Entscheidungsdatum
10.08.2020Norm
KJHG Vlbg 2013 §33 Abs2Text
Im Namen der Republik!
E r k e n n t n i s
I. Das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg hat durch sein Mitglied Dr. Eva-Maria Längle über die Beschwerde 1. der minderjährigen (mj) S J und 2. der mj C J, beide jeweils geb am XX.XX.XXXX, beide H, beide vertreten durch die obsorgeberechtigte Mutter B J, H, wiederum vertreten durch Preisl & Schneider Rechtsanwälte, Bregenz, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft B vom 19.05.2020 betreffend die Zurückweisung des Antrages auf Akteneinsicht, zu Recht erkannt:
Gemäß § 28 Abs 1 und 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird der Beschwerde (hinsichtlich der Zurückweisung des Antrages auf vollumfängliche Akteneinsicht in den Akt der Bezirkshauptmannschaft B) keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid bestätigt.
B e s c h l u s s
II. Das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg hat durch sein Mitglied Dr. Eva-Maria Längle über die Beschwerde 1. der mj S J und 2. der mj C J, beide jeweils geb am XX.XX.XXXX, beide H, beide vertreten durch die obsorgeberechtigte Mutter B J, H, wiederum vertreten durch Preisl & Schneider Rechtsanwälte, Bregenz, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft B vom 19.05.2020 betreffend die Zurückweisung des Antrages auf Übermittlung einer Kopie eines Gutachtens folgenden Beschluss gefasst:
Gemäß § 28 Abs 1 iVm § 31 Abs 1 VwGVG wird die Beschwerde (hinsichtlich der Zurückweisung des Antrages auf Übermittlung einer Kopie des von Dr. F R verfassten Gutachtens vom 03.01.2020) als unzulässig zurückgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis und gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig.
Begründung
1. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde gemäß § 8 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) idgF iVm § 9 Abs 2 Unterhaltsvorschussgesetz (UVG), BGBl Nr 451/1985 idgF, der Antrag der mj S J und der mj C J, beide jeweils geb am XX.XX.XXXX, (beide) wohnhaft in H, beide vertreten durch RA Dr. Schneider, auf vollumfängliche Akteneinsicht in den Verfahrensakt der Bezirkshauptmannschaft B, Abteilung Kinder- und Jugendhilfe, insbesondere auf Übermittlung einer Kopie des gegenständlichen Gutachtens von Dr. F R, zurückgewiesen.
2. Gegen diesen Bescheid haben die Beschwerdeführerinnen rechtzeitig eine Beschwerde erhoben. In dieser bringen sie nach Darstellung des verfahrensgegenständlichen Sachverhaltes im Wesentlichen vor, der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft B vom 19.05.2020 verletze sie in ihren subjektiven Rechten auf Akteneinsicht, insbesondere nach § 17 AVG, analog nach § 22 Außerstreitgesetz (AußStG) iVm § 219 Abs 1 Zivilprozessordnung (ZPO), analog nach § 1009 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB) sowie analog nach § 104a AußStrG. Vorab werde darauf hingewiesen, dass es keine Zweifel geben könne, dass sie und ihre allein obsorgeberechtigte Mutter, B J, berechtigt seien, einen Rechtsanwalt mit der Vertretung ihrer Interessen zu beauftragen, insbesondere auch im gegenständlichen Verfahren. Es sei überaus bedenklich, dass die Behörde argumentiere, dass die Kindesmutter nur mit Zustimmung der Bezirkshauptmannschaft B einen Rechtsanwalt mit ihrer Vertretung in gegenständlicher Angelegenheit beauftragen dürfe, zumal schon dieser Gedanke ein schwerwiegendes Missverständnis ihrer Grundrechte erkennen lasse. Man müsse sich vorstellen: Die Bezirkshauptmannschaft stelle tatsächlich in Frage, dass Verfahrensbetroffene einen Rechtsanwalt zur Vertretung ihrer Rechte beantragen dürfen, wenn ihre gesetzliche Vertretung ihre Rechte verletzen würde. Dies gelte insbesondere in gegenständlichem Fall, da es Hinweise gebe, dass die Bezirkshauptmannschaft B im gegenständlichen Unterhaltsverfahren ihre Vertretung nicht gesetzesgemäß ausführe. Mit Mail vom 10.03.2020 (im Behördenakt erliegend) habe die Bezirkshauptmannschaft B nämlich ihrem Rechtsvertreter mitgeteilt, dass im Rahmen der Erörterung des Gutachtens Dr. R eine Möglichkeit bestehen würde, den Inhalt