Norm
BDG 1979 §43aSchlagworte
DienstpflichtverletzungText
Disziplinarerkenntnis
Die Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Justiz, Senat 2, hat durch die Vorsitzende Präsidentin des Landesgerichts Dr. Haberl-Schwarz und die weiteren Mitglieder Richter des Oberlandesgerichts Mag. Riffel und BI Zöhrer in der Disziplinarsache gegen BI iR *** *** nach der am 16. Dezember 2019, 10. März 2020 und 4. Juni 2020 in Anwesenheit des Disziplinaranwalts Oberstaatsanwalt Dr. Kirschenhofer und des Verteidigers des Disziplinarbeschuldigten, Dr. Januschke, Rechtsanwalt in Wien, jedoch in Abwesenheit des Disziplinarbeschuldigten durchgeführten mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
BI iR *** *** wird vom Vorwurf (ON ***), er habe im Zeitraum von ca Sommer *** bis *** als Vorgesetzter (***) oder Kollege die Dienstverpflichtung zu achtungsvollem Umgang (Mobbingverbot) nach § 43a BDG 1979, darunter die Verpflichtung, seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Justizwache der Justizanstalt *** mit Achtung zu begegnen, zu einem guten Funktionieren der dienstlichen Zusammenarbeit beizutragen und Verhaltensweisen oder das Schaffen von Arbeitsbedingungen zu unterlassen, die die menschliche Würde verletzen oder dies bezwecken oder sonst diskriminierend sind, dadurch schuldhaft verletzt, dass er
1./ im Sommer *** RevInsp *** *** herabsetzte, indem er auf die Frage eines Häftlings, warum er so schlecht gelaunt sei, RevInsp *** *** vor fünf bis sechs Häftlingen von oben bis unten musterte und sagte, seine Laune hänge davon ab, mit wem er im Aufzug gefahren sei, wodurch er vor den Häftlingen despektierlich zum Ausdruck brachte, RevInsp *** *** sei schuld an seiner Übellaunigkeit, und er darüber hinaus RevInsp *** am *** als „Kasperl“ bezeichnete (ON *** S ***),
2./ im Jahr *** Insp *** *** mindestens zwei Mal als „Arschloch“ bezeichnete, unter anderem, indem er für Insp *** hörbar äußerte „Das Arschloch, ich hoffe, er schleicht sich zurück ins 1er und bleibt nicht hier.“ (ON *** S ***, ***),
3./ am *** Mitarbeiter bzw Kollegen, darunter RevInspin *** ***, gegenüber anderen (unter anderem in Ausbildung befindlichen) Kollegen als „Wichser“ bezeichnete, indem er auf die Frage, wie es ihm gehe, antwortete „Eh gut bis auf ein paar Wichser hier!“, und diese solcherart bezeichneten Kollegen demonstrativ ansah (ON *** S ***, ***),
4./ (insbesondere dienstjüngere) Kolleginnen und Kollegen in Gesprächen, auch hinter deren Rücken, als „Wichser“, „scheiß Schwuchteln“, „scheiß Weiber“, „Fotzen“, „junge Arschlöcher“ oder „junge Rotzer“ bezeichnete (ON *** S ***, ***, ***, ***), und
5./ jüngeren Kollegen, darunter Insp *** *** und RevInsp *** ***, Anweisungen in ungebührlicher Form nach Art von Tierkommandos, etwa durch „Fingerschnippen“ und „Pfeifen“, erteilte (ON *** S ***, ***, ***, ***),
freigesprochen.
Gründe:
Zu 1./:
Bereits die Bezug habenden (im Vergleich zu ON *** S *** präzisierten) Angaben des Zeugen RI *** in der Disziplinarverhandlung betreffend die (diesem Zeugen noch erinnerlichen) situativen Umstände – (kurz) „um die Ecke schimpfen“ nach einer Meinungsverschiedenheit unter Verwendung des Wortes „Kasperl“, möglicherweise auch „Schwammerl“; keine Beschimpfung vor Insassen (ON *** PS *** f) – lassen Sachverhaltsannahmen zu einem Verhalten von BI ***, das – Maß nehmend an der Rsp des VwGH, nach der nicht jede unpassende Äußerung auf die „Goldwaage“ zu legen ist (89/09/0076; 2012/09/0154; 2013/09/0001) –, als Verstoß gegen das Gebot zu achtungsvollem Umgang (Mobbingverbot) nach § 43a BDG subsumierbar wäre, nicht zu (vgl dazu auch die im Kern korrespondierenden, für eine situative Unmutsäußerung sprechenden Angaben des Disziplinarbeschuldigten in ON *** PS ***).
