TE Vwgh Erkenntnis 1997/12/18 95/06/0237

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Veröffentlicht am 18.12.1997
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Index

L82005 Bauordnung Salzburg;
80/02 Forstrecht;

Norm

BebauungsgrundlagenG Slbg 1968 §14 Abs1 litb;
ForstG 1975 §11;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Schrefler-König, über die Beschwerde des W in S, vertreten durch Dr. U, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 29. September 1995, Zl. 1/02-9935/22-1995, betreffend Bauplatzerklärung und Abstandsnachsicht, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich seines Spruchpunktes 1 (Bauplatzerklärung) wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Im übrigen (hinsichtlich des Spruchpunktes 2, Abstandsnachsicht) wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Das Land Salzburg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

I.

Mit Antrag vom 18. Jänner 1993 suchte der Beschwerdeführer um die Bauplatzerklärung für den Baulandteil seines Grundstückes Nr. 3/4, KG G, an. Nach den Feststellungen der Gemeinde im Formblatt, welches bei der Weiterleitung an die zuständige Bezirkshauptmannschaft angeschlossen wurde, liegt für das gegenständliche Gemeindegebiet ein rechtswirksamer Flächenwidmungsplan vor und liegt die zur Verbauung vorgesehene Grundstücksfläche nach diesem Flächenwidmungsplan im erweiterten Wohnbaugebiet.

Der Beschwerdeführer beantragte auch ("wegen Zugestehens des Gleichheitsgrundsatzes bezüglich der Bebauung auf dem Anrainergrundstück 3/10 KG G") gemäß § 25 Abs. 8 Salzburger Bebauungsgrundlagengesetz in bezug auf die nördliche Bauplatzgrenze die Erteilung der Abstandsnachsicht.

Für den Fall, daß "die Behörde im Rahmen des Verfahrens zur Ansicht gelangen" sollte, "daß der Gefahrenzonenplan Auswirkungen auf diesen Antrag um Bauplatzerklärung" habe, beantragte der Beschwerdeführer bereits in seinem Antrag die Berücksichtigung von in anderen Verfahren vorgelegten Urkunden und Ausführungen und Einwendungen. Er führte darüber hinaus in seinem Antrag bereits aus, daß die Frist für die Verbauung des Zinkenbaches am 31. Oktober 1992 abgelaufen sei. Die Verbauung des Zinkenbaches hätte zu diesem Zeitpunkt gemäß den Statuten der Wassergenossenschaft Zinkenbachverbauung so erfolgt sein müssen, daß Gefahren eines Ereignisses mit der Wiederkehrswahrscheinlichkeit von ca. 150 Jahren (Bemessungsereignis) zur Gänze für den Außenbereich des Zinkenbaches ausgeschlossen seien. Es sei dafür zu sorgen, daß die Verbauungsmaßnahmen ehebaldigst durchgeführt würden. Bis dahin reiche das Durchflußprofil mit Sicherheit aus. Der Gefahrenzonenplan gehe von der "unsinnigen Annahme" aus, daß der Zinkenbach in kürzester Zeit wieder mit Geschiebe aufgefüllt werde und die Geschiebeentnahme für die öffentliche Hand zu teuer komme. Tatsächlich sei der Zinkenbach mit hohem Gewinn für die österreichischen Bundesforste vom Geschiebe befreit worden und sei das heute große Durchflußprofil ohne Kosten für die öffentliche Hand hergestellt worden. Es sei vielmehr so, daß auf Antrag der Wildbach- und Lawinenverbauung die Geschiebeentnahme im Steingrabenbach und im Zinkenbach von der Behörde seit Jahren verzögert bzw. behindert werde und es könne keine Rede davon sein, daß die Geschiebeentnahme wegen zu hoher Kosten für die öffentlich Hand nicht gewährleistet sei.

Die Behörde erster Instanz führte am 29. Juli 1993 eine mündliche Verhandlung über das Ansuchen durch. An der Verhandlung nahmen sowohl ein wasserbautechnischer Sachverständiger als auch ein Sachverständiger der Wildbach- und Lawinenverbauung teil.