des Gutachtens in Erfahrung zu bringen. In diesem Schreiben habe die Bezirkshauptmannschaft B aber – wie sie durch den Beschluss des Bezirksgerichtes B vom 17.03.2020 erfahren hätten müssen – verschwiegen, dass die Bezirkshauptmannschaft B bereits mit Schreiben vom 21.02.2020 (im Behördenakt erliegend) im Unterhaltsverfahren BG B auf eine Gutachtenserörterung verzichtet hätte. Sie seien deshalb – um es klar zu sagen – „für dumm verkauft worden“. Dass die obsorgeberechtigte Kindesmutter für sie trotz der „gesetzlichen Pflichtvertretung“ vertretungsbefugt sei und die obsorgeberechtigte Kindesmutter zur Wahrung ihrer Rechte einen Rechtsanwalt beauftragen dürfe, habe das Landesgericht F in der Entscheidung vom 16.04.2020 bereits klargestellt, in dem dort Folgendes ausgeführt worden sei: „Das Gericht darf die geschützten Auskünfte nur dem Betroffenen und seinem gesetzlichen Vertreter iSd § 1034 ABGB erteilen (Schoditsch aaO [53]). Als gesetzlicher Vertreter wird gemäß § 1034 Abs 1 Z 1 ABGB unter anderem bezeichnet, wer für ein minderjähriges Kind im Rahmen der Obsorge oder sonst im Einzelfall gesetzlich mit dessen Vertretung betraut ist. Gemäß § 208 Abs 2 ABGB steht es jedem Kind offen, sich unter anderem bei der Festsetzung oder Durchsetzung der Unterhaltsansprüche vom Kinder- und Jugendhilfeträger (KJHT) vertreten zu lassen, wenn die Zustimmung des sonstigen gesetzlichen Vertreters vorliegt. Durch die Vertretungsbefugnis des KJHT wird die Vertretungsbefugnis des sonstigen gesetzlichen Vertreters nicht eingeschränkt, jedoch gilt § 169 ABGB sinngemäß (§ 208 Abs 4 Satz 1 ABGB). Im Verfahren vertretungsbefugt ist aber, wer die erste Verfahrenshandlung setzt (Nademleinsky aaO § 101 AußStrG Rz 14, 15). Die Obsorge umfasst nach § 158 Abs 1 ABGB die Pflege und Erziehung, die Vermögensverwaltung und die gesetzliche Vertretung (Fischer-Czermak in Kletecka/Schauer, ABGB-ON1.05 § 158 Rz 1). Neben der gesetzlichen Vertretung, die sich auf die Pflege und Erziehung sowie die Vermögensverwaltung – als das Außenverhältnis dieser Angelegenheiten im Gegensatz zur tatsächlichen Wahrnehmung dieser Aufgaben, dem Innenverhältnis – bezieht, gibt es auch eine gesetzliche Vertretung außerhalb dieser Bereiche („bloße gesetzliche Vertretung“), so etwa in Angelegenheiten des § 154 Abs 2 (jetzt: § 167 Abs 2) ABGB oder sonst bei Wahrnehmung von Persönlichkeitsrechten des Kindes. Nach Ansicht des Obersten Gerichtshofs betrifft die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen den Bereich der Pflege und Erziehung und nicht jenen der Vermögensverwaltung (8 Ob 99/12k; Fischer-Czermak aaO § 158 ABGB Rz 2). Im Unterhaltsherabsetzungsverfahren 7 Pu 21/19d des Erstgerichts werden vorliegendenfalls die minderjährigen Kinder zwingend vom KJHT vertreten, was Vertretungshandlungen ihres sonstigen Vertreters, hier also der obsorgeberechtigten Mutter, in diesem Verfahren ausschließt. Schreitet der KJHT als alleiniger gesetzlicher Vertreter des Kindes gemäß § 9 Abs 2 UVG ein, ist dies der Vertretung durch einen Rechtsanwalt gleichzuhalten (6 Ob 208/19k; Neumayr aaO § 9 UVG Rz 7). In den übrigen Angelegenheiten – soweit also nicht die Rechtsdurchsetzung und Rechtsverteidigung in Unterhalts(vorschuss-)angelegenheiten betroffen ist – hat die obsorgeberechtigte Mutter ihre Rechte als gesetzliche Vertreterin für die Minderjährigen hingegen behalten. Insoweit ist ihre Stellung durchaus mit jener vergleichbar, in der für die Minderjährigen zur Erledigung eines bestimmten Geschäfts iSd § 271 (jetzt: § 277 Abs 2) ABGB ein Kollisionskurator bestellt ist (RIS-Justiz RS0006257). Wie der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 8 Ob 99/12x ausgeführt hat, hat der Beschluss auf Bestellung eines Kollisionskurators zur Vertretung eines Kindes in Unterhaltsangelegenheiten mit einer gesonderten Übertragung im Teilbereich Vertretung in Unterhaltsangelegenheiten nach § 176 (jetzt: § 181) ABGB nichts zu tun und ist einem (teilweisen) Entzug der Obsorge nicht gleichzuhalten. Die Bestellung eines Kollisionskurators zur Erledigung eines bestimmten Geschäfts iSd § 271 (jetzt: § 277 Abs 2) ABGB – etwa die Durchsetzung einer Unterhaltsforderung gegen den gesetzlichen Vertreter – bewirkt (lediglich) das Ausscheiden dieser Angelegenheit aus dem Aufgabenkreis des gesetzlichen Vertreters und den Verlust dessen Befugnis, für den Minderjährigen in dieser Angelegenheit einzuschreiten und ihn zu vertreten, solange der Kollisionskurator im Amt ist. Bedarf es nur einzelner Vertretungshandlungen durch einen Kollisionskurator, liegt somit kein Fall der teilweisen Obsorgeübertragung an den KJHT vor (RIS-Justiz RS0118441)“. Es verwundere, dass die Bezirkshauptmannschaft B trotz inhaltlicher Kenntnis dieser Entscheidung in Frage stelle, dass die obsorgeberechtigte Kindesmutter ohne Zustimmung der Bezirkshauptmannschaft Bregenz einen Rechtsanwalt beauftragen dürfe. Schließlich sei dies eine Vorfrage, die vom ordentlichen Zivilgericht zu entscheiden sei, nicht aber von der Behörde selbst. In Anbetracht der in den obigen Punkten ausgeführten Umstände seien – ohne hier als „Verschwörungstheoretiker“ klingen zu wollen – Anhaltspunkte dafür gegeben, dass von der Behörde bestimmte Umstände vertuscht werden sollten. Warum würden der obsorgeberechtigten Mutter wesentliche Umstände, nämlich der Verzicht auf die Gutachtenserörterung, verschwiegen werden und warum werde von der Behörde gleichzeitig behauptet, dass es eine Gutachtenserörterung geben werde? Warum wehre sich die Behörde so vehement gegen eine Akteneinsicht? Die Behörde verweise darauf, dass es mangels Anwendbarkeit des AVG und wegen der Interessenabwägung nach dem KJH-G keine Akteneinsicht geben würde. Das daraus folgende Ergebnis, dass sie keinerlei Akteneinsichtsrecht hätten, sei kaum erträglich und auch unrichtig, wie folgende Überlegungen zeigen würden: Vorausgeschickt werde, dass Österreich Vertragsstaat der UN-Kinderrechtskonvention vom 20.11.1989 sei. Nach Artikel 27 Abs 2 der UN-Kinderrechtskonvention sei es Aufgabe der Eltern, im Rahmen ihrer Fähigkeiten und finanziellen Möglichkeiten die für die Entwicklung des Kindes notwendigen Lebensbedingungen sicherzustellen. Gemäß Artikel 27 Abs 3 UN-Kinderrechtskonvention hätten die Vertragsstaaten (somit also auch Österreich) gemäß ihren innerstaatlichen Verhältnissen und im Rahmen ihrer Mittel geeignete Maßnahmen zu treffen, um den Eltern und anderen für das Kind verantwortlichen Personen bei der Verwirklichung dieses Rechts zu helfen. Gemäß Artikel 27 Abs 4 UN-Kinderrechtskonvention hätten die Vertragsstaaten (also auch Österreich) alle geeigneten Maßnahmen zu treffen, um die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen des Kindes gegenüber den Eltern herzustellen. Die innerstaatlichen Bestimmungen seien somit so auszulegen, dass dieses Recht eines Kindes möglichst vollumfänglich gewahrt werde. Insbesondere die Bestimmungen des AVG und des KJH-G seien in diesem Lichte zu sehen. Weiters sei zu berücksichtigen, dass sie nach Art 6 EMRK ein Recht auf ein faires Verfahren hätten. Wie könne es ein verfassungsgemäßes Verfahren sein, wenn einem Rechtsunterworfenen im Falle einer gesetzlich verpflichtend vorgesehenen Rechtsvertretung ein Akteneinsichtsrecht verwehrt werde? Mit der Zustellung des Beschlusses über die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen sei die Bezirkshauptmannschaft B nach § 9 Abs 2 UVG ex lege ihr alleiniger Vertreter zur Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen. Diese Vertretung könne von betroffenen Kindern nicht „frei“ widerrufen werden, die Bestellung und das Exklusivvertretungsrecht im Unterhaltsverfahren ende nur noch nach Maßgabe des § 9 Abs 3 UVG (RIS-Justiz RS0076463 [T 8]; Nademleinsky aaO § 1010 AußStrG Rz 17). Die Bezirkshauptmannschaft B argumentiere nun, dass sie diese Vertretung „privatwirtschaftlich“ ausführe und es deshalb kein Akteneinsichtsrecht gebe. Aber die Bezirkshauptmannschaft B übersehe, dass gerade in der Privatwirtschaft Klienten/Mandanten/Kunden ein grundsätzlich umfassendes Akteneinsichtsrecht hätten. Dies ergebe sich aus der Rechtsprechung zu § 1009 ABGB, wonach der Bevollmächtigte im Rahmen der nebenvertraglichen Pflichten eine