Entscheidungsdatum
28.04.2020Norm
AsylG 2005 §3Spruch
W189 2121943-1/18E
W189 2121942-1/15E
IM NAMEN DER REPUBLIK
I. Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Mag. Irene RIEPL als Einzelrichterin über die Beschwerde von 1.) XXXX , geb. XXXX und 2.) XXXX , geb. XXXX , beide StA. Ukraine, vertreten durch RA Mag. Doris Einwallner, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.02.2016, Zlen. 1.) 1051136109-150123865 und 2.) 1051136305-150123881, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 04.03.2020:
A)
Das Verfahren wird wegen Zurückziehung der Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. der angefochtenen Bescheide eingestellt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
II. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Irene RIEPL als Einzelrichterin über die Beschwerde von 1.) XXXX , geb. XXXX und 2.) XXXX , geb. XXXX , beide StA. Ukraine, vertreten durch RA Mag. Doris Einwallner, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.02.2016, Zlen. 1.) 1051136109-150123865 und 2.) 1051136305-150123881, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 04.03.2020, zu Recht:
A)
Gemäß § 9 BFA-VG wird festgestellt, dass eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist, und gemäß §§ 54, 55 und 58 Abs. 1 AsylG 2005 wird XXXX und XXXX der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" für die Dauer von 12 Monaten erteilt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Die Erstbeschwerdeführerin (in der Folge: BF1) und der Zweitbeschwerdeführer (in der Folge: BF2), Staatsangehörige der Ukraine, reisten am 15.01.2015 mittels griechischen Schengenvisums legal in das Bundesgebiet ein, stellten am 02.02.2015 die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz und wurden am selben Tag durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt.
2. Am 18.04.2015 heiratete die BF1 einen österreichischen Staatsbürger.
3. Am 20.04.2015 wurden die BF durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA) niederschriftlich einvernommen. Die BF legten ihre ukrainischen Identitätsdokumente vor.
4. Mit Schreiben vom 10.07.2015 legten die BF ein Konvolut an Dokumenten über ihre in der Ukraine absolvierten Ausbildungen, die Heiratsurkunde der BF1 und ein Deutschprüfungszeugnis des BF2 auf dem Niveau A1 vor.
5. Mit Schreiben vom 19.08.2015 legte die BF1 ein Deutschprüfungszeugnis auf dem Niveau A1 vor.
6. Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden des BFA vom 03.02.2016 wurden die Anträge auf internationalen Schutz der BF bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel gem. § 57 AsylG wurde nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und die Zulässigkeit der Abschiebung in die Ukraine festgestellt (Spruchpunkt III.), sowie eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt IV.).
7. Mit Schriftsatz vom 10.02.2016 erhoben die BF binnen offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde und legten Unterlagen über ihre Integration vor.
8. Mit Verfahrensanordnung vom 15.02.2017 wurden die nunmehr anwaltlich vertretenen BF vom Bundesverwaltungsgericht aufgefordert, binnen zwei Wochen zu ihrer Situation in Österreich schriftlich Stellung zu nehmen, und es wurde ihnen Parteiengehör zu den gleichzeitig übermittelten Länderberichten über die Ukraine eingeräumt.
9. Mit Schriftsatz vom 07.03.2017 gaben die BF eine entsprechende Stellungnahme ab und legten ein Konvolut an Dokumenten zu ihrer Integration in Österreich vor.
10. Mit Urkundenvorlagen vom 11.06.2019 und 02.03.2020 übermittelten die BF zahlreiche weitere Integrationsunterlagen.
11. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 04.03.2020 eine öffentliche, mündliche Verhandlung unter Beiziehung einer geeigneten Dolmetscherin für die Sprache Russisch durch, an welcher die BF, ihre Rechtsvertretung, sowie der Ehemann der BF1 als Zeuge teilnahmen. Im Rahmen der Verhandlung wurden die BF ausführlich zu ihren Fluchtgründen, Rückkehrbefürchtungen und Integrationsbemühungen in Österreich befragt, wobei die BF ausdrücklich die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. der angefochtenen Bescheide zurückzogen.
