TE Dok 2020/7/20 103 Ds 1/20m

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Veröffentlicht am 20.07.2020
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Norm

BDG 1979 §44

Schlagworte

Dienstpflichtverletzung

Text

BESCHEID

Die Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Justiz hat durch den Senatsvorsitzenden RidOLG Mag. Marc Koller und die weiteren Mitglieder des Disziplinarsenates RidLG Dr. Stefan Pfarrhofer und CI Christian Kircher in der Disziplinarsache gegen BI *** *** der Justizanstalt *** am 9. Juni 2020 in nicht öffentlicher Sitzung beschlossen:

Das aufgrund der Disziplinaranzeige der Anstaltsleiterin der JA *** vom *** (ON ***) durchzuführende Disziplinarverfahren gegen BI *** *** des Inhaltes, dieser habe am *** in der Dienstzeit die Ordination Dris. *** *** aufgesucht, wiewohl er die Möglichkeit gehabt hätte, den Arztbesuch in die Freizeit zu legen, wird gemäß § 118 Abs 1 Z 4 BDG 1979

eingestellt.

Begründung:

Der Disziplinarbeschuldigte steht als *** der Verwendungsgruppe ***, Funktionsgruppe ***, Funktionsstufe ***, Gehaltsstufe ***, in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund (PMSAP, Stellennummer: ***) und hat in der Justizanstalt *** den Arbeitsplatz „*** ***“ inne, wobei er ein monatliches Nettoeinkommen in Höhe von EUR *** ins Verdienen bringt. Der Disziplinarbeschuldigte wurde mit seit 2.4.2020 rechtskräftigem, auch Freisprüche enthaltendem Disziplinarerkenntnis vom 9.1.2020 zu einer Geldbuße von EUR 400,00 verurteilt (103 Ds 2/19g).

Nach diesem Schuldspruch

I. ist er der Weisung vom ***, für jede krankheitsbedingte Abwesenheit vom Dienst eine ärztliche Bescheinigung vorzulegen, im Zuge seiner Dienstabwesenheit am *** nicht nachgekommen, indem er ohne Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung dem Dienst am *** behauptetermaßen krankheitsbedingt ferngeblieben ist, sodass seine Abwesenheit vom Dienst am *** als nicht gerechtfertigt gilt;

II. hat er einen achtungsvollen Umgang gegenüber Vorgesetzten unterlassen, indem er am ***, nachdem er die Anweisung erhalten hatte, die Ausführung des Insassen *** *** im Landeskrankenhaus *** bis zur Beendigung der Behandlung zu überwachen, CI *** *** angekündigt hat, krank zu werden und ihm den Schaden in Rechnung zu stellen, den er dadurch erleiden werde, dass er am *** einen privaten Termin beim Rechtsanwalt nicht wahrnehmen könne; sowie

III. hat er es in der Zeit von *** bis *** unterlassen, seine dienstlichen Aufgaben wahrzunehmen, indem er die Leerung diverser voller Müllcontainer, insbesondere Holz/Sägespäne, Elektrogeräte und Restmüll nicht veranlasst hat.

BI *** *** hat dadurch gegen seine Dienstpflichten nach § 51 Abs 2 BDG 1979, über Verlangen seines Vorgesetzten eine ärztliche Bescheinigung über den Beginn der Krankheit und nach Möglichkeit über die voraussichtliche Dauer der Dienstverhinderung vorzulegen (zu I.), nach § 43a BDG 1979, seinen Vorgesetzten mit Achtung zu begegnen und zu einem guten Funktionieren der dienstlichen Zusammenarbeit beizutragen sowie Verhaltensweisen oder das Schaffen von Arbeitsbedingungen zu unterlassen, die deren menschliche Würde verletzen oder dies bezwecken oder sonst diskriminierend sind (zu II.), sowie nach § 43 Abs 1 BDG 1979, seine dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen (zu III.)

verstoßen und damit iSd § 91 BDG 1979 schuldhaft seine Dienstpflichten verletzt.

Die Anstaltsleiterin der Justizanstalt *** Mag. Dr. *** *** erstattete am *** Disziplinaranzeige gegen den Disziplinarbeschuldigten an die Generaldirektion. Inhaltlich dieser beschrieb sie eine systematische Wahrnehmung von Arztterminen ohne entsprechende Notwendigkeit in der Dienstzeit wahrzunehmen und qualifizierte alleine in Rede stehendes Verhalten am *** als Verstoß gegen § 44 BDG 1979.

Der bezughabende, dem Disziplinarbeschuldigten bekannte Erlass „Arztbesuche während der Dienstzeit“ (BMJ-GD35000/0003-II 4/2017) lautet auszugsweise:

Bei der Beurteilung der Frage, ob eine gerechtfertigte Abwesenheit iSd § 51 Abs 2 BDG 1979 bzw. eine Dienstverhinderung aus wichtigem Grund iSd § 24 Abs 7 VBG 1948 vorliegt, ist von dem Grundsatz auszugehen, dass Arztbesuche im Regelfall in der Freizeit zu absolvieren sind.
Sie dürfen nur dann in der Dienstzeit erfolgen, wenn die Ordinationszeiten oder ärztliche Anordnungen einen Besuch außerhalb derselben unmöglich machen.

