TE Vfgh Erkenntnis 1996/2/29 KI-8/94

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Veröffentlicht am 29.02.1996
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Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art133 Z1
B-VG Art138 Abs1 litb
B-VG Art144 Abs2
B-VG Art144 Abs3
VwGG §34
VfGG §46 Abs1
AVG §67c

Leitsatz

Negativer Kompetenzkonflikt zwischen Verwaltungsgerichtshof und Verfassungsgerichtshof infolge unrechtmäßiger Zurückweisung einer Beschwerde durch den Verwaltungsgerichtshof nach Ablehnung und Abtretung dieser durch den Verfassungsgerichtshof; Aufhebung des Zurückweisungsbeschlusses des Verwaltungsgerichtshofs; Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofs zur Entscheidung über Beschwerden gegen Bescheide der unabhängigen Verwaltungssenate betreffend die Rechtmäßigkeit der Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt, unabhängig von der Art der Formulierung des Antrags der Parteien an den Verwaltungssenat; nach - infolge Nichterfüllung von (Form-)Vorschriften des VwGG einzuräumender - Mängelbehebung Einstellung des Verfahrens oder Eintritt in die Sache

Spruch

Der Verwaltungsgerichtshof ist zur Entscheidung über die Beschwerde des C und der C B gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 20. Februar 1992, Z Senat-B-91-007, abgetreten mit Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 29. September 1992, GZ B416/92-3, zuständig.

Der entgegenstehende Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. März 1994, Z93/01/0003, wird aufgehoben.

Der Bund (Verwaltungsgerichtshof) ist schuldig, den Antragstellern zu Handen ihres Rechtsvertreters die mit 18.000 S bestimmten Prozeßkosten binnen vierzehn Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1.1. Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluß vom 29. September 1992, GZ B416/92-3, die Behandlung der bei ihm von C und C B unter Berufung auf Art144 Abs1 B-VG gemeinsam erhobenen Beschwerde gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 20. Februar 1992, Z Senat-B-91-007, gemäß Art144 Abs2 B-VG ab. Zugleich trat er diese Beschwerde antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof iSd Art144 Abs3 B-VG zur Entscheidung darüber ab, ob die beiden Beschwerdeführer durch den bekämpften Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt wurden.

1.1.2. Begründend wurde ua. ausgeführt:

"Die Beschwerde rügt die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf persönliche Freiheit (Art1 BVG über den Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl. 684/1988; Art5 EMRK) und des Rechts, keiner unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung unterzogen zu werden (Art3 EMRK). Die gerügten Rechtsverletzungen wären im vorliegenden Fall aber nur die Folge einer - allenfalls grob - unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen verlangt die Beantwortung der aufgeworfenen Fragen hingegen nicht. Die Sache ist auch nicht von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofs ausgeschlossen (vgl. VfGH 25.11.1991 B1205/91, 12.3.1992 B1234/91, 9.6.1992 B235,236/91, 15.6.1992 B1422/91 uvam.)."

1.2.1.1. Daraufhin forderte der Verwaltungsgerichtshof die beschwerdeführenden Parteien mit Verfügung vom 21. Jänner 1993, Z93/01/0003, gemäß §34 Abs2 VwGG auf, die abgetretene Beschwerde zur Behebung der ihr anhaftenden Mängel innerhalb von vier Wochen, gerechnet vom Tag der Zustellung dieser Zuschrift, ua. wie folgt zu ergänzen:

"1) Es ist das Recht, in dem die beschwerdeführende Partei verletzt zu sein behauptet, bestimmt zu bezeichnen (§28 Abs1 Z. 4 VwGG).

2) Es sind die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, anzuführen (§28 Abs1 Z. 5 VwGG).

3) Es ist ein der Vorschrift des §42 Abs2 VwGG

entsprechendes bestimmtes Begehren zu stellen (§28 Abs1 Z. 6 VwGG)."

1.2.1.2. Die Beschwerdeführer reichten beim Verwaltungsgerichtshof fristgerecht einen "Ergänzenden Schriftsatz" ein; sie legten darin dem Verwaltungssenat eine mangelhafte Beweiswürdigung zur Last und brachten - mit umfangreicher Begründung - ua. vor:

   "... Die Beschwerdeführer erachten sich durch den Bescheid des

Unabhängigen Verwaltungssenates ... vom 20. Februar 1992,

Z Senat-B-91-007, in dessen Punkten I. 2. u. 4. und II. 1. u. 2.

gemäß §§175 ff StPO, 15, 269 Abs4 StGB, 35 Z. 1 VStG, 3 StGB, Art3 EMRK sowie infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften in ihren Rechten verletzt. ...

