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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, die Hofrätin Mag. Rossmeisel und den Hofrat Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Gnilsen, in der Revisionssache des XY, vertreten durch Dr. Gregor Klammer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Jordangasse 7/4, gegen das am 23. September 2019 mündlich verkündete und am 28. Februar 2020 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts, W274 2186915-1/10E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger des Iran, stellte am 8. Februar 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), den er im Wesentlichen damit begründete, dass ihm im Iran wegen außerehelichen Geschlechtsverkehrs mit einer verheirateten Frau die Todesstrafe drohe. Außerdem respektiere er den Islam nicht.
2 Mit Bescheid vom 26. Jänner 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag zur Gänze als unbegründet ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung in den Iran zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise betrage 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.
3 In der Beschwerde erstattete der Revisionswerber Vorbringen dazu, er habe während seiner Zeit in Österreich unter verschiedenen Aliasnamen in den sozialen Medien diverse anti-islamische Inhalte gepostet und er habe sich das Atheismus-Zeichen in den Unterarm tätowieren lassen.
4 Mit dem nunmehr in Revision gezogenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht - nach Durchführung einer Verhandlung - die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8 In der Revision wird zu ihrer Zulässigkeit zunächst vorgebracht, das Bundesverwaltungsgericht habe zum entscheidungswesentlichen Sachverhalt, ob der Revisionswerber anti-islamische und regierungskritische Beiträge im Internet veröffentlicht habe, widersprüchliche Feststellungen getroffen und habe in Verletzung der Begründungspflicht in Widerspruch zu den Länderberichten festgehalten, dass der Revisionswerber als „Low Profile Person“ nichts zu befürchten habe. Ebenso habe das Bundesverwaltungsgericht jegliche Ermittlungen dahingehend unterlassen, ob es dem iranischen Regime möglich sei, einen Instagram-Account, auf dem islamkritische Beiträge veröffentlicht worden seien, einer echten Person zuzuordnen.
9 Der Revision ist zuzugestehen, dass das Verwaltungsgericht zwar in den Feststellungen und der Beweiswürdigung vom Verfassen islamkritischer Beiträge in Internetforen ausgegangen ist, in der rechtlichen Beurteilung jedoch sein Vorbringen zu solchen Äußerungen als nicht glaubhaft bezeichnet. Die Revision übersieht jedoch, dass das Verwaltungsgericht in seinen rechtlichen Erwägungen eine Alternativbegründung darlegte und mit näherer Begründung ausführte, dass im Fall der Glaubhaftigkeit des Verfassens der Beiträge nicht auf eine weitgehendere Verfolgungsgefahr zu schließen und eine Rückverfolgbarkeit an den Revisionswerber nicht glaubhaft sei. Diesen Argumenten setzt die Revision nichts entgegen (vgl. zur Unzulässigkeit einer Revision bei einer tragfähigen Alternativbegründung VwGH 13.11.2019, Ra 2019/01/0326).
10 Wenn sich die Revision gegen die Annahmen des Verwaltungsgerichts in Bezug auf die letztlich verneinte Verfolgungsgefahr des Revisionswerbers als „low profile person“ stützt, ignoriert sie dabei die diesbezüglichen individuellen, auf die Person und vor dem Hintergrund der bisherigen Verhaltensweisen des Revisionswerbers im Iran und in Österreich bezogenen Ausführungen im angefochtenen Erkenntnis. Dass diese nicht tragfähig wären, zeigt die Revision mit ihrem Vorbringen in der Zulassungsbegründung nicht auf.
11 Wenn die Revision in diesem Zusammenhang vorbringt, das Verwaltungsgericht habe nicht ermittelt, ob das iranische Regime durch Verwendung einer Gesichtserkennungssoftware im Hinblick auf das Profilbild des Revisionswerbers in seinem Account die Fähigkeiten habe, gewisse Instagram-Konten Personen zuzuordnen, und dieses Vorbringen erstmals in der Revision erhebt, macht sie einen Verfahrensmangel geltend. Werden Ermittlungs- und Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, muss auch schon in der gesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel dargetan werden, weshalb bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist in konkreter Weise, also fallbezogen, darzulegen (vgl. VwGH 19.5.2020, Ra 2020/14/0189; 6.4.2020, Ra 2020/01/0090; 26.3.2020, Ra 2019/14/0620; mwN). Das Zulässigkeitsvorbringen wird diesen Anforderungen vor dem Hintergrund der getroffenen Feststellungen, insbesondere der Auseinandersetzungen mit der Verfolgungsgefahr, mit ihrem bloß allgemein gehaltenen Vorbringen nicht gerecht.
12 Soweit sich die Revision gegen die Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichts wendet, ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach dieser als Rechtsinstanz tätig und im Allgemeinen nicht zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Einzelfall berufen ist. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 16.3.2020, Ra 2019/14/0605, mwN).
13 Das Bundesverwaltungsgericht hat sich - nach Durchführung einer Verhandlung, in der es sich einen persönlichen Eindruck vom Revisionswerber verschafft und ihn ausführlich zu seinen Flucht- und Nachfluchtgründen befragt hat - mit dem Vorbringen des Revisionswerbers des Näheren auseinandergesetzt und diesem in nicht unschlüssiger Weise die Glaubwürdigkeit abgesprochen. Die Revision zeigt nicht auf, dass die Beweiswürdigung und die Einschätzung des Bundesverwaltungsgerichts zur Verfolgungsgefahr fallbezogen unvertretbar wären.
14 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.
Wien, am 24. Juni 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020140188.L00Im RIS seit
26.08.2020Zuletzt aktualisiert am
26.08.2020