Entscheidungsdatum
10.02.2020Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
W170 2224074-1/9Z
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Mag. Thomas MARTH über den Antrag der XXXX , vertreten durch die gerichtlich bestellte Erwachsenenvertreterin Rechtsanwältin Dr. Kristina GRUBER-MARIACHER, auf Gewährung der Verfahrenshilfe für die weitere Führung des Verfahrens hinsichtlich der Beschwerde gegen den Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichts Innsbruck vom 11.12.2018, Zl. 1 Jv 4868-38A4/18y:
A) Die Verfahrenshilfe wird gemäß § 8a Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 57/2018, in folgendem Umfang gewährt:
* Die Beigebung eines Rechtsanwaltes bzw. einer Rechtsanwältin;
* Die einstweilige Befreiung von der Entrichtung der Eingabengebühr, der notwendigen Barauslagen des beigegebenen Rechtsanwaltes bzw. der beigegebenen Rechtsanwältin und Kosten und Gebühren.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 57/2019, zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
Zu A)
I. Entscheidungsgegenstand.
Mit dem im Spruch genannten Antrag, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 29.01.2020, hat die antragstellende Partei die Gewährung der Verfahrenshilfe gemäß § 8a Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 57/2018 (in Folge: VwGVG), für die im Spruch genannte Rechtssache beantragt und ein Vermögensbekenntnis (§ 66 Zivilprozessordnung, RGBl. Nr. 113/1895 in der Fassung BGBl. I Nr. 109/2018) beigelegt. Begründet wurde der Antrag damit, dass die antragstellende Partei vermögenslos sei und über kein regelmäßiges Einkommen verfüge, weshalb sie nicht in der Lage sei, die Kosten der Führung des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Darüber hinaus bestehe die Möglichkeit, dass die Antragstellerin mit Kosten des im Verfahren beigezogenen Sachverständigen belastet werde.
II. Festgestellt wird
XXXX (im Beschluss auch: Antragstellerin) hat gegen den Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichts Innsbruck vom 11.12.2018, Zl. 1 Jv 4868-38A4/18y, das Rechtsmittel der Beschwerde erhoben.
Für die Antragstellerin wurde Rechtsanwältin Dr. Kristina GRUBER-MARIACHER als gerichtliche Erwachsenenvertreterin bestellt.
Die Antragstellerin hat kein Vermögen und erhält monatlich ? 636,01 sowie Unterhalt in der Höhe von ? 398, wovon sie ? 450 Miete für die von ihr bewohnten Wohnung bezahlt.
Gegenstand der Rechtssache, in der die gegenständliche Verfahrenshilfe beantragt wurde, ist die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichts Innsbruck vom 11.12.2018, Zl. 1 Jv 4868-38A4/18y, mit dem über die Antragstellerin eine Ordnungsstrafe von ? 500 verhängt wurde.
Im Verfahren wird es zur Einholung eines Sachverständigengutachtens kommen, das Verfahren ist jedenfalls so komplex, dass die Antragstellerin, für die eine gerichtliche Erwachsenenvertreterin insbesondere auch für die Vertretung vor Ämtern und Behörden bestellt wurde, nicht in der Lage sein wird, das Verfahren ohne Nachteile für sich zu führen.
III. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergeben sich aus dem Verwaltungs- und Gerichtsakt, insbesondere aus dem Antrag auf Gewährung von Verfahrenshilfe, dem Vermögensverzeichnis, dem aktuellen Bescheid über die Mindestsicherung, dem vorgelegten Mietvertrag und der vorgelegten gerichtlichen Urkunde über die Bestellung einer gerichtlichen Erwachsenenvertreterin.
IV. Rechtlich folgt daraus:
1. Gemäß § 8a Abs. 1 VwGVG ist einer Partei, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, Verfahrenshilfe zu gewähren, soweit dies aufgrund des Art. 6 Abs. 1 EMRK oder des Art. 47 GRC geboten ist, die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten, und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint. Hierdurch wird zum Ausdruck gebracht, dass es sich bei der Regelung der Verfahrenshilfe im VwGVG um eine subsidiäre Bestimmung handelt. Diese soll nur dann zur Anwendung gelangen, wenn durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, also dann, wenn das Materiengesetz keine Regelung enthält, deren Gegenstand der Verfahrenshilfe entspricht.
Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts ist das Verfahren über die Verhängung einer Ordnungsstrafe im Kern des Art. 6 EMRK zu sehen, da es um die Bestrafung eines Menschen geht.