Der Sachverständige für Wildbach- und Lawinenverbauung gab folgende Stellungnahme ab:

"Der gegenständliche Teil des Grundstückes Nr. 3/4 KG G liegt in der Roten Gefahrenzone des Zinkenbaches, wie im Revisionsoperat Gefahrenzonenplan St. Gilgen/Zinkenbach rechtsgültig ausgewiesen ist.

Wegen der Lage der gegenständlichen Fläche in der Roten Gefahrenzone wird seitens der Wildbachverbauung eine Bauplatzerklärung verweigert."

Der wasserbautechnische Sachverständige gab nach der Niederschrift über die mündliche Verhandlung keine Erklärung ab.

Da bis Dezember 1993 keine Entscheidung über den Antrag getroffen wurde, stellte der Beschwerdeführer einen Devolutionsantrag.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid entschied die belangte Behörde über die Anträge des Beschwerdeführers.

Im Spruchpunkt 1 gab die belangte Behörde dem Antrag auf Erteilung der Bauplatzerklärung für eine Teilfläche aus der Gp. 3/4, KG G, keine Folge, im Spruchpunkt 2 wies sie den Antrag auf Erteilung der Ausnahmegenehmigung zur Unterschreitung des Nachbarabstandes gemäß § 25 Abs. 8 Bebauungsgrundlagengesetz als unzulässig zurück.

Begründend führt die belangte Behörde nach Wiedergabe der oben wörtlich zitierten Stellungnahme des Vertreters der Wildbach- und Lawinenverbauung und der Ausführungen des Beschwerdeführers in seinem Antrag vom 18. Jänner 1993 insbesondere aus, daß gemäß §§ 8 und 11 des Forstgesetzes 1975, BGBl. Nr. 440 idgF. in Verbindung mit der Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 30. Juni 1976, BGBl. Nr. 436/1976, die Wildbach- und Lawinenverbauung einen Gefahrenzonenplan für

St. Gilgen/Zinkenbach erstellt habe. Dieser Gefahrenzonenplan beruhe auf gutachtlichen Erkenntnissen von Sachverständigen und bestehe aus einem textlichen und kartographischen Teil.

Gemäß § 14 Abs. 1 lit. b Bebauungsgrundlagengesetz sei eine Bauplatzerklärung zu versagen, wenn die Grundfläche vom Standpunkt des öffentlichen Interesses für die Bebauung ungeeignet erscheine. Dies sei unter anderem der Fall, wenn die Grundfläche im Gefährdungsbereich von Hochwässern gelegen sei und sohin eine Bebauung nicht zulasse; diese Gründe stellten dann keinen Versagungstatbestand dar, wenn sie durch wirtschaftlich vertretbare Maßnahmen nachweislich behebbar seien und es sich um bereits weitgehend verbaute Gebiete handle.

Gemäß § 6 der zitierten Verordnung seien auf der Gefahrenzonenkarte die Gefahrenzonen unter Zugrundelegung eines Ereignisses mit einer Wiederkehrswahrscheinlichkeit von ca. 150 Jahren (Bemessungsereignis) sowie die Vorbehaltsbereiche nach in der Folge näher dargestellten Kriterien abzugrenzen.

Gerade im gegenständlichen Verfahren seien - wie sich aus dem im Akt aufliegenden Schriftwechsel des Einschreiters mit dem Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft ergebe - besonders sorgfältige Ermittlungen hinsichtlich einer Gefährdung der gegenständlichen Parzelle 3/4, KG G, angestellt worden, welche in diesem konkreten Verfahren jedenfalls zu verwerten seien. Wie sich aus einem ebenfalls in der Niederschrift betreffend die Revision des Gefahrenzonenplanes ergebe, sei hinsichtlich der besagten Parzelle ein Gutachten der forstlichen Bundesversuchsanstalt, Institut für Wildbachkunde, eingeholt worden, und darin festgestellt worden, daß eine Gewährung einer Ausnahme von den Hinderungsgründen für das Grundstück 3/4, KG G, im Mündungsbereich des Zinkenbaches nur unter Einhaltung bestimmter Schutzvorkehrungen möglich erscheine, wenn der Schutzbedarf - an die öffentliche Hand gerichtet - nicht weiter erhöht werde.

