TE Vwgh Beschluss 2020/6/26 Ra 2020/14/0168

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Veröffentlicht am 26.06.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §7 Abs1 Z1
AsylG 2005 §7 Abs1 Z2
B-VG Art133 Abs4
MRK Art8
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Beachte


Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
Ra 2020/14/0215
Ra 2020/14/0216
Ra 2020/14/0217
Ra 2020/14/0218

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Mag. Schindler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Gnilsen, in den Revisionssachen 1. des A B, 2. der C D, 3. des E F, 4. des G H und 5. des I J, alle in X, alle vertreten durch Mag. Ingeborg Haller, Rechtsanwältin in 5020 Salzburg, Markus Sittikus Straße 9/2/7, gegen die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts je vom 21. Jänner 2020, 1. W233 2120455-2/12E, 2. W233 2215978-1/11E, 3. W233 2215973-1/11E, 4. W233 2215975-1/11E und 5. W233 2226194-1/5E, betreffend (ad 1.) Aberkennung des Status des Asylberechtigten sowie rechtlich davon abhängende Aussprüche nach dem AsylG 2005 und dem FPG sowie (ad. 2 bis 5.) Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revisionen werden zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Erstrevisionswerber und die Zweitrevisionswerberin sind miteinander verheiratet. Die Dritt- bis Fünftrevisionswerber sind ihre gemeinsamen Kinder. Sie alle sind Staatsangehörige Usbekistans.

2        Der Erstrevisionswerber stellte am 29. August 2014 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005). Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) vom 31. August 2016 wurde dem Erstrevisionswerber der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

3        Die Zweitrevisionswerberin reiste mit dem Dritt- und dem Viertrevisionswerber aufgrund eines Visums nach Österreich. Sie stellte für sich und ihre Söhne am 29. August 2017 Anträge auf internationalen Schutz. Am 30. Oktober 2019 wurde für den 2019 geborenen Fünftrevisionswerber ebenfalls ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

4        Infolge Straffälligkeit des Erstrevisionswerbers leitete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit 8. September 2017 ein Aberkennungsverfahren ein. Mit dem (nach Abweisung der Berufung durch das Oberlandesgericht Linz) rechtskräftigen Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 13. August 2018 wurde der Erstrevisionswerber wegen des Verbrechens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten (davon neun Monate unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen) verurteilt.

5        Mit den Bescheiden vom 5. Februar 2019 (hinsichtlich der Zweit- bis Viertrevisionswerber) und vom 4. November 2019 (hinsichtlich des Fünftrevisionswerbers) wies das BFA die Anträge der Zweit- bis Fünftrevisionswerber auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten ab, erteilte ihnen keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen sie Rückkehrentscheidungen, stellte fest, dass ihre Abschiebung nach Usbekistan zulässig sei, und legte jeweils eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für die freiwillige Ausreise fest.

6        Mit Bescheid vom 30. September 2019 erkannte das BFA dem Erstrevisionswerber den Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 und Z 2 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.) und stellte fest, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme. Weiters erkannte es dem Erstrevisionswerber den Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zu (Spruchpunkt II.), erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Usbekistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise legte die Behörde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest (Spruchpunkt VI.). Unter einem erließ sie gegen ihn ein für die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt VII.).

7        Mit dem Erkenntnis vom 21. Jänner 2020 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde des Erstrevisionswerbers hinsichtlich der Spruchpunkte I. bis VI. des angefochtenen Aberkennungsbescheides als unbegründet ab. Hinsichtlich des Spruchpunkts VII. gab es der Beschwerde insoweit Folge, als es die Dauer des Einreiseverbots auf vier Jahre herabsetzte. Die Revision erklärte es gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

8        Mit den Erkenntnissen ebenfalls vom 21. Jänner 2020 wies das BVwG die von der Zweit- bis Fünftrevisionswerbern erhobenen Beschwerden gegen die negativen Asylbescheide als unbegründet ab und sprach jeweils aus, das die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

9        Gegen diese Erkenntnisse erhoben die revisionswerbenden Parteien zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 10. März 2020, E 652-656/2020-9, ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. In der Folge wurden die gegenständlichen Revisionen eingebracht.

