TE Bvwg Erkenntnis 2019/7/4 W274 2197874-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.07.2019
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Entscheidungsdatum

04.07.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs2
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W274 2197874-1/35E

IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Mag. LUGHOFER als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , iranische Staatsbürgerin, Thaliastraße 157, 1160 Wien, vertreten durch ZEIGE Zentrum für Europäische Integration und Globalen Erfahrungsaustausch, Ottakringer Straße 54/4/Top 2, 1170 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.05.2018, Zl. XXXX , nach öffentlicher mündlicher Verhandlung zu Recht:

Der Beschwerde wird Folge gegeben und XXXX gem. § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit Kraft Gesetzes Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Die BF reiste am 05.08.2017 mit einem gültigen Studentenvisum von Teheran nach Österreich.
Am 11.06.2018 stellte sie vor der Abteilung Fremdenpolizei und Anhaltevollzug 1080 Wien einen Antrag auf internationalen Schutz und führte zu den Fluchtgründen an, sie habe in Teheran die Hauskirche besucht. Ihr Vater habe einen militärischen Hintergrund und deswegen sei die Familie unter besonderer Beobachtung gestanden. Der Vater habe ihr mitgeteilt, dass er aufgefordert worden sei, gemeinsam mit ihr zu erscheinen, vermutlich, weil sie Christin sei. Ihr Leben sei in Gefahr, sie könne nicht in den Iran zurückkehren.
Vor dem BFA gab die BF zusammengefasst an, sie sei mit einem Studentenvisum ausgereist. Im Herbst 2016 habe sie angefangen, eine Hauskirche in Teheran zu besuchen. Dort habe sie eine Beichte abgelegt und an Jesus Christus geglaubt. Als sie im Jänner 2018 in Österreich gewesen sei, sei sie informiert worden, dass die Hauskirche im Iran verraten worden sei. Wann das genau passiert sei, wisse sie nicht.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies das BFA den Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung von Asyl und subsidiärem Schutz ab (Spruchpunkte I. und II.), erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), erließ eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.), stellte fest, dass eine Abschiebung in den Iran zulässig sei (Spruchpunkt V.) und setzte eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.). Es stellte fest, die BF habe von staatlicher Seite aus religiösen oder ethnischen Gründen im Iran nie Verfolgung oder Bedrohung zu befürchten gehabt, es habe nicht festgestellt werden können, dass sie im Iran einer begründeten Furcht vor asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt gewesen sei. Mangels asylrelevanter Verfolgungsgefahr könne kein Asyl gewährt werden, ebenso wenig subsidiärer Schutz oder ein Aufenthaltstitel. Es sei auch keine außergewöhnliche schützenswerte dauernde Integration hervorgekommen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde wegen „inhaltlicher Fehler, Verfahrensmängeln und falscher rechtlicher Beurteilung“ mit dem primären Antrag, der BF Asyl zuzuerkennen.

Nach Vollmachtswechsel (OZ 17) legte die BF weitere Urkunden vor. Im Rahmen einer an drei Terminen stattfindenden öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde die BF als Partei sowie der Pastor des Vienna Christian Centers, XXXX , und XXXX als Zeugen vernommen.
Aufgrund dessen steht folgender Sachverhalt fest:
Fallbezogen stellt sich die Situation im Iran derzeit wie folgt dar:
Allgemeine Lage

Der Iran ist eine islamische Republik mit etwa 80 Millionen Einwohnern. Staatsoberhaupt und Revolutionsführer ist Ayatollah Seyed Als Khamene`i, Präsident seit 2013 Hassan Rohani. Dem Staatsoberhaupt unterstehen u.a. die Revolutionsgarden (Pasdaran) und die mehrere Millionen Mitglieder umfassenden Basij-Milizen. Islamische und demokratische Elemente bestehen nebeneinander. Eine demokratische Verfassung im europäischen Sinn besteht nicht. Die allgemeine Sicherheitslage ist mit Ausnahme der Provinzen Sistan-Belutschistan, Kurdistan und West-Aserbaidschan, in denen es immer wieder zu Konflikten zwischen Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppen und Anschlägen gegen die Sicherheitskräfte kommt, ruhig, wobei latente Spannungen bestehen. Die verfassungsrechtlich festgeschriebene Unabhängigkeit der Justiz unterliegt Begrenzungen. Vor allem der Sicherheitsapparat nimmt in Einzelfällen massiven Einfluss auf die Urteilsfindung. Allgemein erfüllen Gerichtsverfahren internationale Standards nicht. Obwohl nach der Verfassung primär kodifiziertes Recht anzuwenden ist, kann im Zweifelsfall nach der iranischen Verfassung die Scharia vorrangig angewandt werden. Nach wie vor werden Körperstrafen und Todesstrafe angewandt. Es kommt immer wieder zu willkürlichen Verhaftungen, insbesondere im Zusammenhang mit politischer Überzeugung. Basij-Kräfte sind eine freiwillige paramilitärische Gruppierung, die oft bei der Unterdrückung von Oppositionellen -