Zu 2./, 4./ und 5./:
Im Ergebnis konnte keine in der Disziplinarverhandlung vernommene Beweisperson fundiert über (Erinnerungen an) eigene Wahrnehmungen berichten, dass der Disziplinarbeschuldigte tatsächlich ein in diesen Punkten beschriebenes, Kollegen systematisch abwertendes Verhalten an den Tag gelegt hätte. RI *** erinnerte sich im Wesentlichen an gelegentliches „Vor-sich-hin-Schimpfen“ ohne „Zielperson“ oder erkennbaren Kontext (ON *** PS ***). Abgesehen von einer noch zu erörternden Situation (3./; ON *** PS *** [einziger persönlich wahrgenommener Vorfall]) sagte die Zeugin *** *** in der Disziplinarverhandlung aus, ihr sei einmal von einem Kollegen zugetragen worden, BI *** habe „scheiß Weiber“ iZm der Wochenenddiensteinteilung von sich gegeben (ON *** PS ***). RI *** deponierte, BI *** sei einmal (allein) an einem Tisch hinten im Wachzimmer gesessen und habe über „die jungen Arschlöcher“ geschimpft. Der Zeuge habe dann (schlicht) gemutmaßt, er sei damit gemeint gewesen (ON *** PS ***). CI *** machte keine persönlichen Wahrnehmungen darüber, dass BI *** in der Kommunikation mit Kollegen Schimpfwörter oder Tierkommandos verwendete (ON *** PS ***). Gleiches gilt für die Zeugen Insp. *** (ON *** PS ***), Insp. *** (ON *** PS ***), Insp. *** (ON *** PS ***), *** *** (ON *** PS ***), BI *** (ON *** PS*** f); dieser führte wiederum respektloses Verhalten „junger“ Justizwachebeamter gegenüber älteren Kollegen ins Treffen) und Insp. *** (ON *** PS *** f). RI *** berichtete über allenfalls neckende Verwendung derber Sprache in freundschaftlichen Gesprächen, verfügte aber über keine Wahrnehmungen zu beleidigendem Gebrauch von Schimpfwörtern (ON *** PS *** f). Die Angaben des Zeugen RI *** über (angeblich) abwertende Äußerungen von BI *** über Frauen im Exekutivdienst oder die Verwendung der Wörter „Wichser“ oder „Arschlöcher“ zu unterschiedlichen Gelegenheiten (vgl zB ON *** S *** [= ***]; ON *** PS ***) stehen, unter Berücksichtigung der erwähnten Angaben der übrigen Beweispersonen in der Disziplinarverhandlung, solcherart allein. Sie sind in ihrer Gesamtheit betrachtet weder hinreichend konkret noch um so vieles glaubhafter als die Verantwortung des derartiges Verhalten (auch gegenüber RI ***) in Abrede stellenden Disziplinarbeschuldigten (vgl ON *** PS ***), dass für einen Schuldspruch erforderliche Feststellungen bloß darauf gegründet werden könnten (vgl VwGH 96/09/0365).
Auch an die Verwendung von „Tierkommandos“ erinnerte sich in der Disziplinarverhandlung nur mehr RI ***, und zwar an einen einzigen Vorfall am Tag seines ersten Aufeinandertreffens mit BI *** (ON *** PS *** f). Für eine „systematische“ Befehlserteilung in dieser Form lieferte die Disziplinarverhandlung somit – in Übereinstimmung mit der Verantwortung des Disziplinarbeschuldigten (vgl ON *** PS ***) – keine Hinweise. Selbst in diesem Einzelfall stünde – unterstellt, er habe sich tatsächlich auf die vom Zeugen beschriebene Weise zugetragen –, für die Annahme, beim Pfeifen von BI *** habe es sich um ein despektierliches „Tierkommando“ gehandelt, bloß die Interpretation des Zeugen RI *** zur Verfügung. Genauso gut hätte es aber sein können, dass BI *** sich schlicht den Namen des für ihn neuen Kollegen, den er am Gang ansprechen wollte, nicht gemerkt hat.
