Entscheidungsdatum
10.06.2020Norm
AsylG 2005 §55 Abs2Spruch
W272 2231527-1/2E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. BRAUNSTEIN als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , StA. Ukraine, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Peter PHILIPP gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Steiermark vom 19.05.2020, Zahl XXXX , zu Recht beschlossen:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben, der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführerin (BF), eine ukrainische Staatsangehörige, reiste zu einem unbekannten Datum in das österreichische Staatsgebiet ein. Mit 01.03.2019 stellte die BF bei der MA 35 des Amtes der Wiener Landesregierung einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck "Rot-Weiß-Rot-Karte plus (§46/1/2 NAG). Als Begründung gab sie an, dass ihr Ehemann, ein serbischer Staatsbürger im Besitz der Bewilligung "Daueraufenthalt - EU" ist. Sie sei schwanger und ihr Ehemann sei unterhaltspflichtig aus einer früheren Beziehung.
2. Der Antrag auf Erteilung des oa. Aufenthaltstitels wurde durch die MA 35 mit Bescheid vom 21.08.2019 abgewiesen, da die BF die sichtvermerksfreie Zeit überschritten habe, der Aufenthalt zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte und sie über keinen Rechtsanspruch auf eine ortsübliche Unterkunft verfüge. Die Behörde ging auch davon aus, dass die BF erst am 01.03.2019 den Antrag stellte, obwohl sie bereits am 16.12.2018 in das österreichische Bundesgebiet einreiste und schwanger war, die Behörde vor vollendete Tatsachen stellen wollte.
Das Kind XXXX wurde im Juli 2019 in Österreich geboren.
4. Das BFA teilte mit Schreiben vom 22.04.2020 der BF mit, dass es beabsichtigt ist eine Rückkehrentscheidung zu erlassen und gab der BF die Möglichkeit eine Stellungnahme abzugeben und einzelne konkrete Fragen zu beantworten.
5. Der BF gab mit Schreiben vom 07.05.2020 eine Stellungnahme ab und stellt gleichzeitig den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus humanitären Gründen gem. § 55 Abs. 2 AsylG.
6. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.05.2020 wurde der Beschwerdeführerin ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt I), sowie gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung in die Ukraine gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III). Unter Spruchpunkt IV. wurde gem. § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG ein auf die Dauer von 1 Jahr befristetes Einreiseverbot erlassen. Gem. § 55 Abs. 4 FPG wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt V) und der Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gem. § 18 Abs. 2 Z. 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI).
Im Wesentlichen wurde in der Entscheidung festgestellt, dass die BF verheiratet sei und einen minderjährigen Sohn habe. Keine Beschäftigung nachgehe und von ihrem Ehemann versorgt werde. Sie verfüge über keine Ersparnisse. Es bestehe kein Privatleben, welches derart schützenswert sei, dass die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme entgegenstehen würde. Aufgrund ihrer Mittellosigkeit gefährde Sie die öffentliche Ordnung und Sicherheit der Republik Österreich. Die BF sei ukrainische Staatsangehörige, seit 01.06.2018 im Bundesgebiet gemeldet und habe niemals über ein Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet verfügt. Beweiswürdigend würde dargestellt und erwogen, dass sich die Feststellungen aus dem gesamten Akt zur IFA Zahl 1221268903 ergibt. Der Antrag auf einen Aufenthaltstitel sei rechtskräftig abgewiesen worden und seit dem Wegfall des Aufenthaltstitels sie auch die rechtliche Grundlage für ihren Aufenthalt weggefallen. Die BF sei seither nur mehr ein sichtvermerkfreier Drittstaatsangehöriger. Die Meldedaten sind dem Zentralen Melderegister entnommen und daher unstrittig. Die Feststellungen zu ihrer persönlichen Situation in Bezug auf ihr Privat- und Familienleben, ergebe sich aus ihrer Angabe und Ihrer Stellungnahme zu diesem Verfahren. In Bezug auf § 57 wurde auf die gesetzlichen Bestimmungen hingewiesen und darauf, dass die BF keine Voraussetzungen hat, wodurch ein solcher Titel zu erteilen wäre. Zum schützenswerten Familienleben wurde gewürdigt, dass das Familienleben zu einem Zeitpunkt begründet wurde, als der Aufenthalt im Bundesgebiet nicht sicher sein konnte. Das Interesse an einem geordneten Fremdenwesen sei größer als das Familienleben der BF. Danach erfolgten Rechtssätze des Verwaltungsgerichtshofes. Die Begründung des Einreiseverbotes beschränkte sich darauf, festzustellen, dass die BF nicht im Besitz der Mittel zu ihrem Unterhalt nachzuweisen vermag. Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ergab sich aufgrund dessen, dass die sofortige Ausreise im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist. Hier wurde auf Spruchpunkt II verwiesen.
