TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/13 W124 2010534-1

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Veröffentlicht am 13.05.2020
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Entscheidungsdatum

13.05.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs1
B-VG Art133 Abs4
Dublin III-VO Art28
FPG §76 Abs2a
VwGVG §35

Spruch

W124 2010534-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Felseisen als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , StA. Tunesien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , sowie die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft vom XXXX bis zum XXXX , zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde wird gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG idgF iVm § 76 Abs. 2a FPG idF BGBl. I Nr. 87/2012 iVm Art. 28 Dublin III-VO stattgegeben und der Schubhaftbescheid sowie die Anhaltung in Schubhaft für rechtswidrig erklärt.

II. Der Antrag der belangten Behörde auf Kostenersatz wird gemäß § 35 VwGVG abgewiesen.

III. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Kostenersatz wird gemäß § 35 VwGVG abgewiesen.

IV. Der Antrag auf Befreiung von der Eingabengebühr wird zurückgewiesen.

B) Die Revision ist gem. Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.1. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde über den Beschwerdeführer (in der Folge BF) gemäß Art. 28 der Verordnung (EU) 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-VO) iVm § 76 Abs. 2a Z 1 FPG idF BGBl. I Nr. 87/2012 iVm § 57 Abs. 1 AVG 1991 die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeenden Maßnahme, Sicherung der Abschiebung angeordnet." Der Bescheid wurde vom BF am XXXX persönlich übernommen.

Zuvor brachte der BF am XXXX vor dem Bezirkspolizeikommando XXXX , einen Antrag auf internationalen Schutz ein.

Am selbigen Tag wurde dem BF mittels Verfahrensanordnung gem. § 29 Abs. 3 AsylG 2005 mitgeteilt, dass beabsichtigt sei seinen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen, da eine Zuständigkeit des Dublinstaates Schweiz angenommen werde.

Die Schweiz teilte nach einem Ersuchen vom XXXX gestützt auf Art. 18 lit b der VO Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates mit, dass die italienischen Behörden einem Aufnahmegesuch gemäß Art 10 Abs. 1 der VO Dublin II zugestimmt hätten. Der BF sei bereits am XXXX nach Italien rücküberstellt worden.

In der Folge erging ein entsprechendes Ersuchen an die italienischen Behörden und wurde dem BF am XXXX mittels Verfahrensanordnung gem. § 29 Abs. 3 AsylG 2005 bzw. § 15a AsylG 2005 iVm § 63 Abs.2 AVG mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag zurückzuweisen und mit Italien Dublin Konsultationen geführt werden würden.

3. Am XXXX teilte das BFA den italienischen Behörden entsprechend Art. 25 Abs. 2 der VO Nr. 604/2013 mit, dass die Zuständigkeit zur Prüfung des Antrages des BF auf Italien übergegangen sei, nachdem sich die dortigen Behörden verschweigen hätten.

4. Am XXXX kam der BF einer Ladung zum Zwecke einer Einvernahme nicht nach und wurde der Bescheid XXXX vom XXXX gemäß §§ 8 Abs. 2 iVm 23 ZustellG in der Folge am XXXX durch Hinterlegung ohne vorherhergehenden Zustellversuch bei der Behörde hinterlegt. Gleichzeitig wurde den italienischen Behörden unter Verweis auf Art 29 Abs. 2 der VO Nr. 604/2013 mitgeteilt, dass der BF flüchtig sei.

5. Dem Koordinationsbüro EAST West wurde am XXXX vom BFA mitgeteilt, dass der Bescheid des BFA IFA-ZI: XXXX vom XXXX am XXXX in Rechtskraft erwachsen sei.

6. Am XXXX wurde der BF in der XXXX im Zuge einer Amtshandlung bezüglich eines angeblichen Diebstahls kontrolliert und in der Folge gemäß § 40 Abs. 1 BFA-VG festgenommen.

7. Mit dem im Spruch angefochtenen Bescheid des BFA wurde über den BF gemäß § 76 Abs.2a Z 1 FPG iVm § 57 Abs.1 AVG "die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, Sicherung der Abschiebung angeordnet." Der Bescheid wurde vom BF durch Übergabe am XXXX ordnungsgemäß übernommen.