11. Mit Vorlage vom 11.03.2020 übermittelte der BF2 einen Arbeitsvorvertrag.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen
1.1. Zur Person der BF1
Die BF1 ist ukrainische Staatsangehörige, gehört der Volksgruppe der Ukrainer an und ist russisch-orthodoxen Glaubens. Sie ist volljährig und im erwerbsfähigen Alter. Sie spricht Russisch und ein wenig Englisch. Sie hat in der Ukraine acht Jahre die Grundschule und fünf Jahre die Universität besucht, wo sie die Studienrichtung "Finanz- und Kreditwesen" erfolgreich absolvierte. Sie hat darüber hinaus eine vierjährige Ausbildung zur "Arzthelferin" abgeschlossen. Die BF1 kann sich selbständig auf Deutsch ausdrücken.
Die BF1 ist in XXXX , Distrikt Donezk, Ukraine geboren und hat dort den Großteil ihres Lebens verbracht. Sie hat dort als Arzthelferin gearbeitet. Ihr Sohn aus erster Ehe (BF2) lebt als Asylwerber in Wien. Ihr Vater lebt weiterhin in XXXX , ihre Mutter in der Russischen Föderation. Die BF1 hat keine Geschwister. Ein Onkel mütterlicherseits lebt in Donezk, eine Tante mütterlicherseits in der Russischen Föderation, ein Onkel väterlicherseits lebt an einem nicht näher zu bestimmenden Ort in der Ukraine. Die BF1 hat Kontakt zu ihren Eltern.
Die BF1 hat am 18.04.2015 XXXX , einen österreichischen Staatsbürger, geheiratet.
Die BF1 ist gesund.
Sie ist strafrechtlich unbescholten.
1.2. Zur Person des BF2
Der BF2 ist ukrainischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Ukrainer an und ist Atheist. Er ist volljährig und im erwerbsfähigen Alter. Er spricht Russisch und ein wenig Englisch. Er hat in der Ukraine elf Jahre die Grundschule sowie ein Jahr die Universität besucht. Der BF2 kann sich selbständig auf Deutsch ausdrücken.
Der BF2 ist in XXXX , Distrikt Donezk, Ukraine geboren und hat dort den Großteil seines Lebens verbracht. Seine Mutter (BF1) lebt als Asylwerberin in Wien. Sein leiblicher Vater lebt in XXXX , es besteht jedoch keine tiefgehende Beziehung zu ihm. Die weitere Verwandtschaft des BF2 entspricht der der BF1. Der BF2 hat Kontakt zu seinen Großeltern mütterlicherseits.
Der Stiefvater und die beiden Stiefbrüder des BF2 sind österreichische Staatsbürger.
Der BF2 ist gesund.
Er ist strafrechtlich unbescholten.
1.3. Zur Situation der BF in Österreich
Die BF sind im Jänner 2015 legal in Österreich eingereist und stellten am 02.02.2015 Anträge auf internationalen Schutz.
Die BF1 bezieht seit Mai 2019 nur mehr Krankenversicherungsleistungen aus der Grundversorgung. Sie arbeitet seit Mai 2015 unentgeltlich für ihren Ehemann, indem sie russischsprachige Kunden für sein Maklerunternehmen rekrutiert. Sie verfügt über eine ukrainische Ausbildung als "Arzthelferin", die gemäß Bewertung der ENIC NARIC AUSTRIA der österreichischen Ausbildung zur Ordinationsgehilfin gleichzuhalten ist, und hat mündliche Zusicherungen über eine mögliche Einstellung als solche bei Vorliegen einer Arbeitserlaubnis erhalten. Die BF1 kann sich selbständig auf Deutsch ausdrücken und hat zuletzt die Integrationsprüfung auf dem Niveau B1 bestanden. Sonstige Kurse oder Ausbildungen besucht die BF1 derzeit nicht.
Der BF2 bezieht Leistungen aus der Grundversorgung und wird von seinem Stiefvater finanziell unterstützt. Er studiert Sportwissenschaften an der Universität Wien. Er verfügt über einen Arbeitsvorvertrag als Exportsachbearbeiter im Ausmaß von zehn Wochenstunden. Der BF2 kann sich selbständig auf Deutsch ausdrücken und hat bereits im September 2016 eine Deutschprüfung auf dem Niveau B2 bestanden. Er besucht seither Kurse auf dem Niveau C1. Sonstige Kurse oder Ausbildungen besucht der BF2 derzeit nicht.
