kontrollmeldung unterlässt, ohne sich mit triftigen Gründen zu entschuldigen, vom Tage der versäumten Kontrollmeldung an bis zur Geltendmachung des Fortbezuges den Anspruch auf Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe. Ist die Frage strittig, ob ein triftiger Grund für die Unterlassung der Kontrollmeldung vorliegt, so ist der Regionalbeirat anzuhören.
Die BF hat vorgebracht, dass sie aufgrund von Magenbeschwerden den Termin am 27.09.2018 nicht wahrnehmen habe können. Die belangte Behörde hätte diesbezüglich Ermittlungen durchzuführen gehabt. Es kann nämlich nicht ausgeschlossen werden, dass eine arbeitslose Person, die keine entsprechende Krankmeldung bei der Gebietskrankenkasse abgegeben hat, aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage ist, die Bedeutung eines Kontrollmeldetermins zu verstehen bzw diesem nachzukommen (VwGH 25.06.2013, 2012/08/0015) (vgl. Krapf/Keul, Arbeitslosenversicherungsgesetz Praxiskommentar, § 49, Rz 825).
Die Sanktion des § 49 Abs. 2 AlVG tritt nicht ein, wenn die Kontrollterminfestsetzung zwar ordnungsgemäß erfolgt ist, der Arbeitslose jedoch seine Säumnis mit triftigen Gründen entschuldigen kann. Grundsätzlich hat die Prüfung eines Entschuldigungsgrundes einzelfallbezogen zu erfolgen. Triftige Gründe, die zum Ausschluss einer Sanktionsverhängung führen, sind zB Erkrankung des Arbeitslosen bzw. eines Kindes, wichtige persönliche Gründe (vergleichbar den Dienstverhinderungsgründen gemäß § 8 AngG), Arbeitssuche. Ist die Frage strittig, ob ein triftiger Grund für die Unterlassung der Kontrollmeldung vorgelegen ist, muss der Regionalbeirat angehört werden. Ein solch triftiger Grund muss aber glaubhaft gemacht werden.
Der erkennende Senat des Bundesverwaltungsgerichts konnte im gegenständlichen Fall nicht erkennen, dass das AMS die vorgebrachten Gründe der BF hinsichtlich ihres behaupteten schlechten Gesundheitszustandes in irgendeiner Weise berücksichtigt hat. Obwohl im gegenständlichen Fall die Frage, ob ein triftiger Grund iSd § 49 Abs. 2 AlVG für die Unterlassung der Kontrollmeldung vorliegt, offensichtlich strittig ist, ergibt sich aus dem Akt nicht, dass der Regionalbeirat in dieser Angelegenheit angehört wurde.
Im fortgesetzten Verfahren wird das AMS daher weitere Ermittlungen hinsichtlich der geschilderten gesundheitlichen Beeinträchtigungen der BF anzustellen haben. Hinsichtlich der Frage, ob ein triftiger Grund für die Unterlassung der Kontrollmeldung vorliegt, ist gemäß § 49 Abs. 2 AlVG auch der Regionalbeirat anzuhören.
Es ist in erster Linie die Aufgabe des AMS, zum Zeitpunkt seiner Entscheidung den maßgeblichen Sachverhalt vollständig zu ermitteln und diese Aufgabe nicht etwa an die Rechtsmittelinstanz auszulagern. Es kann nicht festgestellt werden, dass der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden wäre.
Es waren somit die angefochtenen Bescheide aufzuheben und die Angelegenheiten zur Erlassung neuer Bescheide – nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens – an das Arbeitsmarktservice XXXX zurückzuverweisen.
2.3.4. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:
In vorliegenden Beschwerdefällen nimmt das Bundesverwaltungsgericht von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG Abstand, weil bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass die angefochtenen Bescheide „aufzuheben" waren. Dieser Tatbestand ist auch auf Beschlüsse zur Aufhebung und Zurückverweisung anwendbar (vgl. zur gleichartigen früheren Rechtslage Hengstschläger/Leeb, AVG [2007] § 67d Rz 22). Bei der Ermessensübung war dabei auch ausschlaggebend, dass es der Prozessökonomie und dem Sinn der gesetzlichen Ermächtigung zur Aufhebung und Zurückverweisung nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG jedenfalls entspricht, dass der Aufhebungsbeschluss gefasst wird, wenn sich die grobe Ermittlungslücke bereits aus der Aktenlage und damit noch vor Durchführung einer mündlichen Verhandlung ergibt. Die Abstandnahme von der Verhandlung steht diesfalls nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfSlg. 18.725/2009) auch im Einklang mit dem einschlägigen Grundrecht nach Art. 6 EMRK (und folglich auch dem insofern – zufolge Art. 52 Abs. 3 GRC – mit gleichen Rechtsfolgen ausgestatteten Art. 47 GRC).
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des VwGH ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des VwGH auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
In der rechtlichen Beurteilung zu Punkt A) wurde ausführlich unter Bezugnahme auf die Judikatur des VwGH ausgeführt, dass im erstinstanzlichen Verfahren notwendige Ermittlungen und Feststellungen unterlassen wurden. Betreffend die Anwendbarkeit des § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG im gegenständlichen Fall liegt keine grundsätzliche Rechtsfrage vor, weil § 28 Abs. 3 zweiter Satz inhaltlich § 66 Abs. 2 AVG (mit Ausnahme des Wegfalls des Erfordernisses der Durchführung einer mündlichen Verhandlung) entspricht und die Judikatur des VwGH betreffend die Zurückweisung wegen mangelhafter Sachverhaltsermittlung heranzuziehen ist. Im Übrigen trifft § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG eine klare, im Sinne einer eindeutigen Regelung (vgl. OGH vom 22.03.1992, 5 Ob 105/90), weshalb keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt.
Schlagworte
Ermittlungspflicht Gesundheitszustand Kassation Kontrollmeldetermin mangelnde Sachverhaltsfeststellung triftige GründeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W255.2217997.1.00Im RIS seit
28.08.2020Zuletzt aktualisiert am
28.08.2020