oder der Einschüchterung von Zivilisten, die den strikten Moralkodex nicht befolgen, involviert sind. Die Revolutionsgarden (Sepah-e Pasadaran-e Enghelab-e Islami - IRGC) sind herausragend im Sicherheitasapparat, sie sind eine Parallelarmee und haben Wirtschaft, Politik und Verwaltung durchsetzt. Sie verfügen über eigene Gefängnisse. Mit willkürlichen Verhaftungen muß im Iran gerechnet werden. Auffälliges Hören von (westlicher) Musik, die Äußerung einer eigenen Meinung zum Islam, gemeinsame Autofahrten junger nicht verheirateter Männer und Frauen, gemischtgeschlechtliche Partys oder das Verstoßen gegen Bekleidungsvorschriften kann den Unmut zufällig anwesender Basijs bzw. mit diesen sympathisierenden Personen hervorrufen. Es kann auch zu einem Verprügeln durch Basij kommen. Die genaue Überwachungskapazität der iranischen Behörden ist unbekannt.

Auch 2017 wurden grausame und unmenschliche Strafen (zB. Peitschenhiebe, Amputationen) vollstreckt. Die Todesstrafe steht auf Mord, Sexualdelikte, gemeinschaftlichen Raub, wiederholten schweren Diebstahl, Drogenschmuggel, schwerwiegende Verbrechen gegen die Staatssicherheit, Abfall vom islamischen Glauben und homosexuelle Handlungen. Der Häufigkeit nach wird sie primär bei Drogendelikten, dann Mord und Sexualdelikten angewandt. Laut AI wurden 2017 mindestens 507 Personen hingerichtet. Auch 2016 war Iran mit hoher Wahrscheinlichkeit das Land mit der weltweit höchsten Hinrichtungszahl im Verhältnis zur Bevölkerung.
Religionsfreiheit, Situation von Christen und Konversion
99% der Bevölkerung gehören dem Islam (Staatsreligion) an. Etwa 90% der Bevölkerung sind Schiiten, ca. 9% Sunniten, der Rest Christen, Juden, Zorostrier, Baha`i, Sufis und kleinere religiöse Gruppen. Die in Art. 13 der iranischen Verfassung anerkannten „Buchreligionen“ (Christen, Juden, Zoroastrier) dürfen ihren Glauben relativ frei ausüben. In Fragen des Ehe-und Familienrechts genießen sie verfassungsrechtlich Autonomie. Etwa 100.000 bis 300.000 – vornehmlich armenische – Christen leben im Iran, hauptsächlich in Teheran und Isfahan. Ihnen stehen zwei der 290 Parlamentssitze zu. Die Mehrheit der iranischen Christen ist den ethnischen Christen zuzuordnen (armenische, assyrische und chaldäische). Die nicht-ethnischen Christen gehören hauptsächlich der katholischen und protestantischen Kirche an und haben ihren Ursprung in der Zeit des Schah-Regimes. Jegliche Missionstätigkeit kann als „mohareb“ (Krieg gegen Gott) verfolgt und mit dem Tod bestraft werden. Ihre Vertreter unterliegen Beschränkungen beim Zugang von höheren Staatsämtern. Anerkannte religiöse Minderheiten – Zoroastrier, Juden, armenische und assyrische Christen - werden diskriminiert, nicht anerkannte nicht-schiitische Gruppen (Bahá’í, konvertierte evangelikale Christen, Sufi, Atheisten) in unterschiedlichem Grad verfolgt. Sunniten werden v.a. beim beruflichen Aufstieg diskriminiert. Anerkannte religiöse Minderheiten sind in ihrer Glaubensausübung nur geringen Einschränkungen unterworfen (religiöse Aktivitäten sind nur in den jeweiligen Gotteshäusern und Gemeindezentren erlaubt, christliche Gottesdienste in Farsi sowie missionarische Tätigkeiten sind verboten).

Das Recht, eine Religion zu wechseln oder aufzugeben, wird weiterhin verletzt. Personen, die zum Christentum übergetreten waren, erhielten hohe Gefängnisstrafen (10 bis 15 Jahre). Es gab weiterhin Razzien in Hauskirchen. Personen, die sich zum Atheismus bekannten, konnten jederzeit willkürlich festgenommen, inhaftiert, gefoltert und misshandelt werden. Sie liefen Gefahr, wegen "Apostasie" (Abfall vom Glauben) zum Tode verurteilt zu werden. Unter besonderer Beobachtung stehen hauskirchliche Vereinigungen, deren Versammlungen regelmäßig aufgelöst und deren Angehörige gelegentlich festgenommen werden. Muslimische Konvertiten und Mitglieder protestantischer Freikirchen sind willkürlichen Verhaftungen und Schikanen ausgesetzt. 2016 sollen 198 Gefangene wegen „Feindschaft gegen Gott“, 31 wegen „Beleidigung des Islam“ und 12 wegen „Korruption auf Erden“ inhaftiert gewesen sein. Laut der Gefangenenliste von Open Doors mit Stand September 2017 befanden sich 56 Christen in Haft, fünf wurden freigelassen, 13 wurden auf Kaution freigelassen und zehn mit dem Verbot das Land zu verlassen freigelassen.

