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20 Privatrecht allgemeinNorm
B-VG Art140 Abs1 / IndividualantragLeitsatz
Zurückweisung eines Individualantrags auf Aufhebung von Bestimmungen des FortpflanzungsmedizinG mangels unmittelbarer Betroffenheit der AntragstellerinSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
1.1. Die Antragstellerin begehrt die Aufhebung der Abs1 und 3 des §3 des Fortpflanzungsmedizingesetzes, BGBl. Nr. 275/1992 (im folgenden: FMedG).
Des weiteren wird begehrt, der Verfassungsgerichtshof möge dem Gesetzgeber auftragen, jene administrativ-prozeduralen Vorschriften, die zur Zeit nur im Zusammenhang mit der Samenspende stehen (vgl. §§16, 20 FMedG), auf die Eispende zu erstrecken.
1.2. Gemäß §1 Abs1 FMedG gilt als medizinisch unterstützte Fortpflanzung die Anwendung medizinischer Methoden zur Herbeiführung einer Schwangerschaft auf andere Weise als durch Geschlechtsverkehr.
Diese Methoden werden in §1 Abs2 leg.cit. demonstrativ (arg.: "insbesondere") aufgezählt. Als Methoden der medizinisch unterstützten Fortpflanzung gelten demnach
1. das Einbringen von Samen in die Geschlechtsorgane einer Frau,
2. die Vereinigung von Eizellen mit Samenzellen außerhalb des Körpers einer Frau,
3. das Einbringen von entwicklungsfähigen Zellen in die Gebärmutter oder den Eileiter einer Frau und
4. das Einbringen von Eizellen oder von Eizellen mit Samen in die Gebärmutter oder den Eileiter einer Frau.
Die §§2 und 3 leg.cit. regeln die Voraussetzungen der Zulässigkeit einer medizinisch unterstützten Fortpflanzung. Diese ist nur in einer Ehe oder eheähnlichen Lebensgemeinschaft zulässig, wenn nach dem Stand der Wissenschaft und Erfahrung alle anderen möglichen und zumutbaren Behandlungen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft durch Geschlechtsverkehr erfolglos gewesen oder aussichtslos sind.
§3 FMedG - die angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben - lautet wie folgt:
"§3.(1) Für eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung dürfen nur die Eizellen und der Samen der Ehegatten oder Lebensgefährten verwendet werden.
(2) Für die Methode nach §1 Abs2 Z1 darf jedoch der Samen Dritter verwendet werden, wenn der des Ehegatten oder Lebensgefährten nicht fortpflanzungsfähig ist.
(3) Eizellen und entwicklungsfähige Zellen dürfen nur bei der Frau verwendet werden, von der sie stammen."
Gemäß §8 FMedG darf eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung bei Ehegatten nur mit deren schriftlicher Zustimmung, bei Lebensgefährten nur bei Zustimmung in Form eines gerichtlichen Protokolls oder eines Notariatsaktes erfolgen. Bei Verwendung von Samen eines Dritten bedarf die Zustimmung stets eines gerichtlichen Protokolls oder eines Notariatsaktes.
Nach §16 FMedG darf die Zurverfügungstellung von Samen für eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung nicht Gegenstand eines entgeltlichen Rechtsgeschäfts sein.
Nach §18 leg.cit. hat der Arzt die Namen, Geburtstage, Geburtsorte, Staatsangehörigkeit und Wohnorte der Beteiligten, also der Frau, ihres Ehemannes oder Lebensgefährten sowie hievon getrennt eines Dritten, dessen Samen allenfalls verwendet wird, schriftlich aufzuzeichnen.
§20 FMedG legt weiter fest:
"(1) Die Aufzeichnungen über einen Dritten, der Samen zur Verfügung gestellt hat, sind vertraulich zu behandeln.
(2) Dem mit dem Samen eines Dritten gezeugten Kind ist auf dessen Verlangen nach Vollendung des 14. Lebensjahrs Einsicht in die Aufzeichnungen nach §15 Abs1 zu gewähren und daraus Auskunft zu erteilen. Der gesetzliche Vertreter oder der Erziehungsberechtigte kann zum Wohl des Kindes in medizinisch begründeten Ausnahmefällen mit pflegschaftsgerichtlicher Genehmigung Einsicht und Auskunft verlangen. In Ermangelung eines inländischen Pflegschaftsgerichts ist für die gerichtliche Genehmigung das Bezirksgericht, in dessen Sprengel die Krankenanstalt liegt, zuständig.