Die BF1 heiratete am 18.04.2015 einen österreichischen Staatsbürger. Die BF1 lebt seit 27.01.2015 im gemeinsamen Haushalt mit ihrem Ehemann, der im Wesentlichen für die gemeinsamen Lebenserhaltungskosten aufkommt. Der BF2 lebte von 27.01.2015 bis 20.09.2018 ebenso mit ihnen im gemeinsamen Haushalt. Seither lebt er mit seinem Stiefbruder in einer gemeinsamen Wohnung. Es besteht eine enge familiäre Bindung zwischen den BF, dem Ehemann der BF1, sowie auch dessen beiden volljährigen Söhnen aus einer früheren Beziehung. Weiters haben die BF freundschaftliche und bekanntschaftliche Anknüpfungspunkte in Österreich. Darüber hinaus bestehen keine weiteren familiären oder sonstig verwandtschaftlichen bzw. familienähnlichen sozialen Bindungen im Bundesgebiet.
Im Übrigen üben die BF derzeit keine ehrenamtlichen Tätigkeiten aus und sind nicht Mitglied in einem Verein, einer religiösen Gruppe oder einer sonstigen Organisation.
Es bestehen keine weiteren, substantiellen Anknüpfungspunkte im Bereich des Privatlebens in Österreich.
2. Beweiswürdigung
2.1. Zur Person der BF1
Die Identität der BF1 steht aufgrund der Vorlage des Inlands- und Auslandsreisepasses aus der Ukraine fest. Ein Abruf des Zentralen Fremdenregisters ergab, dass diese Dokumente echt sind.
Die Feststellungen zur Staats-, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit der BF1 gründen sich im Übrigen auf ihre insoweit glaubhaften Angaben in den bisherigen Befragungen sowie in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht bzw. ihren Kenntnissen der russischen Sprache. Die Feststellungen über den Besuch der Grundschule und der Universität sowie ihre Berufsausbildung ergeben sich ebenso aus ihren glaubhaften Angaben in Verbindung mit den vorgelegten, übersetzten Diplomen. Die Feststellung, dass die BF1 sich selbständig auf Deutsch ausdrücken kann, ist Folge ihrer Aussage in der mündlichen Verhandlung und dem vorgelegten Zeugnis der Integrationsprüfung auf dem Niveau B1.
Die Feststellungen zum Geburts- und Wohnort der BF1, ihrer Erwerbstätigkeit, den Aufenthalten ihres Sohns, ihrer Eltern und Verwandtschaft, den Kontakt zu den Eltern, dass sie keine Geschwister hat, sowie zu ihrer Ehe mit einem österreichischen Staatsbürger stützen sich gleichfalls auf ihre glaubhaften Angaben, sowie die Vorlagen ihrer Geburts- und Heiratsurkunde.
Dass die BF1 - abgesehen von einer Duftstoffallergie - gesund ist, gründet sich auf ihre Aussage.
Die Feststellung, dass die BF1 strafrechtlich unbescholten ist, beruht auf einem aktuellen Strafregisterauszug.
2.2. Zur Person des BF2
Die Identität des BF2 steht aufgrund der Vorlage des Inlands- und Auslandsreisepasses aus der Ukraine fest. Ein Abruf des Zentralen Fremdenregisters ergab, dass diese Dokumente echt sind.
Die Feststellungen zur Staats-, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit des BF2 gründen sich im Übrigen auf seine insoweit glaubhaften Angaben in den bisherigen Befragungen sowie in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht bzw. seinen Kenntnissen der russischen Sprache. Die Feststellung über den Besuch der Grundschule und der Universität in der Ukraine ergibt sich aus seinen glaubhaften Angaben und dem vorgelegten Schulzeugnis. Die Feststellung, dass der BF2 sich selbständig auf Deutsch ausdrücken kann, ist Folge seiner Aussage in der mündlichen Verhandlung und dem vorgelegten Zeugnis einer Deutschprüfung auf dem Niveau B2.
