TE Vwgh Beschluss 2020/6/26 Ra 2020/14/0077

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Veröffentlicht am 26.06.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AVG §39 Abs2
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
VwGG §41

Beachte


Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
Ra 2020/14/0078
Ra 2020/14/0079
Ra 2020/14/0080
Ra 2020/14/0081

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, die Hofrätin Mag. Rossmeisel und den Hofrat Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Gnilsen, in den Revisionssachen 1. des A B, 2. der C D, 3. des E F, 4. der G H und 5. des I J, alle in X, alle vertreten durch Dr. Anton Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 2-4/2/23, gegen die am 26. Juni 2019 mündlich verkündeten und am 8. August 2019 schriftlich ausgefertigten Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichtes, 1. L521 2164299-1/42E, 2. L521 2164300-1/28E, 3. L521 2166151-1/18E, 4. L521 2166154-1/18E und 5. L521 2166157-1/18E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revisionen werden zurückgewiesen.

Begründung

1        Die Revisionswerber sind türkische Staatsangehörige und Angehörige der kurdischen Volksgruppe. Der Erstrevisionswerber ist der Ehemann der Zweitrevisionswerberin und der Vater der Dritt- bis Fünftrevisionswerber. Sie alle stellten am 30. Juli 2015 Anträge auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005). Diese begründeten sie im Wesentlichen damit, dass der Erstrevisionswerber aufgrund seiner regimekritischen journalistischen Tätigkeit zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt worden sei, die er noch zu verbüßen hätte. Neun der zwölf von ihm verfassten Bücher seien verboten worden.

2        Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wies diese Anträge mit Bescheiden vom 20. Juni 2017 vollumfänglich ab, erteilte den Revisionswerbern keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen sie jeweils eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass ihre Abschiebung in die Türkei zulässig sei. Die Behörde legte die Frist für die freiwillige Ausreise jeweils mit vierzehn Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

3        Mit den angefochtenen Erkenntnissen wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobenen Beschwerden der Revisionswerber nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4        Es begründete seine Entscheidung im Wesentlichen damit, dass der Erstrevisionswerber zwar als Journalist und als Autor tätig gewesen sei. Sein zentrales Verfolgungsvorbringen, nämlich die Verurteilung zu einer langjährigen Haftstrafe wegen einer aufgrund seiner politischen Gesinnung unterstellten Mitgliedschaft bei einer terroristischen Organisation, sei jedoch nicht glaubhaft. Das Vorbringen des Erstrevisionswerbers sei widersprüchlich, in hohem Ausmaß unsubstantiiert sowie von Unkenntnis in wesentlichen Belangen und sich steigernden Elementen gekennzeichnet gewesen. Die vorgelegten Beweismittel hätten sein Vorbringen konterkariert und seien teilweise als nicht authentisch anzusehen.

5        Gegen dieses Erkenntnis erhoben die Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 11. Dezember 2019, E 3535-3539/2019-7, ablehnte und über nachträglichen Antrag mit Beschluss vom 3. Jänner 2020, E 3535-3539/2019-9, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

6        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

8        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9        Die Revisionen bringen dazu in der - insofern allein maßgeblichen - Zulässigkeitsbegründung zusammengefasst vor, das BVwG habe die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes über die Beurteilung der Glaubwürdigkeit anhand des Vorbringens im Vergleich zur einschlägigen Berichtslage missachtet. Weiters fehle Rechtsprechung zur (im Hinblick auf die Verletzung des Art. 10 MRK verfehlten) Ansicht des BVwG, das Verbot von Büchern gegenüber einem Schriftsteller stelle keine asylrelevante Verfolgungshandlung dar. Schließlich habe das BVwG seine Verpflichtung zur amtswegigen Ermittlung gröblich verletzt, weil es Ermittlungen zum für den Erstrevisionswerber erschwerten Zugang zu verfahrensrelevanten Akten in der Türkei, den gegen den Erstrevisionswerber verhängten Haftstrafen und der in diesem Zusammenhang erfolgten Konfiszierung seiner Bücher unterlassen sowie veraltete Länderberichte herangezogen habe.

10       Mit dem nicht weiter auf den vorliegenden Fall bezogenen, sondern lediglich pauschal gehaltenen Vorbringen, die Glaubwürdigkeit des Asylvorbringens sei vor dem Hintergrund der realen Gegebenheiten im Herkunftsstaat zu überprüfen, vermögen die Revisionswerber keinen revisiblen Mangel des angefochtenen Erkenntnisses oder ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aufzuzeigen, wonach im Rahmen der Beweiswürdigung die Asylbehörden den realen Hintergrund der vom Asylwerber vorgetragenen Fluchtgeschichte in ihre Überlegungen einzubeziehen und die Glaubwürdigkeit seiner Behauptungen auch im Vergleich zur einschlägigen Berichtslage zu messen hätten (vgl. VwGH 30.10.2019, Ra 2019/14/0462, mwN).

