TE Vwgh Beschluss 2020/7/30 Ra 2019/20/0383

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Veröffentlicht am 30.07.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §18 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
VwGG §41

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, in der Rechtssache der Revision des A S P in W, vertreten durch Mag. Wolfgang Renzl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Weihburggasse 26/4, dieser vertreten durch Mag.a Nadja Lorenz, Rechtsanwältin in 1070 Wien, Burggasse 116, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Juli 2019, W242 2192937-1/8E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein iranischer Staatsangehöriger, stellte am 3. November 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Im Rahmen der Erstbefragung gab er an, er habe seinen Glauben gewechselt. Nach seinem Abfall vom Islam habe er im Iran um sein Leben fürchten müssen.

2        In der vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl durchgeführten Einvernahme vom 20. Februar 2018 brachte der Revisionswerber zu seinen Fluchtgründen befragt im Wesentlichen vor, er habe im Iran den Grundwehrdienst geleistet und sei Unteroffizier gewesen. Bei einer Zimmerdurchsuchung in der Kaserne sei seine Bibel gefunden worden. Ein Arbeitskollege habe ihn angerufen und gesagt, dass er am Abend nicht mehr in die Kaserne zurückkommen solle.

3        Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21. März 2018 wurde der Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz abgewiesen, ihm kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung in den Iran zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt.

4        Die vom Revisionswerber dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis nach Durchführung einer Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht im Hinblick auf das Vorbringen zur Konversion des Revisionswerbers zusammengefasst aus, dieser habe aus näher genannten Gründen nicht glaubhaft darlegen können, dass er aufgrund eines inneren Entschlusses zum Christentum konvertiert sei, weshalb sich seine Hinwendung zum Christentum als Scheinkonversion erweise.

5        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu treffen.

7        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8        In der Revision wird zu ihrer Zulässigkeit vorgebracht, das Bundesverwaltungsgericht sei von näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Konversion abgewichen.

9        Nach der Rechtsprechung kommt es bei der Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels und der Prüfung einer Scheinkonversion auf die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung des Konvertiten an, die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung von Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten zu ermitteln ist. In Bezug auf die asylrechtliche Relevanz einer Konversion zum Christentum ist nicht entscheidend, ob der Religionswechsel durch die Taufe erfolgte oder bloß beabsichtigt ist. Wesentlich ist vielmehr, ob der Fremde bei weiterer Ausübung seines (behaupteten) inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, im Falle seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsste, aus diesem Grund mit die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktionen belegt zu werden (vgl. VwGH 25.3.2020, Ra 2020/14/0130; 29.5.2019, Ra 2019/20/0230, jeweils mwN). Maßgebliche Indizien für einen aus innerer Überzeugung vollzogenen Religionswechsel sind beispielsweise das Wissen über die neue Religion, die Ernsthaftigkeit der Religionsausübung, welche sich etwa in regelmäßigen Gottesdienstbesuchen oder sonstigen religiösen Aktivitäten manifestiert, eine mit dem Religionswechsel einhergegangene Verhaltens- bzw. Einstellungsänderung des Konvertiten sowie eine schlüssige Darlegung der Motivation sowie des auslösenden Moments für den Glaubenswechsel (vgl. VwGH 9.4.2020, Ra 2020/14/0138; 29.1.2020, Ra 2019/18/0258, mwN).

10       Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser - als Rechtsinstanz - zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 3.6.2020, Ra 2020/20/0161, mwN).

11       Das Bundesverwaltungsgericht hat sich in einer mündlichen Verhandlung einen persönlichen Eindruck vom Revisionswerber verschafft, ihn zu seinen Motiven zum Religionswechsel und seinen religiösen Aktivitäten befragt und ist mit näherer Begründung in einer Gesamtschau zur Auffassung gelangt, dass eine innere Konversion nicht glaubhaft gemacht werden konnte. Eine Unvertretbarkeit dieser Beweiswürdigung vermag die Revision nicht aufzuzeigen.

12       Davon ausgehend kommt es auf das weitere Zulassungsvorbringen zur Asylrelevanz einer Konversion und auf die näheren Ausführungen zur Situation von Konvertiten im Iran nicht mehr an.