Apostasie (Abtrünnigkeit vom Islam) ist verboten und mit langen Haftstrafen bis zur Todesstrafe bedroht. Im iranischen Strafgesetzbuch ist der Tatbestand zwar nicht definiert, die Verfassung sieht aber vor, dass die Gerichte in Abwesenheit einer definitiven Regelung entsprechend der islamischen Jurisprudenz zu entscheiden haben. Dabei folgen die Richter im Regelfall einer sehr strengen Auslegung auf Basis der Ansicht von konservativen Geistlichen wie Staatsgründer Ayatollah Khomenei, der für die Abkehr vom Islam die Todesstrafe verlangte. Konvertierte werden jedoch zumeist nicht wegen Apostasie bestraft, sondern aufgrund anderer Delikte, wie zum Beispiel „moharebeh“ („Waffenaufnahme gegen Gott“), Verdorbenheit auf Erden, oder „Handlungen gegen die nationale Sicherheit“. Bei keiner der Hinrichtungen in den letzten Jahren gibt es Hinweise darauf, dass Apostasie einer bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war. Christliche Konvertiten werden normalerweise nicht wegen Apostasie bestraft, sondern solche Fälle als Angelegenheiten der nationalen

Sicherheit angesehen und vor den Revolutionsgerichten verhandelt. Konversion wird als politische Aktivität angesehen. Für Konversion wurde in den letzten zehn Jahren keine Todesstrafe ausgesprochen. Allein wegen Konversion werden keine Gerichtsverfahren geführt. Missionstätigkeit unter Muslimen kann eine Anklage wegen Apostasie und Sanktionen bis zur Todesstrafe nach sich ziehen. In Iran Konvertierte nehmen von öffentlichen Bezeugungen ihrer Konversion naturgemäß abstand, behalten ihren muslimischen Namen und treten in Schulen, Universitäten und am Arbeitsplatz als Muslime auf.

Es kann zumindest nicht ausgeschlossen werden, dass auch ein im Ausland Konvertierter in Iran wegen Apostasie verfolgt wird. Die Tragweite der Konsequenzen für jene Christen, die im Ausland konvertiert sind und nach Iran zurückkehren, hängt von der religiösen und konservativen Einstellung ihres Umfeldes ab. Es wird diesbezüglich von familiärer Ausgrenzung berichtet sowie von Problemen, sich in der islamischen Struktur des Staates zurechtzufinden. In Familien eines öffentlich Bediensteten oder eines Polizisten wird die Konversion als Familienmitglied als heikel eingeschätzt, wobei es sein kann, dass der Konvertit aus der Familie verbannt oder den Behörden gemeldet wird, um die Arbeit des Amtsträgers nicht zu beeinträchtigen. Die Schließungen der „Assembly of God“ Kirchen im Jahr 2013 führten zu einer Ausbreitung der Hauskirchen. Deren Anzahl steigt. Es ist schwierig diese zu kontrollieren, da sie verstreut, unstrukturiert und ihre Örtlichkeiten meist nicht bekannt sind. Sie werden teils überwacht. Die Behörden nutzen Informanten, die die Hauskirchen infiltrieren. Diese organisieren sich daher in kleinen und mobilen Gruppen. Wenn Behörden Informationen bezüglich einer Hauskirche bekommen, wird ein Überwachungsprozess in Gang gesetzt. Ob die Behörden eingreifen, hängt von den Aktivitäten und der Größe der Hauskirche ab. Die Überwachung von Telekommunikation, Social Media und Online-Aktivitäten ist weitverbreitet. In den letzten Jahren gab es mehrere Razzien in Hauskirchen und Anführer und Mitglieder wurden verhaftet. Eine Hauskirche kann beispielsweise durch Nachbarn aufgedeckt werden, die abnormale Aktivitäten um ein Haus bemerken. Ansonsten haben die Behörden kaum Möglichkeiten, eine Hauskirche zu entdecken, da die Mitglieder in der Regel sehr diskret sind. Organisatoren von Hauskirchen können sich dem Risiko ausgesetzt sehen, wegen „Verbrechen gegen Gott“ angeklagt zu werden, worauf die Todesstrafe steht. Es ist aber kein Fall bekannt, bei dem diese Beschuldigung auch tatsächlich zu einer Exekution geführt hätte. Nicht verlässlich bekannt ist, ob nur Anführer oder auch einfache Mitglieder verfolgt werden. Primär zielen die Behörden auf Anführer der Hauskirchen ab. Ein Hauskirchenmitglied, das zum ersten Mal festgenommen wird, wird normalerweise nach 24 Stunden wieder freigelassen. Die typische Vorgehensweise gegen eine Hauskirche ist, dass der Anführer der Hauskirche verhaftet und wieder freigelassen wird, um die Gemeinschaft anzugreifen und zu schwächen. Ob ein Mitglied einer Hauskirche im Visier der Behörden ist, hängt auch von seinen durchgeführten Aktivitäten und ob er/sie auch im Ausland bekannt ist, ab. Eine Konversion und ein anonymes Leben als konvertierter Christ allein führen nicht zu einer Verhaftung. Wenn der Konversion andere Aktivitäten nachfolgen, wie zum Beispiel Missionierung oder Unterricht anderer Personen im Glauben, kann dies zu einem Problem werden. Wenn ein Konvertit nicht missioniert oder eine Hauskirche bewirbt, werden die Behörden i.d.R. nicht über ihn Bescheid wissen.