8. Der BF befand sich in der Folge seit XXXX , XXXX , in Schubhaft und wurde am XXXX (Ankunft Terminal XXXX Uhr, Abflug XXXX Uhr, in Anwendung der Dublin III-VO nach Italien überstellt.

9. Gegen den im Spruch angeführten Bescheid des BFA Regionaldirektion Wien vom XXXX sowie die andauernde Anhaltung in Schubhaft langte beim BFA am XXXX , XXXX eine Beschwerde ein. Die bezugshabenden Verwaltungsakte wurden dem Bundesverwaltungsgericht nach mehrmaliger Urgenz am XXXX vorgelegt.

Begründend wurde u.a. in der Beschwerde zusammengefasst ausgeführt, dass die Anordnung der Schubhaft unionsrechtswidrig erfolgt sei. Gemäß Art. 28 Dublin III-VO habe Fluchtgefahr in erheblichem Maße vorzuliegen. Nach Art. 2 lit. n der Dublin III-VO obliege es den Mitgliedstaaten, zur Bestimmung der Fluchtgefahr objektive Kriterien gesetzlich festzulegen, die Anlass zu der Annahme geben, dass sich ein Antragsteller, ein Drittstaatsangehöriger oder ein Staatenloser, gegen den ein Überstellungsverfahren läuft, diesem Verfahren möglicherweise durch Flucht entziehen könnte. Die im gegenständlichen Verfahren von der belangten Behörde herangezogene Norm des § 76 Abs. 2a Z 1 FPG lege aber keine objektiven gesetzlichen Kriterien fest. Die bestimmten Tatsachen und das Risiko des Untertauchens - also die Fluchtgefahr - welches eine Sicherung der Abschiebung mittels Schubhaft rechtfertigen könnte, lasse sich zwar aus der Judikatur des VfGH und VwGH entnehmen, sei aber nicht "gesetzlich" festgelegt. Die Ausgestaltung des § 76 Abs. 2a Z 1 FPG lege sohin keine Kriterien fest, die die Annahme zulassen würden, der BF könnte sich dem Überstellungsverfahren durch Flucht entziehen. Die Unionsrechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides habe die Rechtswidrigkeit der darauf gestützten Anhaltung zufolge.

10. Mit der Beschwerdevorlage langte beim BVwG eine Stellungnahme des BFA vom XXXX ein, in der beantragt wurde, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen bzw. unzulässig zurückzuweisen und den BF zum Ersatz der Kosten in Höhe von insgesamt 426,20 Euro zu verpflichten.

11. Mit Verkündung des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes am XXXX wurde gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm Art. 28 Dublin-III-VO und § 76 Abs.2a Z 1 FPG festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen und Beweiswürdigung (Sachverhalt)

Die Feststellungen aus dem Verfahrensgang ergeben sich aus dem Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakte des BFA und dem vorliegenden Gerichtsakt des BVwG. Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht mehr aufzunehmen.

2. Rechtliche Beurteilung

2.1. Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des BVwG zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es gemäß § 27 VwGVG den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs.1 Z 3 und 4 VwGVG) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3 VwGVG) zu überprüfen. Gemäß § 9 Abs.1 VwGVG hat die Beschwerde u.a. (Z 3) die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, sowie (Z 4) das Begehren zu enthalten. In den erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51/2012, wurde zu § 27 VwGVG ausgeführt: "Der vorgeschlagene § 27 legt den Prüfungsumfang des Verwaltungsgerichtes fest. Anders als die Kognitionsbefugnis einer Berufungsbehörde (vgl. § 66 Abs. 4 AVG) soll die Kognitionsbefugnis des Verwaltungsgerichtes durch den Inhalt der Beschwerde beschränkt sein."

Zu Spruchteil A)

2.2. Zu Spruchpunkt I.

2.2.1. Gemäß Artikel 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) idgF erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden

1. gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit;

2. gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit;

3. wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwaltungsbehörde;

4. gegen Weisungen gemäß Art. 81a Abs. 4.

Gemäß § 9 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Der mit "Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft" betitelte § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, lautet:

"§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakte so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakte gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig."

