Index
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
AsylG 2005 §10 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Mag. Schindler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Gnilsen, über die Revision des XY in A, vertreten durch Mag. Josef Phillip Bischof und Mag. Andreas Lepschi, Rechtsanwälte in 1090 Wien, Währinger Straße 26/1/3, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. Juli 2019, W195 2208415-1/12E, betreffend Angelegenheiten nach dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird im angefochtenen Umfang, sohin soweit eine Rückkehrentscheidung erlassen, die Zulässigkeit der Abschiebung festgestellt und eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt wird, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger von Bangladesch, reiste am 13. August 2012 mit einem „Visum D“ in das Bundesgebiet ein. Seine Aufenthaltsbewilligung „Selbstständiger“ war vom 12. Mai 2012 bis zum 12. Juni 2013 gültig. Am 10. Juni 2013 stellte er einen Antrag auf Verlängerung dieses Aufenthaltstitels, welcher mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Mödling vom 22. April 2014 im zweiten Rechtsgang abgewiesen wurde. Die vom Revisionswerber dagegen erhobene Beschwerde wurde vom Landesverwaltungsgericht Niederösterreich mit Erkenntnis vom 22. März 2016 abgewiesen. Am 30. März 2015 stellte der Revisionswerber einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).
2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies diesen Antrag mit Bescheid vom 21. September 2018 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab (Spruchpunkte I. und II.), erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt III.), erließ gegen den Revisionswerber gemäß 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV.) und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung nach Bangladesch zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Behörde setzte gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest (Spruchpunkt VI.).
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde in Bezug auf die Spruchpunkte I. und II. des bekämpften Bescheides als unbegründet ab. Die Spruchpunkte III., IV., V. und VI. des Bescheides änderte das Verwaltungsgericht dahingehend ab, dass es dem Revisionswerber einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 mit Gültigkeit bis 31. Mai 2020 erteilte, gegen ihn gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG ab „1. Juni 2020“ erließ, gemäß § 52 Abs. 9 FPG feststellte, dass die Abschiebung des Revisionswerbers gemäß § 46 FPG nach Bangladesch ab 1. Juni 2020 zulässig sei und eine Frist von 14 Tagen „ab der Verpflichtung zur Rückkehr, somit ab 01.06.2020“, für die freiwillige Ausreise festlegte. Unter einem sprach es aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
4 Das BVwG führte - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - im Rahmen der rechtlichen Beurteilung aus, die Interessen des Revisionswerbers an einem Verbleib im Bundesgebiet würden gegenüber dem öffentlichen Interesse in den Hintergrund treten. Die Verfügung einer Rückkehrentscheidung ab dem Zeitpunkt der Beendigung der derzeit aufrechten und rechtskräftig erteilten Beschäftigungsbewilligung sei daher geboten und auch nicht unverhältnismäßig. Es sei zu Lasten des Revisionswerbers zu werten, dass er offensichtlich in Missbrauchsabsicht einen Asylantrag gestellt habe, um seinen durch die Abweisung der Verlängerung seines befristeten Aufenthaltstitels unrechtmäßig gewordenen Aufenthalt im Bundesgebiet zu legalisieren, und er schon deshalb nicht darauf habe vertrauen können, dass er durch die Antragstellung „einen Aufenthaltsstatus“ erlangen werde können. Unter dem Gesichtspunkt der Einheitlichkeit des Rechtsstaates sei die bis Anfang Mai 2020 gültige „Beschäftigungserlaubnis“ hinsichtlich der berücksichtigungswürdigen Gründen, der Rückkehrentscheidung und der allfälligen freiwilligen Ausreise bzw. Abschiebung zu berücksichtigen. Da dem Revisionswerber bisher eine ausreichend gute Integration gelungen sei, bestünden keine Bedenken, dies durch die Aufschiebung der Rückkehrentscheidung bis Ende Mai 2020 entsprechend zu würdigen.
5 In der Revision wird zur Begründung ihrer Zulässigkeit vorgebracht, das BVwG habe einen Aufenthaltstitel nach § 57 AsylG 2005 bis 31. Mai 2020 erteilt, weshalb es die Rückkehrentscheidung zumindest als vorübergehend unzulässig hätte feststellen müssen. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung pro futuro erscheine unzulässig und sei gesetzlich nicht vorgesehen. Das BVwG habe nicht nachvollziehbar begründet, warum es bei der als sehr gut eingestuften Integration eine Rückkehrentscheidung verhänge. Die Interessenabwägung sei unverhältnismäßig und widerspreche der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Der Revisionswerber befinde sich seit sieben Jahren durchgehend im Bundesgebiet und weise eine überdurchschnittliche Integration auf.
6 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diese Entscheidung erhobene außerordentliche Revision nach Vorlage derselben sowie der Verwaltungsakten durch das BVwG und nach Einleitung des Vorverfahrens - eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
7 Die Revision ist zulässig. Sie ist auch begründet.
8 Vorauszuschicken ist, dass sich die Revision allein gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG und die darauf rechtlich aufbauenden Aussprüche wendet (vgl. zur separaten Anfechtbarkeit von Aussprüchen aus der ständigen Rechtsprechung etwa VwGH 25.9.2019, Ra 2019/19/0399; 28.1.2020, Ra 2019/20/0404; jeweils mwN).
9 § 10 Abs. 1 AsylG 2005 lautet:
„Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn
1. [...]
2. [...]
3. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,
4. [...]
5. [...]
und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird.“
10 Schon nach dem klaren Gesetzeswortlaut des § 10 Abs. 1 AsylG 2005 ergibt sich, dass eine Rückkehrentscheidung nur dann mit der Abweisung eines Antrages auf internationalen Schutz zu verbinden ist, wenn ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird.
11 Das BVwG hat im vorliegenden Fall zwar den Antrag auf internationalen Schutz des Revisionswerbers abgewiesen, aber ihm einen Aufenthaltstitel nach § 57 AsylG 2005 erteilt. Es verkannte daher - wie die Revision zutreffend aufzeigt - die Rechtslage, indem es unter einem eine auf § 52 Abs. 2 Z 2 FPG gestützte Rückkehrentscheidung erließ.
12 Vor dem Hintergrund, dass die Erteilung des Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG 2005 unbekämpft in Rechtskraft erwuchs, ist - wie in diesem Zusammenhang der Vollständigkeit halber anzumerken ist - unbeachtlich, dass die Erteilungsvoraussetzungen evident nicht vorgelegen sind.
13 Das in Revision gezogene Erkenntnis war sohin im angefochtenen Umfang, nämlich in Bezug auf die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG und die darauf rechtlich aufbauenden Aussprüche (vgl. dazu etwa VwGH 21.5.2019, Ro 2019/19/0006, mwN) gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
14 Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
15 Von der Durchführung der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 5 und Z 6 VwGG abgesehen werden.
Wien, am 24. Juni 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019140402.L00Im RIS seit
26.08.2020Zuletzt aktualisiert am
26.08.2020