Konvertierte Rückkehrer, die keine Aktivitäten in Bezug auf das Christentum setzen, sind für die Behörden mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht von Interesse. Wenn ein Konvertit schon vor seiner Ausreise den Behörden bekannt war, könnte dies anders sein. Wenn er den Behörden nicht bekannt war, ist eine Rückkehr nach Iran kein Problem. Wenn ein zurückgekehrter Konvertit sehr freimütig über seine Konversion in den Social Media-Kanälen, einschließlich Facebook berichtet, können die Behörden auf ihn aufmerksam werden und ihn bei der Rückkehr verhaften und befragen. Wenn der Konvertit kein „high-profile“-Fall ist und nicht missionarisch tätig ist bzw. keine anderen Aktivitäten setzt, die als Bedrohung der nationalen Sicherheit angesehen werden, ist nicht von einer harschen Bestrafung auszugehen. Eine Bekanntgabe der Konversion auf Facebook allein wird nicht zu einer Verfolgung führen. Ob eine Taufe für die iranischen Behörden Bedeutung hat, steht nicht fest.
Rückkehr:
Allein der Umstand, dass eine Person einen Asylantrag gestellt hat, löst bei der Rückkehr keine staatlichen Repressionen aus. In der Regel dürften die Umstände der Wiedereinreise den iranischen Behörden gar nicht bekannt werden. Trotzdem kann es in Einzelfällen zu einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden über den Auslandsaufenthalt kommen. Bisher wurde kein Fall bekannt, in dem Zurückgeführte im Rahmen der Befragung psychisch oder physisch gefoltert wurden. Personen, die das Land illegal verlassen und sonst keine weiteren Straftaten begangen haben, können von den iranischen Auslandsvertretungen ein Passersatzpapier bekommen und nach Iran zurückkehren. In Einzelfällen konnte im Falle von Rückkehrern aus Deutschland festgestellt werden, dass diese bei niederschwelligem Verhalten und Abstandnahme von politischen Aktivitäten, mit Ausnahme von Einvernahmen durch die iranischen Behörden unmittelbar nach der Einreise, keine Repressalien zu gewärtigen hatten. Für die Rückkehr nach Iran braucht man eine offizielle Erlaubnis des iranischen Staates. Die Rückkehr wird mit den Behörden von Fall zu Fall verhandelt. Iraner, die im Ausland leben, sich dort öffentlich regimekritisch äußern und dann nach Iran zurückkehren, können von Repressionen bedroht sein (auszugsweise Wiedergabe des Länderinformationsblatts der Staatendokumentation Iran, Gesamtaktualisierung am 03.07.2018, unter Bezugnahme auf die dort genannten Quellen).

Die BF entstammt einer schiitisch-persischen Familie und lebte bis zum Verlassen des Iran mit ihren Eltern in Teheran. Sie hat zwei Geschwister. Der Vater war Militärangehöriger. Nach der Matura legte die BF ein „Obermaturastudium“ in wissenschaftlich angewandter Computersoftware“ zurück (19.02.2007) und absolvierte am 18.02.2013 den Studiengang „Ingenieurtechnologie von Computersoftware“ (Bachelorstudium, AS 97 und 147). Sie war ab 2007 bis zu ihrer Ausreise als eine Verkaufsexpertin und Computeringenieurin bei einem Telekommunikationsunternehmen, „ XXXX “, tätig, einem Unternehmen für Telekombestandteile und Lichtwellenleiter.

Sie interessierte sich seit längerem für einen Auslandsaufenthalt und holte insbesondere über das Internet Erkundigungen über Möglichkeiten ein, im europäischen Ausland zu studieren. Sie beantragte am 23.09.2015 ein Touristenvisum (AS 121). Sie beantragte weiters am 03.12.2015 die Zulassung zum Bachelorstudium Informatik der Universität Wien, wozu sie erstmals mit Bescheid vom 18.01.2016 unter Auflagen zugelassen wurde (AS 59).

Nicht festgestellt werden konnte, dass die BF über Einladung ihrer Freundin XXXX erstmals im Mai 2016 sowie dann regelmäßig ab November 2016 eine hauskirchliche Vereinigung in Tehran Pars, ab und zu an anderem Ort, besuchte sowie dort in einer Gruppe von 5-15 Personen in einer Privatwohnung an protestantischen Zusammenkünften mit Gesang und Gebet etwa 40-50 Mal teilnahm.

