Entscheidungsdatum
27.07.2020Norm
AWG 2002 §1 Abs3Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch seinen Vizepräsidenten Dr. Grubner als Einzelrichter über die Beschwerde der Frau A, vertreten durch B, ***, ***, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Zwettl vom 23. März 2020 zur ZI. ***, betreffend den Behandlungsauftrag gemäß § 73 des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 (AWG 2002) zu Recht:
1. Die Beschwerde wird gemäß § 28 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG) mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, als die Frist zur Entfernung des biogenen Materials in Form von Abfall, Silage, Strauch und Astschnitt im Umfang von wenigen Kubikmetern auf dem Grundstück *** der KG *** mit 7. August 2020 neu festgelegt wird und der Entsorgungsnachweis bis 31. August 2020 der Bezirkshauptmannschaft Zwettl vorzulegen ist.
2. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) eine ordentliche Revision nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
1. Zum verwaltungsbehördlichen Verfahren:
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Beschwerdeführerin verpflichtet, biogenes Material in Form von Altheu, Silage, Strauch- und Astschnitt auf dem Grundstück ***, KG ***, nach den Bestimmungen des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002, umgehend, spätestens jedoch bis 30. April 2020 nachweislich von einem hierzu Befugten entsorgen zu lassen und bis längstens 8. Mai 2020 einen Entsorgungsnachweis vorzulegen. Die belangte Behörde stützte ihre Entscheidung auf den Erhebungsbericht der technischen Gewässeraufsicht der belangten Behörde vom 10. März 2020. Dieses Gutachten habe ergeben, dass die Beschwerdeführerin biogenes Material in Form von Altheu, Silage, Strauch- und Astschnitt über die Böschung des Grundstückes ***, KG ***, in Richtung freier Wasserfläche gekippt habe bzw. Material noch auf der Böschungskante liegen würde. Diese Art der Lagerung könne nicht als ordnungsgemäße Kompostierung bezeichnet werden, ein für den Rotteprozess notweniger Lufteintrag wäre nicht möglich und es käme lediglich zu einem Faulprozess. Die dabei entstehenden Prozesswässer könnten leicht in die freie Wasserfläche und somit in das Grundwasser gelangen. In ihrer rechtlichen Beurteilung verwies die belangte Behörde insbesondere auf die §§ 1 Abs. 3 Z 2, 3 und 9, 2 Abs. 1, 15 Abs. 1, 15 Abs. 3, 73 Abs. 1 und 73 Abs. 7 AWG 2002. Darüber hinaus sei die Frist zur Entfernung aufgrund der aktuellen Situation (COVID-2019) länger als in der Stellungnahme des Amtssachverständigen.
Dagegen hat die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde erhoben.
2. Zum Beschwerdevorbringen:
Auf das Wesentliche zusammengefasst gab die Beschwerdeführerin an, der Bescheid sei mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit in Folge Verletzung von Verfahrensvorschriften behaftet. Ein Sachverständiger aus dem Gebiet der technischen Gewässeraufsicht könne nicht über biogenes Material entscheiden, dies könne vielmehr nur ein landwirtschaftlicher Sachverständiger. Der Spruch im Bescheid sei darüber hinaus zu unbestimmt, unkonkret, gleichheitswidrig und gesetzwidrig. Die konkrete Zuordnung einer vorzunehmenden Maßnahme sei nicht möglich. Weiters hätte die Beschwerdeführerin zur Befundaufnahme beigezogen werden müssen, da so die Aufklärung darüber möglich gewesen wäre, dass keine unzulässige Ablagerung vorläge. Auch könne die Beurteilung hinsichtlich des Vorliegens einer „Feldmiete“ nur von einem landwirtschaftlichen Sachverständigen vorgenommen werden. Darüber hinaus sei die vorgeschriebene Maßnahme im Hinblick auf die Lage im Zusammenhang mit dem „Corona-Virus“ innerhalb der gesetzten Frist unmöglich gewesen. Schließlich sei auch der Ausspruch über die Kosten der Kommissionsgebühr zu Unrecht erfolgt, da die Kommission durch die anonyme Anzeige eines Dritten veranlasst wurde und somit die Kosten von der Beschwerdeführerin nicht zu tragen seien.
Die Beschwerdeführerin beantragte die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung, die Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Fach Landwirtschaft und die ersatzlose Aufhebung des Bescheides.