Zur Zeit sei jedoch aufgrund der im Akt erliegenden Unterlagen eine Gefährdung im Sinne des § 14 Abs. 1 lit. b Bebauungsgrundlagengesetz gegeben. Da durch den Einschreiter auch keinerlei Maßnahmen konkret genannt worden seien, wie in wirtschaftlich vertretbarer Weise dieser Gefährdung zu begegnen sein werde, sei die spruchgemäß beantragte Bauplatzerklärung zu versagen gewesen.

Zur Zurückweisung des Antrages betreffend die Ausnahmegenehmigung gemäß § 25 Abs. 8 Bebauungsgrundlagengesetz wird festgehalten, daß die Genehmigung durch die für die Baubewilligung zuständige Behörde zu erfolgen habe. Der entsprechende Antrag wäre sohin an die Gemeinde zu stellen gewesen und sei daher als unzulässig zurückzuweisen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer ficht den Bescheid "seinem ganzen Inhalt nach" an und macht die Verletzung im Recht auf Erteilung einer Bauplatzerklärung geltend.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und beantragt, die Beschwerde unter Zuspruch des Vorlageaufwandes abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die belangte Behörde hat die Abweisung des Antrages auf Bauplatzerklärung ausschließlich auf § 14 Abs. 1 lit. b des (Sbg.) Bebauungsgrundlagengesetzes (BGG), LGBl. Nr. 69/1968, in der im Beschwerdefall maßgeblichen Fassung zuletzt geändert durch das Landesgesetz LGBl. Nr. 13/1995, gestützt. § 14 Abs. 1 lit. b BGG lautet:

"Entscheidung über das Ansuchen

§ 14

(1) Die Bauplatzerklärung ist zu versagen, wenn die Grundfläche vom Standpunkt des öffentlichen Interesses für die Bebauung ungeeignet erscheint. Dies ist der Fall, wenn

a)

...;

b)

die Grundfläche infolge ihrer Bodenbeschaffenheit oder weil sie im Gefährdungsbereich von Hochwasser, Lawinen, Murgängen, Steinschlag u.dgl. gelegen ist, eine Bebauung nicht zuläßt;

..."

Die belangte Behörde hat sich in der Begründung des angefochtenen Bescheides insbesondere darauf gestützt, daß das verfahrensgegenständliche Grundstück unstrittig in der Roten Gefahrenzone des Zinkenbaches (nach dem Gefahrenzonenplan aufgrund des Forstgesetzes) liege.

