Index
L82000 Bauordnung;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Schrefler-König, über die Beschwerde des O in R, vertreten durch Mag. E, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 10. Juni 1997, Zl. Ve1-550-2589/1-1, betreffend Einwendungen gegen eine Baubewilligung (mitbeteiligte Parteien: 1. T in R, und 2. Gemeinde Roppen, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 13.010,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Antrag vom 9. Dezember 1994 suchte der Erstmitbeteiligte beim Bürgermeister der zweitmitbeteiligten Gemeinde um die baubehördliche Bewilligung zur Errichtung einer Steinschlichtung und Überdachung auf einem Grundstück in der mitbeteiligten Gemeinde an. In der über dieses Bauvorhaben am 25. Jänner 1995 durchgeführten mündlichen Verhandlung sprach sich der als Nachbar unter Hinweis auf die Präklusionsfolgen des § 42 AVG geladene Beschwerdeführer ohne Angabe von Gründen gegen das Bauvorhaben aus. In der Verhandlungsschrift über diese Verhandlung ist diesbezüglich festgehalten, daß der Beschwerdeführer dem Bauvorhaben nicht zustimme und die Unterschrift verweigere.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 7. Februar 1995 wurde dem Erstmitbeteiligten die beantragte Baubewilligung erteilt. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer eine mit 21. Februar 1995 datierte Berufung.
Über die Berufung des Beschwerdeführers wurde zunächst nicht entschieden, der Erstmitbeteiligte brachte in der Folge ein neuerliches Bauansuchen ein, über welches ebenfalls eine mündliche Verhandlung abgehalten wurde. Mit Bescheid vom 2. Dezember 1996 des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde wurde dem Erstmitbeteiligten neuerlich eine Bewilligung für die Errichtung einer Steinschlichtung und Überdachung auf demselben Grundstück erteilt.
Nach Einholung einer Stellungnahme der Bauberatung des Tiroler Gemeindeverbandes erging sodann ein Berufungsbescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 18. März 1997, in dem über die Berufung des Beschwerdeführers vom 21. Februar 1995 gegen den Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 7. Februar 1995 entschieden wurde und diese Berufung abgewiesen wurde.
Begründet wurde diese Entscheidung im wesentlichen damit, daß der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vom 25. Jänner 1995 keine Einwendung im Rechtssinn erhoben habe und somit präkludiert im Sinne des § 42 AVG sei.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Vorstellung.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde die Vorstellung des Beschwerdeführers als unbegründet abgewiesen.
Begründend führt die belangte Behörde zunächst aus, daß der Gegenstand des Vorstellungsverfahrens der Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 18. März 1997 sei. Mit diesem Bescheid habe der Gemeindevorstand unzweifelhaft über die Berufung des Beschwerdeführers vom 21. Februar 1995 gegen den Bescheid des Bürgermeisters vom 7. Februar 1995 entschieden. Im gegenständlichen Vorstellungsverfahren sei somit nur über den Berufungsbescheid vom 18. März 1997 zu entscheiden. Hinsichtlich des Bescheides vom 2. Dezember 1996 und die dagegen erhobene Berufung vom 9. Dezember 1996 liege der belangten Behörde keine Entscheidung des Gemeindevorstandes vor und sei daher die Zuständigkeit der Vorstellungsbehörde nicht gegeben.
Inhaltlich schloß sich die belangte Behörde der Auffassung des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde an, daß der Beschwerdeführer präkludiert sei und somit die Berufung zu Recht abgewiesen worden sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von Verfahrensvorschriften bekämpft der Beschwerdeführer den angefochtenen Bescheid insbesondere dahingehend, daß "in Wahrheit" der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde mit dem Bescheid vom 18. März 1997 über den Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde vom 2. Dezember 1996 abgesprochen habe. Es sei von der belangten Behörde daher letztinstanzlich trotz unrichtiger Bezeichnung "eigentlich über das "zweite" Bauverfahren mit identer Aktenzahl abgesprochen" worden.
Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, der Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen.
Der belangten Behörde kann vielmehr nicht entgegengetreten werden, wenn sie im angefochtenen Bescheid ausgehend vom klaren Wortlaut des Berufungsbescheides vom 18. März 1997 zur Auffassung gekommen ist, daß dieser Bescheid über die Berufung gegen den Bescheid vom 7. Februar 1995 abgesprochen hat. Der Bescheid vom 18. März 1997 enthält nicht nur im Spruch die ausdrückliche Bezugnahme auf den bekämpften erstinstanzlichen Bescheid, sondern geht auch in der Begründung lediglich auf den Bescheid vom 7. Februar 1995 ein. Es besteht somit kein Anhaltspunkt in diesem Bescheid, daß damit über eine andere Berufung (gegen einen anderen erstinstanzlichen Bescheid) entschieden werden sollte. Abgesehen von diesem klaren Inhalt des Bescheides spricht auch der von der belangten Behörde vorgelegte Gemeindeakt, in dem das Schreiben der Bauberatung des Tiroler Gemeindeverbandes einliegt, für diese Auffassung. In diesem Schreiben ist ausdrücklich davon die Rede, daß über die (noch offene) Berufung gegen den Bescheid vom 7. Februar 1995 abzusprechen sei und sodann in der Folge der weitere erstinstanzliche Bescheid aufgehoben werden könnte.