Das BVwG ist somit gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG für die Entscheidung der gegenständlichen Beschwerde zuständig.

Zur Frage der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides und der Anhaltung in Schubhaft seit XXXX (bis zum gerichtlichen Fortsetzungsausspruch am XXXX ):

2.2.2. Art. 28 der seit 01.01.2014 anzuwendenden Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist (Neufassung), ABl. 29. Juni 2013, L 180, 31 (Dublin III-VO), regelt die Inhaftnahme zum Zwecke der Überstellung.

Danach dürfen die Mitgliedstaaten gemäß Art. 28 Abs. 1 Dublin III-VO eine Person nicht allein deshalb in Haft nehmen, weil sie dem durch diese Verordnung festgelegten Verfahren unterliegt. Allerdings dürfen sie nach Abs. 2 im Einklang mit dieser Verordnung "die entsprechende Person" zwecks Sicherstellung von Überstellungsverfahren nach einer Einzelfallprüfung in Haft nehmen, wenn eine erhebliche Fluchtgefahr besteht, die Haft verhältnismäßig ist und sich weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen. Unter dem Begriff der "Fluchtgefahr" ist nach Art. 2 lit. n Dublin III-VO das Vorliegen von Gründen im Einzelfall, die auf objektiven gesetzlich festgelegten Kriterien beruhen und zu der Annahme Anlass geben, dass sich ein Antragsteller, ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser, gegen den ein Überstellungsverfahren läuft, diesem Verfahren möglicherweise durch Flucht entziehen könnte", zu verstehen.

Gemäß § 76 Abs. 2a FPG idF BGBl. I Nr. 87/2012 ist über einen Asylwerber Schubhaft anzuordnen, wenn

1. gegen ihn eine zurückweisende Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 und eine durchsetzbare Anordnung zur Außerlandesbringung oder eine durchsetzbare Ausweisung erlassen wurde oder ihm gemäß § 12a Abs. 1 AsylG 2005 ein faktischer Abschiebeschutz nicht zukommt;

2. eine Mitteilung gemäß § 29 Abs. 3 Z 4 bis 6 AsylG 2005 erfolgt ist und der Asylwerber die Gebietsbeschränkung gemäß § 12 Abs. 2 AsylG 2005 verletzt hat;

3. der Asylwerber die Meldeverpflichtung gemäß § 15a AsylG 2005 mehr als einmal verletzt hat;

4. der Asylwerber, gegen den gemäß § 27 AsylG 2005 ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme eingeleitet wurde, der Mitwirkungsverpflichtung gemäß § 13 Abs. 2 BFA-VG nicht nachgekommen ist;

5. der Asylwerber einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) gestellt hat und der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 aufgehoben wurde, oder

6. sich der Asylwerber gemäß § 24 Abs. 4 AsylG 2005 ungerechtfertigt aus der Erstaufnahmestelle entfernt hat, soweit eine der Voraussetzungen des Abs. 2 Z 1 bis 4 vorliegt,

und die Schubhaft für die Sicherung eines Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder zur Sicherung der Abschiebung notwendig ist, es sei denn, dass besondere Umstände in der Person des Asylwerbers der Schubhaft entgegenstehen.

2.2.3. Wie der Verwaltungsgerichtshof unter Hinweis auf den Beschluss des deutschen Bundesgerichtshofes vom 26.06.2014, V ZB 31/14, in seinem Erkenntnis vom 19.02.2015, Zl. Ro 2014/21/0075, festgehalten hat, verlangt Art. 2 lit. n Dublin III-VO unmissverständlich gesetzlich festgelegte Kriterien zur Konkretisierung der im Unionsrecht für die Verhängung von Schubhaft (u.a.) normierten Voraussetzung des Vorliegens von "Fluchtgefahr". Ein Rückgriff auf Kriterien, die der Verwaltungsgerichtshof vor allem zum Tatbestand der Ziffer 4 des § 76 Abs. 2 FPG idF BGBl. I Nr. 87/2012 für die Annahme von "Fluchtgefahr" (Gefahr des "Untertauchens") als maßgeblich angesehen hat, reiche nicht, um den Vorgaben der Dublin III-VO zu entsprechen. Solche Umstände hätten vielmehr gesetzlich determiniert werden müssen. Solange dies nicht der Fall sei, komme daher Schubhaft gegen Fremde, die sich in einem Verfahren nach der Dublin III-VO befinden, zwecks Sicherstellung des Überstellungsverfahrens nach Art. 28 der Verordnung nicht in Betracht.