Der Verwaltungsgerichtshof möge die Punkte I. 2. u. 4. und II.

1. u. 2. des Bescheides des Unabhängigen Verwaltungssenates Niederösterreich vom 20. Februar 1992, GZ Senat-B-91-007 wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. in eventu infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften aufheben; weiters der belangten Behörde den Ersatz der Kosten dieses Verfahrens auferlegen. ..."

1.2.2. Mit Verfügung vom 10. März 1993, Z93/01/0003, leitete der Verwaltungsgerichtshof über die (ergänzte) Beschwerde gemäß §35 Abs3 und §36 VwGG das Vorverfahren ein.

Der belangte unabhängige Verwaltungssenat legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der beantragt wurde, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

1.2.3.1. In der Folge wies der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluß vom 23. März 1994, Z93/01/0003, die Beschwerde zurück.

1.2.3.2. In der Begründung dieses Beschlusses heißt es ua. wörtlich:

"... Gemäß Art133 Z. 1 B-VG sind die Angelegenheiten, die zur Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes gehören, von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossen. Gemäß Art144 Abs1 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über Beschwerden gegen Bescheide der Verwaltungsbehörden einschließlich der Unabhängigen Verwaltungssenate, soweit der Beschwerdeführer durch den Bescheid in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung, eines verfassungswidrigen Gesetzes oder eines rechtswidrigen Staatsvertrages in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.

Ausgehend von dem im hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 7. Dezember 1988, Slg. Nr. 12.821/A, ausgeführten Grundsatz, der Verwaltungsgerichtshof sei unter dem Gesichtspunkt der Verletzung einfachgesetzlich eingeräumter Rechte zur Entscheidung über Beschwerden zuständig, in denen eine gesetzwidrige Festnahme behauptet wird, erachtet sich der Vewaltungsgerichtshof auch für Beschwerden gegen Bescheide der Unabhängigen Verwaltungssenate, in denen gemäß §67c AVG über die Rechtmäßigkeit der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt abgesprochen wird, für zuständig, soferne in der Beschwerde die Verletzung einer einfachgesetzlichen Norm behauptet wird (vgl. zB den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. September 1993, Zl. 93/10/0118, sowie das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Februar 1994, Zl. 93/01/0456).

Im Beschwerdefall käme somit die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes zum Tragen, wenn der angefochtene Bescheid (nicht nur verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte - deren Wahrnehmung dem Verfassungsgerichtshof vorbehalten ist -, sondern auch) auf einfachgesetzlicher Ebene eingeräumte Rechte verletzt haben könnte. Dies ist jedoch im Hinblick auf den (durch den Antrag des Beschwerdeführers bestimmten) Rahmen des Abspruches des angefochtenen Bescheides nicht der Fall: Dieser spricht (insoweit dem Antrag des Beschwerdeführers entsprechend) ausschließlich über die Frage ab, ob der Beschwerdeführer durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in seinem Recht auf persönliche Freiheit (Art1 ff des Bundesverfassungsgesetzes über den Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl. Nr. 684/1988) bzw. dem Recht, keiner unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung unterworfen zu werden (Art3 EMRK), verletzt worden sei. Durch diesen, den Antrag der Beschwerdeführer zur Gänze erledigenden Abspruch - dem Inhalt nach wurde auch mit der 'Zurückweisung' der die Mißhandlungen des Erstbeschwerdeführers betreffenden Beschwerde in Wahrheit eine Sachentscheidung getroffen, da die belangte Behörde anders als in dem dem hg. Erkenntnis vom 23. Februar 1994, Zl. 93/01/0456, zugrundeliegenden Fall nicht das Vorliegen unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, sondern lediglich das in der Beschwerde behauptete Ausmaß der dabei, dh im Zusammenhang mit der Festnahme, ausgeübten Gewalt verneint hat - wird der Prozeßgegenstand des Beschwerdeverfahrens bereits dahin bestimmt, daß er ausschließlich verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte umfaßt. Deren Verletzung hat allerdings - unter Ausschluß der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes - der Verfassungsgerichtshof wahrzunehmen, sodaß dem Verwaltungsgerichtshof zur Überprüfung dieses Bescheidspruches auf seine Rechtmäßigkeit keine Zuständigkeit zukommt (vgl. nochmals den zitierten Beschluß vom 20. September 1993 sowie das zitierte Erkenntnis).

