Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé und die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** T*****, vertreten durch Dr. Siegfried Sieghartsleitner, Rechtsanwalt in Wels, gegen die beklagten Parteien 1. U***** H*****, 2. A***** M*****, und 3. U***** AG, *****, alle vertreten durch Ing. Mag. Klaus Helm, Rechtsanwalt in Linz, wegen 27.258,50 EUR sA, über die Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 26. November 2019, GZ 6 R 116/19z-122, womit das Urteil des Landesgerichts Wels vom 31. Juli 2019, GZ 8 Cg 97/14g-116, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision der beklagten Parteien wird zurückgewiesen.
Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit 1.984,34 EUR (darin 330,72 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Das Berufungsgericht ließ nachträglich die ordentliche Revision zu, weil es den Umfang der Bindung an den im ersten Rechtsgang zu 2 Ob 164/17g ergangenen Aufhebungsbeschluss des Obersten Gerichtshofs unrichtig interpretiert haben könnte.
Entgegen diesem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision der Beklagten nicht zulässig. Die Entscheidung hängt nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ab:
Rechtliche Beurteilung
1. Die Beklagten haben für die Schadensfolgen des Unfalls vom 28. 4. 2001, bei dem die Klägerin verletzt wurde, einzustehen. Das vorliegende Revisionsverfahren betrifft den Verdienstentgang der Klägerin für die Jahre 2012 und 2013. Zu diesem wurde in der Entscheidung 2 Ob 164/17g ausgeführt, dass es ergänzender Festellungen zu seiner Höhe bedürfe. Was die Berechtigung des Anspruchs dem Grunde nach anlange, sei der Streitpunkt dagegen abschließend erledigt.
Das Erstgericht traf im zweiten Rechtsgang entsprechende Feststellungen zur Höhe und sprach der Klägerin den sich daraus ergebenden Betrag zu. Die nunmehr von den Beklagten aufgeworfene Frage der (überholenden) Kausalität sei dagegen Teil des Anspruchsgrundes und deshalb nicht mehr aufzurollen. Das Berufungsgericht bestätigte dies.
2. Gemäß dem nach § 513 ZPO auch im Revisionsverfahren anzuwendenden § 496 Abs 2 ZPO hat sich im Fall einer Entscheidung nach dieser Gesetzesstelle das Verfahren vor dem Prozessgericht auf die unerledigt gebliebenen oder vom Mangel betroffenen Teile des erstinstanzlichen Verfahrens oder Urteils zu beschränken. Die Beantwortung jener Fragen, die vom Rechtsmittelgericht, das die Aufhebung verfügt hat, auf der Grundlage des gegebenen Sachverhalts bereits abschließend entschieden wurden, kann dagegen nicht mehr in Zweifel gezogen werden. Abschließend erledigte Streitpunkte können somit im fortgesetzten Verfahren nicht mehr aufgerollt werden (RS0042031).
3. Diese inhaltliche Beschränkung gilt nach der Rechtsprechung auch nach Aufhebungsbeschlüssen wegen des Vorliegens von Feststellungsmängeln. Die Verfahrensergänzung ist auch hier auf den durch die Aufhebung betroffenen Teil einzugrenzen (10 ObS 55/13f; RS0042031 [T18]). Auch wenn gemäß § 496 Abs 1 Z 3 ZPO mit einer Aufhebung vorgegangen wird, können abschließend erledigte Streitpunkte nicht wieder aufgerollt werden (1 Ob 173/05f; 9 Ob 4/09t; RS0042435 [T7]; Lovrek in Fasching/Konecny³ § 511 Rz 4; Pimmer in Fasching/Konecny³ § 496 Rz 77). Eine Durchbrechung dieses Grundsatzes wird nur für Tatsachen anerkannt, die erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung im vorangegangenen Rechtsgang entstanden sind (RS0042031 [T19]; RS0042435 [T8]), was hier nicht vorliegt.
4. Zum Grund des Anspruchs gehören alle rechtserzeugenden Tatsachen, aus denen der Anspruch abgeleitet wird, und alle Einwendungen, die seinen Bestand berühren (RS0122728), also auch der Kausalzusammenhang des schädigenden Verhaltens mit einer der behaupteten Schadensfolgen (RS0040935 [T8]; vgl RS0102003 [T6, T10, T11]).