umfassende Interessenswahrungs- und Informationspflicht habe (siehe OGH 6 Ob 91/10s; RIS-Justiz RS0123043). Insbesondere ein Rechtsanwalt sei verpflichtet, sich bestmöglich für seinen Mandanten einzusetzen (siehe § 9 Abs 1 RAO), dazu zähle auch die volle Informationspflicht an den Mandanten (OGH 29.01.2014, 9 Ob 61/13f), selbst nach Beendigung des Mandates (siehe § 12 RAO). Wenn die Bezirkshauptmannschaft B hier „privatwirtschaftlich“ tätig sei, dann habe sie auch die „Spielregeln“ der Privatwirtschaft einzuhalten, nämlich die „Kunden“ entsprechend voll zu informieren. Die Bezirkshauptmannschaft behaupte, dass sie bei ihrer Entscheidung, ob Akteneinsicht gewährt werde, die Interessen des Kindesvaters im Sinne des § 39 KJH-G zu berücksichtigen habe. Wenn man nun den Zweck der Vertretung der Bezirkshauptmannschaft B betrachte, nämlich (ausschließlich) die Hereinbringung des Unterhaltes für ein Kind und die Sicherung des Regressrechtes des Bundes, dann könne diese Bestimmung nicht so ausgelegt werden, dass hier irgendwelche Rechte des Kindesvaters zu berücksichtigen seien. Es gehe hier schließlich nicht um Fragen des Kontaktrechtes oder des Obsorgerechtes, wo eine Abwägung von Interessen durchaus gerechtfertigt sei. Aber nun die Bestimmung des § 39 KJH-G im Falle, dass der Kindesvater wegen angeblich verringertem Leistungsvermögen weniger Unterhalt zahlen wolle, heranzuziehen, um den Kindern das Informationsrecht zu beschneiden, scheine den Gesetzeszweck des § 9 UVG, nämlich die Unterstützung der Kinder, zu vernichten. Das Akteneinsichtsrecht ergebe sich auch aus der analogen Anwendung der einschlägigen Verfahrensbestimmungen, insbesondere nach AVG und nach dem AußStrG. Im AVG sei das Akteneinsichtsrecht klar definiert (§ 17 AVG). Das Gesetz über das gerichtliche Verfahren in Rechtsangelegenheiten außer Streitsachen enthalte selbst keine Regelung des Rechtes auf Akteneinsicht, doch werde § 219 ZPO (welche ein umfassendes Akteneinsichtsrecht vorsehe) hier sinngemäß angewendet (siehe RIS-Justiz RS0005803). Die Parteien hätten im Verfahren außer Streitsachen gemäß § 22 AußStrG iVm § 219 Abs 2 ZPO ohne weitere Voraussetzungen und zur Gewährleistung eines rechtsstaatlichen Verfahrens – abgesehen vom Grundsatz der Vorrangigkeit der gerichtlichen Tätigkeit – jederzeit und (nahezu) uneingeschränkt ein Recht auf Akteneinsicht in die sie betreffenden Akten (RIS-Justiz RS0005803, RS0110043, zuletzt 8 Ob 29/19a; LG Feldkirch 2 R 18/20t, 3 R 84/14x; EF 118.701; Ganner, Amtshilfe im Sachwalterrecht, iFamZ 2012, 295; Peer, Die Akteneinsicht, ÖJZ 2008/96 (915, 916)). Nichts Anderes könne bei der Bezirkshauptmannschaft B gelten. Nach § 104a AußStrG hätte auch ein bestellter Kinderbeistand ein Akteneinsichtsrecht. Wenn dieser ein solches Recht habe, hätten erst recht die betroffenen Kinder ein Akteneinsichtsrecht. Es ergebe sich deshalb, dass die Bezirkshauptmannschaft B zu Unrecht eine Akteneinsicht verweigert habe und diese Entscheidung der Bezirkshauptmannschaft zu korrigieren sei. Es werde beantragt, das Landesverwaltungsgericht möge in der Sache selbst entscheiden und den angefochtenen Bescheid dahingehend abändern, dass den Beschwerdeführerinnen vollumfängliche Akteneinsicht in den Akt V-131-07381/2011 gewährt werde, oder den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Bezirkshauptmannschaft B zurückzuverweisen. Auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung werde ausdrücklich verzichtet.
3. Folgender Sachverhalt steht fest:
3.1. Seit der Zustellung der beiden Beschlüsse des Bezirksgerichtes B (jeweils) vom 11.01.2019 mit denen Unterhaltsvorschüsse gewährt wurden, ist die Bezirkshauptmannschaft B gemäß § 9 Abs 2 UVG alleinige gesetzliche Vertreterin der mj S J und der mj C J, jeweils geb am XX.XX.XXXX, zur Durchsetzung der Unterhaltsansprüche.
3.2. Mit Schreiben vom 07.02.2020 ersuchte die Kindesmutter, B J, um Übermittlung des Gutachtens des (Facharztes für Psychiatrie und Neurologie) Dr. F R, B, welches im Zuge des Unterhaltsherabsetzungsantrages des Kindesvaters, T F, vom Pflegschaftsgericht in Auftrag gegeben wurde.