Da die Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid somit nur in (den ausschließlich geltend gemachten) verfassungsgesetzlich gewährleisteten, nicht aber in vor dem Verwaltungsgerichtshof verfolgbaren Rechten verletzt werden konnten, war die Beschwerde gemäß §34 Abs1 VwGG zurückzuweisen.

..."

1.3.1. Mit einer an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Eingabe vom 29. September 1994 machen C und C B geltend, es bestehe zwischen dem Verwaltungsgerichtshof und dem Verfassungsgerichtshof in der zu Pkt. 1.1.1. bezeichneten, den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 20. Februar 1992 betreffenden Beschwerdesache ein negativer Kompetenzkonflikt; sie stellen darin den Antrag, der Verfassungsgerichtshof möge gemäß Art138 Abs1 litb B-VG darüber befinden, welcher der beiden Gerichtshöfe zur Entscheidung über die in Rede stehende Beschwerde zuständig sei.

1.3.2.1. Der Verwaltungsgerichtshof äußerte sich zu diesem Antrag ua. wie folgt:

"Der Verfassungsgerichtshof hat im vorliegenden Fall seine Zuständigkeit zur Entscheidung über die bei ihm gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 20. Februar 1992 ... erhobene Beschwerde nicht abgelehnt, sondern mit Beschluß vom 29. September 1992 ... gemäß Art144 Abs2 B-VG die Behandlung dieser Beschwerde abgelehnt, weil von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten war. Die Ablehnung der Behandlung einer Beschwerde durch den Verfassungsgerichtshof iSd Art144 Abs2 B-VG stellt nämlich eine - wenn auch formal vereinfachte - Sachentscheidung über die Beschwerde dar.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die ihm mit diesem Beschluß gemäß Art144 Abs3 B-VG zur Entscheidung abgetretene Beschwerde mit Beschluß vom 23. März 1994 ... gemäß §34 Abs1 VwGG zurückgewiesen, weil die nunmehrigen Antragsteller durch den angefochtenen Bescheid nur in verfassungsgesetzlich gewährleisteten, nicht aber in vor dem Verwaltungsgerichtshof verfolgbaren Rechten verletzt worden sein konnten. Der angefochtene Bescheid sprach nämlich - dem insoweit eingeschränkten Begehren der nunmehrigen Antragsteller vor dem unabhängigen Verwaltungssenat entsprechend - ausschließlich darüber ab, ob diese durch die (dort näher dargestellten) Maßnahmen verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden seien.

Da es sich beim Verfahren nach §67c AVG um ein antragsbedürftiges Verfahren handelt, ist der unabhängige Verwaltungssenat an das Begehren des Beschwerdeführers gebunden. Vor dem Hintergrund des Art129a Abs1 Z. 2 B-VG, wonach über Beschwerden von Personen zu erkennen ist, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein, schließt es §67c AVG auch nicht aus, daß der Beschwerdeführer ein auf die Feststellung der Verletzung bestimmter, etwa (nur) verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte gerichtetes Begehren erhebt. Der angefochtene Bescheid enthielt (demgemäß) keinerlei Abspruch hinsichtlich einer Verletzung der Antragsteller in einfachgesetzlich gewährleisteten Rechten.

Ausgehend davon, daß der Bescheid eines unabhängigen Verwaltungssenates, der eine in Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt erfolgte Verletzung eines verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes nicht wahrnimmt, eben dieses Recht verletzt (vgl. hiezu auch das hinsichtlich Art3 EMRK ergangene Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 2. Juli 1994, B2233/93), konnten die Antragsteller zufolge ihres eingeschränkten Antrages an den unabhängigen Verwaltungssenat durch den angefochtenen Bescheid wohl zufolge der getroffenen Sachentscheidung, aber nicht in den vor dem Verwaltungsgerichtshof verfolgbaren und damit auch nicht in den vor dem Verwaltungsgerichtshof geltend gemachten einfachgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt werden.