Die BF erhielt im Februar 2017 ein Studentenvisum. Mit diesem flog sie am 05.08.2017 nach Österreich und begann mit einem Deutschkurs. Etwa im Oktober 2017 bekam die BF über eine andere Iranerin ( XXXX ) Kontakt zur Pfingstgemeinde Vienna Christian Center VCC, die in 1030 Wien, Baumgasse und Rennweg, eine etwa 70 Personen umfassende „Kongregation“ für Iraner, Afghanen und Syrer, die meisten von ihnen Flüchtlinge, betreibt. Pastor dieser Kongregation ist der englischsprachige, aus den USA stammende XXXX . Die BF wurde in das dortige Aufnahmeprozedere integriert und besucht dort die Sonntagsgottesdienste. Sie „absolvierte“ zunächst die 12 bis 14 Wochen dauernde „Jüngerschaftsklasse“, weiters kirchliche Lehrgänge in der Einrichtung Gutenstein und wurde in Gegenwart ihres Freundes XXXX , eines Dolmetschers mit zwei weiteren Personen durch Pastor XXXX in der Donau, nähe Kaisermühlen, am 15.09.2018 getauft (Beilagen I, J, Zeuge XXXX , BF). Sie unterfertigte am 09.09.2019 ein Schreiben, mit dem sie der „Islamischen Religion, allen ihren Ideologien, Aktivitäten und Gebräuchen in Anwesenheit von Pastor XXXX zur weiteren Zeugen abgeschworen hat“ (Beilage I). Mit Mitgliedschaftsurkunde vom 05.05.2019 wurde der BF bestätigt, den Aufnahmekurs zur iranischen Gemeinde abgeschlossen zu haben und die Mitgliedschaft im VCC erhalten zu haben (OZ 31). Die Mitgliedschaft bei VCC ist keine „automatische Folge der Taufe“, sondern bedarf der Absolvierung einer „sekundären Jüngerschaft“, einer weiteren Bewährungsphase samt persönlichem Gespräch und Genehmigung des Pastors (Zeuge XXXX ).

Die BF verfügt über ein ihrem Bildungsstand und der Zeit ihres Aufenthalts in Österreich angemessenes Wissen über das Christentum allgemein und die Freikirche der Pfingstler im Besonderen und hat die christliche Überzeugung in der vom Vienna Christian Center vermittelten Form soweit innerlich angenommen, dass sie das Bedürfnis hätte, diese Religion auch im Falle einer Rückkehr in den Iran innerlich und äußerlich auszuleben.

Am 19.02.2019 wurde der BF bestätigt, dass sie einen vom 04.10.2018 bis 15.02.2019 besuchten Deutschkurs aufgrund Anwesenheit von weniger als 70% nicht erfolgreich abgeschlossen hat (OZ 28).

Die BF lernte im Jänner 2018 XXXX kennen. Dieser besucht katholische Gottesdienste. XXXX lernt mit der BF Deutsch und unterstützt sie bei Behördengängen. Er ist mit der BF seit Dezember 2018 verlobt. Eine Wohngemeinschaft besteht bislang nicht. Die BF ist in Österreich unbescholten und lebt etwa seit Oktober 2018 von der Grundversorgung.

Beweiswürdigung:

Die äußeren Umstände der Vergangenheit der BF im Iran, die Umstände der Einreise nach Österreich sowie die Feststellungen zum Studium und der Integration in Österreich beruhen auf den insofern glaubwürdigen Angaben der BF im Zusammenhalt mit den vorgelegten Urkunden. Die Feststellungen betreffend die Beziehung zu XXXX beruhen auf dessen unbedenkliche Zeugenangaben.

Im Zentrum der Beweiswürdigung stehen die Fragen der Beteiligung der BF an einer Hauskirche im Iran und die im Zusammenhang damit der BF in Österreich bekannt gewordenen Probleme sowie die Ernsthaftigkeit ihrer Hinwendung zum christlichen Glauben insgesamt bzw. im Rahmen der VCC in Österreich.