Am 12.02.2020 erteilte die Bezirkshauptmannschaft B der Kindesmutter schriftlich die Auskunft, dass ihr ein Recht auf Akteneinsicht und Abschriften bzw Kopien von Aktenbestandteilen nach dem AVG nicht zusteht.
Daraufhin hat die obsorgeberechtigte Kindesmutter RA Dr. Helgar Schneider, Bregenz, mit der Vertretung ihrer beiden mj Kinder beauftragt.
Am 10.03.2020 wurde RA Dr. Schneider von der Bezirkshauptmannschaft B schriftlich die Auskunft erteilt, dass es sich bei den Verfahrensakten der Kinder- und Jugendhilfe um privatwirtschaftlich geführte Akten handelt und dementsprechend den Parteien lediglich ein Auskunftsrecht gemäß § 39 KJH-G zusteht.
3.3. Mit Schreiben vom 11.03.2020 stellte RA Dr. Schneider gegenüber der Bezirkshauptmannschaft B den Antrag, ihm in seiner Eigenschaft als Rechtsvertreter der beiden mj Kinder S und C J eine vollumfängliche Akteneinsicht in den gegenständlichen Verfahrensakt (der Kinder- und Jugendhilfe) zu geben und ihm insbesondere umgehend eine Kopie des gegenständlichen Gutachtens von Dr. F R zu übermitteln. Weiters beantragte RA Dr. Schneider, falls ein solches Recht nicht bestehe, die bescheidmäßige Erledigung des Antrages.
3.4. Mit Beschluss des Bezirksgerichtes B vom 17.03.2020 wurde ein Antrag der obsorgeberechtigten Kindesmutter vom 12.03.2020 auf Übermittlung von Aktenbestandteilen, insbesondere des Gutachtens von Dr. F R, an den Rechtsvertreter der Minderjährigen abgewiesen.
Mit Beschluss des Landesgerichtes F vom 16.04.2020 wurde dem Rekurs teilweise Folge gegeben und der angefochtene Beschluss, der im Übrigen als bestätigt aufrecht bleibt, dahingehend abgeändert, dass den mj Zwillingen S und C J, vertreten durch ihre obsorgeberechtigte Mutter, B J, die Akteneinsicht durch Übersendung einer Kopie des Gutachtens des Dr. F R vom 03.01.2020 bewilligt wird.
Mit E-Mail vom 18.05.2020 teilte RA Dr. Schneider der belangten Behörde mit, dass er, da es hier um eine grundsätzliche Rechtsfrage gehe, um die Zustellung des Bescheides trotz der Entscheidung des (Landes-)Gerichtes ersuche.
4. Dieser Sachverhalt wird auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens, insbesondere auf Grund der Aktenlage, als erwiesen angenommen und ist soweit unstrittig.
5.1. Nach Art II Abs 1 Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 2008 (EGVG), BGBl I Nr 87/2008, idF BGBl I Nr 33/2013, sind, wenn in diesem Bundesgesetz, im AVG oder im VStG von Behörden gesprochen wird, darunter die Verwaltungsbehörden zu verstehen, für deren Verfahren diese Bundesgesetze gemäß Art I Abs 2 Z 1 bzw Z 2 gelten.
Nach § 17 VwGVG, BGBl I Nr 33/2013, sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl Nr 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl Nr 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl Nr 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Nach § 8 AVG, BGBl Nr 51/1991, sind Personen, die eine Tätigkeit der Behörde in Anspruch nehmen oder auf die sich die Tätigkeit der Behörde bezieht, Beteiligte und, insoweit sie an der Sache vermöge eines Rechtsanspruches oder eines rechtlichen Interesses beteiligt sind, Parteien.
Nach § 17 Abs 1 AVG, idF BGBl I Nr 33/2013, können, soweit in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, die Parteien bei der Behörde in die ihre Sache betreffenden Akten Einsicht nehmen und sich von Akten oder Aktenteilen an Ort und Stelle Abschriften selbst anfertigen oder auf ihre Kosten Kopien oder Ausdrucke erstellen lassen. Soweit die Behörde die die Sache betreffenden Akten elektronisch führt, kann der Partei auf Verlangen die Akteneinsicht in jeder technisch möglichen Form gewährt werden.
Nach Abs 2 leg cit muss allen an einem Verfahren beteiligten Parteien auf Verlangen die Akteneinsicht in gleichem Umfang gewährt werden.
Nach Abs 3 leg cit sind Aktenbestandteile von der Akteneinsicht ausgenommen, insoweit deren Einsichtnahme eine Schädigung berechtigter Interessen einer Partei oder dritter Personen oder eine Gefährdung der Aufgaben der Behörde herbeiführen oder den Zweck des Verfahrens beeinträchtigen würde.