Die mit hg. Beschluß vom 23. März 1994 erfolgte Zurückweisung der Beschwerde war daher - im Gegensatz zur Auffassung der Antragsteller - nicht darin begründet, daß der Verwaltungsgerichtshof seine Zuständigkeit zur Prüfung des angefochtenen Bescheides im Rahmen der geltend gemachten, die Verletzung einfachgesetzlich gewährleisteter Rechte betreffenden Beschwerdepunkte für nicht gegeben erachtet hätte, sondern weil die von den Antragstellern in ihrer Beschwerde behauptete Verletzung der vor dem Verwaltungsgerichtshof verfolgbaren Rechte zufolge des dem eingeschränkten Begehren der Antragsteller vor dem unabhängigen Verwaltungssenat entsprechenden Abspruches des angefochtenen Bescheides nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossen war.

Soweit der Verwaltungsgerichtshof aber die Beschwerdelegitimation der nunmehrigen Antragsteller mangels Rechtsverletzungsmöglichkeit im konkreten Fall verneint und die Beschwerde daher mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung zurückgewiesen hat, hat er diese Entscheidung im Rahmen seiner Zuständigkeit getroffen, also seine Zuständigkeit nicht abgelehnt.

Hinsichtlich der Behauptung der nunmehrigen Antragsteller vor dem Verwaltungsgerichtshof, durch den angefochtenen Bescheid in ihren Rechten gemäß Art3 EMRK, somit in vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht verfolgbaren Rechten verletzt zu sein, erfolgte die mit dem hg. Beschluß vom 23. März 1994 ausgesprochene Zurückweisung der Beschwerde freilich aus dem Grunde der Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes, den angefochtenen Bescheid diesbezüglich zu prüfen. Allerdings fehlt es auch insoweit an der einen Kompetenzkonflikt iSd Art138 Abs1 litb B-VG begründenden Voraussetzung einer Unzuständigkeitsentscheidung sowohl des Verwaltungsgerichtshofes als auch des Verfassungsgerichtshofes.

Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes liegt daher der von den Antragstellern geltend gemachte Kompetenzkonflikt nicht vor, weshalb der diesbezügliche Antrag zurückzuweisen wäre. ..."

1.3.2.2. Die Antragsteller und beteiligten Parteien iSd §46 Abs1 VerfGG 1953 nahmen hiezu Stellung und begehrten die Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofes wegen Gesetzwidrigkeit.

2. Der Verfassungsgerichtshof hat über den Antrag auf Entscheidung des behaupteten verneinenden Kompetenzkonfliktes erwogen:

2.1.1. Gemäß Art138 Abs1 litb B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über Kompetenzkonflikte "zwischen dem Verwaltungsgerichtshof und allen anderen Gerichten, insbesondere auch zwischen dem Verwaltungsgerichtshof und dem Verfassungsgerichtshof selbst, sowie zwischen ordentlichen Gerichten und anderen Gerichten."

Nach der wiedergegebenen Verfassungsbestimmung iVm §46 Abs1 VerfGG 1953 besteht ein verneinender Kompetenzkonflikt ua. dann, wenn der Verfassungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof die Zuständigkeit in derselben Sache, und zwar einer dieser beiden Gerichtshöfe zu Unrecht, verneint haben (s. zB VfGH 14.12.1994 KI-1/94).

2.1.2. Dem Antrag gemäß Art138 Abs1 litb B-VG liegt einerseits ein Beschluß des Verfassungsgerichtshofes auf Ablehnung der Behandlung und Abtretung der Beschwerde gemäß Art144 Abs3 B-VG an den Verwaltungsgerichtshof und andererseits ein Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes auf Zurückweisung ebendieser Beschwerde zugrunde. Wie der Verfassungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 14. Dezember 1994, GZ KI-1/94-11, mit näherer Begründung aussprach, besteht in einem solchen Fall zwischen den beiden Gerichtshöfen des öffentlichen Rechtes dann ein negativer Kompetenzkonflikt, über den auf Antrag einer beteiligten Partei gemäß Art138 Abs1 litb B-VG iVm §46 VerfGG 1953 der Verfassungsgerichtshof zu erkennen hat, wenn entweder die Ablehnung der Behandlung und die Abtretung der Beschwerde unzulässig waren oder der Verwaltungsgerichtshof seine Zuständigkeit in dieser Rechtssache zu Unrecht verneint hat. Der Verfassungsgerichtshof hält an dieser Rechtsauffassung auch aus der Sicht des vorliegenden Rechtsstreites fest.