Mit Schreiben vom 5. Mai 2020 legte die belangte Behörde die Beschwerde und den Verwaltungsakt mit dem Ersuchen um Entscheidung vor. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde beantragt.
3. Zum durchgeführten Ermittlungsverfahren:
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich führte am 1. Juli 2020 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. In dieser Verhandlung wurde Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde. Des Weiteren wurde Beweis aufgenommen durch die Einvernahme der Beschwerdeführerin, des Vertreters der belangten Behörde, Bezirkshauptmann-Stellvertreter C, und durch Erstattung von Befund und Gutachten des Amtssachverständigen für Deponietechnik und Gewässerschutz, D.
In der Verhandlung führte die Beschwerdeführerin – im Wesentlichen – aus, dass sie Eigentümerin des Grundstückes sei, dieses aber frei zugänglich wäre, da es nicht umzäunt sei. Auf Frage des Gerichtes gab die Beschwerdeführerin an, dass sie nicht wisse, welches Material auf dem Grundstück gelagert sei, sie habe nichts hingegeben und auch nichts weggebracht. Sie habe auch keine Möglichkeit gehabt, eine Stellungnahme im Verfahren abzugeben. Von der Befundaufnahme sei sie nicht informiert worden, sie habe erst durch den Bescheid davon erfahren. Sie habe auf dem gegenständlichen Grundstück Mist gelagert, das dürfe sie, das wäre Feldmiete. Im Laufe der Verhandlung gab die Beschwerdeführerin an, die Abfälle würden nicht von ihr stammen. Darüber hinaus wäre eine Entfernung des Materials mit normalem Gerät aus der Landwirtschaft nicht möglich.
Seitens des Vertreters der Beschwerdeführerin wurde die Durchführung eines Lokalaugenscheins beantragt, um festzustellen, dass es sich bei den Ablagerungen nicht um Abfall handle. Weiters solle durch einen Sachverständigen für Bodenbeschaffenheit festgestellt werden, dass aufgrund der Art und des Umfangs der Ablagerungen keine organischen Umsetzungen stattfinden, die Sickerwässer hervorrufen.
Der Vertreter der belangten Behörde gab – im Wesentlichen – in der Verhandlung an, dass der Erhebungsbericht der Gewässeraufsicht vom 10. März 2020 mit RSb ins Parteiengehör geschickt und von der Mutter der Beschwerdeführerin übernommen worden sei. Am 13. März 2020 sei von der Beschwerdeführerin telefonisch um Fristerstreckung ersucht worden. Ein Vorbringen, wonach das Material von jemand anderen dorthin gebracht worden wäre, sei von der Beschwerdeführerin nicht erstattet worden.
Der Amtssachverständige gab – im Wesentlichen – an, dass es sich bei den Materialien um organische Stoffe handle, die nahe eines Gewässers gelagert seien. Auf Grund der Lage könne gesagt werden, dass es sich um keine Feldmiete und um keine Kompostierung entsprechend dem Stand der Technik handle. Eine Mistlagerung in der Nähe von Gewässern sei nicht möglich. Der Amtssachverständige gab weiters an, dass es sich um einige Kubikmeter handle, anhand der Bilder aus dem Gutachten der technischen Gewässeraufsicht könne gesagt werden, dass es sich bei den Materialien insbesondere um Silage und Altheu handle, die teils in einer Böschung bzw. im Böschungsbereich nahe einem Gewässer gelagert seien und bereits einem Faulungs- und Umsetzungsprozesses unterliegen würden. Aufgrund dieser Tatsachen könne davon ausgegangen werden, dass Sickerwässer in die Wasserfläche gelangen, die schädlich seien. Eine Lagerung, die aufgrund organischer Umsetzungsprozesse Sickerwässer hervorruft, müsse zumindest 50 Meter von Oberflächengewässern entfernt betrieben werden. Auf Frage des Gerichtes gab der Amtssachverständige weiters an, dass eine Frist von fünf Wochen zur Entfernung des Materials ausreichend sei, eine Entfernung wäre auch innerhalb einer Woche möglich und mit jedem landwirtschaftlichen Gerät zu bewerkstelligen.
Im Anschluss an die mündliche Verhandlung wurde die Entscheidung verkündet. Die Beschwerdeführerin beantragte fristgerecht die Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß § 29 Abs. 4 VwGVG.