(3) Den Gerichten und Verwaltungsbehörden steht das Einsichts- und Auskunftsrecht zu, soweit dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben in Vollziehung dieses Bundesgesetzes unentbehrlich ist."
Durch ArtII FMedG wurden im ABGB die folgenden Bestimmungen neu eingefügt:
Ein neuer §137 b ABGB regelt die "Mutterschaft": Mutter ist die Frau, die das Kind geboren hat.
Die Samenspende betreffende Regelungen enthalten die durch ArtII FMedG neu eingeführten bzw. geänderten §§155, 156 a und 163 ABGB.
1.3. Zur Antragslegitimation wird im Aufhebungsantrag im wesentlichen vorgebracht:
"Die Antragstellerin ist laut beiliegendem
Sachverständigengutachten ... unfruchtbar, da sie bereits im
Alter von 29 Jahren in den 'Wechsel' gekommen ist. Ihre
Monatsblutungen bleiben aus und es besteht keine Möglichkeit, daß
sie Mutter eines genetisch mit ihr verwandten Kindes werden
könnte. Für Fälle wie den ... hat die Wissenschaft ... ein
Verfahren entwickelt, das es an sich sterilen Frauen doch noch erlaubt, ein Kind zu gebären ...
...
§3 Abs1 u. 3 FMedG verbietet das entsprechende Verfahren nunmehr allerdings absolut, weil nach der zitierten Gesetzesbestimmung 'Eizellen und entwicklungsfähige Zellen... nur bei der Frau verwendet werden (dürfen), von der sie stammen'.
Die Antragstellerin ist sohin Normadressat der angefochtenen Bestimmungen. Es ist ihr Kraft §3 Abs3 FMedG nicht möglich, im Rahmen der in-vitro-Befruchtung schwanger zu werden und ein Kind gebären zu dürfen.
Die Antragstellerin ist von den angefochtenen Bestimmungen nicht bloß faktisch betroffen. Die Bestimmungen gestalten tiefgreifend ihre persönliche Rechtssphäre. Das Verbot schränkt ihr Privatleben bzw. ihre Fortpflanzungsfreiheit ein.
Der Rechtseingriff ist nach Art und Umfang durch das Gesetz selbst bestimmt. Es steht fest, daß das vorerwähnte Verfahren, welches der Antragstellerin zu einer Schwangerschaft verhelfen würde, durch §3 Abs3 FMedG verboten ist.
Die Antragstellerin ist 29 Jahre und hegt seit längerem den Wunsch, ein Kind zu gebären, dies ist ihr jedoch durch das Verbot des §3 Abs3 FMedG verwehrt und hängt weder von einem vorhergehenden gerichtlichen, noch verwaltungsbehördlichen Akt ab. Der Rechtseingriff, den §3 FMedG für die Antragstellerin bewirkt, ist somit aktuell und nicht nur potentiell. Der Antragstellerin steht kein anderer Weg zur Geltendmachung der Verfassungswidrigkeit dieser Verbotsbestimmung offen. Es besteht nicht einmal die Möglichkeit, ein Verwaltungsstrafverfahren einzuleiten, da die Strafbestimmung des §23 FMedG an den eingreifenden Arzt gerichtet ist und wäre auch, abgesehen davon, diese Vorgangsweise durch ständige höchstgerichtliche Judikatur nicht zumutbar."
Im übrigen enthält der Antrag eine ausführliche Darlegung der gegen die bekämpften Bestimmungen sprechenden Bedenken.
2.1. Die Bundesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie beantragt, der Verfassungsgerichtshof wolle den Antrag als unzulässig zurückweisen, in eventu aussprechen, daß die angefochtenen Bestimmungen nicht als verfassungswidrig aufzuheben sind.