Wenn der Verwaltungsgerichtshof vermeint, daß ein Beschluß des Verfassungsgerichtshofes nach Art144 Abs2 B-VG als Sachentscheidung anzusehen sei, kann ihm nicht beigepflichtet werden, denn die Ablehnung der Behandlung einer Beschwerde hat notwendig zur Folge, daß es zu einem meritorischen Abspruch iSd Art144 Abs1 B-VG, der einen Kompetenzkonflikt ausschließen würde, gar nicht mehr kommen kann.

2.2.1.1. Damit ist zu prüfen, ob ein Kompetenzkonflikt deshalb vorliegt, weil die Ablehnung der Behandlung und die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beschlossen wurden, obwohl es sich um eine nach Art133 B-VG von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgenommene und daher nicht an den Verwaltungsgerichtshof abtretbare Sache handelt oder weil der Verwaltungsgerichtshof seine Zuständigkeit durch Zurückweisung der ihm abgetretenen Beschwerde zu Unrecht verneint hat.

2.2.1.2. Der Verfassungsgerichtshof vertrat schon in seinem Erkenntnis vom 14. Dezember 1994, GZ KI-1/94-11, die Auffassung, weder die Ablehnung der Behandlung noch die Abtretung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof setzten voraus, daß der Beschwerdeführer bereits in seiner Beschwerdeschrift an den Verfassungsgerichtshof oder in einem allfälligen späteren Abtretungsantrag darlegen müsse, in welchen sonstigen Rechten er sich durch den angefochtenen Bescheid verletzt erachte. Vorausgesetzt wird lediglich, daß nicht die Sache an sich von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossen ist, so beispielsweise deshalb, weil es sich um eine Angelegenheit iSd Art133 Z1 B-VG handelt, die allein in die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes fällt (di. eine "Angelegenheit", in der von vornherein jede Rechtsverletzung zwangsläufig eine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte bedeutet).

Die beiden Beschwerdeführer erachteten sich in ihrer Beschwerde an den unabhängigen Verwaltungssenat durch sicherheitspolizeiliche Maßnahmen in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf persönliche Freiheit und auf Unterlassung einer erniedrigenden Behandlung verletzt. Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in seinem Beschluß vom 23. März 1994 die - vom Verfassungsgerichtshof geteilte - Rechtsansicht, er sei auch zur Entscheidung über Beschwerden gegen Bescheide der unabhängigen Verwaltungssenate zuständig, die über die Rechtmäßigkeit der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (so zB auch Festnahmen) absprechen, sofern in der Beschwerde (auch) die Verletzung einfachgesetzlicher Vorschriften behauptet wird.

Allein schon daraus folgt, daß es sich hier entgegen der offenbaren Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes um keine Angelegenheit handeln kann, die nach Art133 Z1 B-VG (nur) in die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes gehört. Daran ändert auch nichts, daß die vor dem Verwaltungsgerichtshof beschwerdeführenden Parteien in ihrer Beschwerde an den unabhängigen Verwaltungssenat die Feststellung beantragt hatten, sie seien in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf persönliche Freiheit und auf Unterlassung einer erniedrigenden Behandlung verletzt worden. Nach der vom Verwaltungsgerichtshof bezogenen Vorschrift des §67c (Abs2 Z5) AVG müssen Beschwerden an einen unabhängigen Verwaltungssenat gemäß §67a Abs1 Z2 AVG das Begehren enthalten, "den angefochtenen Verwaltungsakt für rechtswidrig zu erklären". Eine nähere Spezifizierung dieses Begehrens verlangt das Gesetz aber nicht. (Dem entspricht die Verpflichtung des Verwaltungssenates, den angefochtenen Verwaltungsakt für "rechtswidrig" zu erklären, wenn die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder als unbegründet abzuweisen ist (vgl. §67c Abs4 erster Satz AVG).) Die Anführung bestimmter verfassungsgesetzlicher (oder sonstiger) Normen, aus denen sich die Rechtswidrigkeit des bekämpften Verwaltungsaktes ergeben soll, enthebt weder den unabhängigen Verwaltungssenat der Verpflichtung zur umfassenden rechtlichen Prüfung des angefochtenen Aktes noch beschränkt sie das Recht der Partei, die über ihre Beschwerde nach §67a Abs1 Z2 AVG ergehende Entscheidung des Verwaltungssenates gemäß Art144 Abs1 B-VG vor dem Verfassungsgerichtshof (wegen Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte) oder gemäß Art130 Abs1 lita B-VG vor dem Verwaltungsgerichtshof (wegen Verletzung einfachgesetzlich verbürgter Rechte, zB Verfahrensrechte) anzufechten. Aus der Art der Formulierung des vor dem unabhängigen Verwaltungssenat gestellten Antrages (nach §67a Abs1 Z2 iVm §67c Abs2 Z5 AVG) für sich allein läßt sich daher keinesfalls herleiten, daß die Partei durch den später erlassenen angefochtenen Bescheid nicht in Rechten verletzt worden sein konnte. (Diesen Rechtsstandpunkt nahm ursprünglich offenbar auch der Verwaltungsgerichtshof (Berichter) selber ein, weil er sich zu einem Mängelbehebungsauftrag entschloß, der zur Vorraussetzung hatte, daß die Sache von der verwaltungsgerichtlichen Zuständigkeit nicht schon an sich ausgeschlossen ist (s. VfGH 14.12.1994 KI-1/94).) Beigefügt sei, daß der Verwaltungsgerichtshof im konkreten Fall eine Rechtsverletzungsmöglichkeit nicht etwa schlechthin, sondern nur unter dem nicht maßgebenden Gesichtspunkt der Formulierung des Antrages der Parteien an den Verwaltungssenat verneint hat (s. S 4 des Beschlusses vom 23. März 1994). Es war deshalb nicht mehr auf die Frage einzugehen, ob (auch) die Zurückweisung einer an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde mangels jedweder Rechtsverletzungsmöglichkeit zu einem Kompetenzkonflikt iSd Art138 Abs1 litb B-VG führen kann.