4. Feststellungen:
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich stellt folgenden Sachverhalt fest:
Auf dem Grundstück ***, KG ***, das im Eigentum der Beschwerdeführerin steht, ist biogenes Material in Form von Abfall, Silage, Strauch- und Astschnitt im Umfang von wenigen Kubikmetern auf nicht befestigtem Grund aufgebracht. Durch Umsetzungsprozesse wird Sickerwasser hervorgerufen, das in das Gewässer abfließt, das in einer geringen Entfernung vorhanden ist, jedenfalls weniger als 50 Meter entfernt. Die Ablagerungen, die im Wesentlichen noch vorhanden sind, liegen zum Teil auf der Kante und zum Teil auf der Böschung, was keine für die Wiederverwertung für die Landwirtschaft geeignete Lagerung darstellt. Durch das Abfließen sind mehr als geringfügige Beeinträchtigungen von Boden und Gewässer nicht auszuschließen.
5. Beweiswürdigung:
Diese Feststellungen ergeben sich aus dem vorgelegten Akt der Verwaltungsbehörde sowie aus den Aussagen der in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich einvernommenen Beschwerdeführerin, dem Vertreter der belangten Behörde und des Amtssachverständigen.
Dass die betreffenden Materialien im Wesentlichen noch immer dort sind, ergibt sich aus dem Bericht der technischen Gewässeraufsicht, insbesondere aus den Fotos, und wurde auch in der Verhandlung im Wesentlichen nicht bestritten. Die Qualität der Materialien ergibt sich zum einen aus dem Bericht der technischen Gewässeraufsicht und zum anderen aus den Ausführungen des Amtssachverständigen in der heutigen öffentlichen mündlichen Verhandlung. Das erkennende Gericht geht davon aus, dass die Materialien von der Beschwerdeführerin aufgebracht wurden. Zum einen hat die Beschwerdeführerin ausgeführt, dass sie selbst dort Mist gelagert hat und sie hat auch darauf verwiesen, dass sie dort die Feldmiete vornehmen kann. Eine Differenzierung der Ablagerungen ist nicht erkennbar. Dass diese Ablagerung von jemand anderen stammen würden, wurde außer in der heutigen mündlichen Verhandlung nicht vorgebracht bzw. substantiell bestritten. Nach Ansicht des Gerichts stammen die Materialien daher von der Beschwerdeführerin selbst. Die Lage der Materialien ergibt sich aus dem im vorgelegten Verwaltungsakt inneliegenden iMap-Auszug, dem Bericht der technischen Gewässeraufsicht vom 10. März 2020 und den Ausführungen in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht.
Ein landwirtschaftlicher Sachverständiger ist für die Entscheidungsfindung nicht erforderlich, weil die Lagerung von biogenen Abfällen im Bereich eines Gewässers und die Beurteilung der Gefährdung des Gewässers einem Sachverständigen für Deponietechnik und Gewässerschutz obliegt. Dieser hat in der mündlichen Verhandlung die Beurteilung der Materialen vorgenommen. Weiters zeigen die im Akt inne liegenden iMap-Fotos ganz klar die Nähe zum Gewässer und die Fotos im Bericht der technischen Gewässeraufsicht machen ersichtlich, dass die Böschung vorhanden ist. Das ist das zentrale Kriterium dafür, dass diese Auswaschungen dann letztlich in das Gewässer gelangen können. Die Durchführung eines Lokalaugenscheins ist daher nicht erforderlich. Eine Bodenprobe ist aus Sicht des Gerichts deswegen nicht erforderlich, da bereits die Möglichkeit der Gefährdung – und dass diese gegeben ist, wurde vom Amtssachverständigen dargelegt – dazu führt, dass die Art der Materiallagerung unzulässig ist.