Die Feststellungen über den Geburts- und Wohnort des BF2, den Aufenthalt seiner Mutter, seines leiblichen Vaters, dass keine tiefgehende Beziehung zu diesem besteht ("[Mein leiblicher Vater] sorgt sich für mich nicht. Es ist zwar Gesetz, dass man Alimente zahlt, mehr als das hat er aber nicht für mich gemacht. Es geht nicht um Geld, es geht um das gemeinsame Zeit verbringen, obwohl wir in derselben Stadt lebten, habe ich mein[en] Vater ca. zwei Jahre vor der Ausreise nicht mehr getroffen. Er ruft mich höchstens zwei bis dreimal im Jahr an. Er ruft mich an, z.B. wenn er betrunken ist.", Niederschrift der mündlichen Verhandlung (in der Folge: NSV) S. 6f), zu seiner Verwandtschaft, zum Kontakt mit den Großeltern, sowie zu seinem österreichischen Stiefvater und Stiefbrüdern stützen sich gleichfalls auf seine glaubhaften Aussagen und der vorgelegten Geburtsurkunde.
Dass der BF2 gesund ist, gründet sich auf seine Aussage.
Die Feststellung, dass der BF2 strafrechtlich unbescholten ist, beruht auf einem aktuellen Strafregisterauszug.
2.3. Zur Situation der BF in Österreich
2.3.1. Die Feststellung über die Einreise und den Aufenthalt der BF im Bundesgebiet ergibt sich aus ihren Aussagen (AS 19f der BF1; AS 17f des BF2) in Zusammenschau mit den vorgelegten Reisepässen (AS 92 der BF1; AS 75 des BF2).
2.3.2. Die Feststellung, dass die BF1 seit Mai 2019 nur mehr Krankenversicherungsleistungen aus der Grundversorgung bezieht, folgt aus dem eingeholten Grundversorgungsauszug. Dass sie unentgeltlich für ihren Ehemann arbeitet, ist Folge ihrer glaubhaften Aussage (NSV S. 10) und einem Schreiben ihres Ehemannes (AS 239). Die Feststellungen zur Berufsausbildung der BF1, der Bewertung dieser und den mündlichen Zusicherungen über eine mögliche Einstellung der BF1 folgen aus den entsprechenden Vorlagen sowie der glaubhaften Aussage der BF1 und ihres Ehemannes (AS 107f, AS 121f, NSV S. 9 und 11).
Die BF1 hat zuletzt ein Zeugnis über die bestandene Integrationsprüfung auf dem Niveau B1 vorgelegt (OZ 15). Das Gericht konnte sich im Übrigen im Rahmen der mündlichen Verhandlung selbst überzeugen, dass die BF1 alle ihr gestellten Fragen prompt versteht und umgehend in einem sehr guten Deutsch antworten kann (NSV S. 7). Dass die BF1 keine sonstigen Kurse oder Ausbildungen besucht, ergibt sich aus ihren Angaben (NSV, S. 10).
2.3.3. Die Feststellung, dass der BF2 weiterhin Leistungen aus der Grundversorgung in Anspruch nimmt, aber auch von seinem Stiefvater unterstützt wird, folgt aus dem eingeholten Grundversorgungsauszug und der Aussage des BF2 (NSV S. 9). Dass er Sportwissenschaften studiert, wurde zwar nicht explizit belegt, ist aber in Gesamtschau der Angaben und anhand der vorgelegten Unterlagen glaubhaft (NSV S. 8, OZ 15, AS 209f). Die Feststellung über den Arbeitsvorvertrag des BF2 ist Folge der entsprechenden Vorlage (OZ 14).
Der BF2 hat zuletzt ein Zeugnis über die bestandene Deutschprüfung auf dem Niveau B2 vorgelegt (OZ 8) und besucht seither Kurse auf dem Niveau C1 (OZ 8, NSV S. 9). Das Gericht konnte sich im Übrigen im Rahmen der mündlichen Verhandlung selbst überzeugen, dass der BF2 alle ihm gestellten Fragen prompt versteht und umgehend in einem sehr guten Deutsch antworten kann (NSV S. 7). Dass der BF2 keine sonstigen Kurse oder Ausbildungen besucht, ergibt sich aus seinen Angaben (NSV, S. 8f). Zwar wurde am 11.06.2019 eine E-Mail vorgelegt, wonach der BF2 zusätzlich einen Vorbereitungslehrgang für Mathematik an der FH Wien begonnen habe (OZ 9), jedoch wurde ein solches Studium vom BF2 in der mündlichen Verhandlung nicht repliziert, weshalb davon ausgegangen wird, dass dies nicht mehr aktuell ist.
