TE Bvwg Beschluss 2020/6/22 W135 2178523-2

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Veröffentlicht am 22.06.2020
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Entscheidungsdatum

22.06.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
VOG §1
VwGVG §8a

Spruch

W135 2178523-2/4E

Beschluss

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Mag. Ivona GRUBESIC über den Antrag von XXXX , geb. XXXX , auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur weiteren Führung des Beschwerdeverfahrens gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 13.10.2017, Zl. XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages vom 10.03.2015 auf Gewährung von Hilfeleistungen nach dem Verbrechensopfergesetz:

A)

Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wird gemäß § 8a Abs. 1 VwGVG abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


BEGRÜNDUNG:

I.       Verfahrensgang

Der Antragsteller brachte am 10.03.2015 einen Antrag auf Gewährung von Hilfeleistungen für Opfer in Form von Ersatz des Verdienstentganges, orthopädische Versorgung (Zahnersatz) und Pflegezuglage nach dem Verbrechensopfergesetz (VOG) beim Sozialministeriumservice Wien (im Folgenden: belangte Behörde) ein.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 13.10.2017 wurde der Antrag vom 10.03.2015 gemäß § 1 Abs. 1 und Abs. 3, § 3, § 5 Abs. 1, § 6 und § 10 Abs. 1 VOG abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller mit Anwaltsschriftsatz vom 21.11.2017 fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde.

Am 05.02.2020, beim Bundesverwaltungsgericht am 07.02.2020 eingelangt, stellte der Antragsteller im laufenden Beschwerdeverfahren einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe „zur Erhebung eines Rechtsmittels im Verfahren und zur weiteren Führung des Verfahrens“ und legte ein Vermögensbekenntnis vor.

II.     Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch Einzelrichterin ergeben sich aus §§ 6 und 7 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG) iVm § 9d Abs. 1 Verbrechensopfergesetz (VOG).

Zu A)   Abweisung des Antrages auf Verfahrenshilfe:

Gemäß § 8a Abs. 1 VwGVG ist, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, einer Partei Verfahrenshilfe zu bewilligen, soweit dies auf Grund des Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, oder des Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389, geboten ist, die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten, und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint. Juristischen Personen ist Verfahrenshilfe sinngemäß mit der Maßgabe zu bewilligen, dass an die Stelle des Bestreitens der Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts das Aufbringen der zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel durch die Partei oder die an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten tritt.

Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat darauf verwiesen, dass Art. 47 Abs. 2 GRC Art. 6 Abs. 1 EMRK entspricht und gemäß Art. 52 Abs. 3 GRC jenen Rechten der GRC, die jenen durch die EMRK garantierten Rechten entsprechen, die gleiche Bedeutung und Tragweite zukommt, wie sie ihnen in der EMRK verliehen werden (EuGH 22.12.2010, DEB, C-279/09 Rz 31, 35), weshalb der EuGH in seiner Beurteilung des Art. 47 GRC auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) zurückgreift.

Nach der Rechtsprechung des EGMR ist es nicht erforderlich, dass Verfahrenshilfe in allen erdenklichen Verfahren zu gewähren ist. Vielmehr bedarf es einer Prüfung im Einzelfall. Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 26.06.2015, G 7/2015, mit welchem § 40 VwGVG als verfassungswidrig aufgehoben wurde, die Judikatur des EGMR dahingehend zusammengefasst, dass der Zugang zu einem Gericht nicht bloß theoretisch und illusorisch, sondern effektiv gewährleistet sein muss; in jenen Fällen, in denen es unentbehrlich ist, dass der Partei eines Verfahrens ein unentgeltlicher Verfahrenshelfer beigestellt wird, muss ein solcher beigestellt werden. Die unentgeltliche Beigebung eines Verfahrenshelfers ist etwa dann geboten, wenn im konkreten Verfahren Anwaltszwang besteht, das Verfahrensrecht kompliziert ist oder eine schwierig zu entscheidende Rechtsfrage vorliegt. Zudem muss der Anschein eines fairen Verfahrens gewahrt werden, wobei es auch auf die Bedeutung der Angelegenheit für die Partei ankomme (EGMR 13.3.2007, Laskowska, Appl. 77.765/01, Z51, 54). Der effektive Zugang zum Gericht ist jedoch nicht absolut und kann auch beschränkt werden. Die Beigebung eines unentgeltlichen Verfahrenshelfers kann etwa von der finanziellen Situation der Partei, den (mangelnden) Erfolgsaussichten im Verfahren, den begrenzten Mitteln der öffentlichen Hand sowie von Rechten Dritter oder auch der Beschleunigung des Verfahrens abhängig gemacht werden (EGMR 13.3.2007, Laskowska, Appl. 77.765/01, Z52).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Beurteilung der Interessen der Verwaltungsrechtspflege vor allem auf die zweckentsprechende Verteidigung Bedacht zu nehmen. Als Gründe für die Beigebung eines Verteidigers sind besondere Schwierigkeiten der Sachlage oder Rechtslage, besondere persönliche Umstände des Beschuldigten und die besondere Tragweite des Rechtsfalles für die Partei (wie etwa die Höhe der dem Beschuldigten drohenden Strafe) zu berücksichtigen, wobei die Beigabe eines Verfahrenshelfers nur dann vorgesehen ist, wenn beide genannten Voraussetzungen (Mittellosigkeit, Interessen der Rechtspflege) kumulativ vorliegen (VwGH 18.05.2016, Ra 2016/04/0041, mwN).