6. Rechtslage:
Die maßgeblichen Bestimmungen des AWG 2002 lauten:
„§ 1
[…]
(3) „Im öffentlichen Interesse ist die Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall erforderlich, wenn andernfalls
1. die Gesundheit der Menschen gefährdet oder unzumutbare Belästigungen bewirkt werden können,
2. Gefahren für Wasser, Luft, Boden, Tiere oder Pflanzen und deren natürlichen Lebensbedingungen verursacht werden können,
3. die nachhaltige Nutzung von Wasser oder Boden beeinträchtigt werden kann,
4. die Umwelt über das unvermeidliche Ausmaß hinaus verunreinigt werden kann,
5. Brand- oder Explosionsgefahren herbeigeführt werden können,
6. Geräusche oder Lärm im übermäßigen Ausmaß verursacht werden können,
7. das Auftreten oder die Vermehrung von Krankheitserregern begünstigt werden können,
8. die öffentliche Ordnung und Sicherheit gestört werden kann oder
9. Orts- und Landschaftsbild sowie Kulturgüter erheblich beeinträchtigt werden können.“
[…]
§ 2
(1) Abfälle im Sinne dieses Bundesgesetzes sind bewegliche Sachen,
1. deren sich der Besitzer entledigen will oder entledigt hat oder
2. deren Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall erforderlich ist, um die öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) nicht zu beeinträchtigen.
[…]
(3) Eine geordnete Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist jedenfalls solange nicht im öffentlichen Interesse (§ 1 Abs. 3) erforderlich, solange
1. eine Sache nach allgemeiner Verkehrsauffassung neu ist oder
2. sie in einer nach allgemeiner Verkehrsauffassung für sie bestimmungsgemäßen Verwendung steht.
[…]
(4) Im Sinne dieses Bundesgesetzes sind
1. „Altstoffe“
a) Abfälle, welche getrennt von anderen Abfällen gesammelt werden,
[…]
um diese Abfälle nachweislich einer zulässigen Verwertung zuzuführen.
[…]
3. „gefährliche Abfälle“ jene Abfälle, die gemäß einer Verordnung nach § 4 als gefährlich festgelegt sind.
[…]
(5) Im Sinne dieses Bundesgesetzes
5. ist „Verwertung“ jedes Verfahren, als deren Hauptergebnis Abfälle innerhalb der Anlage oder in der Wirtschaft in umweltgerechter Weise einem sinnvollen Zweck zugeführt werden, indem
a) sie andere Materialien ersetzen, die ansonsten zur Erfüllung einer bestimmten Funktion verwendet worden wären, oder
b) – im Falle der Vorbereitung zur Wiederverwendung – die Abfälle so vorbereitet werden, dass sie diese Funktion erfüllen.
Als Verwertung gilt die Vorbereitung zur Wiederverwendung, das Recycling und jede sonstige Verwertung (zB die energetische Verwertung, die Aufbereitung von Materialien, die für die Verwendung als Brennstoff bestimmt sind, oder die Verfüllung) einschließlich der Vorbehandlung vor diesen Maßnahmen. Anhang 2 Teil 1 enthält eine nicht erschöpfende Liste von Verwertungsverfahren.
[…]
(6) Im Sinne dieses Bundesgesetzes
1. ist „Abfallbesitzer“
a) der Abfallerzeuger oder
b) jede Person, welche die Abfälle innehat;
[…]
Abfallende
§ 5
(1) Soweit eine Verordnung gemäß Abs. 2 oder eine Verordnung gemäß Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2008/98/EG über Abfälle nicht anderes bestimmt, gelten Altstoffe so lange als Abfälle, bis sie oder die aus ihnen gewonnenen Stoffe unmittelbar als Substitution von Rohstoffen oder von aus Primärrohstoffen erzeugten Produkten verwendet werden. Im Falle einer Vorbereitung zur Wiederverwendung im Sinne von § 2 Abs. 5 Z 6 ist das Ende der Abfalleigenschaft mit dem Abschluss dieses Verwertungsverfahrens erreicht.
[…]
Allgemeine Behandlungspflichten für Abfallbesitzer
§ 15
(1) Bei der Sammlung, Beförderung, Lagerung und Behandlung von Abfällen und beim sonstigen Umgang mit Abfällen sind
1. die Ziele und Grundsätze gemäß § 1 Abs. 1 und 2 zu beachten und
2. Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) zu vermeiden.
[…]
(3) Abfälle dürfen außerhalb von
1. hiefür genehmigten Anlagen oder
2. für die Sammlung oder Behandlung vorgesehenen geeigneten Orten
nicht gesammelt, gelagert oder behandelt werden. Eine Ablagerung von Abfällen darf nur in hiefür genehmigten Deponien erfolgen.
(4) Abfälle sind gemäß § 16 oder nach Maßgabe einer Verordnung gemäß § 14 Abs. 1 oder § 23 zu verwerten.