2.2.4. Die Verhängung der Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung des BF wurde im gegenständlichen Verfahren auf Art. 28 Dublin III-VO iVm § 76 Abs. 2a Z 1 FPG idF BGBl. I Nr. 87/2012 iVm § 57 Abs. 1 AVG 1991 gestützt.

Da die unter Punkt II.2.2.3. wiedergegebene Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes sohin auch für den vorliegenden Beschwerdefall schlagend ist, war spruchgemäß zu entscheiden.

2.3. Zu Spruchpunkt II. und III.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 23.04.2015, Zl. Ro 2014/21/0078-4, ausgeführt, dass die zugrunde liegende Beschwerde an das BVwG, soweit damit die dem Schubhaftbescheid nachfolgende Anhaltung bekämpft wird, eine Beschwerde gegen die behauptete Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt darstellt, weshalb auch § 35 VwGVG zu Anwendung kommt, und zwar zumindest insoweit, als er einem BF vor dem Verwaltungsgericht im Falle des Obsiegens in einem Beschwerdeverfahren wegen behaupteter Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt Kostenersatz einräumt.

Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG s. VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).

Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei. Die §§ 52 bis 54 VwGG sind gemäß Abs. 6 auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.

Die belangte Behörde ist auf Grund der festgestellten Rechtswidrigkeit der Anhaltung, der BF aufgrund der gerichtlichen Fortsetzungsentscheidung vom XXXX jeweils nicht vollständig obsiegende Partei im gegenständlichen Beschwerdeverfahren. Da § 35 VwGVG kein geteiltes Obsiegen kennt, waren beide Begehren auf Kostenersatz abzuweisen.

Spruchpunkt IV Eingabegebühr

Der BF stellt den Antrag, ihm die Eingabegebühr zu ersetzen. Gemäß § 35 Abs. 4 VwGVG gelten als Aufwendungen gemäß Abs. 1:

1. die Kommissionsgebühren sowie die Barauslagen, für die der Beschwerdeführer aufzukommen hat,

2. die Fahrtkosten, die mit der Wahrnehmung seiner Parteirechte in Verhandlungen vor dem Verwaltungsgericht verbunden waren, sowie

3. die durch Verordnung des Bundeskanzlers festzusetzenden Pauschalbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand.

Die Eingabegebühr ist in § 35 Abs. 4 VwGVG nicht als Aufwendung definiert, weshalb es dem entsprechenden Antrag an der Rechtsgrundlage mangelt.

Der Antrag auf Erstattung der Eingabegebühr ist daher zurückzuweisen.

Nur der Vollständigkeit halber ist festzuhalten, dass im gegenständlichen Verfahren auch kein Obsiegen des Beschwerdeführers vorliegt, weshalb diese selbst dann nicht zu erstatten gewesen wäre, wenn es dafür eine rechtliche Grundlage in § 35 leg. cit. gäbe.

Entfall einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z 1) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war, Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen und eine initiative Darlegung für die Entscheidungsfindung relevanten Umstände, die durch die weitere Hinterfragung zu klären gewesen wären, nicht erforderlich war.

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Wie der oben dargelegten rechtlichen Beurteilung zu entnehmen ist, weicht die gegenständliche Entscheidung weder von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch ist diese im gegenständlichen Fall als uneinheitlich zu beurteilen, wobei es diesbezüglich auch nicht an einer relevanten Rechtsprechung fehlt (vgl. dazu VwGH 19.02.2015, Zl. Ro 2014/21/0075).

Schlagworte

Eingabengebühr Fluchtgefahr Kostenersatz Rechtsanschauung des VwGH Rechtswidrigkeit Schubhaft

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W124.2010534.1.00

Im RIS seit

28.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.08.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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