2.3.4. Dass die BF1 am 18.04.2015 einen österreichischen Staatsbürger heiratete, folgt aus der vorgelegten Heiratsurkunde (AS 119). Die Feststellungen über den gemeinsamen Haushalt der BF1 und ihres Ehemannes, dass dieser im Wesentlichen für die Lebenserhaltungskosten aufkommt, dass auch der BF2 langjährig mit ihnen zusammenlebte bzw. nun gemeinsam mit seinem Stiefbruder in einer eigenen Wohnung lebt, und zur engen familiären Bindung stützen sich auf die glaubhaften Aussagen der BF, des Ehemanns der BF1 als Zeugen in der mündlichen Verhandlung (insb. NSV S. 6, 9, 11f), sowie einem eingeholten Melderegister- und Grundversorgungsauszug. Dass darüber hinaus diverse Anknüpfungspunkte freundschaftlicher und bekanntschaftlicher Natur bestehen, ist ebenso Folge der glaubhaften Angaben in der mündlichen Verhandlung (NSV S. 8) sowie den vorgelegten Unterstützungsschreiben und Alltagsfotos (AS 241f und OZ 15 der BF1).
2.3.5. Dass die BF im Übrigen derzeit keinen ehrenamtlichen Tätigkeiten nachgehen und nicht Mitglied in einem Verein oder sonstigen Organisation sind, ist ebenso Folge ihrer Aussagen in der mündlichen Verhandlung (NSV S. 9).
3. Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt I. A)
3.1. Zur Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. der angefochtenen Bescheide
§ 7 Abs. 2 VwGVG normiert, dass eine Beschwerde nicht mehr zulässig ist, wenn die Partei nach Zustellung oder Verkündung des Bescheides ausdrücklich auf die Beschwerde verzichtet hat. Eine Zurückziehung der Beschwerde durch den BF ist in jeder Lage des Verfahrens ab Einbringung der Beschwerde bis zur Erlassung der Entscheidung möglich (Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, § 7 VwGVG, K 6). Dasselbe folgt sinngemäß aus § 17 VwGVG iVm § 13 Abs. 7 AVG.
Die Annahme, eine Partei ziehe die von ihr erhobene Beschwerde zurück, ist nur dann zulässig, wenn die entsprechende Erklärung keinen Zweifel daran offen lässt. Maßgebend ist daher das Vorliegen einer in dieser Richtung eindeutigen Erklärung (vgl. zB VwGH 22.11.2005, 2005/05/0320 uvm. zur insofern auf die Rechtslage nach dem VwGVG übertragbaren Judikatur zum AVG).
Eine solche Erklärung lag im gegenständlichen Fall zweifelsfrei vor; die BF haben die Zurückziehung der Beschwerden gegen die Spruchpunkte I. und II. der angefochtenen Bescheide in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 04.03.2020 durch ihre Rechtsvertreterin eindeutig zum Ausdruck gebracht.
Gem. § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder einzustellen ist.
Da die BF die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. zurückgezogen haben, war das Beschwerdeverfahren insoweit gem. § 28 Abs. 1 iVm § 31 Abs. 1 VwGVG einzustellen.
Zu Spruchpunkt II. A)
3.2. Zur Beschwerde gegen die Spruchpunkte III. und IV. der angefochtenen Bescheide
3.2.1. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird.
Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen, wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt (Z 1), wenn dies zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel notwendig ist (Z 2) oder wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist (Z 3).
Der Aufenthalt der BF im Bundesgebiet ist nicht im Sinne der soeben dargelegten Bestimmung geduldet bzw. zur Gewährleistung einer Strafverfolgung erforderlich. Sie sind nicht Zeugen oder Opfer von strafbaren Handlungen und auch keine Opfer von Gewalt. Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen daher nicht vor und wurden weder im Verfahren noch in der Beschwerde behauptet.
3.2.2. Gemäß § 52 Abs. 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.
Die BF sind als Staatsangehörige der Ukraine keine begünstigten Drittstaatsangehörige und es kommt ihnen kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu, da durch die Einstellung des Verfahrens über die Spruchpunkte I. und II. der angefochtenen Bescheide das Aufenthaltsrecht nach § 13 AsylG 2005 mit der Erlassung dieser Entscheidung endet. Gegenteiliges wurde von den BF auch nicht vorgebracht.
3.2.3. Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG insbesondere zu berücksichtigen: die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war (Z 1), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (Z 2), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens (Z 3), der Grad der Integration (Z 4), die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden (Z 5), die strafgerichtliche Unbescholtenheit (Z 6), Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts (Z 7), die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (Z 8) und die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (Z 9).
Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff NAG) verfügen, unzulässig wäre.
Nach Art 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff in die Ausübung des Rechts auf Privat- und Familienleben nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutze der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität aufweisen, etwa wenn ein gemeinsamer Haushalt vorliegt.
Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden schwerer wiegen würden, als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.
Bei dieser Interessenabwägung sind - wie in § 9 Abs. 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird - insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration des Fremden, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren sowie die Frage zu berücksichtigen, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (vgl. VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479).
Nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts kommt dem öffentlichen Interesse aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSd Art. 8 Abs. 2 EMRK ein hoher Stellenwert zu. Der Verfassungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof haben in ihrer Judikatur ein öffentliches Interesse in dem Sinne bejaht, als eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragsstellung im Inland aufhalten durften, verhindert werden soll (VwGH vom 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479).
Die BF1 heiratete am 18.04.2015 einen österreichischen Staatsbürger, mit dem sie seit 27.01.2015 im gemeinsamen Haushalt lebt. Der BF2 lebte ebenso von 27.01.2015 bis 20.09.2018 im gemeinsamen Haushalt mit ihnen und wohnt nun in unmittelbarer Umgebung gemeinsam mit einem seiner Stiefbrüder in einer eigenen Wohnung. Der Ehemann der BF1 kommt weitgehend für ihren Lebensunterhalt auf. Lediglich der BF2 bezieht noch Leistungen aus der Grundversorgung. Es besteht somit jedenfalls ein intensives Familienleben, das unter den Art. 8 EMRK zu subsumieren ist.
Es ist zwar zu berücksichtigen, dass das gegenständliche Familienleben zu einem Zeitpunkt eingegangen wurde, als der Aufenthaltsstatus der BF unsicher war (vgl. auch etwa EGMR, 28.06.2011, Nunez v. Norwegen, Rs 55597/09, Rz 70 letzter Satz). Eine Fortsetzung des Familienlebens in der Ukraine wäre jedoch nicht möglich. Der Ehemann der BF1 ist österreichischer Staatsbürger und entsprechend sozial und beruflich verwurzelt. Er führt ein eigenes Maklerunternehmen, wodurch er für den Unterhalt der BF aufkommen kann, und ist auch sozial durch Freundschaften, aber etwa auch als Präsident eines lokalen Fußballvereins (s. OZ 9 der BF1), an Österreich gebunden. Zumal der Ehemann der BF1 nicht ukrainisch und kaum russisch spricht, wäre es ihm nicht zumutbar, seine sonstigen sozialen Anknüpfungspunkte und seine Arbeit aufzugeben und seinen Lebensmittelpunkt in die Ukraine zu verlegen. Darüber hinaus würden mangels Freizügigkeit diesem Schritt zumindest anfänglich rechtliche Hürden entgegenstehen. Hinsichtlich des BF2 ist zudem darauf zu verweisen, dass er mit seinem in der Ukraine lebenden leiblichen Vater keine über das Blutsband hinausgehende Beziehung hat und sein Stiefvater nunmehr die tatsächliche Vaterfigur darstellt.
Unter dem Privatleben sind nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. EGMR 16.6.2005, Fall Sisojeva ua, Appl 60.654/00, EuGRZ 2006, 554). In diesem Zusammenhang kommt dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.
Bei der Beurteilung der Frage, ob die BF in Österreich über ein schützenswertes Privatleben verfügen, spielt die zeitliche Komponente eine zentrale Rolle, da - abseits familiärer Umstände - eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen ist (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541). Hervorgehoben wird hierbei, dass im Falle eines bloß auf die Stellung eines Asylantrags gestützten Aufenthalts in der Entscheidung des EGMR (N. gegen United Kingdom vom 27.05.2008, Nr. 26565/05) ein Aufenthalt in der Dauer von zehn Jahren nicht als allfälliger Hinderungsgrund gegen eine Ausweisung unter dem Aspekt einer Verletzung von Art. 8 EMRK thematisiert wurde. Der Verwaltungsgerichtshof geht bei einem dreieinhalbjährigen Aufenthalt im Allgemeinen von einer eher kürzeren Aufenthaltsdauer aus (vgl. Chvosta, ÖJZ 2007/74 unter Hinweis auf VwGH 08.03.2005, 2004/18/0354; 27.03.2007, 2005/21/0378). Im Erkenntnis vom 26.06.2007, 2007/10/0479, argumentierte er, "dass der Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von drei Jahren [..] jedenfalls nicht so lange ist, dass daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden könnte". Einem inländischen Aufenthalt von weniger als fünf Jahren kommt für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung hinsichtlich der durchzuführenden Interessenabwägung zu (VwGH 15.03.2016, Ra 2016/19/0031).