Der geltend gemachte Verfahrensmangel liegt somit nicht vor.
2. Damit gehen aber auch die weiteren Ausführungen in der Beschwerde, die sich mit der Frage der Bezeichnung des Grundstückes, auf welchem das Bauvorhaben durchgeführt werden soll, befassen, und zur Rechtswidrigkeit des Inhaltes ins Leere.
3. Gegen die Annahme der belangten Behörde, daß das Vorbringen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vom 25. Jänner 1995 nicht als Einwendung im Rechtssinn gewertet werden könne, wird auch in der Beschwerde nichts Stichhältiges vorgebracht. Die Manuduktionspflicht nach § 13a AVG reicht nicht so weit, daß die Behörde die unter Hinweis auf die Präklusionsfolgen des § 42 AVG geladenen Parteien hinsichtlich der inhaltlichen Ausgestaltung ihrer Einwendungen anleiten müßte (vgl. die bei Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, 180f, wiedergegebene Rechtsprechung).
4. Soweit in der Beschwerde das Vorliegen einer Präklusion gemäß § 42 AVG deshalb bestritten wird, weil die Verhandlung zu spät ausgeschrieben worden wäre, ist darauf hinzuweisen, daß der Beschwerdeführer an der Verhandlung vom 25. Jänner 1995 teilgenommen und in dieser Verhandlung keinen Vertagungsantrag gestellt hat. Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, wäre im Falle einer zu kurzen Anberaumung einer mündlichen Verhandlung von der Partei, die eine zu kurze Vorbereitungszeit geltend macht, ein Vertagungsantrag zu stellen. Auch in derartigen Fällen ergibt sich überdies für die Partei die Möglichkeit, in der Berufung allfälliges ergänzendes Vorbringen zu erstatten, wenn aufgrund des Mangels des Verfahrens in erster Instanz tatsächlich davon ausgegangen werden müßte, daß keine Präklusion eingetreten ist (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 23. Juni 1987, Zl. 83/05/0146, 0147, vom 14. September 1993, Zl. 90/07/0098, vom 16. Dezember 1993, Zl. 90/06/0069, vom 16. Dezember 1993, Zl. 90/06/0185, und vom 16. Dezember 1993, Zl. 90/06/0186). Der Beschwerdeführer hat im übrigen weder im Verwaltungsverfahren noch in der Vorstellung oder in der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof dargetan, was er vorgebracht hätte, wenn die mündliche Verhandlung früher ausgeschrieben worden wäre.
5. Begründet ist die Beschwerde jedoch im Ergebnis insoferne, als darin darauf hingewiesen wird, daß mit dem angefochtenen Bescheid über die Vorstellung gegen einen an sich nichtigen Behördenakt entschieden worden sei, da dem Sitzungsprotokoll über die Sitzung des Gemeindevorstandes vom 28. Jänner 1997 nicht entnommen werden könne, daß über die Berufung abgesprochen worden sei. Nach dem Protokoll über die Sitzung des Gemeindevorstandes vom 28. Jänner 1997 wurde der von der "Bauberatung" (des Gemeindeverbandes) vorgelegte Bescheidentwurf dem Gemeindevorstand "zur Kenntnis gebracht" und der Vizebürgermeister beauftragt, mit Dr. H (dem Autor des Entwurfes) "Kontakt aufzunehmen". Daß über den Entwurf Beschluß gefaßt wurde, läßt sich dem Protokoll nicht entnehmen. Da auch eine allfällige spätere Beschlußfassung über den mit dem Datum 28. März 1997 ausgefertigten Bescheid nicht stattfand (wie auch von seiten der mitbeteiligten Gemeinde bestätigt wurde), liegt dem Bescheid vom 28. März 1997 keine Beschlußfassung des zuständigen Kollegialorgans zugrunde. Demnach wäre der Bescheid von der belangten Behörde wegen Unzuständigkeit der Berufungsbehörde als rechtswidrig aufzuheben gewesen (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 8. Oktober 1982, Zl. 82/08/0043, oder vom 16. März 1995, Zl. 94/06/0083, mit weiteren Nachweisen).
6. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
7. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Inhalt der Vorstellungsentscheidung Aufgaben und Befugnisse der VorstellungsbehördeBehörden Vorstellung BauRallg2/3Zurechnung von Bescheiden IntimationVerwaltungsstrafverfahrenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1997060164.X00Im RIS seit
03.05.2001Zuletzt aktualisiert am
25.06.2010