TE Vwgh Beschluss 2020/6/25 Ra 2020/14/0220

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Veröffentlicht am 25.06.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Beachte


Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
Ra 2020/14/0221
Ra 2020/14/0222

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Dr.in Sembacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Gnilsen, in den Revisionssachen 1. des A B, 2. der C D und 3. der E F, alle vertreten durch Mag. Martin Sauseng, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Jakominiplatz 16/II, gegen die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. April 2020, 1. W279 2180445-1/15E, 2. W279 2180450-1/15E und 3. W279 2180415-1/15E, jeweils betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Erstrevisionswerber und die Zweitrevisionswerberin sind Staatsangehörige Afghanistans, wuchsen im Iran auf, sind miteinander verheiratet und Eltern der im Jahr 2011 im Iran geborenen Drittrevisionswerberin.

2        Die revisionswerbenden Parteien stellten am 14. November 2015 Anträge auf internationalen Schutz.

3        Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies sämtliche Anträge mit den Bescheiden vom 13. November 2017 ab, erteilte den revisionswerbenden Parteien keine Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen und erließ gegen sie Rückkehrentscheidungen. Es stellte fest, dass ihre Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei und legte jeweils eine Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise fest.

4        Mit den angefochtenen Erkenntnissen wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen erhobenen Beschwerden der revisionswerbenden Parteien nach Durchführung einer Verhandlung hinsichtlich der Versagung der Zuerkennung von Asyl als unbegründet ab, gab den Beschwerden im Übrigen statt und erkannte den revisionswerbenden Parteien den Status von subsidiär Schutzberechtigten zu, erteilte ihnen eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 21. April 2021, behob die weiteren Aussprüche der angefochtenen Bescheide ersatzlos und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG jeweils nicht zulässig sei.

5        Gegen diese Erkenntnisse richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

6        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

8        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9        Soweit sich die Revision gegen die Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichts zur Frage der „westlichen Orientierung“ der Zweit- und Drittrevisionswerberin wenden, ist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach nicht jede Änderung der Lebensführung einer Asylwerberin während ihres Aufenthalts in Österreich, die im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht mehr aufrecht erhalten werden könnte, dazu führt, dass der Asylwerberin deshalb internationaler Schutz gewährt werden muss. Entscheidend ist vielmehr eine grundlegende und auch entsprechend verfestigte Änderung der Lebensführung der Asylwerberin, in der die Anerkennung, die Inanspruchnahme oder die Ausübung ihrer Grundrechte zum Ausdruck kommt, die zu einem wesentlichen Bestandteil ihrer Identität geworden ist und die bei Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht gelebt werden könnte (vgl. VwGH 23.3.2020, Ra 2020/14/0096, mwN).

10       In den vorliegenden Fällen setzte sich das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, im Zuge derer die revisionswerbenden Parteien umfassend befragt wurden, insbesondere mit dem Vorbringen der Zweitrevisionswerberin auseinander und beschäftigte sich sowohl mit ihrer derzeitigen Lebenssituation als auch ihrem aktuellen Tagesablauf. Zudem bezog es die Feststellungen zur Situation von Frauen in Afghanistan in seine Erwägungen mit ein. Schließlich kam das Bundesverwaltungsgericht in einer nicht unvertretbaren Weise zum Ergebnis, dass die Zweitrevisionswerberin keine Lebensweise angenommen oder Werthaltung verinnerlicht habe, in der die Anerkennung, die Inanspruchnahme oder die Ausübung von Grundrechten in einer Weise zum Ausdruck komme, wie sie im Herkunftsstaat der revisionswerbenden Parteien nicht möglich wäre. Der Revision gelingt es in diesem Zusammenhang nicht darzulegen, inwiefern die beweiswürdigenden Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts in einer vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden unvertretbaren Weise vorgenommen worden wären.

11       Soweit geltend gemacht wird, das Bundesverwaltungsgericht habe sich nicht mit der „westlichen Orientierung“ der minderjährigen Drittrevisionswerberin auseinander gesetzt, gelingt es der Revision mit diesem Vorbringen nicht, die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für die Drittrevisionswerberin günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, aufzuzeigen (vgl. VwGH 10.3.2020, Ra 2020/14/0041, mwN).

12       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 25. Juni 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020140220.L00

Im RIS seit

26.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

26.08.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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