7. Gegen diesen Bescheid in seinem gesamten Umfang brachte die Beschwerdeführerin vertreten durch ihren gewählten Rechtsvertreter fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlichen Beurteilung ein. Die BF brachte zur fehlenden Sachentscheidung vor, dass die Behörde den Antrag der BF auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus humanitären Gründen gem. § 55 Abs. 2 AsylG in keinster Weise erwähnt hat, noch behandelt und dadurch eine Abspruch über § 57 AsylG nicht zu erfolgen gewesen wäre. Seitens der Behörde seien die Feststellungen tatsachenwidrig, unvollständig und es wurde in keinster Weise auf die schriftliche Stellungnahe (und Antrag gem. § 55 AsylG) vom 06.05.2020 eingegangen. Die BF habe ein Privatleben und unbestritten ein Familienleben. Dass die BF mittellos sei, sei widersprüchlich zumal, die Behörde auch feststellte, dass sie von ihrem Ehemann versorgt werde. Die entsprechenden Lohnzettel des Ehemannes für den Zeitraum Dezember 2019 bis einschließlich März 2020 sowie Mitteilung über den Bezug der Familienbeihilfe sei nicht berücksichtigt worden. Der Ehemann verfüge über ein monatliches Einkommen von EUR 1.928,51. Die Behörde unterlies es weiter die erfolgte Stellungnahme zu berücksichtigen. So sei die Heiratsurkunde, die Geburtsurkunde des Sohnes, dessen Aufenthaltstitel, der Reisepass des Sohnes und der Aufenthaltstitel des Ehemannes vorgelegt worden und die Behörde habe sich damit nicht auseinandergesetzt, noch damit, dass der Ehemann und das Kind nicht dieselbe Staatsbürgerschaft besitzen. Zum Einreiseverbot, gab die BF nochmals an, dass durch das Einkommen des Mannes und die Unterhaltspflicht gem. ABGB die BF nicht als mittellos angesehen werden kann, wodurch das Einreisverbot nicht begründet werden konnte. Auch bei der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung habe die Behörde unterlassen konkret darzulegen, inwieweit eine Aufenthaltsbeendigung sofort - ohne Aufschub und unabhängig vom Ergebnis des Beschwerdeverfahrens - zu erfolgen hat. Die BF sei durch das nachgewiesene Einkommen nicht mittellos, sie habe keine Zuwendungen seitens einer Gebietskörperschaft erhalten, ein aufrechtes und intaktes Familienleben in Österreich und strafrechtlich unbescholten. Die Behörde gehe ohne sich hierfür auf Tatsachen zu stützen von einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit aus. Die BF stellte den Antrag der Beschwerde Folge zu geben und den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben und zur neuerlichen Entscheidung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Erstinstanz zurückzuverweisen. 6. Am 05.10.2017 erfolgte eine weitere Einvernahme beim BFA. In dieser gab der BF an, das Land nicht freiwillig zu verlassen. Er wolle seinen Hauptschulabschluss nachholen und er werde alles versuchen, um hier bleiben zu können.