5.2. Nach § 9 Abs 2 UVG, BGBl Nr 451/1985, idF BGBl I Nr 75/2009, wird der Jugendwohlfahrtsträger (nunmehr: Kinder- und Jugendhilfeträger) mit Zustellung des Beschlusses, mit dem Vorschüsse gewährt werden, alleiniger gesetzlicher Vertreter des minderjährigen Kindes zur Durchsetzung der Unterhaltsansprüche.
Nach § 33 Abs 1 Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJH-G), LGBl Nr 29/2013, idF LGBl Nr 46/2019, ist Träger der Kinder- und Jugendhilfe das Land (Kinder- und Jugendhilfeträger).
Das Land hat die Aufgaben nach diesem Gesetz als Träger von Privatrechten zu besorgen (§ 33 Abs 2 erster Satz KJH-G).
Nach Abs 4 leg cit sind, wenn Aufgaben in unmittelbar anzuwendenden bundesgesetzlichen Bestimmungen dem Kinder- und Jugendhilfeträger zugewiesen sind, diese von der Landesregierung oder – nach Maßgabe einer Verordnung nach Abs 5 – von der Bezirkshauptmannschaft wahrzunehmen.
Nach Abs 5 leg cit kann die Landesregierung alle oder einzelne ihrer Zuständigkeiten mit Verordnung auf die Bezirkshauptmannschaft übertragen, wenn dies im Interesse der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis gelegen ist. Wird von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht, gehen auch die mit der Zuständigkeitsübertragung korrespondierenden Rechte und Pflichten der Landesregierung auf die Bezirkshauptmannschaft über.
Nach § 39 Abs 1 KJH-G, idF LGBl Nr 24/2020, haben Kinder und Jugendliche das Recht, selbst Auskünfte über alle der Landesregierung und den beauftragten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen bekannten Tatsachen ihres Privat- und Familienlebens zu erhalten, deren Kenntnis ihnen aufgrund ihres Alters und ihres Entwicklungsstandes zumutbar ist, soweit nicht überwiegende, berücksichtigungswürdige persönliche Interessen der Eltern oder der sonst mit der Pflege und Erziehung betrauten Personen sowie anderer Personen oder überwiegende öffentliche Interessen gefährdet werden.
5.3. Mit § 1 der Verordnung der Landesregierung über die Übertragung einzelner Zuständigkeiten in Angelegenheiten der Kinder- und Jugendhilfe auf die Bezirkshauptmannschaften, LGBl Nr 56/2013, idF LGBl Nr 130/2015, wurden die unter § 33 KJH-G angeführten Zuständigkeiten der Landesregierung (mit Ausnahme der Abs 1 bis 3 sowie 5 und 6) auf die jeweils örtlich zuständige Bezirkshauptmannschaft übertragen.
6.1. Mit Schreiben vom 11.03.2020 haben die Beschwerdeführerinnen eine vollumfängliche Akteneinsicht in den Verwaltungsakt der belangten Behörde und insbesondere die umgehende Übermittlung einer Kopie eines Gutachtens von Dr. F R beantragt.
Wie dem Wortlaut des Antrages eindeutig zu entnehmen ist, beantragten die Beschwerdeführerinnen hiermit Akteneinsicht gemäß § 17 AVG und gerade keine Auskunft gemäß § 39 Abs 1 KJH-G. Bei der Auslegung eines Antrages ist vom grammatikalischen Sinn des Antrages und somit ausschließlich nach seinem objektiven Erklärungswert auszugehen (VwGH 20.05.1992, 91/12/0291).
6.2. Zu dem von RA Dr. Schneider im Namen der beiden Beschwerdeführerinnen gestellten Antrag auf Gewährung der vollumfänglichen Akteneinsicht in den Akt ist Folgendes auszuführen:
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist Voraussetzung für die Gestattung von Akteneinsicht nach § 17 AVG, dass – von der Behörde, der gegenüber Akteneinsicht begehrt wird – ein Verwaltungsverfahren („behördliches Verfahren“ iSd Art II EGVG 2008) geführt wird bzw geführt wurde, in dem der Akteneinsichtswerber Parteistellung hat. Damit ein Verfahren als „behördliches Verfahren“ iSd Art II EGVG 2008 qualifiziert werden kann, in dem von der Verwaltungsbehörde das AVG anzuwenden und gegebenenfalls Akteneinsicht zu gewähren ist, muss es individuelle Verwaltungsakte der Hoheitsverwaltung zum Gegenstand haben bzw „auf Bescheiderlassung zielen“ (VwGH 04.12.2019, Ra 2019/12/0065; VwGH 17.03.2016, Ro 2014/11/0012; VwGH 19.10.1994, 94/12/0186).