2. Auch der Umstand, dass für die Antragstellerin eine gerichtliche Erwachsenenvertreterin bestellt wurde, steht der Gewährung von Verfahrenshilfe nicht entgegen, zumal die gerichtliche Erwachsenenvertreterin, nützt diese für Angelegenheiten, deren Besorgung sonst einem Dritten entgeltlich übertragen werden müsste, ihre besonderen beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten, gemäß § 276 Abs. 3 ABGB hiefür einen Anspruch auf angemessenes Entgelt hat, soweit die Voraussetzungen für die Bewilligung der Verfahrenshilfe nicht gegeben wären. Hier blieb die Rechtslage zum Vergleich vor der Erwachsenenschutznovelle unverändert (außer dass der bisherige Abs. 2 nunmehr Abs. 3 ist). Zur früheren Rechtslage hat das Oberlandesgericht Wien ausgesprochen, dass die Beigebung eines Rechtsanwalts als Verfahrenshelfer nicht entbehrlich wird, wenn für die Verfahrenshilfe begehrende Partei ein Rechtsanwalt zum (einstweiligen) Sachwalter für die Vertretung vor Gericht bestellt wird (OLG 27.02.2014, 16R263/13h); einschlägige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes war im Übrigen nicht aufzufinden. Daher steht alleine der Umstand, dass für die Antragstellerin eine gerichtliche Erwachsenenvertreterin bestellt wurde, der Gewährung von Verfahrenshilfe nicht entgegen.
3. Zur Frage, ob die Antragstellerin außerstande wäre, die Kosten des Verfahrens bzw. die Kosten der Verteidigung ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten, ist darauf hinzuweisen, dass deren (nach Abzug der Miete) "verfügbares" Einkommen monatlich etwa ? 560 beträgt. Daher ist sie, selbst wenn das Verfahren unterdurchschnittlich teuer verlaufen würde, nicht in der Lage, die Kosten des Verfahrens bzw. die Kosten der Verteidigung ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten.
4. Zur Frage, ob die Beigebung der Verfahrenshilfe im Interesse der Rechtspflege (v.a. im Interesse einer zweckentsprechenden Verteidigung) erforderlich und gemäß Art. 6 EMRK oder Art. 47 GRC geboten ist, ist darauf hinzuweisen, dass es sich jedenfalls um ein unter Art. 6 EMRK fallendes Verfahren handelt.
Allerdings sind Verfahren über Ordnungsstrafe gewöhnlich keine Verfahren von besonderer Komplexität; im gegenständlichen Verfahren ist jedoch die Einholung eines medizinischen Gutachtens erfolgt. Diesem kann die Antragstellerin auf Grund ihrer besonderen Situation nicht alleine entgegentreten, selbst wenn für diese kein Erwachsenenvertreter bestellt wäre, da die Entkräftung eines Gutachtens regelmäßig mit besonderen intellektuellen und juristischen Problemen verbunden ist.
Auch würde eine Ordnungsstrafe von ? 500 normalerweise keine besondere Tragweite des Rechtsfalles für die Partei implizieren, aber auf Grund ihres äußerst geringen verfügbaren monatlichen Einkommens würde eine Abweisung der Beschwerde die Antragstellerin dazu zwingen, ihr ohnehin schon sehr niedriges Einkommen über Monate zu verkleinern, um die entsprechende Strafe bezahlen zu können.
Daher ist die Beigebung der Verfahrenshilfe im Interesse der Rechtspflege (v.a. im Interesse einer zweckentsprechenden Verteidigung) erforderlich und insgesamt dem Antrag (der unbeschränkt auf Bewilligung der Verfahrenshilfe lautet) stattzugeben.
5. Die Bestellung eines Rechtsanwaltes bzw. einer Rechtsanwältin als Verfahrenshelfer bzw. Verfahrenshelferin erfolgt gesondert durch die Rechtsanwaltskammer.
Die Verfahrenshilfe genießende Partei hat sich mit dem als Verfahrenshelfer bestellten Rechtsanwalt bzw. der als Verfahrenshelferin bestellten Rechtsanwältin unverzüglich in Verbindung zu setzen und ihm bzw. ihr alle ihre Rechtsangelegenheiten betreffenden Schriftstücke zur Verfügung zu stellen.
Zu B)
Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985 in der Fassung BGBl. I Nr. 104/2019, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 57/2019 (in Folge: B-VG), zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, hiezu wird auf A) verwiesen; hinsichtlich der Frage, ob die Bestellung einer gerichtlichen Erwachsenenvertreterin der Gewährung von Verfahrenshilfe entgegensteht, liegt keine Rechtsprechung des VwGH - nur auf die kommt es bei der Frage der Zulässigkeit der Revision an - vor.
Schlagworte
Bewilligung der Verfahrenshilfe gerichtlicher Erwachsenenvertreter Revision zulässig VerfahrenshilfeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W170.2224074.1.00Im RIS seit
27.08.2020Zuletzt aktualisiert am
27.08.2020