2.2.1.3. Auch der Umstand, daß eine (antragsgemäß) nach Art144 Abs3 B-VG abgetretene Beschwerde im Zeitpunkt der Abtretung nicht den (Form-)Vorschriften des VwGG entspricht, kann die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes nicht aufheben, wie sich aus §34 Abs2 VwGG ergibt; in einem solchen Fall hat der Verwaltungsgerichtshof dem Beschwerdeführer vielmehr die Möglichkeit zur Mängelbehebung innerhalb einer zu setzenden Frist einzuräumen:

Während des Fristenlaufes darf der Beschwerdeführer darlegen, in welchen sonstigen Rechten er sich durch den angefochtenen Bescheid verletzt erachtet. Entspricht er dem Auftrag nicht fristgerecht oder ist auch aus einer rechtzeitig erstatteten Äußerung nicht erkennbar, in welchen (sonstigen) Rechten er sich verletzt sieht, kommt die Fiktion des §34 Abs2 letzter Halbsatz VwGG zum Tragen, wonach die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof als zurückgezogen gilt und das Verfahren einzustellen ist.

Der Verwaltungsgerichtshof ging im Verfahren über die ihm vom Verfassungsgerichtshof zulässigerweise abgetretene Beschwerde des C und der C B den Weg der Erteilung eines Mängelbehebungsauftrages (s. Pkt 1.2.1.1.).

Ob und inwieweit diesem Auftrag nachgekommen wurde, hat allein der Verwaltungsgerichtshof zu beurteilen; je nach dem Ergebnis dieser Beurteilung wäre entweder das Verfahren mit Berufung auf §34 Abs2 letzter Halbsatz VwGG einzustellen oder in die weitere Behandlung der Sache einzutreten gewesen.

2.2.2. Im konkreten Fall wies der Verwaltungsgerichtshof die Beschwerde nach Einlangen eines ergänzenden Schriftsatzes der Beschwerdeführer dem Sinne nach wegen ausschließlicher Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes - und damit zu Unrecht - als unzulässig zurück.

2.2.3. Zusammenfassend ergibt sich somit, daß ein negativer Kompetenzkonflikt zwischen den beiden Gerichtshöfen des öffentlichen Rechtes tatsächlich besteht und der Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes auf Zurückweisung der Beschwerde nicht dem Gesetz entsprach.

2.2.4. Es war daher auszusprechen, daß die Entscheidung über die vom Verfassungsgerichtshof abgetretene Beschwerde in die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes fällt; der entgegenstehende Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes war demgemäß aufzuheben.

2.3. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §52 VerfGG 1953. Im zugesprochenen Kostenbetrag ist Umsatzsteuer in der Höhe von 3.000 S enthalten.

2.4. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

VfGH / Kompetenzkonflikt, VfGH / Abtretung, Verwaltungsgerichtshof, Zuständigkeit Verwaltungsgerichtshof, VfGH / Zuständigkeit, Unabhängiger Verwaltungssenat, Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1996:KI8.1994

Dokumentnummer

JFT_10039771_94K00I08_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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