Zufolge der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bestimmt sich, ob eine von den Verwaltungsbehörden zu besorgende Aufgabe zur Hoheitsverwaltung oder zur Privatwirtschaftsverwaltung zählt, danach, in welchen Rechtsformen die betreffende Angelegenheit zu vollziehen ist. Nur wenn der Behörde der Vollzug in einer allein dem Staat zustehenden hoheitlichen Handlungsform (Verordnung, Bescheid, Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt) aufgetragen ist, handelt es sich um Hoheitsverwaltung; die Verwaltungsbehörde übt insoweit „imperium“ aus; andernfalls liegt Privatwirtschaftsverwaltung vor. Zu beachten ist hierbei, dass Privatwirtschaftsverwaltung als nicht hoheitliches Verwaltungshandeln sowohl im Bereich des Privatrechts als auch des öffentlichen Rechts vorkommt und dass daher die Unterscheidung zwischen Hoheitsverwaltung und Privatwirtschaftsverwaltung nicht mit jener zwischen öffentlichem und privatem Recht zusammenfällt (vgl ua VwGH 22.09.1995, 93/11/0221; VwGH 26.06.2012, 2011/11/0005).
Zu prüfen ist demnach, ob im vorliegenden Fall eine „behördliche Aufgabe“ im Sinne des Art I Abs 1 EGVG zu besorgen ist. Nur unter dieser Voraussetzung käme die Anwendung der Bestimmungen des AVG in Betracht.
Die Bezirkshauptmannschaft B, Abteilung Kinder- und Jugendhilfe, ist seit der Zustellung der beiden Beschlüsse des Bezirksgerichtes B vom 11.01.2019 in welchem Unterhaltsvorschüsse gewährt wurden, nach § 9 Abs 2 UVG als Kinder- und Jugendhilfeträger alleiniger gesetzlicher Vertreter der beiden minderjährigen Kinder zur Durchsetzung der Unterhaltsansprüche. Der Zweck der ex lege eintretenden ausschließlichen Vertretungsbefugnis des Kindes- und Jugendhilfeträgers nach § 9 Abs 2 UVG liegt weniger in einer Wahrung der Interessen des Kindes als in der Eintreibung des Unterhalts, auf den Vorschüsse gewährt wurden (OGH 22.01.2019, 10 Ob 110/18a). In den Aufgabenbereich des Kindes- und Jugendhilfeträgers fällt auch die Einbindung des Regressinteresses des Bundes. Die zwingende Vertretung des Kindes durch den Kinder- und Jugendhilfeträger soll insbesondere eine unerwünschte Aufspaltung der Vertreterrolle in Unterhalts- und Vorschussangelegenheiten vermeiden (OGH 25.10.2018, 6 Ob 189/18i; OGH 16.06.2009, 10 Ob 35/09h).
Dem § 9 Abs 2 UVG ist nicht zu entnehmen, dass die Bezirkshauptmannschaft B als Kinder- und Jugendhilfeträger die ihr insoweit zukommenden Aufgaben im Zuge der gesetzlichen Vertretung der minderjährigen Kinder zur Durchsetzung der Unterhaltsansprüche in hoheitlicher Vollziehung zu besorgen hätte. Es werden in diesem Zusammenhang keine Verwaltungsverfahren iSd Verwaltungsverfahrensgesetze geführt; insbesondere werden die der Bezirkshauptmannschaft gemäß § 9 Abs 2 UVG übertragenen Aufgaben nicht mit den behördlichen Akten einer Verordnung, eines Bescheides oder einer unmittelbaren Befehls- und Zwangsgewalt durchgeführt.
Aus dem Gesagten folgt, dass die Bezirkshauptmannschaft B als Träger der Kinder- und Jugendhilfe bei der Durchsetzung der Unterhaltsansprüche Minderjähriger nicht zu hoheitlichem Einschreiten ermächtigt ist. Unbeschadet ihrer öffentlich-rechtlichen Verpflichtung zur gesetzlichen Vertretung der minderjährigen Kinder zur Durchsetzung der Unterhaltsansprüche handelt diese im Unterhalts(-vorschuss)-verfahren als Kinder- und Jugendhilfeträger privatrechtlich und nicht hoheitlich (Neumayr in Schwimann/Kodek ABGB4, § 9 UVG, Rz 6), weshalb die Verwaltungsverfahrensgesetze insoweit keine Anwendung finden.
Somit besteht in der gegenständlichen Angelegenheit mangels Anwendbarkeit der Verwaltungsverfahrensgesetze kein Recht auf Akteneinsicht nach § 17 AVG. Die hoheitliche Befugnis der Behörde erschöpft sich in diesem Fall darin, den Antrag ohne nähere inhaltliche Prüfung seiner Berechtigung mit Bescheid zurückzuweisen (VwGH 26.06.2012, 2011/11/0005).
Daran vermögen auch die Ausführungen der Beschwerdeführerinnen betreffend die Grundrechte nichts zu ändern. In diesem Zusammenhang ist insbesondere festzuhalten, dass Art 4 Satz 1 der UN-Kinderrechtskonvention verdeutlicht, dass das Übereinkommen selbst keine Grundlage für individuelle Rechte ist. Es verpflichtet vielmehr die Vertragsstaaten, die im Übereinkommen anerkannten Rechte „durch geeignete Gesetzgebungs-, Verwaltungs- und sonstigen Maßnahmen“ innerstaatlich zu verwirklichen.