Ein Verhalten von BI ***, dessen Bedeutungsinhalt schwerwiegend genug für eine Subsumtion als Verstoß gegen § 43a BDG sein könnte, lässt sich nach der Disziplinarverhandlung in den erörterten Zusammenhängen nicht festmachen.
Zu 3./:
Die Disziplinarkommission gelangte zur Überzeugung, dass es durchaus Spannungen zwischen BI *** und einigen seiner Kollegen gab und dass jeder seinen Teil dazu beitrug (vgl zB CI *** ON *** PS *** ff [auch zu anderen „Reibereien“]; BI *** ON *** PS *** f). BI *** räumte auch ein, auf die Frage, wie es im gehe, aus der Emotion heraus geantwortet zu haben „bis auf die Arschlöcher, die nicht mit mir reden, gut.“ (ON *** PS ***). Die Aussagen der Zeugen zur hier relevanten Situation stimmen damit der Sache nach durchaus überein. Zu bemerken ist dabei, dass sich aus den Aussagen von *** *** (ON *** PS *** „… hat in der Gegend herumgeblickt …“; „… hat ... aber nicht auf mich gezeigt.“) und RI *** (ON *** PS *** „… ob … auf mich gezeigt hat …, weiß ich nicht mehr“) nicht ableiten lässt, wer mit „die Wichser“ oder „Arschlöcher“ gemeint gewesen sein sollte. Lediglich RI *** gab an, BI *** habe auf anwesende Personen gezeigt (ON *** PS ***). Aber unabhängig von solchen Details präsentiert sich auch dieses Geschehen für die Disziplinarkommission nicht als vorsätzlich-bösartige (oder gar systematische) Abwertung, sondern als spontane Unmutsäußerung im Rahmen einer konfliktbehafteten Gesamtsituation, die – orientiert an der zu 1./ genannten Rsp des VwGH – nicht das Gewicht eines Disziplinarvergehens erreicht.
Resümee:
Im Ergebnis lässt sich innerhalb des von der hier maßgeblichen Disziplinaranzeige (ON ***) und vom Einleitungsbeschluss (ON ***) gezogenen Rahmens nach Durchführung der Disziplinarverhandlung mit unmittelbarer Beweisaufnahme kein von BI *** verwirklichter Sachverhalt feststellen, der als schuldhafte Verletzung des Gebotes zu achtungsvollem Umgang bzw als Verstoß gegen das Mobbingverbot nach § 43a BDG, somit als schuldhafte Dienstpflichtverletzung nach § 91 BDG zu subsumieren wäre. Der Freispruch von der im Einleitungsbeschluss (ON ***) definierten Anschuldigung ist die Folge.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss (Bescheid) ist gemäß Art 130 Abs 1 Z 1, 132 Abs 1 Z 1, Abs 5 (iVm § 103 Abs 4 Z 1 BDG 1979) B-VG eine Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht zulässig. Die Beschwerde ist binnen vier Wochen (§ 7 Abs 4 VwGVG) nach Zustellung des Bescheides schriftlich, telegrafisch oder fernschriftlich bei der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Justiz einzubringen. Die Beschwerde hat folgende Punkte zu enthalten (§ 9 Abs 1 VwGVG):
1. die Bezeichnung des angefochtenen Bescheides,
2. die Bezeichnung der belangten Behörde,
3. die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt,
4. das Begehren und
5. die Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob die Beschwerde rechtzeitig eingebracht ist.
Eine rechtzeitig eingebrachte und zulässige Beschwerde gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG hat – sofern eine solche nicht ausgeschlossen wird (§ 13 Abs 2 VwGVG) – aufschiebende Wirkung (§ 13 Abs 1 VwGVG).
Zuletzt aktualisiert am
24.08.2020