13       Weiters macht die Revision die unterlassene Einvernahme des Pastors und einer in der mündlichen Verhandlung namentlich genannten Person, welche vom Revisionswerber missioniert worden sei, geltend. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits klargestellt, dass die Frage, ob auf Basis eines konkret vorliegenden Standes eines Ermittlungsverfahrens ein „ausreichend ermittelter Sachverhalt“ vorliegt oder ob weitere amtswegige Erhebungen erforderlich sind, regelmäßig keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, sondern eine jeweils einzelfallbezogen vorzunehmende Beurteilung darstellt (vgl. VwGH 17.5.2019, Ra 2019/01/0066; 25.2.2019, Ra 2019/19/0017, mwN). Die Revision vermag nicht aufzuzeigen, dass dem Bundesverwaltungsgericht bei dieser Beurteilung ein vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifender wesentlicher Verfahrensmangel unterlaufen wäre, umso mehr, als die Revision keine Ausführungen dazu, inwieweit diese Aussagen zum entscheidungswesentlichen Sachverhalt hätten beitragen können und damit zur Relevanz des behaupteten Verfahrensfehlers enthält.

14       Insoweit die Revision vorbringt, das Bundesverwaltungsgericht weiche bezüglich der vorgelegten Geburtsurkunde und des vorgelegten Militärbuchs von der Notwendigkeit zur Einräumung von Parteiengehör und den Anforderungen an eine gesetzeskonforme Begründung ab, ist zu entgegnen, dass sich das Recht auf Parteiengehör nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf den von der Behörde festzustellenden maßgeblichen Sachverhalt bezieht. Die Beweiswürdigung im Sinn des § 45 Abs. 2 AVG, also die Frage aus welchen Gründen die Behörde welchen Beweismitteln zu folgen gedenkt, zählt aber nicht zu den Ergebnissen des Beweisverfahrens (vgl. VwGH 15.4.2019, Ra 2019/20/0110, mwN). Abgesehen davon ist nicht zu sehen und wird in der Revision auch nicht dargelegt, inwieweit die vom Bundesverwaltungsgericht nicht feststellbare Identität des Revisionswerbers aufgrund des in Kopie vorgelegten Militärbuches Auswirkungen auf die Prüfung der Konversion gehabt hat.

15       Wenn sich die Revision schließlich auf fehlende Ermittlungen und Feststellungen zur Wehrdienstverweigerung stützt, ist darauf zu verweisen, dass sich der Revisionswerber - entgegen den Ausführungen in der Revision - weder im Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl noch im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht auf eine Verfolgung wegen Desertion berufen hat.

16       Dem Vorbringen des Asylwerbers im Verfahren kommt zentrale Bedeutung zu. Das geht auch aus § 18 Abs. 1 AsylG 2005 deutlich hervor, wonach das Bundesamt und das Bundesverwaltungsgericht in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken haben, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Beweismittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Beweismittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Diese Pflicht bedeutet aber nicht, ohne entsprechendes Vorbringen des Asylwerbers oder ohne sich aus den Angaben konkret ergebende Anhaltspunkte jegliche nur denkbaren Lebenssachverhalte ergründen zu müssen (vgl. VwGH 10.8.2018, Ra 2018/20/0314, mwN).

17       Dem Revisionswerber wurde im gesamten behördlichen und gerichtlichen Verfahren ausreichend Gelegenheit gegeben, seine Fluchtgründe darzulegen. Er hat sich dabei ausschließlich auf eine Verfolgungsgefahr aufgrund des Religionswechsels berufen. Auch in der Beschwerde wurde kein Vorbringen zu einer wegen Wehrdienstverweigerung befürchteten Verfolgung erstattet.

18       Die erstmals in der Revision dazu erstatteten Ausführungen unterliegen daher zudem dem im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof aus § 41 VwGG abgeleiteten Neuerungsverbot, weshalb sie auch aus diesem Grund nicht geeignet sind, die Zulässigkeit der Revision im Sinn von Art. 133 Abs. 4 B-VG zu begründen (vgl. VwGH 4.10.2019, Ra 2019/14/0465, mwN).

19       In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und Abs. 3 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Wien, am 30. Juli 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019200383.L00

Im RIS seit

03.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

03.09.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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