Das Bundesministerium für Justiz leitete diese Anzeige mit Schreiben vom ***, eingelangt am ***, gem. § 110 Abs 1 Z 2 BDG 1979 an den Vorsitzenden der Disziplinarkommission weiter (ON ***).

Sachverhalt:

Der Disziplinarbeschuldigte BI *** *** nahm am *** von *** – ***, sohin während der Dienstzeit, einen Termin in der Ordination Dris. *** *** wahr, wiewohl er die Möglichkeit gehabt hätte, den Arztbesuch in die Freizeit zu legen. Dem Disziplinarbeschuldigten wurden anlässlich seines vor *** getätigten Anrufs in der Ordination Dris. *** Termine um *** und *** Uhr am *** angeboten. Er wählte jenen um ***, nach einem Termin in seiner Freizeit fragte er nicht. Der Arztbesuch war aufgrund bestehender Schmerzsymptomatik zwar medizinisch indiziert, wäre aber - für BI *** zumutbar - durchaus auch in die Freitzeit legbar gewesen. Weder eine (eingeschränkte) Ordinationszeit noch eine Anordnung Dris. *** noch eine akute Erkrankung machten einen Termin in der Dienstzeit des Disziplinarbeschuldigten notwendig.

Dem Disziplinarbeschulidgten wurde die Anordnung, dass Arztbesuche regelmäßig in der Freizeit stattzufinden haben und nur dann in der Dienstzeit erfolgen dürfen, wenn es sich um eine akute Erkrankung handelt oder wenn die Ordinationszeit bzw. eine ärztliche (Behandlungs)Anordnung einen Praxisbesuch während der Dienstzeit erforderlich machen, insgesamt fünfmal, zuletzt am ***, in unterschiedlicher Form zur Kenntnis gebracht.

Der Disziplinarbeschuldigte nahm im Übrigen bereits am ***, ***, ***, ***, ***, ***, ***, *** und *** ebenfalls Arzt- bzw. Physiotherapietermine während der Dienstzeit wahr.

Von diesem Sachverhalt ist in Würdigung der vorliegenden Unterlagen, insbesondere jedoch aufgrund der Aussage des Disziplinarbeschuldigten gegenüber der Anstaltsleiterin (S ***ff in ON ***) auszugehen. BI *** stellte sich auf den Standpunkt, der inkriminierte Arztbesuch sei medizinisch notwendig gewesen, dies aufgrund „großer, brutaler Schmerzen“, ohne dem Vorhalt, dass Dr. *** – wie dessen Homepage im Übrigen unbedenklich entnehmbar ist - auch außerhalb seiner Dienstzeit Ordinationsbesuche anbiete, entgegenzutreten bzw. zu widersprechen. In einem vom Disziplinarbeschuldigten beschriebenen, tatsächlich jedoch nicht vorliegenden, medizinischen Akutfall hätte dieser wohl den frühest möglichen Termin um *** Uhr am *** wahrgenommen, wenn nicht sogar am Vortag oder noch früher ärztlichen Rat eingeholt, fand die Terminvereinbarung anlässlich eines „jedenfalls vor dem ***“ geführten Telefonats statt.

In rechtlicher Hinsicht ist festzuhalten wie folgt:

1.1. Die Disziplinarkommission hat in dem der Einleitung vorangehenden Verfahren nicht – positiv – zu prüfen, ob eine schuldhafte Dienstpflichtverletzung begangen wurde, sondern – negativ – zu erheben, ob nicht ein Grund für die Einstellung des Verfahrens vorliegt, der eine Bestrafung ausschließt. Ob ein solcher Grund gegeben ist, wird im Sinne des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung von der Disziplinarkommission zu beurteilen sein (Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten4, 567f mwN).
Die Disziplinaranzeige kommt als ausreichende (sachverhaltsmäßige) Grundlage für die Einleitung eines Disziplinarverfahrens in Betracht. Die Disziplinarkommission ist - abgesehen von einem ausnahmsweise bestehenden Zweifelsfall über das Vorliegen eines Einstellungstatbestandes oder eines ausreichenden Tatverdachtes - in der Regel nicht gezwungen, vor Erlassung des Einleitungsbeschlusses über die Disziplinaranzeige hinausgehende Ermittlungen durchzuführen bzw. durchführen zu lassen (VwGH 97/09/0091).

1.2. Unter Heranziehung dieser Verfahrensgrundsätze wurde von der Disziplinarkommission – in freier Würdigung der Disziplinaranzeige - oben angeführter Sachverhalt festgestellt.