5. Die Beklagten sind der Ansicht, der Oberste Gerichtshof habe mit der genannten Entscheidung nur die Frage der Schadenminderungspflicht abschließend beurteilt, nicht jedoch jene der überholenden Kausalität. Das Erstgericht habe schon im ersten Rechtsgang die Feststellung getroffen, dass (nach dem medizinischen Leistungskalkül) auch die nicht unfallskausalen körperlichen Einschränkungen der Klägerin für sich allein ihre Arbeitsfähigkeit als Verkäuferin bei ihrem früheren Arbeitgeber in gleicher Weise wie vor dem Unfall ausschließen würden. Es sei offenbar ungeprüft geblieben, ob nicht auch bereits aus diesem (nicht unfallskausalen) Grund eine Weiterbeschäftigung der Klägerin bei ihrem früheren Arbeitgeber unmöglich gewesen wäre. Das Erst- und das Berufungsgericht hätten die diesbezüglichen Ausführungen des Obersten Gerichtshofs missverstanden und hätten dennoch Verdienstentgang zugesprochen. Dass aber auch bei fehlender bzw überholender Kausalität ein solcher zustehe, könne der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs nicht unterstellt werden.
6. Die Beklagten übersehen, dass sie im ersten Rechtsgang selbst nach Vorliegen der mehrfach erörterten Gutachten der beigezogenen Sachverständigen kein konkretes Vorbringen dahin erstattet haben, dass die Klägerin in den streitgegenständlichen Jahren 2012 und 2013 auch ohne den Unfall wegen ihrer gesundheitlichen Vorschädigung nicht mehr als Verkäuferin gearbeitet hätte. Sie hielten dies nur für „fraglich“ (AS 12).
Für die Berücksichtigung einer – vom Schädiger zu beweisenden (4 Ob 23/98f; 4 Ob 204/13y; RS0106534 [T4]; RS0106535) – überholenden Kausalität muss jedoch feststehen, dass der gleiche Erfolg auch ohne das (reale) Schadensereignis zu einem bestimmten Zeitpunkt eingetreten wäre; es genügt nicht, dass der Erfolg „irgendwann“ eintreten wird (1 Ob 175/01v; 2 Ob 78/07w). Der maßgebende Zeitpunkt muss mit einiger Sicherheit bestimmt werden können (RS0106534).
7. Ob aber die Klägerin schon in den streitgegenständlichen Jahren zur Verrichtung einer Tätigkeit als Verkäuferin in einer Bäckerei nicht (mehr) imstande gewesen wäre, geht aus den Feststellungen nicht hervor. Im Übrigen vermochte das Erstgericht im ersten (wie auch im zweiten) Rechtsgang ohne nähere zeitliche Eingrenzung auch nicht festzustellen, ob die Klägerin eine Tätigkeit bei ihrem früheren Arbeitgeber als Verkäuferin „bei Überschreitung ihres Leistungskalküls auf längere Sicht gesundheitlich durchgehalten hätte“. Die aus diesen Feststellungen resultierende Ungewissheit, ob die Klägerin in den beiden streitgegenständlichen Jahren (noch) als Verkäuferin gearbeitet hätte, ging schon im ersten Rechtsgang zu Lasten der behauptungs- und beweisbelasteten Beklagten (RS0106535), sodass eine weitere Prüfung nicht geboten war.
8. Es trifft daher nicht zu, dass im ersten Rechtsgang den Grund des Anspruchs betreffende Einwände der Beklagten unbeachtet geblieben sind. Vielmehr haben die Vorinstanzen den im ersten Rechtsgang abschließend erledigten Grund des Anspruchs im Einklang mit der erörterten Rechtsprechung im zweiten Rechtsgang nicht wieder aufgerollt. Die Revision zeigt somit keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf und ist deshalb zurückzuweisen.
9. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO. Da die Klägerin in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen hat, diente ihr Schriftsatz der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung.
Textnummer
E128903European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2020:0020OB00026.20T.0629.000Im RIS seit
26.08.2020Zuletzt aktualisiert am
07.12.2020