Die BF, die nach ihren diesbezüglich unbedenklichen Angaben schon seit längerem ein Studium in Österreich plant und insofern nicht nach Österreich geflüchtet ist, gründet ihren Asylantrag vom 11.01.2018 darauf, unmittelbar davor durch einen Anruf von ihrem Vater im Iran erfahren zu haben, dort aufgrund ihrer Beteiligung an Hauskirchen gesucht worden zu sein. Zur Protokollierung der Erstbefragung am 11.01.2018 ist es beachtlich, dass diese nicht in einer „Ausnahmesituation“, wie einer oft langen Fluchtreise, und in concreto auch zu keinem Zeitpunkt erfolgte, zu dem von einer zeitlich angespannten Situation, wie zum Zeitpunkt der Fluchtwelle 2015/2016, auszugehen ist. Den in weiterer Folge unwidersprochenen Angaben der BF vor der Polizei zu Folge lag ihr Asylgrund allein darin, der Vater habe ihr (telefonisch) mitgeteilt, er sei aufgefordert worden, gemeinsam mit ihr (wo?) zu erscheinen, vermutlich, weil sie Christin sei. Dem entgegen gab sie vor dem BFA an, im Jänner 2017 sei sie informiert worden, dass die Hauskirche im Iran verraten worden sei (AS 191). Im November 2018 gab die BF vor Gericht an, der Vater habe am Telefon erzählt, zwei Leute seien zur Haustüre gekommen und hätten nach ihr gefragt. Die Personen hätten gesagt, sie hätten erfahren, dass die BF in die Kirche gehe. Die Regierung habe es entdeckt, dass sie zu Hause eine Kirche hätten (BVwG, 14.11.2018, Seite 5). Erstmals gab die BF dann bei der weiteren Vernehmung vor Gericht am 19.12.2018 (dort Seite 13) an, ganz kurz habe ihr Vater ihr davon erzählt, er sei aber sehr aufgeregt gewesen und dann habe ihre Schwester mit ihr darüber gesprochen. Über Nachfrage ergänzte sie noch, die Beamten hätten gesagt, die Tochter sei Christ geworden. Die Beamten wollten wissen, was die BF über dieses Zentrum erzählen könne. Erstmals zu diesem Zeitpunkt gab die BF an, Beamte seien ein oder zwei Mal bei den Eltern gewesen. Über Befragung durch die Rechtsvertretung gab die BF ohne weitere Erklärung sodann an, im Sommer (2018) hätten sie die BF „sogar aufgesucht“. Die Schwester habe erzählt, dass sie „verdächtige Autos“ vor dem Haus gesehen habe.

Während die BF vor dem BFA angab, ihre Eltern hätten kein Problem mit dem Besuch der Hauskirche bzw. der Konvertierung (AS 191), gab sie am 14.11.2018 an, der Vater habe zwar gewusst, dass sie manchmal in die Hauskirche gehe, nicht aber von der Konvertierung (dort Seite 5). Am 19.12.2018 gab sie sodann vor Gericht an, ihr Vater sei auf sie sehr böse gewesen.

Mangels Hinweisen darauf, dass es bei den Befragungen zu Übersetzungs- oder Protokollierungsschwierigkeiten kam, sind die dargestellten Widersprüche durchaus relevant. Zwar gab die BF im Wesentlichen vor dem BFA und bei Gericht an, über einen längeren Zeitraum vor ihrer Ausreise einer Hauskirche beigetreten zu sein. Die Angaben sind im Wesentlichen zwar konsistent und auch mit konkreten - wenn auch nicht überprüfbaren - Namen versehen. Vor Gericht gab sie allerdings an, das erste Mal im zweiten Monat 1395 (Mai 2016) in der Hauskirche gewesen zu sein, regelmäßig aber erst ab dem 8. Monat 1395 (November 2016). Vor dem BFA gab sie demgegenüber an, im Herbst 2016 angefangen zu haben, eine Hauskirche zu besuchen (AS 191). Als Motiv gab sie – sehr allgemein – an, es sei ihr wichtig, eine Christin zu sein. Das Christentum habe ihr Ruhe gegeben (AS 195). Sie habe sich seit Herbst 2016 mit dem Christentum beschäftigt (AS 201). Wenig nachvollziehbar erschien es auch, dass die BF von ihrer Freundin „ XXXX “, die sie schon auf der Universität 2012 kennengelernt haben will und mit der sie April/Mai 2016 bereits die Hauskirche besucht haben will, keinen Kontakt mehr hätte. Wenn sie angibt, diese sei im April/Mai 2017 nach Quebec gegangen, so wäre anhand der langen Freundschaft und des ähnlichen Schicksals auch von einem gewissen Kontakt per Internet weiter auszugehen. Die BF begründete den mangelnden weiteren Kontakt damit, sie habe „ihren Facebook-Account“ gelöscht.

Insgesamt war der ins Treffen geführte Umstand der mehrere Monate andauernden Hauskirchenbesuche im Iran und einer Monate nach der Ausreise der BF erfolgten Suche der BF durch Staatsbeamte bei ihrem Vater nicht glaubhaft, dies auch unter Berücksichtigung ihrer Situation in Österreich mit einem befristeten Visum, wobei die Erfüllung der Verlängerungsvoraussetzungen für die BF Anfang 2018 kaum zu erlangen waren.