2.1. Gemäß § 118 Abs 1 Z 4 BDG 1979 ist das Disziplinarverfahren einzustellen, wenn die Schuld des Beschuldigten gering ist, die Tat keine oder nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat und überdies eine Bestrafung nicht geboten ist, um den Beschuldigten von der Verletzung der Dienstpflichten abzuhalten oder der Verletzung von Dienstpflichten durch andere Beamte entgegenzuwirken.

Der Inhalt der mit § 118 Abs 1 Z 4 BDG 1979 normierten Voraussetzungen kann anhand der Literatur und Judikatur ermittelt werden, die zu § 191 StPO ergangen ist, weiters in Ansehung der Strafbemessungsgründe in StGB, VStG und FinStrG (Kucsko-Stadlmayr, Das Disziplinarrecht der Beamten4 56f mwN). § 191 StPO normiert ein amtswegig wahrzunehmendes, auf verfahrensökonomischen Überlegungen beruhendes prozessuales Verfolgungshindernis, bei dessen beschlussmäßiger Anwendung die Feststellung tatbestandsmäßigen, rechtswidrigen und schuldhaften Handelns des Angeklagten nicht nur nicht geboten, sondern tunlichst zu vermeiden ist. Vielmehr hat das Gericht (die Staatsanwaltschaft) - der verfahrensökonomischen Zielsetzung dieser Regelung entsprechend - die Notwendigkeit einer Bestrafung oder diversionellen Vorgehens anhand des in einer Gesamtabwägung zu ermittelnden (geringen) Störwerts der Tat zu prüfen und bei negativem Ergebnis von einer weiteren Erörterung des für diese Prüfung nur hypothetisch zu Grunde gelegten Sachverhalts Abstand zu nehmen (RIS-Justiz RS0124922).

Die Abwägung ob geringe Schuld vorliegt umfasst das verwirklichte deliktstypische Handlungsunrecht, das verschuldete Erfolgsunrecht, die als Gesinnungsunwert bezeichnete täterspezifische Schuld und darüber hinausgehend alle für die Bestimmung der Strafe sonst noch bedeutsamen Umstände, somit Faktoren vor, nach und neben der Tatbestandserfüllung. Die Bewertung dieser Kriterien erfolgt dabei durch eine Gesamtbetrachtung aller nach Lage des konkreten Falls maßgeblichen Kriterien (*** Os ***/***).

2.2. Wendet man diese Grundsätze auf den gegenständlichen Fall an, ist festzuhalten, dass der Disziplinarbeschuldigte sachverhaltsgemäß schuldhaft wider seine ihn treffenden, in § 44 BDG 1979 zugrundegelegten Dienstpflichten gehandelt hat. Insbesondere mit Blick darauf, dass vorliegend ein Arztbesuch zwar angezeigt war, dieser jedoch aufgrund mangelnder Akutheit auch in der Freizeit (unter Umständen an einem anderen Tag) wahrnehmbar gewesen wäre, der Disziplinarbeschuldigte es unterließ, telefonisch nach einem Termin außerhalb der Dienstzeit zu fragen und diese Feststellungen zu der – hier inkriminiert – einmaligen Verletzung einer Dienstpflicht auf die wesentlich zur Wahrheitsfindung beitragende Verantwortung des Disziplinarbeschuldigten gegründet werden konnten, ist von einer (noch) geringen Schuld BI *** auszugehen. Dazu kommt, dass durch das Fehlverhalten betreffend die durch das Disziplinarrecht geschützten Interessen der Funktionsfähigkeit und des Ansehens des Beamtentums allenfalls unbedeutende Folgen eingetreten sind.

Der Disziplinarbeschuldigte ist - wie oben dargestellt – zwischenzeitig disziplinarrechtlich angefasst worden. Angesichts dieser Verurteilung vom ***, des damit einhergehenden erstmaligen Erlebens eines (Disziplinar-)Strafübels und der aktuellen tatsachengeständigen Verantwortung des Disziplinarbeschuldigten bedarf es vorliegend spezialpräventiv keiner (weiteren) Bestrafung, um den Disziplinarbeschuldigten von der Verletzung weiterer Dienstpflichten abzuhalten. Ebensowenig erfordern generalpräventive Hemmnisse vor diesem Hintergrund und einem fallkonkret limitierten Erfolgsunrecht eine solche, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist das Rechtsmittel der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht zulässig. Die Beschwerde ist innerhalb von vier Wochen ab Zustellung bei der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Justiz einzubringen. Die Beschwerde hat zu enthalten:

- die Bezeichnung des angefochtenen Bescheides,

- die Bezeichnung der belangten Behörde (jener Behörde, die den Bescheid erlassen hat),

- die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt oder die Erklärung
über den Umfang der Anfechtung,

- das Begehren und

- jene Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob die Beschwerde rechtzeitig eingebracht ist.

Zuletzt aktualisiert am

24.08.2020
Quelle: Disziplinarkommissionen, Disziplinaroberkommission, Berufungskommission Dok, https://www.ris.bka.gv.at/Dok
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