Die BF sind seit über fünf Jahren in Österreich wohnhaft. Die BF1 hat eine Integrationsprüfung auf dem Niveau B1 erfolgreich absolviert, Der BF2 hat bereits im September 2016 eine Deutschprüfung auf dem Niveau B2 bestanden. In der mündlichen Verhandlung konnten die ausgezeichneten Deutschkenntnisse der BF festgestellt werden, wobei die BF auch mit dem Ehemann der BF1 auf Deutsch sprechen, zumal dieser kaum Russisch kann. Der BF haben - abgesehen von den oben erwähnten familiären Anknüpfungspunkten - Freunde und Bekannte in Österreich. Die BF1 bezieht seit Mai 2019 nur mehr Krankenversicherungsleistungen aus der Grundversorgung. Sie arbeitet entgeltlich im Unternehmen ihres Ehemanns, indem sie neue Kunden für ihn rekrutiert und hat bei Vorlage einer Arbeitserlaubnis eine ihrer Berufsausbildung entsprechende Arbeit in Aussicht. Der BF2 studiert Sportwissenschaften an der Universität Wien und verfügt über einen Arbeitsvorvertrag als Exportsachbearbeiter. Der Ehemann der BF1 kommt bereits jetzt weitgehend für den Lebensunterhalt der BF auf und es besteht auch für die Zukunft - zumal dann auch die BF erwerbstätig sein können - ein gesicherter Lebensunterhalt. Es erweist sich somit, dass die BF in außergewöhnlich hohem Maße sprachlich, sozial und - zumindest prognostizierend - auch beruflich integriert sind.
In der Ukraine wiederum haben die BF keine relevanten Anknüpfungspunkte. Zum leiblichen Vater des BF2 besteht kaum Kontakt und keine Beziehung. Dieser, genauso wie der Vater der BF1, leben im von Separatisten besetzten Donbass in der selbsternannten, nicht anerkannten Volksrepublik Donezk. Die weitere Verwandtschaft und Freunde der BF leben entweder noch im Donbass oder haben selbst die Ukraine verlassen. Dieser Konflikt besteht nunmehr seit rund sechs Jahren, sodass auch mittel- bis langfristig keine Rückkehr der BF in ihre unmittelbare Heimatregion möglich scheint. Obgleich die BF den Großteil ihres Lebens in der Ukraine verbracht haben und mit den dortigen Gepflogenheiten vertraut sind, sind ihre Bindungen zum Heimatland dadurch doch nachhaltig zerrüttet, zumal sie im Übrigen auch nicht Ukrainisch sprechen.
Festzuhalten ist, dass die mehr als fünfjährige Verfahrensdauer den BF nicht angelastet werden kann, zumal sie keine verfahrensverzögernden Handlungen setzten (vgl. VfGH 03.10.2013, U 477/2013; VfGH vom 21.02.2014, U 2552/2013; VfGH 06.06.2014, U 145/2014). Diesem Aufenthalt kommt iSd. obzitierten Judikatur bereits maßgebliche Bedeutung in der Interessenabwägung zu.
Die BF sind strafrechtlich unbescholten.
Gesamt betrachtet überwiegt somit das Interesse an der Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens der BF im konkreten Fall die in Art. 8 Abs. 2 EMRK angeführten öffentlichen Interessen, weshalb in Erledigung der Beschwerde gegen die angefochtenen Bescheide die Rückkehrentscheidung für dauerhaft unzulässig zu erklären war.