(4a) Eine Verwertung ist nur zulässig, wenn der betreffende Abfall unbedenklich für den beabsichtigten sinnvollen Zweck einsetzbar ist und keine Schutzgüter (im Sinne von § 1 Abs. 3) durch diesen Einsatz beeinträchtigt werden können, sowie durch diese Maßnahme nicht gegen Rechtsvorschriften verstoßen wird.
(5) Ist der Abfallbesitzer zu einer entsprechenden Behandlung nicht berechtigt oder imstande, hat er die Abfälle einem zur Sammlung oder Behandlung Berechtigten zu übergeben. Die Übergabe hat so rechtzeitig zu erfolgen, dass Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) vermieden werden; Abfälle zur Beseitigung sind regelmäßig, mindestens einmal im Jahr, Abfälle zur Verwertung sind regelmäßig, mindestens einmal in drei Jahren, einem zur Sammlung oder Behandlung Berechtigten zu übergeben.
(5a) Der Abfallbesitzer ist dafür verantwortlich, dass
a) die Abfälle an einen in Bezug auf die Sammlung oder Behandlung der Abfallart berechtigten Abfallsammler oder -behandler übergeben werden und
b) die umweltgerechte Verwertung oder Beseitigung dieser Abfälle explizit beauftragt wird.
(5b) Wer Abfälle nicht gemäß Abs. 5a übergibt, kann bis zur vollständigen umweltgerechten Verwertung oder Beseitigung dieser Abfälle als Verpflichteter gemäß § 73 Abs. 1 mit Behandlungsauftrag in Anspruch genommen werden.
[…]
Behandlungsauftrag
§ 73
(1) Wenn
1. Abfälle nicht gemäß den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes, nach diesem Bundesgesetz erlassenen Verordnungen, nach EG-VerbringungsV oder nach EG-POP-V gesammelt, gelagert, befördert, verbracht oder behandelt werden oder
2. die schadlose Behandlung der Abfälle zur Vermeidung von Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) geboten ist,
hat die Behörde die erforderlichen Maßnahmen dem Verpflichteten mit Bescheid aufzutragen oder das rechtswidrige Handeln zu untersagen.“
7. Erwägungen des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich:
7.1. Die Anwendung von § 73 AWG 2002 setzt zunächst voraus, dass Abfall im Sinne von § 2 Abs. 1 AWG 2002 vorliegt.
Gemäß § 2 Abs. 1 AWG 2002 sind Abfälle bewegliche Sachen, deren sich der Besitzer entledigen will oder entledigt hat (subjektiver Abfallbegriff), oder deren Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall erforderlich ist, um die öffentlichen Interessen im Sinne des § 1 Abs. 3 AWG 2002 nicht zu beeinträchtigen (objektiver Abfallbegriff). Abfall liegt bereits dann vor, wenn entweder der objektive oder der subjektive Abfallbegriff erfüllt ist (VwGH 23. Februar 2012, 2008/07/0179). Zu betonen ist, dass für die Verwirklichung des objektiven Abfallbegriffes keine konkrete Kontamination, sondern bereits die bloße Möglichkeit einer Gefährdung von Schutzgütern im Sinne des § 1 Abs. 3 AWG 2002 ausreicht (VwGH 22. Dezember 2005, 2005/07/0088). Es kommt nicht darauf an, dass eine konkrete Gefahrensituation nachweisbar ist (vgl. VwGH 15. September 2011, 2009/07/0154, mwN).
An der objektiven Abfalleigenschaft im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 2 AWG 2002 der gegenständlichen Materialien ist nicht zu zweifeln. Auf Grund der Auswaschungen ergibt sich die Möglichkeit der Gefährdung von Schutzinteressen des § 1 Abs. 3 AWG 2002.
Aus den bisherigen Ausführungen folgt, dass bei den obgenannten Materialien Abfall im objektiven Sinn gegeben ist. Auf die Erfüllung des subjektiven Abfallbegriffes war daher nicht weiter einzugehen.