Betreffend die Situation in Österreich war es für das Gericht glaubhaft, dass die BF durch die iranische Community Wien Bekanntschaft zur Pfingstgemeinde (Freikirche) des Vienna Christian Center erlangte, die eine eigene Untergemeinde für Farsi-Sprecher betrieb. Es war auch glaubhaft, dass sich die BF in das von dieser, insbesondere durch den Pastor XXXX , vorgegebene Aufnahmesystem integrierte und im Rahmen der Gottesdienste und Jüngerschaftskurse für den christlichen Glauben zu interessieren begann. Sie erlangte im Verlauf der Zeit ein gewisses christliches Grundwissen, insbesondere im Kontext der Pfingstgemeinden. Sie war bereits vor dem BFA in der Lage, Fragen nach den christlichen Festen und zur Bibel zu beantworten. Entsprechend ihrem Bildungsstand war sie Ende 2018 beispielsweise geschichtlich über Martin Luther informiert, konnte eine von ihr geschilderte Bibelstelle relativ genau einordnen, wenngleich sie die Frage nach der Auswahl ihrer Bibelstellen etwas unkonventionell mit der Installation einer Bibel-Highlight-Software beantwortet. Die zur mangelnden Glaubwürdigkeit der Hinwendung der BF zum Christentum herangezogenen Argumente des BFA im angefochtenen Bescheid hinsichtlich der Art, wie sie das Vater Unser zur Schau stellte bzw. Wissensfragen beantwortete, sind teilweise grob unsachlich und untergriffig (Bescheid Seite 68 „…aufgrund ihrer Arroganz ein Gebet mit verschränkten Armen auswendig aufzusagen und nicht wie ein gläubiger Christ die Hände zu falten, die Augen zu schließen und in sich zu gehen“. Der Befragung des BFA ist ohnehin keine Aufforderung zu entnehmen, das Vater Unser zu „beten“, was im Übrigen im Rahmen einer Beweisaufnahme eines Asylverfahrens unzumutbar wäre. Der für die Farsi-Gruppe des VCC zuständige Pastor XXXX , von dem mehrere an verschiedenen Zeitpunkten verfasste Bestätigungen bezogen auf die BF vorliegen, wurde ausführlich vor dem BFA befragt. Er gab zunächst an, mit dem BFA „ein Prozedere entwickelt zu haben“. Er meinte damit offenbar ein für das BFA nachvollziehbares System von Bescheinigungen der ernsthaften Hinwendung zum christlichen Glauben, vermittelt durch das Vienna Christian Center. Über nähere Befragung wurde deutlich, dass es sich jedenfalls nicht um ein vom BFA approbiertes System handelt sondern allenfalls ein einzelnes Gespräch des Zeugen mit einem Referenten vom Zeugen in diese Richtung interpretiert wurde. Der Zeuge, ein glaubhaft über viele Jahre in verschiedenen Ländern tätiger, in den USA ausgebildeter Missionar, schilderte nachvollziehbar, dass es sich bei der Klientel seiner Kongregation zu 95% um Flüchtlinge und Asylwerber handle, die nach positivem Asyl großteils nicht mehr kämen. Aufgrund der persönlichen Ausführungen im Zusammenhalt mit den oben dargestellten Bestätigungsschreiben wurde jedenfalls deutlich, dass das Vienna Christian Center einen zumindest einjährigen Beobachtungsprozess voraussetzt, um die Mitgliedschaft zu erwerben. Dieser umfasst die in den Feststellungen dargestellten Schritte. Zwar war der Zeuge nicht in der Lage, konkret zu beantworten, wie und durch wen die BF zum VCC gekommen sei. Er wußte auch nicht über die persönlichen Umstände Bescheid, warum die BF ihren Heimatstaat verlassen hat. Er war aber über wesentliche private Umstände von ihr informiert und erklärte auch glaubwürdig, mit ihr persönliche Gespräche geführt zu haben. Insgesamt war es glaubhaft, dass die BF in einem insgesamt etwa eineinhalb Jahre andauernden Zeitraum durch regelmäßige Gottesdienstbesuche, regelmäßige Kurse und zeitweilige Seminare in Gutenstein soweit Interesse für das Christentum entwickelte, dass sie dieses im festgestellten Sinne innerlich annahm. Dieser Eindruck bestätigte sich auch in der persönlichen Befragung des Zeugen XXXX , wenngleich dieser als ihr Verlobter in keinem unabhängigen Verhältnis zur BF steht.

Rechtlich folgt:

Zwar konnte eine innere Konversion im Iran wie in diesem Zusammenhang eine begründete Furcht vor Verfolgung in diesem Zusammenhang nicht festgestellt werden. Von einer inneren Konversion in einem etwa eineinhalb jährigen Zeitraum in Österreich im Sinne eines Nachfluchtgrundes ist aber auszugehen, sodass diesbezüglich ein relevanter Asylgrund vorliegt.
Gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.
Gemäß Abs 2 kann die Verfolgung auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Heimatstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe).
Gemäß Abs 3 ist der Antrag abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative offen steht oder ein Asylauschlussgrund gesetzt wurde.
Gemäß § 2 Abs 1 Z 11 und 12 ist Verfolgung jede Verfolgungshandlung im Sinne des Art 9 Statusrichtline, Verfolgungsgrund ein in Art 10 Statusrichtlinie genannter Grund.
Nach Art 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
Nach Art 9 der Statusrichtlinie (2011/95/EU) muss eine Verfolgungshandlung iSd Genfer Flüchtlingskonvention aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sein, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellt oder in einer Kulminierung unterschiedlicher Maßnahmen bestehen, die so gravierend sind, dass eine Person davon in ähnlicher Weise betroffen ist.
Unter anderem können als Verfolgung folgende Handlungen gelten:
Anwendung physischer oder psychischer, einschließlich sexueller Gewalt,

gesetzliche, administrative, polizeiliche und/oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder diskriminierend angewandt werden,

unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung,

Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung,

Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter den Anwendungsbereich des Art 12 Abs 2 fallen und

Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.
Der Begriff der Religion umfasst nach Art 10 insbesondere theistische, nichttheistische und atheistische Glaubensüberzeugungen, die Teilnahme bzw Nichtteilnahme an religiösen Riten im privaten oder öffentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen, sonstige religiöse Betätigungen oder Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen Einzelner oder einer Gemeinschaft, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind. Bei der Bewertung der Frage, ob die Furcht eines Antragstellers vor Verfolgung begründet ist, ist es unerheblich, ob der Antragsteller tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden.
Der VwGH hat sich mehrfach mit drohender Verfolgung von zum christlichen Glauben konvertierten Muslimen im Iran befasst (zB Erkenntnis vom 19.12.2001, 2000/20/0369; Ra 2014/01/0117). Danach kommt es darauf an, ob der Asylwerber bei weiterer Ausführung des inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen muss, aus diesem Grund mit einer die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktion belegt zu werden. Feststellungen zu behaupteten aktuell bestehenden Glaubensüberzeugung sind im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung von – allfälligen – Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten zu ermitteln (Erkenntnis des VwGH vom 23.6.2015, Ra 2014/01/0117 mwN).
Wie festgestellt, fand die BF etwa im Oktober 2017 zur Farsi-sprachigen Untergemeinde des VCC, besuchte dort Gottesdienste und unterzog sich der dortigen Taufvorbereitung. Wie festgestellt, sammelte sie ein ihrer Lebenssituation und der der Zeit ihres Aufenthalts angemessenes Wissen über das Christentum in Gestalt einer Pfingstgemeinde und ist, wie festgestellt, mittlerweile ernsthaft und aufrichtig dem christlichen Glauben zugewandt und somit „innerlich“ konvertiert. Aufgrund dieser inneren Konversion ist es durchaus glaubhaft, dass der BF im Falle einer Rückkehr in den Heimatstaat bei zuzubilligender weiterer Auslebung ihres Glaubens Verfolgungsgefahr droht. Im Fall einer Rückkehr in den Iran könnte sie als nicht geborene Christin keinerlei der jetzigen Glaubensbetätigung entsprechende Ausübung des christlichen Glaubens vornehmen, ohne mit der erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit von im Rahmen des Artikel 1, Abschnitt A, Ziffer 2 der Genfer Flüchtlingskonvention relevanten Verfolgungsmaßnahmen betroffen zu sein. Im Falle der Glaubensbetätigung in der Öffentlichkeit, wie etwa der Teilnahme an öffentlichen Gottesdiensten oder Gebeten in Gemeinschaft mit anderen oder letztlich im Falle des Versuches, andere vom Christentum zu überzeugen, würde sich die BF einer beachtlichen Gefahr staatlicher Willkürmaßnahmen aussetzen. Sie würde daher bei Rückkehr in ihr Heimatland Gefahr laufen, auf Grund seiner Religionszugehörigkeit asylrelevant verfolgt zu werden.
Eine innerstaatliche Fluchtalternative ist auf Grund des Umstands, dass die Verfolgungssituation von nicht geborenen Christen im gesamten Staatsgebiet des Iran besteht, auszuschließen.
Da die BF daher den Flüchtlingsbegriff des Artikel 1 Abschnitt A Ziffer 2 Genfer Flüchtlingskonvention erfüllt – es liegt ein Nachfluchtgrund iSd § 3 Abs 2 AsylG 2005 vor - und kein Ausschlussgrund gemäß § 6 AsylG 2005 hervorkam, war der Beschwerde Folge zu geben, der BF der Status der Asylberechtigten zuzuerkennen und gemäß § 3 Abs 5 AsylG 2005 festzustellen, dass dieser kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Der Beschwerde kommt daher im Ergebnis Berechtigung zu.

Die Unzulässigkeit der Revision gründet auf Art 133 Abs 4 B-VG, wobei zur asylrechtlichen Bedeutung von Konversion allgemein und speziell bei Iranern bereits umfangreiche höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliegt und im Wesentlichen Umstände des Einzelfalls zu beurteilen waren.

Schlagworte

asylrechtlich relevante Verfolgung gesamtes Staatsgebiet Konversion Nachfluchtgründe Religion wohlbegründete Furcht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W274.2197874.1.00

Im RIS seit

24.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

24.08.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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