2.2. Die Bundesregierung bezweifelt das Vorliegen der Prozeßvoraussetzungen im wesentlichen aus folgenden Gründen:
"Aus den dem Antrag angeschlossenen Unterlagen geht ... nicht hervor, ob dem Wunsch der Antragstellerin nach einem Kind nur durch eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung in einer 'Eizellenspende' oder auch durch eine andere mögliche und zumutbare Behandlung abgeholfen werden kann. Daher kann zur Zulässigkeitsvoraussetzung der 'Subsidiarität' einer medizinisch unterstützten Fortpflanzung im Sinn des §2 Abs2 FMedG nicht Stellung genommen werden. Es läßt sich damit auch keine Aussage darüber treffen, ob die Antragstellerin durch die von ihr angefochtenen Bestimmungen des §3 FMedG in den von ihr behaupteten Rechten aktuell verletzt oder bloß potentiell beeinträchtigt wird.
... Gemäß §2 Abs1 des Fortpflanzungsmedizingesetzes ist eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung nur in einer Ehe oder eheähnlichen Lebensgemeinschaft zulässig. Den Ausführungen der Antragstellerin ist nicht zu entnehmen, ob diese Voraussetzungen auf sie zutreffen. Lediglich aus der beigelegten Kopie des Krankenblattes ist ersichtlich, daß die Antragstellerin offenbar zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Krankenblattes in einer Lebensgemeinschaft lebte (wobei ihr Partner zwei Kinder aus erster Ehe hat).
Mangels dieser Klarstellung kann nicht festgestellt werden, ob bei der Antragstellerin - für den Fall der Zulässigkeit der heterologen In-vitro-Fertilisation - überhaupt die von ihr angestrebte Behandlungsmethode durchgeführt werden könnte. Sollte die Antragstellerin alleinstehend sein, so müßte sie auch §2 Abs1 des Fortpflanzungsmedizingesetzes bekämpfen, da sie in diesem Fall in erster Linie von dieser Bestimmung betroffen wäre.
... Im übrigen ist auch anzumerken, daß der Verfassungsgerichtshof keinen Auftrag an den Gesetzgeber erlassen kann, 'jene administrativ-prozeduralen Vorschriften, die zur Zeit nur im Zusammenhang mit der Samenspende stehen (vgl. §§16, 20 Fortpflanzungsmedizingesetz) auf die Eispende zu erstrecken', wie dies im Antrag begehrt wird. Insoweit erscheint der Antrag jedenfalls unzulässig und verfehlt."
2.3. Darüber hinaus enthält die Äußerung der Bundesregierung eine ausführliche Stellungnahme in der Sache selbst.
3. Der Verfassungsgerichtshof hat über die Zulässigkeit des Antrages erwogen:
3.1. Gemäß Art140 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner mit VfSlg. 8009/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist daher grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, daß das Gesetz in die Rechtssphäre der betroffenen Person unmittelbar eingreift und sie - im Fall seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt. Hiebei hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art140 Abs1 letzter Satz B-VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl. zB VfSlg. 8594/1979, 10353/1985, 11730/1988).
3.2. Wie bereits oben unter Punkt 1.2. dargelegt, läßt §2 Abs1 FMedG eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung nur in einer Ehe oder eheähnlichen Lebensgemeinschaft zu. Voraussetzung für die Zulässigkeit des vorliegenden Individualantrages ist damit, daß die Antragstellerin entweder verheiratet ist oder in einer eheähnlichen Gemeinschaft lebt. Im Antrag wird aber weder der Bestand einer Ehe noch der einer eheähnlichen Gemeinschaft dargetan. Derartiges wird nicht einmal behauptet. Nach dem Antragsvorbringen, von dem der Gerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit eines Individualantrages auszugehen hat (vgl. zB VfSlg. 8594/1979, 10353/1985), fehlt es somit an der Prozeßvoraussetzung der unmittelbaren Betroffenheit der Antragstellerin durch die bekämpften Vorschriften.
Der Antrag war daher mangels Legitimation zurückzuweisen.
4. Dieser Beschluß konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG ohne vorangegangene Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden.
Schlagworte
VfGH / Individualantrag, FortpflanzungsmedizinEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1996:G231.1994Dokumentnummer
JFT_10039772_94G00231_00