11       Die Revision geht mit dem weiteren Vorbringen, das BVwG habe die Bedeutung der Meinungs- und Kunstfreiheit iSd. Art. 10 EMRK missachtet, weil eine asylrelevante Verfolgung des Erstrevisionswerbers wegen der Konfiskation seiner Bücher gegeben sei, nicht vom - nach § 41 VwGG maßgeblichen - vom Verwaltungsgericht angenommenen Sachverhalt aus. Entfernt sich die Revision jedoch in der Zulässigkeitsbegründung vom festgestellten Sachverhalt, wird schon deshalb keine fallbezogene Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt (vgl. VwGH 10.7.2019, Ra 2019/14/0288, mwN).

12       Das BVwG hält dazu im Rahmen der Beweiswürdigung fest, dass keine Beweisergebnisse für die Behauptung vorlägen, neun von zwölf Bücher des Erstrevisionswerbers seien verboten worden, insbesondere hätten die Recherchen der Staatendokumentation keinen Hinweis darauf ergeben. Da auch das übrige Vorbringen des Erstrevisionswerbers aus näher dargelegten Gründen nicht als glaubhaft anzusehen sei, könne keine positive Feststellung zum Verbot seiner Bücher getroffen werden. Die Bemerkung des BVwG in der rechtlichen Beurteilung zur Asylrelevanz eines „allenfalls“ erfolgten Verbotes einzelner seiner Werke ist damit nicht entscheidungsrelevant.

13       Das Vorbringen, das BVwG hätte Ermittlungen hinsichtlich des - für den Erstrevisionswerber angeblich erschwerten - Zugangs zu verfahrensrelevanten Akten in der Türkei pflegen müssen, zielt auf die Beweiswürdigung des BVwG ab, in welcher ausgeführt wird, dass es auffällig sei, dass der Erstrevisionswerber zwar Urkunden zu Verhängung geringer Geldstrafen, nicht aber zur behaupteten Verhängung langjähriger Haftstrafen vorgelegt habe.

14       Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser als Rechtsinstanz tätig und im Allgemeinen nicht zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Einzelfall berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 30.3.2020, Ra 2020/14/0020, mwN).

15       Eine solche Unvertretbarkeit wird mit diesem Vorbringen, das lediglich einen untergeordneten Aspekt der eingehenden und sorgfältig begründeten Beweiswürdigung des BVwG betrifft, nicht dargetan. Im Übrigen hat sich der Erstrevisionswerber zum behaupteten, gegen ihn ergangenen Urteil zu einer langjährigen Haftstrafe nicht darauf berufen, dass ihm dieses nicht zugänglich sei. Er hat vielmehr zunächst unzutreffend behauptet, dieses bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren vorgelegt zu haben, und später nach wiederholter Aufforderung ein Dokument vorgelegt, das nach der näher begründeten Beurteilung des BVwG einerseits nicht den behaupteten Inhalt aufweist und andererseits nicht authentisch wirkt.

16       Weiters bringt die Revision vor, das BVwG wäre verpflichtet gewesen, Ermittlungen zu den Anschuldigungen, der Erstrevisionswerber habe terroristische Verbindungen gehabt, sowie zur Beschlagnahme des Großteils der von ihm verfassten Bücher zu unternehmen.

17       Die Frage, ob das Verwaltungsgericht im Rahmen seiner amtswegigen Ermittlungspflicht weitere Ermittlungsschritte setzen muss, unterliegt einer einzelfallbezogenen Beurteilung. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge insoweit nur dann vor, wenn diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre (vgl. VwGH 9.1.2020, Ra 2019/19/0550, mwN).

18       Das BVwG ließ das vorgelegte angebliche Urteil übersetzen und führte im Wege der Staatendokumentation Recherchen sowohl zu diesem Dokument als auch zum behaupteten Strafverfahren und zur Frage, ob Hinweise darauf bestehen, dass Bücher des Erstrevisionswerbers verboten worden seien, durch. Die Revision legt nicht dar, welche darüber hinausgehenden Ermittlungsschritte hätten gesetzt werden sollen und was deren Ergebnis gewesen wäre.

19       Da es nicht ausreicht, die Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften zu behaupten, ohne die Relevanz der behaupteten Verfahrensmängel aufzuzeigen (vgl. VwGH 26.3.2020, Ra 2019/14/0079, mwN), wird damit schon deshalb keine Zulässigkeit der Revision dargetan.

20       Entsprechendes gilt für das Vorbringen, das BVwG habe veraltete Länderberichte herangezogen, ohne dazulegen, welche (neueren) Informationen zu welchen abweichenden Feststellungen geführt hätten.

21       In den Revisionen werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revisionen waren daher zurückzuweisen.

Wien, am 26. Juni 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020140077.L00

Im RIS seit

26.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

26.08.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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