7.2. In Bezug auf die Sammlung oder Behandlung von Abfall ordnet § 15 Abs. 3 AWG 2002 an, dass dieser außerhalb von hierfür genehmigten Anlagen, für die Sammlung oder Behandlung vorgesehenen geeigneten Orten nicht gesammelt, gelagert, behandelt werden darf. Eine Ablagerung von Abfällen darf nur in den hierfür genehmigten Deponien erfolgen. Die Beschwerdeführerin behauptet nicht, dass sie eine genehmigte AWG-Anlage betreiben würde. Schon alleine aufgrund der Lagerung im Böschungsbereich auf nicht ausreichend dichtem Untergrund kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass es sich bei dem Lagerplatz der Beschwerdeführerin um einen für die Behandlung von Abfällen vorgesehenen geeigneten Ort im Sinne des § 15 Abs. 3 Z 2 AWG 2002 handelt.
Es ist folglich von einer dem § 15 Abs. 3 AWG 2002 widersprechenden und damit unzulässigen Lagerung von Abfall auszugehen.
7.3. Die erforderlichen Maßnahmen nach § 73 Abs. 1 AWG 2002 sind dem Verpflichteten aufzutragen, als „Verpflichteter“ ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der „Verursacher“ anzusprechen (vgl. etwa VwGH 20. Februar 2014, 2011/07/0225). Für die Eigenschaft des „Verpflichteten“ im Sinne des § 73 Abs. 1 AWG 2002 ist es wesentlich, ob derjenige in zurechenbarer Weise Abfälle entgegen dem AWG 2002 oder einer nach diesem Bundesgesetz erlassenen Verordnung gesammelt, gelagert, befördert, verbracht und behandelt hat. Für einen Behandlungsauftrag nach § 73 Abs. 1 AWG 2002 ist damit Voraussetzung, dass eine abfallrechtswidrige Handlung in zurechenbarer Weise gesetzt wird (VwGH 28. November 2013, 2010/07/0144). Für die Stellung als Verpflichteter nach § 73 Abs. 1 AWG 2002 ist es hingegen nicht erforderlich, dass derjenige hinsichtlich der betroffenen Abfälle einen Besitzwillen im Sinne des § 309 ABGB hat (VwGH 28. November 2013, 2010/07/0109). Da die Beschwerdeführerin – wie festgestellt – die Materialien aufgebracht hat, ist sie als Verursacherin auch Verpflichtete im Sinne des § 73 AWG 2002.
Daraus folgt, dass die belangte Behörde zu Recht gemäß § 73 Abs. 1 AWG 2002 die Entfernung der angeführten Materialien angeordnet hat und der angefochtene Bescheid unter keiner Rechtswidrigkeit leidet.
7.4. Die Leistungsfrist ist neu festzusetzen. Vom Amtssachverständigen wurde in der Verhandlung angegeben, dass eine Frist von fünf Wochen ausreichend ist. In diesem Sinne wurde bei Verkündung der Entscheidung die Frist mit 7. August 2020 neu festgelegt.
7.5. Das nach § 76 Abs. 2 zweiter Satz AVG erforderliche Verschulden kann nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere darin erblickt werden, dass der Beteiligte einen konsenslosen Zustand hergestellt, also zB für seine Betriebsanlage nicht auch die erforderliche wasserrechtliche Bewilligung erwirkt hat oder ein Gewerbe ohne entsprechende Gewerbeberechtigung und eine Betriebsanlage ohne die erforderliche (gewerbebehördliche) Genehmigung betreibt.
Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. mit näheren Hinweisen auf die Rechtsprechung Hengstschläger/Leeb, Online-Kommentar zum AVG, § 76, Rz 51) liegen die Voraussetzungen nach § 76 Abs. 2 zweiter Satz AVG vor, da die Amtshandlungen durch das Verschulden der Beschwerdeführerin herbeigeführt worden sind. Dieses kann insbesondere darin erblickt werden, dass sie die Materialien entgegen § 15 Abs. 3 Z 1 AWG 2002 abgelagert hat.
Die Beschwerde ist daher insgesamt als unbegründet abzuweisen.
8. Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision gegen diese Entscheidung ist unzulässig, denn es werden keine Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung angesprochen. Im Wesentlichen waren Fragen der Beweiswürdigung zu klären. Es waren im Wesentlichen nur Fragen der Beweiswürdigung zu beantworten, zu deren Überprüfung der Verwaltungsgerichtshof im Allgemeinen nicht berufen ist.
Schlagworte
Umweltrecht; Abfallwirtschaft; Behandlungsauftrag; Lagerung;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2020:LVwG.AV.483.001.2020Zuletzt aktualisiert am
24.08.2020