Die belangte Behörde hat sich jedoch nicht mit den vom Beschwerdeführer bereits in seinem Antrag vorgebrachten Einwendungen im Hinblick auf die Entstehungsgeschichte des Gefahrenzonenplanes und die nach der Erstellung des Gefahrenzonenplanes gesetzten Maßnahmen bzw. die von der Wassergenossenschaft Zinkenbach zu setzenden Maßnahmen auseinandergesetzt. Auch der Sachverständige der Wildbach- und Lawinenverbauung hat in der Verhandlung am 29. Juli 1993 keinerlei inhaltliche Ausführungen zur Frage der derzeitigen Gefährdung des in Rede stehenden Grundstückes getroffen (die oben wörtlich wiedergegebene Stellungnahme besteht nur in der Feststellung der Lage des Grundstücks in der Roten Zone und der Abgabe einer Willenserklärung für die Wildbach- und Lawinenverbauung). Er ist demnach auch nicht konkret auf die Einwände des Beschwerdeführers eingegangen. Die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid weiters genannten Beweismittel (Schriftverkehr zwischen dem Beschwerdeführer und dem Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Gutachten der forstlichen Bundesversuchsanstalt) werden nicht näher dargestellt und sind somit nicht Gegenstand der Sachverhaltsfeststellungen der belangten Behörde. Darüber hinaus spricht offenbar gerade das Gutachten der forstlichen Bundesversuchsanstalt dafür, unter Einhaltung bestimmter Schutzvorkehrungen die Bauplatzerklärung für zulässig zu erachten. Aus welchen Gründen die belangte Behörde dennoch davon ausgegangen ist, daß "zur Zeit ... auf Grund der im Akt vorliegenden Unterlagen eine Gefährdung im Sinne des § 14 Abs. 1 lit. b Bebauungsgrundlagengesetz jedenfalls gegeben" sei, wird im angefochtenen Bescheid nicht näher begründet. So wird insbesondere nicht dargetan, inwiefern sich der von der forstlichen Versuchsanstalt angesprochene "Schutzbedarf an die öffentliche Hand" erhöhen würde. Die belangte Behörde ist auch nicht auf die Frage eingegangen, ob und inwieweit durch die von der Bezirkshauptmannschaft angenommene "Räumungsverpflichtung" hinsichtlich des Zinkenbaches, aufgrund derer offenbar wasserrechtliche Bewilligungen zur Schotterentnahme erteilt wurden bzw. auch angenommen wurde, daß für die Schotterentnahme keine naturschutzrechtliche Bewilligungspflicht bestehe, die Gefährdungssituation verändert wurde. Im Hinblick darauf ist es nicht ausreichend, auf einen nicht näher zitierten Gefahrenzonenplan (der nach den vorliegenden Unterlagen offenbar spätestens 1990 erstellt bzw. aktualisiert worden sein dürfte) Bezug zu nehmen, ohne sich mit den konkreten Einwendungen des Beschwerdeführers auseinanderzusetzen. Dies umso mehr angesichts der auch von der belangten Behörde zugrunde gelegten Rechtslage, daß für die Beurteilung nach § 14 Abs. 1 lit. b BGG der Einreihung in die Rote Zone nach dem Gefahrenzonenplan aufgrund des Forstgesetzes allein keine maßgebliche Bedeutung zukommen kann, sondern auf die konkrete Möglichkeit einer Gefährdung abzustellen wäre (vgl. dazu hinsichtlich der Gefährdung durch Lawinen schon das hg. Erkenntnis vom 22. Mai 1980, Zl 3064/78, auf welches die belangte Behörde - wie die Übernahme von Formulierungen aus diesem Erkenntnis zeigt - an sich Bedacht genommen hat).

Der angefochtene Bescheid leidet daher insoweit an einem Begründungsmangel. Dieser Mangel ist auch wesentlich im Sinne des § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG, da die belangte Behörde bei Vermeidung des Verfahrensmangels zu einem anderen Bescheid hätte kommen können und der Begründungsmangel den Verwaltungsgerichtshof daran hindert, die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides insoweit zu überprüfen (vgl. dazu die bei Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Aufl., unter Z 29 bis 31 wiedergegebene hg. Rechtsprechung oder das bereits genannten Erkenntnis vom 22. Mai 1980, Zl. 3064/78).

Spruchpunkt 1 des angefochtenen Bescheides war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

2. Soweit der Beschwerdeführer mit seiner Beschwerde auch Spruchpunkt 2 des angefochtenen Bescheides bekämpft, erweist sich die Beschwerde jedoch als unbegründet.

Der Beschwerdeführer erachtet sich lediglich im Recht auf Bauplatzerklärung verletzt. Er kann daher durch Spruchpunkt 2 (Zurückweisung des Antrags auf Erteilung einer Abstandsnachsicht) nicht in dem geltend gemachten Recht verletzt sein. Es ist daher auch nicht entscheidungswesentlich, ob sich der Devolutionsantrag des Beschwerdeführers vom 9. Dezember 1993, in dem dieser darauf hinweist, daß er am "18.1.1993 um Bauplatzerklärung angesucht" habe und die GZ der Bezirkshauptmannschaft nennt, unter der das Verfahren laufe, auch auf den Antrag auf Erteilung einer Abstandsnachsicht erstreckte. Im übrigen trifft die Auffassung der belangten Behörde, daß über die Abstandsnachsicht die Baubehörde zu entscheiden habe, zu.

Insoweit war die Beschwerde daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft zuviel verzeichneten Aufwand an Stempelgebühren, da Bescheid und Beilagen nur einmal vorzulegen gewesen sind.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995060237.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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