Die Entscheidung der belangten Behörde, mit der der Antrag auf vollumfängliche Akteneinsicht in den gegenständlichen Verfahrensakt (der Kinder- und Jugendhilfe) zurückgewiesen wurde, erfolgte daher zu Recht. Somit war der Beschwerde diesbezüglich keine Folge zu geben und der angefochtene Bescheid zu bestätigen (siehe Seite 1 dieser Entscheidung, Spruchpunkt I.).
6.3. Zu dem von RA Dr. Schneider im Namen der Beschwerdeführerinnen gestellten Antrag auf Übermittlung des Gutachtens von Dr. R (über den Gesundheitszustand des Kindesvaters) ergeben sich folgende Bemerkungen:
Grundsätzlich würde auch hier das zu Pkt 6.2. Gesagte gelten. Da jedoch das rechtliche Interesse der Beschwerdeführerinnen an der Übermittlung des Gutachtens seit der Erlassung des Beschlusses des Landesgerichtes F vom 16.04.2020, mit dem die Übersendung des von Dr. F R verfassten Gutachtens bewilligt wurde, weggefallen ist, war die mit 10.06.2020 datierte Beschwerde (bezüglich der Zurückweisung des Antrages auf umgehende Übermittlung einer Kopie des Gutachtens von Dr. F R) als unzulässig zurückzuweisen (siehe Seite 1 dieser Entscheidung, Spruchpunkt II.).
Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 28.01.2016, Ra 2015/11/0027, dargelegt hat, lässt sich dem § 33 Abs 1 VwGG entnehmen, dass der Gesetzgeber das Rechtsschutzbedürfnis als Prozessvoraussetzung für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof verstehe. Liegt diese Voraussetzung schon bei Einbringung einer Revision nicht vor, ist diese unzulässig; fällt die Voraussetzung erst nach Einbringung einer zulässigen Revision weg, so führt dies zu einer Einstellung des Verfahrens. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes können diese Überlegungen auch auf das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht übertragen werden.
Aufgrund des Umstandes, dass die Beschwerde hinsichtlich der Übermittlung einer Kopie des Gutachtens von Dr. R als unzulässig zurückzuweisen ist, erübrigt es sich, auf das Vorbringen, wonach die Beschwerdeführerinnen gemäß Art 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) ein Recht auf ein faires Verfahren hätten, näher einzugehen.
6.4. Wie die belangte Behörde bereits in ihrer Bescheidbegründung ausgeführt hat, steht es den Beschwerdeführerinnen frei, gemäß § 39 Abs 1 KJH-G Auskünfte über alle der Landesregierung und den beauftragten privaten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen bekannten Tatsachen ihres Privat- und Familienlebens zu erhalten, deren Kenntnis ihnen aufgrund ihres Alters und ihres Entwicklungsstandes zumutbar ist, soweit nicht überwiegende, berücksichtigungswürdige persönliche Interessen der Eltern oder der sonst mit der Pflege und Erziehung betrauten Personen oder überwiegende öffentliche Interessen gefährdet werden.
Gemäß § 39 Abs 5 KJH-G, idF LGBl Nr 24/2020, hat die Landesregierung auf Antrag der betroffenen Person mit Bescheid zu entscheiden, wenn die begehrte Auskunft nach Abs 1, 3 oder 4 nicht oder nicht im begehrten Umfang erteilt wird.
Die Erteilung von Auskünften kann sowohl mündlich als auch durch Einsicht in die entsprechenden Teile der Dokumentation gewährt werden. Wie aus den bereits von der Behörde zitierten Erläuterungen zur Regierungsvorlage (RV) 40 Blg Vbg LT 29. GP, 48, hervorgeht, sieht § 39 KJH-G lediglich ein Auskunftsrecht vor, ein Recht auf Einsicht in die Akten besteht aufgrund dieser Bestimmung nicht.
Eine Grenze für das Auskunftsrecht der Kinder und Jugendlichen ist der Schutz berücksichtigungswürdiger überwiegender persönlicher Interessen von Dritten – auch der Eltern. Wird ein Antrag auf Auskunft nach § 39 Abs 1 KJH-G gestellt, hat die zuständige Behörde demnach zunächst eine Interessenabwägung vorzunehmen.
7. Von einer mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden. Der Akteninhalt hat erkennen lassen, dass eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten hätte lassen, da bei der Beschwerde lediglich Rechtsfragen geltend gemacht wurden.
Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde auch nicht beantragt; vielmehr haben die Beschwerdeführerinnen in der Beschwerde auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ausdrücklich verzichtet (§ 44 VwGVG).
8. Eine Revision gegen diese Entscheidung ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Kinder- und Jugendhilfe, Bezirksverwaltungsbehörde, Durchsetzung der Unterhaltsansprüche, kein Recht auf AkteneinsichtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGVO:2020:LVwG.5.1.2020.R9Zuletzt aktualisiert am
24.08.2020