7. Der Akt wurde am 04.06.2020 dem BVwG ohne etwaiger Beilagen vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführerin reiste im Jahr 2018 in das österreichische Staatsgebiet ein und stellte mit 01.03.2019 einen Antrag auf einen Aufenthaltstitel für den Zweck "Rot-Weiß-Rot- Karte plus (§46/1/2 NAG). Der Antrag wurde mit Bescheid Zahl MA 35-9/3243733-02 der MA 35 des Amtes der Wiener Landesregierung vom 21.08.2019 abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin brachte im Jahr 2019 einen Sohn zur Welt.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl beabsichtigte die Erlassung einer Rückkehrentscheidung und gab der BF die Möglichkeit der Abgabe einer Stellungnahme und forderte die BF auf einzelne Fragen zu beantworten.
Die BF ist ukrainische Staatsbürgerin und lebt mit ihrem Mann, welcher serbischer Staatsbürger ist, und ihrem Sohn in Österreich.
Die Behörde erließ eine mit angefochtenen Bescheid eine Rückkehrentscheidung, ein auf ein Jahr befristetes Einreisverbot und erkannte die aufschiebende Wirkung ab. Zugleich erkannte sie keinen Aufenthaltstitel gem. § 57 AsylG 2005 zu.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zum maßgeblichen Sachverhalt ergeben sich aus dem Verwaltungsakt ohne Beilagen oder Stellungnahme vom 22.04.2020, dem Verfahren vor der belangten Behörde und der Beschwerde.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zulässigkeit und Verfahren:
Gegenständlich sind die Verfahrensbestimmungen des AVG, des BFA-VG, des VwGVG und jene im AsylG enthaltenen sowie die materiellen Bestimmungen des AsylG in der geltenden Fassung samt jenen Normen, auf welche das AsylG verweist, anzuwenden.
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 in der geltenden Fassung, entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA das BVwG.
Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 in der geltenden Fassung, entscheidet das BVwG durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen und die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, mit der Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auseinandergesetzt (vgl. auch VwGH 30.06.2015, Ra 2014/03/0054) und dazu festgehalten, dass angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz leg.cit. bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte darstellt. Das in § 28 leg.cit. insgesamt normierte System verlangt, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher insbesondere nur dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden ((vgl. etwa VwGH 10.9.2014, Ra 2014/08/0005; 24.3.2015, Ra 2014/09/0043, 14.12.2015, Ra 2015/09/0057, und 20.2.2018, Ra 2017/20/0498, jeweils mwN).
Die gegenständliche, zulässige und rechtzeitige Beschwerde wurde am 29.05.2020 beim BFA eingebracht und ist nach Vorlage am 04.06.2020 beim BVwG eingegangen. Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidungen dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des BVwG zuständigen Einzelrichter.
Der angefochtene Bescheid erweist sich vor diesem Hintergrund in Bezug auf den ermittelten Sachverhalt aus folgenden Gründen jedoch als mangelhaft:
Im gegenständlichen Verfahren führte die Behörde ein Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung und stellt zunächst der BF auch die Möglichkeit der Abgabe einer Stellungnahme. Es wird nicht verkannt, dass die Behörde im Bescheid als Grundlage diese am 07.05.2020 eingelangte Stellungnahme als Beweismittel, sowie sonstige Beweismittel auflistete. Die Behörde unterließ es jedoch diese vorgebrachten Beweismittel in ihrem Bescheid zu würdigen. Die Behörde bezog sich in Bezug auf die Rückkehrentscheidung mit keinem Wort dem Umstand, dass der Sohn der BF einen Aufenthaltstitel habe bzw. unterließ zu erheben, um welchen Aufenthaltstitel es sich handelte. Die Behörde unterließ es vollkommen, das Kindeswohl bei einer etwaigen Rückkehr der BF in den Herkunftsstaat zu beurteilen, obwohl dies aus den zahlreichen höchstgerichtlichen Entscheidungen als zwingende Beurteilung heranzuziehen ist, selbst wenn die Familiengründung zum Zeitpunkt des ungewissen Aufenthaltes erfolgte (vgl. VwGH 26.06.2019, Ra 2019/21/0034-5, VwGH 07.03.2019, Ra 2018/21/0141). Die Behörde hat hierzu keine Ermittlungen durchgeführt. In Bezug auf die Mittellosigkeit der BF unterließ es die Behörde zu erheben, ob die von der BF vorgelegten Einkommensnachweise des Ehemannes um kurzfristige oder langfristige Einkünfte handelt, wie hoch die Einkünfte tatsächlich sind, zumal aus dem Bescheid der MA 35 ersichtlich ist, dass der BF Schulden hatte und dadurch das Einkommen geschmälert wird. Aus dem Gericht vorgelegten Akteninhalt ist eine entsprechende Stellungnahme nicht ersichtlich. Weiters hat die Behörde es auch unterlassen Ermittlungen zum Antrag der BF auf Zuerkennung eines Aufenthaltstitels gem. § 55 AsylG 2005 durchzuführen und hat hierzu keine Feststellungen getroffen, wenngleich die Behörde mit der Nichtzuerkennungen eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG, die BF nicht in ihren Rechten verletzte, zumal davon auszugehen ist, dass die BF nur auf einen Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG abzielt. Dies hätte die Behörde auch abzuklären, da gem. § 58 Abs. 6 AsylG 2005, bei einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren, über den Umstand zu belehren, welchen Aufenthaltstitel er für welchen Zweck benötigt. Ein Ausspruch nach § 57 AsylG wäre nicht notwendig. Weiters ergeben sich Ungereimtheiten zumal die Behörde feststellt, dass die BF keine Aufenthaltsberechtigung oder Niederlassungsbewilligung hat, andererseits in der Beweiswürdigung darlegt, dass die BF eine sichtvermerksfreie Drittstaatsangehörige ist.
Da der maßgebliche Sachverhalt noch nicht feststeht und die Behörde es unterlassen hat aufgrund der vorgelegten Stellungnahmen, weitere Ermittlungsschritte durchzuführen, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen der angefochtene Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückzuverweisen.
Die aufgezeigten Ermittlungsmängel wiegen nach Lage des Falles so schwer, dass im Sinne der dargelegten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes mit einer Aufhebung des angefochtenen Bescheids und Zurückverweisung der Angelegenheit an das Bundesamt gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG vorzugehen ist. Im fortgesetzten Verfahren wird das Bundesamt die dargelegten Mängel zu beheben bzw. die aufgezeigten Ermittlungsschritte zu setzen und in weiterer Folge in einem neuen Bescheid eine Beurteilung des Vorbringens des Beschwerdeführers zu treffen haben.
Ausgehend von diesen Überlegungen war im vorliegenden Fall vom Bundesverwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG eine kassatorische Entscheidung zu treffen. Dass die Feststellungen des maßgeblichen Sachverhalts durch das Bundesverwaltungsgericht selbst mit einer erheblichen Kostenersparnis iSd § 28 Abs. 2 Z 2 VwGVG verbunden wäre, kann - angesichts der Einrichtung und Ausstattung des Bundesamtes als asyl- und fremdenrechtliche Spezialbehörde - nicht gesagt werden. Zentrale Ermittlungsschritte, welche grundsätzlich von der belangten Behörde durchzuführen sind, wären demnach erstmals durch das Verwaltungsgericht zu tätigen.
Da der maßgebliche Sachverhalt noch nicht feststeht, war der angefochtenen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG aufzuheben und die Angelegenheiten zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückzuverweisen.
Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben, weil bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass die angefochtenen Bescheide zu beheben waren.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Regelung des § 28 Abs. 3 VwGVG erweist sich - vor dem Hintergrund des gegenständlichen Falles - klar und eindeutig. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab (VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063), noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung Ermittlungspflicht individuelle Verhältnisse Kassation Kindeswohl mangelnde Sachverhaltsfeststellung RückkehrsituationEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W272.2231527.1.00Im RIS seit
27.08.2020Zuletzt aktualisiert am
27.08.2020