Gemäß § 8a Abs. 1 VwGVG zählt zu den Voraussetzungen für die Gewährung von Verfahrenshilfe, dass die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten. Gemäß § 8a Abs. 2 VwGVG sind die Voraussetzungen und die Wirkungen der Bewilligung der Verfahrenshilfe, soweit in diesem Paragraphen nicht anderes bestimmt ist, nach den Vorschriften der ZPO zu beurteilen. In diesem Sinn wird auch in den Erläuterungen zur Novelle BGBl. I Nr. 24/2017 (1255 BlgNR 25. GP 3) ausdrücklich darauf hingewiesen, dass für die Frage, ob die Partei außerstande sei, die Kosten der Führung des Verfahrens zu bestreiten, die Bestimmungen der ZPO maßgeblich seien, namentlich § 63 Abs. 1 ZPO zur Definition des notwendigen Unterhalts. Nach dieser Bestimmung ist als notwendiger Unterhalt derjenige Unterhalt anzusehen, den die Partei für sich und ihre Familie, für deren Unterhalt sie zu sorgen hat, zu einer einfachen Lebensführung benötigt (VwGH 25.01.2018, Ra 2017/21/0205).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist als notwendiger Unterhalt ein zwischen dem "notdürftigen" und dem "standesgemäßen" Unterhalt liegender anzusehen, der abstrakt zwischen dem statistischen Durchschnittseinkommen eines unselbständig Erwerbstätigen und dem "Existenzminimum" liegt und unter Würdigung der Umstände des Einzelfalles eine die Bedürfnisse des Einzelnen berücksichtigende bescheidene Lebensführung gestattet (VwGH 18.05.2016, Ra 2016/04/0041, mwN).

Dem vom Antragsteller mit dem gegenständlichen Verfahrenshilfeantrag vorgelegten Vermögensbekenntnis und den beigelegten Unterlagen ist zu entnehmen, dass der Antragsteller aktuell eine Invaliditätspension inklusive Pflegegeld in Höhe von 1.212,55 € sowie eine Zusatzleistung in Höhe von 325,90 €, sohin einen monatlichen Gesamtbetrag in Höhe von 1538,45 € bezieht. Vom Antragsteller im Vermögensbekenntnis nicht angeführt, jedoch aus den beigelegten Unterlagen ist ersichtlich, dass dem Antragsteller zudem eine monatliche Heimopferrente in Höhe von 300,-- € gewährt wurde. Sein monatliches Gesamteinkommen ist daher mit 1838,45 € zu beziffern, welches weit über dem allgemeinen Existenzminimum, welches aktuell 966,-- € monatlich beträgt, liegt. Abzüglich der monatlichen Fixkosten für Miete (unter Berücksichtigung der Wohnbeihilfe in Höhe von 72,00 €), Heizung und Strom verbleiben dem nicht unterhaltspflichtigen Antragsteller € 1115,33 € monatlich. Bei diesen Vermögensverhältnissen kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Antragsteller außerstande ist, die Kosten der Führung des (weiteren) Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhaltes zu bestreiten, zumal die Beschwerde gegen den Bescheid vom 13.10.2017 bereits von einem Rechtsanwalt verfasst wurde, der Antragsteller offenbar in der Lage war die Anwaltskosten selbst zu tragen und nicht ersichtlich ist, dass zwischenzeitig eine Änderung der Vermögensverhältnisse des Antragstellers im Sinne einer Verschlechterung eingetreten ist, so dass der Antragsteller nicht mehr in der Lage wäre die Anwaltskosten selbst zu tragen; im Gegenteil ist von einer Verbesserung auszugehen, da dem Antragsteller zusätzlich eine monatliche Heimopferrente in Höhe von € 300,-- gewährt wurde.

Da somit eine der gemäß § 8a Abs. 1 VwGVG kumulativ erforderlichen Voraussetzungen der Mittellosigkeit des Antragstellers nicht gegeben ist, ist schon aus diesem Grund der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe spruchgemäß abzuweisen, ohne weiter zu prüfen, ob die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Zu B)   Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die gegenständliche Entscheidung stützt sich auf eine ständige, einheitliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den Voraussetzungen der Zuerkennung der Verfahrenshilfe (VwGH 25.01.2018, Ra 2017/21/0205; 18.05.2016, Ra 2016/04/0041, mwN) bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage.

Schlagworte

Verfahrenshilfe Vermögensverhältnisse

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W135.2178523.2.00

Im RIS seit

28.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.08.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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