10       Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

11       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

12       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

13       Da der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG nur im Rahmen der dafür in der Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert vorgebrachten Gründe zu überprüfen hat, ist er weder verpflichtet, solche anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision hätten führen können, aufzugreifen. Dementsprechend erfolgt nach der Rechtsprechung die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision durch den Verwaltungsgerichtshof ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulassungsbegründung. In der gesonderten Zulassungsbegründung ist konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat (VwGH 6.2.2019, Ra 2018/14/0210, mwN). Eine Zulässigkeitsbegründung, die bloß pauschale Behauptungen, jedoch keine konkrete Rechtsfrage und auch keine Bezugnahme auf (allenfalls fehlende) Judikatur enthält, entspricht diesen Anforderungen nicht (vgl. VwGH 17.1.2020, Ra 2019/14/0601, mwN).

14       Die Revisionen bringen zu ihrer Zulässigkeit vor, das BVwG habe nicht begründet, warum die Revision jeweils nicht zulässig sei. Im Wesentlichen würden sich die Begründungen formelhaft auf den Text des Art. 133 Abs. 4 B-VG beschränken. Das BVwG habe zudem die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen. Ferner habe das BVwG - entgegen der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - keine nachvollziehbare Gefährdungsprognose erstellt und keine ausreichenden Feststellungen zum Gesamtverhalten des Fremden getroffen, um eine allfällige Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit der Republik Österreich beurteilen zu können.

15       Der in den Revisionen geltend gemachte Umstand, dass das BVwG seine Aussprüche über die Unzulässigkeit der Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG lediglich formelhaft begründet habe, wirft nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine Rechtsfrage von der Qualität des Art. 133 Abs. 4 B-VG auf (vgl. VwGH 17.12.2018, Ra 2018/14/0254, mwN).

16       Soweit sich die Revisionen in ihren Zulässigkeitsbegründungen gegen die Beweiswürdigung des BVwG wenden, ist festzuhalten, dass der Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz tätig und im Allgemeinen nicht zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Einzelfall berufen ist. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 16.3.2020, Ra 2019/14/0605, mwN). Den Revisionen gelingt es mit ihren pauschalen Zulässigkeitsvorbringen weder einen konkreten Fallbezug herzustellen noch darzulegen, inwiefern die Beweiswürdigung fehlerhaft wäre.

17       Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgt und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel (vgl. VwGH 8.4.2020, Ra 2020/14/0108, mwN). Den Revisionen gelingt es nicht aufzuzeigen, dass die vom BVwG vorgenommenen, auf die entscheidungswesentlichen Umstände Bedacht nehmender Interessenabwägungen unvertretbar wären.

18       Entgegen den Ausführungen in der Zulässigkeitsbegründung hat es das BVwG, das seiner Beurteilung die vom Erstrevisionswerber konkret verübte strafbare Handlung zugrunde gelegt und im Besonderen darauf hingewiesen hat, dass der Erstrevisionswerber hinsichtlich seiner rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilung jegliche Tat- und Unrechtseinsicht vermissen lasse, nicht unterlassen, eine dem Gesetz entsprechende Gefährdungsprognose vorzunehmen. Insofern die revisionswerbenden Parteien rügen, es seien keine ausreichenden Feststellungen zum Gesamtverhalten des Erstrevisionswerbers getroffen worden, um überhaupt eine allfällige Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit der Republik Österreich beurteilen zu können, legen die Revisionen insbesondere nicht dar, welche weiteren für sie günstigeren Feststellungen vom BVwG zu treffen gewesen wären (zu der bei Verfahrensmängeln erforderlichen Relevanzdarlegung vgl. etwa VwGH 26.2.2020, Ra 2020/20/0049, mwN).

19       In den Revisionen werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revisionen waren daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 26. Juni 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020140168.L00

Im RIS seit

26.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

26.08.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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