Es wird nicht verkannt, dass dem Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, insbesondere der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften grundsätzlich ein hoher Stellenwert zukommt, doch überwiegen nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts in diesem vorliegenden Fall vor allen Dingen die familiären, aber auch die privaten Interessen der BF angesichts der erwähnten Umstände in ihrer Gesamtheit die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung zugunsten eines geordneten Fremdenwesens. Eine Rückkehrentscheidung gegen die BF würde sich daher zum maßgeblichen aktuellen Entscheidungszeitpunkt als unverhältnismäßig im Sinne von Art. 8 Abs. 2 EMRK erweisen. Dabei waren auch die Auswirkungen auf das Privat- und Familienleben des Ehemannes der BF1 als österreichischer Staatsbürger maßgeblich zu berücksichtigen. Dass dieser die BF1 bereits vor ihrer Ausreise über das Internet kennenlernte, kann ihm bzw. den BF dabei letztlich nicht zum Vorwurf gemacht werden, da in Hinblick auf die Normen zur Regelung der Einreise und des Aufenthalts keine Umgehungsabsichten zu erkennen waren, zumal nicht verkannt wird, dass die Herkunftsregion der BF zu ihrem Ausreisezeitpunkt von einem aktiv geführten bewaffneten Konflikt erfasst war.
Das Bundesverwaltungsgericht kommt daher aufgrund der vorgenommenen Interessenabwägung unter Berücksichtigung der genannten besonderen Umstände dieses Beschwerdefalles zu dem Ergebnis, dass eine Rückkehrentscheidung gegen die BF unzulässig ist. Des Weiteren ist davon auszugehen, dass die drohende Verletzung des Privat- Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend, sondern auf Dauer sind und es ist daher gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG festzustellen, dass die Rückkehrentscheidung gegen die BF auf Dauer unzulässig ist.
Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist (Z 1) und der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 IntG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 ASVG) erreicht wird (Z 2). Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist gemäß Abs. 2 eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.
In seinem Erkenntnis vom 04.08.2016, Ra 2016/210203, betonte der Verwaltungsgerichtshof, dass hinsichtlich der Beurteilung der Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG (nunmehr §§ 9 ff Integrationsgesetz) eine formalistische Sichtweise anzuwenden sei und die Vorlage eines der in § 9 der Integrationsvereinbarungs-Verordnung (aF) aufgezählten Zertifikate nicht im Rahmen der freien Beweiswürdigung ersetzt werden könne.
Da die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 Abs. 1 AsylG im Fall beider BF in Folge des Ausspruches der dauerhaften Unzulässigkeit einer sie betreffenden Rückkehrentscheidung gegeben sind, war ihnen eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen.
Die Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 Z 2 AsylG sind im Falle der BF1 gegeben, da sie ein Zeugnis des Österreichischen Integrationsfonds über die Absolvierung der Integrationsprüfung auf dem Niveau B1 vorlegte. Sie erfüllt damit das Modul 2 der Integrationsvereinbarung gem. § 10 Abs. 2 Z 1 IntG, wobei gem. § 9 Abs. 4 letzter Satz leg. cit. das Modul 2 das Modul 1 beinhält.
Auch im Falle des BF2 sind die Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 Z 2 AsylG gegeben. Da er über ein Zeugnis des ÖSD vom 16.09.2016 über die Absolvierung einer Deutschprüfung auf dem Niveau B2 verfügt, erfüllt er gemäß der Übergangsbestimmung des § 81 Abs. 36 NAG ebenso das Modul 2 der Integrationsvereinbarung gemäß obzitierter Gesetzesstellen.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat den BF die Aufenthaltstitel gemäß § 58 Abs. 7 AsylG auszufolgen, die BF haben hieran gemäß § 58 Abs. 11 AsylG mitzuwirken. Die Aufenthaltstitel gelten gemäß § 54 Abs. 2 AsylG zwölf Monate lang, beginnend mit dem Ausstellungsdatum.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zu Spruchpunkt I. und II. B) wegen Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Es liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Im gegenständlichen Fall konnte sich daher das Bundesverwaltungsgericht auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.
Angesichts der erwiesenen Deutschkenntnisse konnte eine Übersetzung in deutscher Sprache entfallen.
Schlagworte
Asylverfahren Aufenthaltsberechtigung plus Aufenthaltstitel befristete Aufenthaltsberechtigung Beschwerdeverzicht Beschwerdezurückziehung Einstellung des (Beschwerde) Verfahrens Integration Integrationsvereinbarung Interessenabwägung mündliche Verhandlung öffentliche Interessen Privat- und Familienleben private Interessen Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig subsidiärer Schutz Verfahrenseinstellung Zurückziehung der BeschwerdeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W189.2121943.1.00Im RIS seit
27.08.2020Zuletzt aktualisiert am
27.08.2020